Clara-Zetkin-Haus, Gorch-Fock-Str. 26, 70619 Stuttgart
Veranstalter: Rosa Luxemburg Stiftung Baden-Württemberg
Seit dem brutalen russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 ist der Krieg zurück in Europa. Begleitet wird er von einer schwindelerregenden Aufrüstungsspirale und umfangreichen Wirtschaftssanktionen mit massiven sozialen und geopolitischen Folgewirkungen. Die mediale Berichterstattung geriert sich auch in Deutschland oft als einseitige Kriegspropaganda und diffamiert kritische Stimmen. Bei vielen Menschen wächst daher die Angst vor einer neuen atomaren Eskalation. Klar ist: Zur Vorgeschichte dieses Krieges gehören die inneren Widersprüche und die Entwicklung des russischen Staates und seiner imperialen Haltung mit Blick auf den postsowjetischen Raum ebenso wie eine verfehlte Politik der NATO-Osterweiterung und einer bedrängenden EU-Nachbarschaftspolitik.
Gemeinsam wollen wir diskutieren über Ursachen und Lösungsstrategien des Krieges in der Ukraine, über dessen geopolitisches und -ökonomisches Umfeld und über die Frage: Wie könnte eine aktuelle kriegskritische, antimilitaristische und friedenspolitische Position aussehen?
09:30 Uhr | Einlass – Kaffee & Brezeln
10:00 Uhr | Begrüßung – Renate Angstmann-Koch (Vorstitzende der Rosa-Luxemburg-Stiftung Baden-Württemberg)
10:15 Uhr | Sozialisten und Krieg: Ein Rückblick – Erhard Korn (stellvertr. Vorstitzender der Rosa-Luxemburg-Stiftung Baden-Württemberg)
Jeder Krieg der letzten 150 Jahre hat unter Sozialisten und Demokraten Konflikte ausgelöst, Konflikte innerhalb der Linken eines Landes und noch mehr Konflikte zwischen den Linken der kriegsführenden Länder. Die übergroße Mehrheit stand zum eigenen Vaterland, das sich immer als das angegriffene Land sah, und stets galt die Unterstützung der eigenen Regierung als Beitrag zu Frieden, Demokratie und Sozialismus. Eine Minderheit erinnerte stets eher hilflos an verratene internationalistische Prinzipien. Während des Ersten Weltkriegs führten diese Konflikte zu einem noch nicht überwundenen Schisma der Arbeiterbewegung, in Italien sogar zur Gründung der faschistischen Bewegung. Doch was kann von diesen Diskussionen gelernt werden für ein linkes Agieren in den neuen Zuspitzungen und vor allem angesichts des russischen Einmarschs in der Ukraine?
10:45 Uhr | «Zeitenwende» – Ukrainekrieg und neue Welt(un)ordnung – John P. Neelsen (Soziologe, apl. Prof. Uni Tübingen; GK Friedens- und Sicherheitspolitik bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung)
Lösungsstrategien zur Beendigung des Massensterbens in der Ukraine bedürfen der Analyse der Kriegsursachen. Diese wiederum können nicht alleine in den Interessen Russlands und schon gar nicht alleine in der Psychologie Wladimir Putins gefunden werden. Vielmehr bedarf es einer umfassenden Analyse der geo-politischen und geo-ökonomischen Konstellationen zwischen und innerhalb der Machtblöcke USA – Europa – Russland – China und nicht zuletzt muss gefragt werden, wie die internationale Ordnung umgebaut werden muss, um den Emanzipationsinteressen des Globalen Südens in einem System von Kooperation und internationaler Solidarität gerecht zu werden.
12:00 Uhr | «Zeitenwende» – auch innenpolitisch und sozial? – Bernd Riexinger (MdB DIE LINKE)
100 Milliarden «Sondervermögen» für die Bundeswehr, 2 Prozent des BIP dauerhaft für den Militäretat – die von Olaf Scholz ausgerufene «Zeitenwende» hat ganz konkrete Folgen auch für die Sozial- und Bildungspolitik in Deutschland. Die Einführung einer armutsfesten Kindergrundsicherung, die Anpassung des ohnehin viel zu niedrig bemessenen Bürgergeldes an die Inflation, der dringend benötigte Personalausbau im Bildungs- und Gesundheitssystem – angeblich nicht möglich aufgrund der (selbst geschaffenen) Knappheit öffentlicher Mittel. Die «Zeitenwende» zeigt sich aber auch in einem öffentlichen und medialen Klima, in dem Kritik an der Politik der Bundesregierung im Ukraine-Krieg schnell in den Verdacht gerät, das Leid der Menschen in der Ukraine zu negieren oder gar den «Feind zu begünstigen».
12:30 Uhr | Mittagspause – Essen
13:30 Uhr | Ukrainekrieg und linke Kontroversen – Spaltet der Ukraine-Krieg die Linke? – Ingar Solty (Referent für Friedens- und Sicherheitspolitik am Institut für Gesellschaftsanalyse der Rosa-Luxemburg-Stiftung)
Dass ein Krieg die Linke spaltet, ist historisch betrachtet nichts Neues. Wir kennen ähnliche Phänomene z.B. aus der Zeit des Ersten Weltkriegs oder des Zweiten Golfkriegs von 1990. Gute Gründe dafür zu haben, dass es ein Gebot der internationalen Solidarität sei, dass jetzt Waffen und noch mehr Waffen an die Ukraine geliefert werden, behaupten auch Linke unterschiedlicher Couleur. Andere Linke lehnen Waffenlieferungen in Kriegs- und Krisengebiete strikt ab und sehen die Verantwortung einer internationalistischen Linken darin, Druck auf die Regierungen zu machen, um zu einem sofortigen Waffenstillstand und einer diplomatischen Lösung des Konflikts zu kommen. Wie könnte in dieser diskursiven Gemengelange eine aktuelle kriegskritische, antimilitaristische und friedenspolitische Position der Linken aussehen?
14:45 Uhr | Kaffeepause
15:15 Uhr | Ukrainekrieg und Friedensbewegung – Heike Hänsel (ehem. MdB DIE LINKE; Gesellschaft Kultur des Friedens, Tübingen)
«Riss durch die Friedensbewegung – Seit mehr als 60 Jahren demonstrieren Aktivisten an Ostern für Frieden. Aber seit dem russischen Angriff ist die Bewegung gespalten. Und Experten warnen vor einer Unterwanderung durch Rechtsextreme» – so titelte tagesschau online am 8. April zu den diesjährigen Ostermärschen. Welches Spektrum an Positionen findet sich in der Friedensbewegung? Ist die Friedensbewegung tatsächlich «gespalten»? Wo gibt es Einheitlichkeit in der Einschätzung und Positionierung zum Ukrainekrieg? Wie verlaufen die Kontroversen? Und welche Aktionen der Friedensbewegung sind geplant, um der «Zeitenwende» Alternativen von unten entgegenzusetzen?
15:45 Uhr | Gemeinsame Abschlussrunde und allgemeine Diskussion: DIE LINKE & der Krieg
In der Partei DIE LNKE sind Menschen vereint, die sich als links denkende und handelnde Akteure verstehen und die Partei DIE LINKE hat zugleich den Anspruch, die Stimme der gesellschaftlichen Linken im Parlament zu sein. Daher ist es wenig verwunderlich, dass sich die Kontroversen und Zuspitzungen, die sich in der Linken insgesamt zeigen, auch in der Partei DIE LINKE wiederfinden. In der Abschlussrunde wollen wir miteinander diskutieren, welchen Beitrag DIE LINKE im Parlament leisten kann, um die Stimmen, die sich der «Zeitenwende» widersetzen, zu stärken, wie sie sich dafür ändern muss und was sie aus den Diskussionen der gesellschaftlichen Linken und der Friedensbewegung hierfür lernen kann.
Organisatorisches
Die Zahl der Teilnehmenden ist aus Platzgründen beschränkt. Daher bitten wir um verbindliche Anmeldung unter bawue@rosalux.org oder unter obigem Anmeldelink. Für Getränke, Snacks und Mittagessen bitten wir um eine Kostenbeteiligung in Höhe von 10 Euro.
Die Theodor Bergmann Lectures
Im Gedenken an unseren im Juni 2017 verstorbenen Mitstreiter Theodor Bergmann richtet die Rosa-Luxemburg-Stiftung Baden-Württemberg jährlich eine wissenschaftlich-politische Tagung unter dem Titel «Theodor Bergman Lectures» aus. Bergmann war Professor für Agrarwissenschaft in Hohenheim und forschte zur Agrarpolitik in Entwicklungsländern. 1933 ging er als Kommunist und Jude ins Exil. Nach seiner Rückkehr gründete er die Zeitschrift «Arbeiterpolitik», wirkte als unabhängiger Linker und forschte zu den Oppositionsströmungen in der kommunistischen Bewegung, insbesondere zur KPD-Opposition. Zeitlebens blieb er ein entschiedener Kämpfer gegen alle Formen des Stalinismus. Er war nicht nur Gründungsmitglied der PDS in Baden-Württemberg und Ehrenmitglied der Rosa-Luxemburg-Stiftung Baden-Württemberg, selbst als Hundertjähriger trat er in Schulklassen und Jugendzentren auf, um über die Ursachen des Faschismus aufzuklären.
Veranstaltung in Kooperation mit dem Clara-Zetkin-Haus
Verschlagwortet mit: Friedensbewegung, Ukraine