Am Sonntag lief im Deutschlandfunk eine sehr gute Sendung unter dem Titel „Politische Gestaltung zulasten künftiger Generationen“, in der Dieter Rulff (war Redakteur der „taz“ und der Zeitschrift „Vorgänge“. Heute Redaktionsteam des von der Heinrich-Böll-Stiftung herausgegebenen Magazins „Böll“) die Folgen von Schulden und Schuldenabbau auf die Gestaltungsspielräume erläutert. Die Sendung gibt’s als Text und als mp3.
Schlagwort-Archive: Krise
BürgerInnenbrief 151
Der Knecht singt gern ein Freiheitslied
Des Abends in der Schenke:
Das fördert die Verdauungskraft
Und würzet die Getränke.
Heinrich Heine
Liebe Bürgerinnen und Bürger:
gestern, am Sonntag, war ich wie von der Muffe gepufft, als ich las, daß die Hälfte der deutschen Mannschaft bei der Fußball-WM 96 in England offenbar gedopt war. Auch bei der Olympiade 72 waren westdeutsche Sportler gedopt, Kinder und Jugendliche zwischen 11 und 17 erhielten Anabolika. Warum? Weiter, schneller, höher, besser müssen wir sein es geht – es geht um Ehre, Prestige, Ruhm, Einfluss, Bedeutung und Macht, alles Begriffe, die auch um Stuttgart 21 kreisen. Löscher bei Siemens hat zehn Milliarden in den Sand gesetzt, Thomas de Maiziere ist dagegen mit den 650-Mio-EU-Drohnen ein Waisenknabe. Zig Milliarden wurden für überdimensionierte Fernstraßen zum Fenster rausgeworfen (Ramsauer!), rund 10 Milliarden geh’n dem Bund wg. schlechter Haushaltsführung jährlich verloren. Es werden Milliarden verschleudert, die man gar nicht hat. Die Staatsverschuldung in Deutschland nimmt um 1.335 Euro pro Sekunde zu, so der Bund der Steuerzahler. Volker Hauff (SPD): In der 3. Welt bricht das ganze Finanzsystem zusammen. Die Weltbank hat ausgerechnet, dass aufgrund der Finanzkrise Millionen Menschen in die Armut rutschen, Hunderttausende Kinder werden sterben. Das, was momentan noch an Entwicklungshilfe geleistet wird, ist ein Bruchteil dessen, was dort an Geldern abfließt. Die Entwicklung in diesen Regionen wird um bis zu 20 Jahre zurückgeworfen… Im Bankenbereich hat eine hohe Professionalisierung bei völliger sozialer Verantwortungslosigkeit und eiserner Habgier stattgefunden.“ Gut gebrüllt, Löwe! Habgier auf der einen Seite von Stuttgart 21,die Angst vor der größten Blamage des Nachkriegszeit auf der anderen hindert der Befürworter, der besseren Einsicht zu folgen. Sie warten, bis der Zug im Tunnel stecken bleibt oder ein hohes Gericht den Stopp21 verkündet. Ob Peter Grottian, Professor in Berlin und AnStifter in Stuttgart, Recht hat mit der Prophezeiung, nach der Wahl könnte die CDU Stuttgart 21 als Brautgeschenk opfern, um die Grünen ins Bett zu kriegen, weiß ich nicht, neu sind solche Gedanken nicht. Wir aber haben ja längst den Blick vom Bahnhof gelöst und schauen verblüfft auf jene vielgelobten Utensilien, die uns der Widerstand gegen das Milliardengrab beschert hat: Eine Schlichtung, deren Ergebnisse wir als „Machtlose“ schlucken mußten, um die sich aber die Projektpartner wie Bahn, Stadt, Land, Bund einen Scheiß scheren. Das gilt aus für die heitere Fragerunde, die sich Volkabstimmung nannte – beides wurde nahezu weltweit als Sieg der Straße gegen die Arroganz der Macht gefeiert. Also, was bleibt vom „Sieg“? Eine selbstbewußte, kritische Bürgerschaft. Und Menschen, die oben bleiben und auf der Straße. Für mich ist weder eine Lautsprecheranlage, die durch Dauerregen ihren Geist fast aufgibt, noch der Ort der Kundgebung eine Glaubensfrage. Ich würd’ so manchem Oberaufgeregten unter uns gern sagen: Macht’s halblang! Denken wir lieber gemeinsam darüber nach, wie wir wieder mehr werden, wie wir Nachbarn, Passanten, Kollegen für unsere Sache gewinnen.Wie wir Stuttgart 21 zum Wahlkampfthema machen können, ohne gleich sämtliche möglichen Bündnispartner zu vergrätzen. Weil wir ausgezeichnete Argumente haben, weil alle, alle Fakten für uns sprechen, können wir sachlich bleiben und auf Polemik verzichten. Das ist unsre Stärke. 40 Jahre hat es gedauert, bis die Sache mit dem Doping rauskam. Manche Lügen wie die von Stuttgart 21 haben viel kürzere Beine. Wer aber das mehrMehrmehr will, soll nach Weeze ziehen. Dort hat die rot-grüne Regierung den größten Schlachthof Europas genehmigt: schweinerei.blogsport.de. 400 000 Hühner können dort täglich geschlachtet werden. Jede Menge Mist, jede Menge Gier. „Hallo Stuttgart, wir haben von Eurem Widerstand gehört! Ihr seid unser Vorbild“, schriebt uns Fred Meikelson gestern. Danke, Fred, und wir verzichten auf’s Hähnchen21.
Peter Grohmann