Veranstalter: Stolpersteininitiative Stuttgart
Am 15. Oktober 1941 begann die Deportation der deutschen Juden. Bis 15. Dezember d.J. transportierten 42 Züge aus 17 deutschen Großstädten 42.000 jüdische Männer, Frauen und Kinder – getarnt als „Umsiedlung“ mit Baugerät und Werkzeug – in die Ghettos von Lodz, Minsk, Kowno und Riga.
Am 1. Dezember 1941 fuhr der 35. dieser Deportationszüge mit 1.013 – zuvor in einer Halle der Reichsgartenschau 1939 auf dem Killesberg gesammelten – jüdischen Männern, Frauen und Kindern aus ganz Württemberg vom abseits gelegenen Inneren Nordbahnhof nach Riga. In einem Barackenlager – im ehemaligen Gut Jungfernhof – starben die Menschen „wie die Fliegen“ an Hunger, Kälte und Krankheiten, wie es einer der 42 Überlebenden ausdrückte. Weil den SS-Befehlshabern das Sterben immer noch nicht schnell genug ging, fanden immer wieder Massenerschießungen statt. Einer solchen „Sonderaktion“ fielen am 26. März 1942 im nahe gelegenen Wald von Bikernieki mindestens 1.500 Menschen zum Opfer.
An die Deportation nach Riga vor 80 Jahren wird am Mittwoch, dem 1. Dezember 2021, zunächst an drei historischen Gedenkorten erinnert: um 14:00 Uhr am „Zeichen der Erinnerung“ sowie um 14:30 Uhr am Gedenkstein an der „Grünen Fuge“ im Höhenpark Killesberg und an der vom Initiativkreis Stuttgart-Nord errichteten Stele (ehemals „Ländliche Gaststätte“/Feuerbacher Eingang), wo sich die Stuttgarter Stolperstein-Initiativen treffen und die Namen der am 1. Dezember 1941 nach Riga deportierten ehemaligen Nachbarinnen und Nachbarn verlesen werden, für die in Stuttgart Stolpersteine verlegt wurden. Anschließend starten von den drei historischen Gedenkorten Sternmärsche zur Abschlussveranstaltung im Foyer der Kunstakademie (Beginn: 16:00 Uhr/Anmeldung hierfür bis 29.11. an achim.laur@stuttgart.de).
Am Vormittag des 1. Dezember 2021 werden — da Gunter Demnig aufgrund der zunehmenden Resonanz des Projekts auch im europäischen Ausland diesmal nicht selbst kommen kann — mit Unterstützung des Tiefbauamts der Stadt Stuttgart weitere sechs Stolpersteine für Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Eigenregie verlegt. Seit dem Oktober 2003, als die ersten Steine im Stuttgarter Osten gesetzt wurden, sind es damit über 950 dieser Kleindenkmale in der Landeshauptstadt, mit denen die Erinnerung an die Vernichtung der Juden, der Sinti und Roma, der politisch Verfolgten, der Homosexuellen, der Zeugen Jehovas und der „Euthanasie“-Opfer im Nationalsozialismus lebendig erhalten wird.
08:45-09:30 Cannstatt König-Karl-Str. 44 2 Steine für das Ehepaar SCHMAL:
Als 2020 für Betty Schmal ein Stolperstein in der Heidehofstraße 9 verlegt wurde, meldeten sich drei ehemalige Patienten ihres Sohnes, des beliebten Cannstatter Kinderarztes Dr. Simon Schmal. Sie regten eine Stolpersteinverlegung für Dr. Schmal und seine Frau an, die im Dezember 1938 in die USA emigrierten, nachdem das NS-Regime Dr. Schmal zeitweilig im KZ Dachau interniert hatte. Die Praxisausstattung und die Wohnungseinrichtung mussten zu Schleuderpreisen verkauft werden an niedergelassene Ärzte und Kliniken. Die Initiative Stolperstein Stuttgart-Ost und Pro Alt-Cannstatt e.V. verlegen gemeinsam für Dr. Simon Schmal und seine Frau Grete an deren ehemaligem Praxis- und Wohnort in der König-Karl-Str. 44 zwei Stolpersteine. An das Ehepaar Schmal werden ihr Sohn Stephen Schmal – aus den USA per Video zugeschaltet – und ehemalige Patientinnen und Patienten erinnern. Die mit Musik umrahmte Zeremonie beginnt um 8:45 Uhr.
ENTFÄLLT!
09:50-10:35 S-West Schlossstr. 104 1 Stein für ELISABETH LAMMFROMM:
An das Schicksal von Elisabeth Lammfromm, die am 22. August 1942 vom Nordbahnhof Stuttgart zunächst nach Theresienstadt und von dort nach Treblinka weiter deportiert wurde, ist bereits bei einer symbolischen Verlegung im Beisein von Gunter Demnig im Juni d.J. erinnert worden. Nach Fertigstellung der Baustelle vor dem Olga-Areal kann der Stein jetzt auch physisch verlegt werden (ohne Begleitprogramm/Zeremonie).
10:45-11:20 S-Nord Seestr. 112 1 Stein für MARTHA NEUMARK:
Martha Neumark hatte lange Zeit in der Seestr. 112 gelebt und war dann nach Schloss Weissenstein zwangsumgesiedelt worden. Ihre letzten drei Stuttgarter Nächte musste sie im Sammellager auf dem Killesberg verbringen, um dann mit dem Todeszug-Transport vom 22.August 1942 in das Konzentrationslager Theresienstadt verbracht zu werden. Ein paar Tage später verstarb sie dort unter nicht geklärten Umstanden.
11:30-12:10 S-Nord Schoderstr. 6 1 Stein für IDA EBERT:
In der Schoderstr. 8, einem sog. „Judenhaus“, verbrachte Ida Ebert drei qualvolle Jahre unter den widrigsten Wohn- und Lebensumständen, bevor sie am 28. August 1941 nach Baisingen ausgewiesen wurde. Um dem angedrohten Transport nach Theresienstadt zu entgehen, und wissend, was sie dort erwartete, wählte sie am 17. August 1942 die „Flucht in den Tod“.
12:20-13:00 Feuerbach Bludenzerstr. 34 1 Stein für HANS GEIGER:
Der aus Mannheim-Käfertal Gebürtige war mit 26 Jahren schon kurz nach Kriegsbeginn als Soldat bei der 25. Panzer-Grenadier-Division. Den spärlichen Akten ist nicht viel über sein Leben zu entnehmen. Im Frühjahr 1940 heiratete Hans Geiger, in den folgenden Jahren lag er häufig verwundet oder krank im Lazarett. Im Sommer 1943 hatten die Deutschen an der Ostfront durch die vorrückende Rote Armee große Verluste zu beklagen. Die Lage war aussichtslos und viele Soldaten retteten ihr Leben durch Fahnenflucht. Auch Hans Geiger entfernte sich von der Truppe und wurde am 22. September 1943 in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Über sein weiteres Leben ist nichts bekannt, die Suche nach ihm blieb auch nach dem Krieg ohne Erfolg.
Für die Stuttgarter Stadtteil-Initiativen
22.11.2021 – gez. Werner Schmidt
Stolpersteine für Stuttgart am Mittwoch, den 1. Dezember 2021
(Uhrzeiten~Steinverlegung):
08:45-09:30 Cannstatt | König-Karl-Str. 44 | 2 Steine für DR. SIMON SCHMAL und GRETE SCHMAL |
09:50-10:35 S-West | Schlossstr. 104 | 1 Stein für ELISABETH LAMMFROMM
(ohne Begleitprogramm) |
10:45-11:20 S-Nord | Seestr. 112 | 1 Stein für MARTHA NEUMARK |
11:30-12:10 S-Nord | Schoderstr. 6 | 1 Stein für IDA EBERT |
12:20-13:00 Feuerbach | Bludenzerstr. 34 | 1 Stein für HANS GEIGER |
Da der Künstler Gunter Demnig aufgrund der ungebrochenen Resonanz des Projekts auch im europäischen Ausland diesmal nicht selbst kommen kann, erfolgt die Verlegung der sechs Stolpersteine für Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft mit Unterstützung des Tiefbauamts der Stadt Stuttgart in Eigenregie. Die beauftragte Firma bohrt die Löcher, verlegt die Steine und sorgt für die ordnungsgemäße Fixierung im Gehweg. Die angegebenen Uhrzeiten können nur eine grobe Orientierung für den geplanten Zeitpunkt der Verlegung sein, Verschiebungen lassen sich trotz sorgfältiger Planung nicht ausschließen, Änderungen sind möglich!
Die Rahmenveranstaltungen (Begleitprogramm/Zeremonie) zu den einzelnen Verlegungen können auch schon vor den im zentralen Routenplan angegebenen Zeiten beginnen (fest vorgesehen ist der Beginn in Cannstatt um 8:45 Uhr!). Wer bei einer Steinverlegung dabei sein will, sollte sich deshalb möglichst frühzeitig vor Ort einfinden und die Mitteilungen der beteiligten Stadtteil-Initiativen beachten. Bei den einzelnen Verlegungen sind die wegen der Situation um Covid-19 gültigen Abstands– und Hygieneregeln einzuhalten. Weitere Informationen auf der Website der Stuttgarter Stolperstein-Initiativen unter www.stolpersteine-stuttgart.de oder in der Tagespresse!
Die Stuttgarter Stolperstein-Initiativen – im Internet unter: www.stolpersteine-stuttgart.de
StolperKunst – ein Projekt der Stuttgarter Stolperstein-Initiativen: www.stolperkunst.de
Hotel Silber – ein Lern– und Gedenkort für die Zukunft: www.hotel-silber.de
Die Website von Gunter Demnig – dem Erfinder der Stolpersteine: www.stolpersteine.eu