Schlagwort-Archive: Bericht

Eine AnStifterin berichtet
Wie unsere Erfahrungen mit Stuttgart 21 uns in der südafrikanischen Karoo geholfen haben

In der südafrikanischen Karoo plante die australische Bergbaufirma PENINSULA ENERGY den Uranbergbau mit russischem Kapital voranzubringen. Doch bevor der erste Tagebau gegraben ist, wird das Großvorhaben gestoppt – dank strenger Umweltgesetze und gut organisiertem Protest.

Die AnStifterin Erika hat die Aktivitäten vor Ort begleitet und berichtet uns von ihren Erfahrungen in Südafrika – und darüber, was das alles mit S21 zu tun hat:

Als es uns nach unserer Rückkehr aus Südafrika im Frühjahr 2017 nach Stuttgart zu unseren ehemaligen Mitstreitenden im S21-Widerstand zog, berichteten wir im Globalen Klassenzimmer im Eine Welt Haus Stuttgart vor etwa 40 Parkschützer*innen über unsere Arbeit in der südafrikanischen Karoo. Uns hat dieses große Interesse an unserem Engagement gegen den geplanten Uranabbau in der südafrikanischen Karoo sehr bewegt, sind wir doch bereits im Okt. 2012 aus Stuttgart weggezogen.

Während unseres Vortrags im Frühjahr 2017 konnten wir bereits einen großen Erfolg vorweisen: Die australische Bergbaufirma PENINSULA ENERGY, die mit russischem Oligarchen-Kapital die Prospektionen zum Uran-Abbau durchführte, sah sich gezwungen, sich aus 88% der insgesamt 750.000 Hektar umfassenden Konzessionsfläche zurückzuziehen. Ende März 2018 hat die Firma ihr Vorhaben in der Karoo gänzlich eingestellt. Zu teuer, zu langwierig, zu viel Widerstand in der Bevölkerung. Jetzt konzentriert sich PENINSULA einzig auf den Uran-Abbau in Wyoming (USA), wo die Regierung industriefreundlicher ist und die Bevölkerung kaum beteiligt wird. Für meinen Mann Stefan und mich war dies Anlass genug, im März/April d.J. noch einmal in die Karoo zu reisen und diesen Sieg gebührend mit Farmern, lokalen Gruppen und Initiativen zu feiern.

Doch was hat das alles mit Stuttgart, der S-21-Bewegung sowie den AnStiftern zu tun? Als wir im Januar 2009 nach acht Jahren entwicklungspolitischer Tätigkeit nach Stuttgart übersiedelten, hatte ich zunächst Schwierigkeiten, in der schwäbischen Metropole Fuß zu fassen, bis ich auf all´ diese interessanten und engagierten Menschen stieß. Trug bspw. mensch in öffentlichen Verkehrsmitteln seinen/ihren Button „Oben bleiben“ (schade, dass dieses „Erkennungsmerkmal“ aus dem Stadtbild verschwunden ist!), kam man schnell in lockerer Atmosphäre ins Gespräch. Viele Veranstaltungen in der Stadt sorgten zudem für Bürgernähe, ja für eine Politisierung der Bewohner*innen. S21 polarisierte? Ich habe dies nicht so empfunden, wurde doch die Spreu der ewig Gestrigen vom Weizen der nach vorne blickenden, auf das Gemeinwohl schauenden Menschen getrennt.

Während dieser Zeit in Stuttgart beteiligte ich mich an einem Widerstand, der sich durch seine politische Aufklärungsarbeit, seine Professionalität und Kreativität auszeichnete. Na ja, nach vielen Jahren entwicklungspolitischer Tätigkeit im Ausland sowie als aktives Mitglied der Blockadegruppe hätte ich mir etwas mehr internationalen Weitblick sowie couragierteren Widerstand mit mehr Biss gewünscht. Trotz alledem: Abgesehen von den vielen zwischenmenschlichen, herzlichen Beziehungen vermittelte mir mein Engagement in Stuttgart wichtige Erfahrungen, die bei unserem Einsatz in der südafrikanischen Karoo zum Tragen kamen. Hier einige Beispiele:

  • Der S-21-Widerstand spielt(e) sich auf verschiedenen Ebenen ab: politische Bildungsarbeit, einschließlich Mobilisierung; verschiedene Aktionsformen; legaler Aspekt. Genauso haben wir es in Südafrika gehalten, nicht nur mit einer Zielgruppe zu arbeiten, sondern „Brücken zu bauen“.
  • Kaum verging eine Montagsdemo, auf der nicht mit einladender Stimme der „Bürgerbrief“ feilgeboten wurde. Für mich verkörpert Peter jenen Typ von Mensch, der sich bei seinem politischen Engagement den so notwendigen langen Atem bewahrt, der lokal verankert, bodenständig und sich selbst treu geblieben ist – alles so wichtige Voraussetzungen in der entwicklungspolitischen Tätigkeit.
  • Die große Professionalität des Widerstands, einschließlich ihrer verschiedenen Fachgruppen, sei es Ingenieure, Architekten, Juristen… In Südafrika haben wir sehr erfolgreich interdisziplinär gearbeitet, unsere Wissenschaftler*innen waren einfach besser und unabhängiger.
  • Nicht nur gegen etwas sein, sondern auch Alternativen anbieten können (K21): Vor allem Klaus hat sich so beispielhaft in unser Gedächtnis geprägt. Wir haben statt Fracking und Uran-Abbau den Einsatz Erneuerbarer Energien in der Karoo propagiert. Leider ist es uns (noch) nicht gelungen, den Gemeinderat „unserer“ 40.000 Einwohner zählenden Gemeinde Graaff-Reinet von dieser Notwendigkeit zu überzeugen.
  • Die große Kreativität der Stuttgarter, die sich u.a. in ihren Button, Sticker, Flyern und diversen Veröffentlichungen ausdrückt(e). Gleich kommt mir Uli mit seinen vielen kreativen Abbildungen in den Sinn, der das – inzwischen viel kopierte – Symbol „Stuttgart 21“ bundesweit bekannt machte und sich aufgrund seiner Bescheidenheit dieses nicht einmal hat patentieren lassen. Oder aber die so beherzt-kreative Esky, die mit ihrer aktiv-Kunst dem Widerstand zusätzliche Farbtupfer verlieh. Dafür haben wir z. B. in der Karoo eine Button-Maschine eingesetzt, mit „durchschlagendem“ Erfolg. Oder eine von Ureinwohnern (San) abstammende Künstlergruppe beauftragt, einen Quilt mit einer politischen Botschaft zu erstellen.
  • Die Bedeutung von Symbolen haben wir bei Stuttgart 21 erlebt. In der Karoo haben wir von den Kernkraft-Gegner*innen aus dem Wendland die gelben „X“ (x-tausendmal quer) übernommen, die viele Farmer an ihren Weidezäunen befestigten.
  • Die Wichtigkeit Sozialer Medien vermittelte uns Fritz. In unserem Arbeitsgebiet mit 1 Pers./qkm waren eine zentrale Facebook-Seite und die WhatsApp Gruppe unter den Farmern zum Informationsaustausch ausgesprochen hilfreich.
  • Der Artenschutz ist weltweit gesetzlich verankert. Auch wir hatten unseren „Juchtenkäfer“, nämlich die kleine Sukkulente Nananthus, die sich nur nach längerem Regen in der Halbwüste der Karoo zeigt und zu blühen beginnt. Da es sich hierbei sogar um eine der Wissenschaft neue Spezies handelt, die ein Farmer auf seiner Weide am Rande der Uranbergbaugebiete entdeckte, verzögerte sich die Fortführung der Prospektionen um Monate. Dies gab uns genügend Zeit, eine Gruppe von 21 Wissenschaftler*innen zusammen zu bringen, die in ihren jeweiligen Fachgebieten ihre Eingaben gegen den Uranbergbau in einer Umweltverträglichkeitsprüfung gemeinsam einzureichten.
  • Gerichtsprozesse haben wir bei S21 oft öffentlichkeitswirksam genutzt. In Südafrika sollte auch uns der Prozess gemacht werden, da wir zur Vermessung der radioaktiven Strahlung von Abraumhalden zweier Uran-Testbergwerke über Zäune kletterten und somit „Hausfriedensbruch“ begingen. Als wir jedoch offensiv mit diesem angedrohten Gerichtsprozess umgingen, zogen die Landbesitzer ihre Klagen zurück, um zu viel öffentliche Aufmerksamkeit zu vermeiden. Als aktives Mitglied der S21-Blockadegruppe haben wir hingegen unter Staatsanwalt Häussler so manchen politisch motivierten, unfairen Prozess über uns ergehen lassen müssen.
  • Bei Stuttgart 21 haben wir die Macht der Bilder in den Medien kennen gelernt. Das haben wir in Südafrika wiederholen können. Unsere Visualisierungen oder Dramatisierungen von komplexen Zusammenhängen hat stets die Berichterstattung in den Medien in unserem Sinne beeinflusst. Im Gegensatz zu „Stuttgart 21“ mit seinem facettenreichen Widerstand hatten wir das Glück, großes Medien-Interesse zu wecken. In der Abgeschiedenheit der Karoo besuchten uns immer wieder Journalist*innen regionaler, nationaler, sogar internationaler Medien, drei TV-Dokumentationen wurden gedreht. Die Medien waren uns wohlgesonnen, sie berichteten engagiert und in unserem Interesse – was der Stuttgart-21-Bewegung leider verwehrt blieb. D.h. auch wir führten einen Widerstand „David gegen Goliath“ – gegen eine australische Bergbaufirma, russisches Oligarchen-Kapital sowie gegen die Interessen der südafrikanischen Regierung. Aufgrund des großen Medieninteresses wurde dieser Widerstand jedoch nicht totgeschwiegen, sondern wurde einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dem hatte die Betreiberfirma keine effektive PR entgegenzusetzen.

Wir haben aus unserem Engagement bei K21 (gegen S21) wichtige Anregungen und Anstöße ziehen können und fühlen uns nicht zuletzt deshalb weiterhin mit den Leuten in Stuttgart sehr verbunden.

Bericht der Deutsch-Italienischen Historikerkommission – Juli 2012 (erschienen 19.12.12)

Der Bericht der Deutsch-Italienische Historikerkommission ist abrufbar unter
http://www.auswaertiges-amt.de/cae/servlet/contentblob/633874/publicationFile/175264/121219-DeuItalHistorikerkommission-Bericht.pdf

Man kann über die Suchfunktion Sant’Anna-Stellen finden.
Besonders beeindruckend/bedrückend die Schilderung der Situtation in den Tagen nach dem Massaker auf S.102 ff (Seitenzählung im Dokument).

Und Westerwelles nichtssagende Diplomatie:

Außenminister Guido Westerwelle im Interview mit der italienischen Zeitung Corriere della Sera zur Vorstellung des Abschlussberichtes der deutsch-italienischen Historikerkommission, … . Erschienen am 19.12.2012:

Quelle: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Infoservice/Presse/Interviews/2012/121219-Corriere.html?nn=360110

Drittgrößte überregionale Zeitung „La Stampa“ berichtet über die Solifahrt – Artikel + Video

Übersetzung eines fünfspaltigen, halbseitigen Artikels aus der nationalen italienischen Tageszeitung „La Stampa“, Torino, vom Sonntag, 9. Dezember 2012, Seite 20, auf der zweiten von insgesamt zwei Seiten, oben, des Teils „Lokalchronik“ Übersetzung aus dem Italienischen von Gunther Leibbrand, 10.12.12- Hier klicken für das Video über das Treffen auch von Niccolò Zancan, der uns seinen Artikel zur Veröffentlichung freigegeben hat. Hier geht es zur Übersetzung Filmtext La Stampa-Video als .doc

Reportage von Niccoló Zancan, nach Sant’Anna di Stazzema entsandter Journalist

Nach Sant’Anna di Stazzema kamen Deutsche, die nicht vergessen

„Die Nazis richteten ein Blutbad an, aber in Deutschland zieht man das Schweigen darüber vor“

Dann stockt die Stimme. Mit Tränen in den Augen und Lippen, die zittern. Gunther Leibbrand, dreiundsechzig Jahre alt, Krankenhauspfarrer in Stuttgart, erklärt seine Motive: Mit acht Jahren vertraute mir meine Mutter an, was sie von unserem Cousin im Krieg erfahren hatte. In seiner Division hatte die SS Fußball mit dem Kopf eines Juden gespielt. Herr Gunther reibt sich die Augen mit enormen Händen, bemüht sich aus dem Alpdruck herauszukommen, aber das braucht etwas Zeit. Zusammen mit einundvierzig anderen deutschen Staatsbürgern steht er vor dem Denkmal für die Gefallenen von Sant’Anna di Stazzema, 560 unschuldige Opfer, von den Nazis grausam niedergemetzelt am Morgen des 12. August 1944. Sie haben einen Bus gefüllt und sind zwölf Stunden gereist. „Wir wollen unsere Empörung zum Ausdruck bringen“, sagt Gunther, „wir sind nicht einverstanden mit der Staatsanwaltschaft Stuttgart. Man kann die Kriegsverbrechen nicht ungesühnt archivieren. Wir dürfen unsere Geschichte nicht vergessen. Leider ziehen in Deutschland viele das Schweigen vor…“

Ein besonderer Tag, hier sechshundert Meter über dem Meer, am Horizont sieht man Marina di Pietra Santa. Der achtundsiebzigjährige Enrico Pieri, der das Blutbad überlebte, umarmt Herrn Gunther. „Ich rettete mich, indem ich mich in ein Bohnenfeld warf, während um mich alles brannte. Die Nazis benützten die Bänke der Kirche, um die die Arbeit des Flammenwerfers effektiver zu machen.“

Heute tragen die Deutschen bunte Rucksäcke und haben eine Spende zu überreichen. Einige gelbe Anstecknadeln der Vereinigung „Die AnStifter“, die in Stuttgart gegen den Bau eines neuen Bahnhofs kämpft: „Wir engagieren uns für den Erhalt der Umwelt und für den Frieden“ – erklärt die Organisatorin Julia von Staden – „aber vor allem sind wir Personen, die die Entscheidung der Stuttgarter Staatsanwaltschaft für beschämend halten. Für die gleichen Tatsachen hat das italienische Militärgericht zehn deutsche Soldaten zu lebenslänglichen Haftstrafen verurteilt.“ Die einzige weibliche Jugendliche der Delegation ist Leonie Pokutta, vierundzwanzigjährige Studentin. Sie dreht einen Dokumentarfilm. mehr…