Veranstalter: Theaterhaus
Schüsse. Morde. In Serie. So klar, so brutal, so systematisch und so eiskalt. Die Ermittlungsmaschinerie beginnt zu laufen, doch sie scheitert, weil sie keineswegs so vorbehaltlos rational funktioniert wie sie es von sich behauptet. Zeichen werden missachtet, Hinweise falsch gedeutet, Akten vernichtet, es kann nicht sein, es darf nicht sein.
Einfühlsam und mit großer poetischer Kraft ermittelt Esther Dischereit in ihren »Klageliedern«, was die Verbrechen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) angerichtet, welche Lücken sie bei den Hinterbliebenen aufgerissen haben. Sie ermittelt mit ihrem Opernlibretto »Blumen für Otello«, welche Vorurteile die Verbrechen möglich und ihre Aufklärung unmöglich gemacht haben, wie der Rassismus und die soziale Voreingenommenheit gegenüber einer stigmatisierten Unterschicht den Apparat blind und ihn umso furchtbarer selbst zum Täter gemacht hat, indem er nach Schuld bei denjenigen sucht, die mit ihrem Leben bezahlen mussten.
Dischereits Texte sind Teil einer Trauerarbeit unserer Gesellschaft und der Versuch, die Sprachlosigkeit zu überwinden angesichts der Grausamkeit der Taten und der im Versagen offensichtlich werdenden Vorurteile deutscher Behörden: »Medial dominierten diese Killer. Ich wollte die Betroffenen und Getöteten sichtbar werden lassen.«
Im Theaterhaus wird Esther Dischereit ihre Klagelieder vortragen. DJ İpek İpekçioğlu liest die türkische Übersetzung und begleitet die Veranstaltung musikalisch.
Esther Dischereit wurde 1952 in Heppenheim geboren. Die deutsch-jüdische Lyrikerin, Essayistin, Erzählerin, Theater- und Hörstückautorin hat sich immer wieder mit Ausgrenzung, Rassismus und Assimilation beschäftigt. Seit 2012 ist sie Professorin für Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst in Wien. Im Jahr 2009 erhielt sie den Erich-Fried-Preis. Für »Blumen für Otello« hat sie regelmäßig die Sitzungen des Bundestagsuntersuchungsausschusses zu den NSU-Morden besucht.
İpek İpekçioğlu, geboren als Tochter türkischer Immigranten in Bayern, ist eine typische „Alamanci“ Deutschländerin, die seit 32 Jahren in Berlin lebt. Die international renommierte Producerin und DJ ist mit ihrem Eklektik BerlinIstan aus elektronischer- und Dancemusik der Türkei, OrAsia sowie Balkan auf Festivals und in Clubs von New York, den Wüsten Malis, Salvador de Bahia, Stockholm über Istanbul, Glasgow, Kairo bis hin zu Shanghai, Mumbai oder Peking zu finden. In Schweden wurde sie vom Queer-Magazin QX zum hippsten DJ Europas gewählt, in London gewann sie die World Beat DJ Competition. Ihre CD Beyond Istanbul – Underground grooves of Turkey – Trikont stand auf der Bestenliste der deutschen Schallplattenkritik. Daneben komponiert sie Musik für Dokumentarfilme, interpretiert Werke der klassischen Musik auf elektronische Weise neu und produziert Musik für Theater und Oper.
Esther Dischereit: Blumen für Otello – Über die Verbrechen von Jena (deutsch-türkische Ausgabe, übersetzt von Saliha Yeniyol) erscheint im März 2014 im Secession Verlag für Literatur, Zürich/Berlin.
Erst las ich von Christian Fuchs/John Goetz Die Zelle. (Sehr gut!) Dann Die SA Jesu Christi: Die Kirche im Banne Hitlers von Ernst Klee und Karrieren im Zwielicht: Hitlers Eliten nach 1945 von Norbert Frey.
Dann versuche ich ein Gesamtbild. Stosse auf Kiesingers Ohrfeige und Filbingers Unschuld und kreise um den NSU Prozess in Freistaat Bayern, die Suche nach Schuldigen, den emotionalen Zwang zur Verurteilung.
Nelson Mandela und Desmond Tutu waren bei der Wahrheits-Kommission angekommen. Wesentlich besserer Ansatz, solche Geschehen – „was die Verbrechen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) angerichtet“ haben – einzuordnen. Das mindert nicht den Wert des Klagelieds.