Archiv der Kategorie: Wettern der Woche

Peter Grohmann schreibt und spricht das Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext.

Peter Grohmann
Das Wettern der Woche – Wenn Pferde kotzen (diesmal kein Film)

Buy now, pay later, sagte Dieter Hundt den Rotchinesen – natürlich auf chinesisch – und verkaufte ihnen sein Imperium. Allgaier? Auto teile und herrsche! Das wußte auch Weitschwimmer MaoTseTung. Ob sich die beiden je kannten, ist mir nicht bekannt, aber die Kapitalistenpresse schreibt im Jahr des Tigers, dass der Schwabe „die Chinesen lieben und schätzten“ lernte (StZ 19.7.2022), Uiguren und Lieferketten hin, Menschenrechte her. Eines Tages, ich warne Euch, machen die neuen Maos einen Lieferengpass am Hindukusch auf und wir steh’n mit offenen Mund auf unserer letzten seltenen Erde.

Sei’s drum – Buy now, pay later betet in Aserbaidschan nun auch EU-Präsidentin Ursula von der Leyen: Gas für Blut, Blut für Öl, Öl für Waffen, Waffen für Demokratie. Wir küssen auch korrupten Machthabern die Füße, wenn die Kasse stimmt, denn wir machen nie was für umme. Meine Omi Glimbzsch aus Zittau, die schon Pferde vor der Apotheke kotzen sah, wußte sofort, dass seit Aserbaidschans Eintritt in den Europarat Jahr um Jahr zwei-drei Dutzend EU-Abgeordnete nach Baku und drumrum eingeladen werden. Nein, nicht für‘ n Appel n und ’n Ei, sondern für Kaviar und Seidenteppiche, Geld und Gold und Silber. Selbstverständlich konnten auch Bundestags-Abgeordneten solchen Reise-Reizen nicht widerstehenden und ließen sich den luxuriösen Ausflug  nach Baku finanzieren. Nun ist man also wieder friedlich beisammen, der Krieg macht manches möglich:

Auf den internationalen Warenmärkten boomen die Fonds für Getreide. Die bessere Gesellschaft schwitzt Blut und Wasser, dass alles gut geht. Was tun, wenn der Krieg in der Ukraine unerwartet früh zu Ende geht? Und soll man garnicht (Hollywood) oder nur zwei oder dreimal pro Woche duschen? Und mit oder ohne Seife? Und was tun, wenn man keine Dusche hat? Gurken- und Erdbeerpflückern oder Bandarbeitern empfehlen wir wie immer das gesunde Mittelmaß.

Und was sagt Dein Börsenratgeber dazu? Insbesondere im Börsenumfeld bieten sich Anlegern durch die gestiegenen Preise für Agrarrohstoffe, aber auch wegen der schwindenden Hoffnung auf eine baldige Rückkehr zu alten Preisniveaus viele Chancen. Wenn Sie Weizen handeln und auf den Weizenpreis spekulieren möchten, gibt es dazu aktuell hervorragende Möglichkeiten.

Peter Grohmann (peter-grohmann@die-anstifter.de)

ist Kabarettist und Koordinator des Bürgerprojekts Die AnStifter

Hier kann man anstiften: https://30tageimnovember.de/

Wasser marsch – Grohmanns „Wettern der Woche“

Wasser marsch – Grohmanns "Wettern der Woche"

Wasser marsch
ist der Befehl der Feuerwehr, eine Wasserleitung freizugeben, vor allem, wenn’s brennt. Doch was tun, wenn’s nur tröpfelt? Brennen lassen.
 
An heißen Tagen sterben in Deutschland jedes Jahr Tausende Menschen. Was tun? Sterben lassen? Die meisten Behörden ignorierten diese Katastrophe. Sie wissen nicht einmal genau, wer denn da bedroht ist, stellt die ZEIT aktuell fest. An heißen Tagen fallen aber auch die Vögel tot vom Himmel, Felder und Wälder und Wiesen verdorren. Flüsse versiegen. „Erzähl‘ mir nichts vom Pferd“, sagt da meine Omi Glimbzsch aus Zittau, und die kennt Katastrophen. Die extreme Dürre in der Po-Ebene ist momentan besonders extrem – die Ernten sind im Eimer, und ein Loch ist im Eimer, oh Henry, ein Loch. Schnee im Sommer – sowas gab’s immer. Bereits 2006 floss mal Salzwasser aus den italienischen Leitungen, weil der Pegelstand des Po unter dem des Meeresspiegels lag. Hydrologen warnen weltweit, aber sie werden politisch überhört. Wer lässt sich schon gern was von Katastrophen erzählen außer meiner Omi Glimbzsch aus Zittau und Euch? Grenzen sind unsicher, Frieden ist unsicher, Nahrung ist unsicher, nur das Klima ist sicher:
 
Deutschland trocknet aus, eher früher als später, da kannste dich auf’n Kopp stellen. Die Republik mit den meisten Grünen weltweit gehört nämlich auch zu den Regionen mit dem höchsten Wasserverlust pro Jahr weltweit. „Deutschland hat in 20 Jahren Wasser im Umfang des Bodensees verloren. Das ist unvorstellbar viel Wasser“, sagte uns Jay Famiglietti. Der Professor weiß es. Er war der leitende Wasserwissenschaftler am Jet Propulsion Laboratory der NASA in Pasadena, Kalifornien. „Der Wasserrückgang in Deutschland beträgt etwa 2,5 Gigatonnen oder Kubikkilometer im Jahr. Kleiner Schock? Nein.
 
Felder und Naturflächen versorgen uns mit Gemüse und Sauerkraut, mit Korn und Kartoffeln, sind gleichzeitig Kleinklimazonen, auch wenn morgen Fichten, Buchen, Birken und Buchs verrecken, sagen die Bauern. Sie sind Frischluftschneisen und Naherholungsräume für die Menschen. Mit den besonders fruchtbaren Lössböden ist die Filderebene bei Stuttgart bestens für die landwirtschaftliche Erzeugung geeignet, denn viele der Filderböden erreichen eine Bodenwertzahl von 75 und mehr, an einigen Stellen über 90. Kein Boden kann mehr Wasser speichern als Löss.
 
Aber die Spitzköpfe in Politik und Profit pfeifen auf den Lössboden. Sie bauen Autobahnen vier- und sechsspurig aus, erweitern Bundesstraßen, Flughäfen und Tunnel, Parkhäuser: Der Vernichtungsfeldzug der Ignoranten richtet sich gegen junges Gemüse – gegen die letzte Generation.
 
Peter Grohmann (peter-grohmann@die-anstifter.de)
ist Kabarettist und Koordinator des Bürgerprojekts Die AnStifter

Das Wettern der Woche – Melnyk, hau ab!

Natürlich kann man einen Botschafter nicht einfach abschieben, nur weil er sich immer wieder danebenbenimmt. Und die Frage ist auch, ob sie ihn zurücknehmen würden, denn er schadet dem Ansehen seines Landes hier ebenso wie zu Hause. Die Lösung: Melnyk geht von selbst. Aber wann? Na schön, vielleicht bietet sich ja eine Kandidatur an.

Es ist ganz aktuell mal wieder an der Zeit, Schicksal und Geschichte der Ukraine etwas näher unter die Lupe zu nehmen – und dabei einmal mehr auf die Verbrechen nach dem Überfall 1941 zu blicken und an die ermordeten Juden, Russen, Polen zu erinnern. Denn Melnyks Augen sind getrübt. Einsatzgruppen und deutsche wie ukrainische Polizeieinheiten ermordeten vor allem die lokale jüdische Bevölkerung in Massenerschießungen. Das wurde nicht einmal vertuscht, die Anwohner wurden sogar zur Teilnahme eingeladen und waren oft gern dabei. Allein in Babij Jar erschoss an zwei (!) Septembertagen ein deutsches Sonderkommando 34.000 Juden.

Bis zu 40.000 Ukrainer profitierten vom Holocaust – vor allem aus Profitgier und politischem Opportunismus. Solange die Ukraine der UdSSR gehörte, bestimmten Symbole vom Großen Vaterländischen Krieg die Erinnerung. Die Verbrechen Stalins & Konsorten gingen in der Sowjetunion im Ruhm und Jubel unter, der Holocaust selbst war kein großes Thema. Heute ist in der Ukraine der Zweite Weltkrieg zwar noch präsent, aber der Untergrundkampf der ukrainischen Nationalisten (OUN) und der Ukrainischen Aufstandsarmee (UPA) bestimmen Szene, Bild und Erzählung. Die Kollaboration mit der deutschen Besatzungsmacht und die Beteiligung am Holocaust sind in der Öffentlichkeit weitgehend tabu, die Historiker im Lande und die Botschafter außerhalb sind meist um Schönschreibung bemüht. Als großer Held für die Unabhängigkeit und die Freiheit wird wieder und wieder Stepan Bandera gefeiert – auch von Melnyk. Er weiß nicht, dass Bandera alle Mittel recht waren.

So mag es die EU als lädierte Wertegemeinschaft also eher schwer haben, ihren Demokrat:innen in den alten und neuen Mitgliedsländern die Menschenrechte nahezubringen (nein, auch in der Praxis) und für Freiheit und Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft in diesem seriösen Club zu kämpfen.

Kurzum: Es wird dauern, aber einmal werden Träume wahr. Denn was wären wir schon, wenn wir nicht träumten: von Menschlichkeit, Glück und Frieden – möglicherweise sogar durch Verhandeln? Doch ich hörte: Die Zeiten der Träume sind vorbei. Da bleibt nur die Hoffnung, dass der Krieg krank wird und stirbt. Wir sollten nachhelfen.

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator von Bürgerprojekten.

Großmaulfrosch – Grohmanns „Wettern der Woche“

Großmaulfrosch – Grohmanns "Wettern der Woche"

Der Großmaulfrosch gilt als gefährde Art, mancherorts ist er offenbar völlig ausgestorben. Chinesische Wissenschaftlerinnen der Hunan-Universität (湖南大学) in Changsha begründen das damit, dass das Tíer sein Maul zu weit aufgerissen habe (Hyperventilation). Diese häufig unphysiologisch vertiefte und / oder beschleunigte Atmung führt, wie sich heute belegen lässt, zu einer Verminderung des alveolären und arteriellen CO-2-Partialdrucks, ähnlich wie bei tatsächlichen oder eingebildeten Großmächten mit verlorenen Führungsrollen. Insoweit feiert ja das Großdeutsche Reich (ohne die durch Egon Bahr und Willy Brandt verlorenen gegebenen Ostgebiete) zur Zeit eine Wiedergeburt, aber eben ohne Atomwaffen. Gern erinnern wir uns hier an den alten Faschisten Wernher von Braun, den allerdings die Nordamerikaner nach unseren geplatzten Großmachtträumen kidnappten und in die USA ent-führten. Wäre es anders gekommen, hätten wir jetzt die Atombombe. So aber dürfen wir sie nur hin- und herfliegen. Schon Bert Brecht forderte von uns:

Scheue dich nicht zu fragen, Genosse! / Laß dir nichts einreden!
Sieh selber nach! / Was du nicht selber weißt / Weißt du nicht.
Prüfe die Rechnung / Du mußt sie bezahlen!
Lege den Finger auf jeden Posten / Frage: wie kommt er hierher?
Du mußt die Führung übernehmen!

Sind wir bereit für diese Führungsrolle? Auch in Elmau? Habeck und Baerbock und Hofreiter ja, bis zu einer gewissen Grenze, Strauß und Eppler nein. Ich zögere noch. Ich bin wie die Berliner Linke Katina Schubert hin- und hergerissen von den schweren Waffen. Schubert sagte ja offen und ehrlich, dass Putin dabei ist, sein präfaschistisches Regime in Russland ausbauen. Gleichzeitig schnauzte Janine Natalie Wissler Putin an, er sei ja gar kein Linker, auch wenn es bei uns der eine und die andere immer noch glaubten. Putin sei nicht mal ein gewesener Linker.

Egal. Wichtig ist nur die Bewaffnung. Manche behaupten, dass der freie Westen (das sind wir ohne Guantanamo und Berufsverbote) militärisch zehnmal so stark ist wie der Russe nebst Weißrussen. Das ist Feindpropaganda, das wusste schon meine Omi Glimbzsch in Zittau. Und sie weiß sogar noch, warum uns manche nicht über den Weg trauen.

Auch egal. In den Bayrischen Bergen stellt sich jetzt heraus, dass wir mit und ohne schwere Waffen eine historische Verantwortung an der Klimakrise, ja eine ‚Klimaschuld‘ gegenüber dem Rest der Welt haben. Als einer der großen G7-Staaten mit einen enormen Einfluss auf die allgemeine Weltpolitik. Hier könnte man Furore machen, denn es gibt Medikamente, deren Nebenwirkungen gefährlicher sind als die echte oder eingebildete Krankheit, die sie heilen sollen.

Peter Grohmann (peter-grohmann@die-anstifter.de) ist Kabarettist und Koordinator des Bürgerprojekts Die AnStifter

Schräge Ukrainer – Grohmanns „Wettern der Woche“

Schräge Ukrainer – Grohmanns "Wettern der Woche"

In der Ukraine, teilt mir ein Freund empört mit, seien ab sofort russische Lieder verboten, darunter das beliebte Liebeslied „Katjuscha“, das von Trauer und Stolz des Mädchens Katjuscha erzählt, deren Liebster in den Kampf zieht. Woher soll man denn um Stalins Willen wissen, dass Katjuscha auch das liebste Lied der Roten Armee war, das Lied der Frontsoldaten, die auch das Pfeifen der Stalin-Orgel begleitete, und das heute das Lied der post-sowjetischen Raketenwerfer ist?

In Moskau und drumrum wiederum wirst du von der Miliz zusammengeschlagen oder nur eingeknastet, wenn du gelb-blaue Socken trägst. Wenn’s nur das wäre! Die schrägen Ukrainer sterben wie die schrägen Russen und wie die Fliegen an den Fronten – für uns, für Asyl und Demokratie und Meinungsfreiheit, für Menschenwürde und Julian Assange und Wohlstand und warme Buden und den freien Welthandel, für allseitige Profite mit Gas und Öl, für gute Nachbarschaft mit Despoten, Diktatoren, Oligarchen, Faschisten und Massenmördern.

Ihr sogenannten Herr’n / Ich sage euch ganz offen / Die Wahl ist schon getroffen / Ich werde desertier’n.

ntv behauptete gestern, die Zahl der Deserteure auf allen Seiten nehme zu, aber Desertieren, sag‘ ich da, reicht nicht aus, selbst wenn’s ein Russe tät‘, um hierzulande Asyl zu bekommen. Allerdings kann heute niemand mehr ganz genau sagen, was westliche Werte sind und ob die Menschenrechte komplett, also samt Präambel, dazugehören. Ganz generell ist man sich weitgehend einig, dass sie für alle Menschen gelten, natürlich nur rein theoretisch.

„Versailles schlemmt, Paris hungert“ – das war der Schlachtruf von 6.000 Frauen, die am 5. Oktober 1789 vom Arbeiterviertel Saint-Antoine nach Versailles zogen, bewaffnet für eben jene Menschenrechte, die wir heute für uns und alle, die nicht sprechen dürfen, reklamieren. Doch steht Versailles heute nicht vornehmlich für die Reichen und Schönen, für Gewalt, Ausbeutung, Unterdrückung, für Profitmaximierung rund um den Globus (und das auch in Russland, alter Freund)?

In Frankreich haben eben bei den Wahlen die Freiheitlichen die Arschkarte gezogen: Zwei Drittel der Französ:innen gingen nicht zur Wahl, von den Millionen, die gar nicht wählen durften, mal ganz zu schweigen. Dass Macron eins auf die Mütze bekam, mag ein Trost sein – und täuscht darüber hinweg, dass die Rechtsradikalen Triumphe feiern können. Unser Nachbar rutscht nach rechts und die Nachbarin auch. Eine dicke Mehrheit pfeift auf die Demokratie. Das könnte zum Nachdenken reizen, wenn’s nicht so warm wär‘.

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator von Bürgerprojekten. 

Peter Grohmann
Das Wettern der Woche – Vaterlandsverräter!

Vaterlandsverräter – Grohmanns "Wettern der Woche"

Ich muss mich entschuldigen, nein, jetzt ganz ernsthaft! Warum? Weil ich den Kriegsdienst verweigert habe, 1961! Ich fand Franz Josef Strauß (damals Verteidigungsminister) zum Kotzen wie alles, was nach Militär roch. Unsere Väter und ihre Mütter hatten ja genug angerichtet in der Welt und der Ukraine, dacht‘ ich damals, und so hab‘ ich Willy Brandt 1969 an die Macht gebracht. Vorher, dacht‘ ich damals, war nur Hass und alte Nazi wie Globke und Kiesinger (oder war’s Filbinger?) und Speidel und eine naziverseuchte Justiz.
Ein Jahr später – 1970 – sank Willy Brandt unerwartet auf die Knie – ein deutscher Kanzler beugt sich im kommunistischen Polen nieder, gewissermaßen als Krönung einer neuen Ostpolitik, besiegelt im Warschauer Vertrag.
Aber auch ich hatte schon vorher Mist gebaut und 1958 / 59 mit 22 Jahren an der Bürgerbewegung „Kampf dem Atomtod“ teilgenommen, nur wegen Hiroshima. Was die Ostpolitik angeht: Willy Brandts Geste war Demut und Bitte um Vergebung für die deutschen Verbrechen des Zweiten Weltkriegs: Die Welt nahm’s und ab und ernst. Nazirichter und Generäle, Medienschaffende, Unternehmen und Politiker im deutschen Land blieben weitgehend verschont, auch in der DDR. Ja, so war das eben damals mit der „Ungesühnten Nazijustiz“.
Die namensgleiche Ausstellung dazu voller beweiskräftiger Dokumente wurde behindert, verboten, verjagt, die Initiatoren juristisch verfolgt. So bleiben eben bis heute auch die Verbrechen der deutschen Wehrmacht und ihrer ukrainischen Helfer mit dem heißgeliebten Nationalhelden Stepan Bandera ungesühnt und werden unter die neuen Teppiche gelehrt. Bandera war Anführer der Ukrainischen Nationalisten. Im Juni 1941 – Überfall auf die Sowjetunion – wurden die deutschen Soldaten in Lemberg von Banderas Truppen mit Brot und Salz, mit Blumen und Jubel freudig empfangen. Ukrainer und Deutsche stürzten sich dann gemeinsam auf die jüdischen Einwohner der Ukrainischen SSR. Am Ende ermorden sie in mehreren Pogromen Tausende Menschen: Sie hatten sich der Vernichtung von nationalen Minderheiten verschrieben. Banderas Idee, der auch Polen und Russen, ‚Zigeuner‘ und alle anderen Minderheiten hasste: Je mehr Juden beim Einmarsch der Deutschen getötet werden, umso besser. Von den 2-3 Millionen ukrainischen Juden fielen während des Zweiten Weltkriegs in etwa 1,5 Millionen dem Holocaust zum Opfer, hunderttausende flohen ostwärts, viele schlossen sich der Roten Armee an befreiten ein sich „bis auf den letzten Blutstropfen“ wehrendes Deutschland vom Faschismus.
Samuel, den wir als Kinder Sascha nannten, war ukrainischer Soldat einer vorwiegend jüdischen Einheit der Roten Armee. Er brachte zweimal die Woche Brot und Suppe den deutschen Kindern in die zerstörten Vororte Breslaus. Aber das war damals, im Frühling 1946. Das ist mehr als 75 Jahre her.

Peter Grohmann (peter-grohmann@die-anstifter.de)
ist Kabarettist und Koordinator des Bürgerprojekts Die AnStifter

Gott schweigt – Peter Grohmanns „Wettern der Woche“

Gott schweigt – Peter Grohmanns "Wettern der Woche"

Zierpflanzen werden als beliebte Nahrungsquellen für unsere Bienen angepriesen, sind allerdings sehr häufig mit längst verbotenen Pestiziden vergiftet. Die Bienen verrecken. Eigentlich schade, ja widerlich. Während bei uns daher der Bienenhonig rar wird, fehlt’s den ärmeren Schichten in den Staaten an Milchpulver. Wegen der unbegrenzten Möglichkeiten gibt es dort kaum Mutterschutz: Frauen haben zu arbeiten und nicht zu stillen. Das ist nicht nachhaltig, sagt auch Luisa Neubauer, meint aber die Deutsche Bank und deren angebliche Nachhaltigkeitsinitiativen. Das ist kein lustiges Nachmittagshobby, sagt sie, sondern Greenwashing. Da ist Daimler schon ehrlicher: Die produzieren künftig ihren Luxus-Scheiß vor allem für die reiche Oberschicht. Enteignen.

Ja, die Börsen, die Schlachthöfe und die Banken! In einem Grußwort an die Besuchenden des Stuttgarter Katholikentags zitiere ich meinen alten Freund Franziskus aus Rom: „Wir sagen Nein zu einer Wirtschaft der Ausschließung und der sozialen Ungerechtigkeit, wo das Geld regiert, anstatt zu dienen. Diese Wirtschaft tötet. Diese Wirtschaft schließt aus. Diese Wirtschaft zerstört die Mutter Erde.“ Diese Wirtschaft ist widerlich, würde meine Omi Glimbzsch in Zittau hinzufügen. Sie ist Atheistin von Geburt an.

„Peter, Krieg ist, wenn die Unschuldigen in die Hölle müssen.“ Wie in der Ukraine. Zu allem Elend wird dort auch Streumunition eingesetzt – von beiden Seiten (und von beiden Seiten bestritten). Klar, weder Russland noch die Ukraine haben sich der Konvention gegen Streumunition angeschlossen, und auch das vorbildliche US-Militär darf künftig wieder Landminen einsetzen, wenn es um Freiheit und Demokratie geht. China sowieso. Aber bleiben wir im Lande: Überfällig ist ein deutsches Investitionsverbot in Firmen, die Streubomben herstellen. Die Oslo-Konvention, von uns unterzeichnet, verbietet explizit Einsatz, Lagerung, Export und Produktion von Streumunition und sagt: „Jeder Vertragsstaat verpflichtet sich, unter keinen Umständen jemals (…) irgendjemanden zu unterstützen, zu ermutigen oder zu veranlassen, Tätigkeiten vorzunehmen, die einem Vertragsstaat aufgrund dieses Übereinkommens verboten sind.“ Ein komplizierter Satz, den man offenbar für Rot-Grün-Gelb erst übersetzen muss: Einem Unternehmen, das diese menschenverachtenden Waffen produziert, Geld zur Verfügung zu stellen, ist definitiv widerlich.

„Was ist mit dir los, humanistisches Europa, du Verfechterin der Menschenrechte, der Demokratie und der Freiheit?“, fragte der Papst am 6. Mai 2016 in Aachen. Gott schweigt.

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator von Bürgerprojekten. Alle Wettern-Videos gibt es hier zum Nachgucken.

Amok ist männlich – Grohmanns „Wettern der Woche“

Männliche Dominanz gefährdet das Überleben der Menschheit, sagt Prof. Christian Pfeiffer. Der AnStifter aus Hannover muss es wissen: Er hat lebenslang dazu geforscht. Umweltzerstörung, sagt er frech, ist eine männliche Domäne und Kriege wie der Putinsche auch. Doch wir können im Land bleiben – in Deutschland hat sich schwere körperliche Gewalt gegen Frauen in den letzten 10 Jahren mehr als verdoppelt, die Zahl von Vergewaltigungen ist in den letzten fünf Jahren um eine Viertel gestiegen. Ums Zehnfache gestiegen sind auch Absatz und Umsatz gewaltverherrlichender Videospiele etc. pp., im gleichen Umfang hat die Armut hat zugenommen.

Nach einer Studie nordamerikanischer Forscher hinterlassen Videospiele mit gewalttätigen Inhalten Spuren im Gehirn des Spielers. Hirnareale, die Denken, Emotionen und Selbstkontrolle bearbeiten und steuern, verändern sich, ohne dass du es merkst. Du wirst unzufriedener, frustrierter. OK – Gewalterfahrungen in der eigenen Familie kommen dazu, Stress oder allzu geringe Bildung sind weitere Risikofaktoren. Und je mehr da zusammenkommt, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass du aggressiv wirst. Das alles ist übrigens Alltag in den Armeen, selbst wenn sich Annalena und ihre FreundInnen für die dummen Pazifisten von gestern entschuldigen (soll nicht wieder vorkommen).

Payton Gendron aus Conklin freilich war noch nicht wehrpflichtig und kaum 18 Jahre alt – aber die Bude voller Waffen. Keine Bücher. Er hatte seine Tat life ins Internet übertragen, sich selbst als rechtsextrem, rassistisch und antisemi-tisch gelobt und die Welt aufgerufen, sich gegen Umvolkung (Great Replacement) zu wehren. Derlei Aufrufe, vorsichtiger und unbewaffneter, kann man auch in the Länd und in den Netzen drumrum finden, ohne zu suchen.

Was uns angeht, nehmen ja Gewaltbereitschaft & Bildungsferne in gleichem Maße zu, wie die Aktien steigen. Nach dem Gang zur Mitte bei den verlorenen Wahlen im Norden und Westen könnten die neuen Dominas bei der geringen Bildung ansetzen: Mehr Lehrerinnen, mehr Geld für Musik in der Schule, öfters Singen, gemeinsames Zeitungslesen, Streiten um Umvolkung, Türkinnen, Übersterblichkeit und Wahlenthaltung. Doch für diese Art von Geschützen werden die Mittel gekürzt.

Die Meinungen und Folgerungen im vorstehende Betrag werden von den Produzenten der Videospiele, Ken Jebsen, Xavier Naidoo, zwei Wissenschaftlern und Wladimir Putin nicht geteilt, sind aber mit Grohmann einig, dass Rothschild recht hat: „Kaufen, wenn die Kanonen donnern. Verkaufen, wenn die Violinen spielen“. Wikipedia listet mehr als 160 deutsche Unternehmen im Bereich der Rüstungsindustrie auf, die ausreichend Stehvermögen und Frustrationstoleranz besitzen, bis der Krieg besiegt ist. Das kann dauern.

Peter Grohmann (peter-grohmann@die-anstifter.de)
ist Kabarettist und Koordinator des Bürgerprojekts Die AnStifter

Das nette Faschistle – Grohmanns „Wettern der Woche“

Das nette Faschistle – Grohmanns "Wettern der Woche"

Das nette Faschistle oder Do not panic – children and women first!
Alle hatten Angst vor’m 9. Mai 2022. Weiß man’s? Wer Deutschland vom Faschis-
mus befreit hat, ist vielleicht zu allem fähig. Ich geb‘ gern zu: Unsere Väter und
Großväter wollten nicht unbedingt befreit werden, und vor allem nicht von der
Sowjetunion. Ganz im Gegenteil, sie hätten lieber gesiegt, mit Gott für Führer und
Vaterland: Koste es, was es wolle. Kann man verstehen, nach all den Verbrechen,
die begangen wurden und meistens bis heute ungesühnt blieben. Die Vorsehung hat
in beiden Fällen geholfen, 1945 unseren Ahnen und heute uns: Putin will erst morgen
siegen.
Putin fällt das leicht: Die gleichgeschalteten Medien transportieren seine Botschaft
vom Verrat des Westens an der „christlichen Zivilisation“, an den Werten der
Menschheit (außer den Menschenrechte, die bleiben außen vor) erfolgreich ins
großrussische Reich: Byzanz fiel, weil es sich dem spirituellen Niedergang
auslieferte. Gestern die Osmanen, heute Drogen, Schwule, Genderei – und der liebe
Gott ganz weit weg. Putins praktische Philosophie ist eine Mischung aus deutschem
Idealismus, Psychoanalyse, italienischem Faschismus und Christentum, oder? 65 %
der Bevölkerung bezeichnen sich als Angehörige eines orthodoxen Christentums – so
was schlägt in der gelenkten russischen Demokratur bei den Wahlen gut zu Buche.
Erstens wohnen im Westen die Dämonen (kann ich bestätigen), zweitens ist die
großrussische Zivilisation einzigartig. Memorial bestreitet das. Memorial ist die erste
freiwillige Massenvereinigung in der Sowjetunion, die „von unten“ aus der
Zivilgesellschaft heraus, auf Initiative ehemaliger linker politischer Gefangener und
ihrer Angehörigen entstand und vielen jungen, politisch interessierten Menschen die
Augen öffnete und das mystisches Verhältnis zwischen Volk und autoritärer
Herrschaft kritisierte – Aufklärung über Stalin und Putin ist der wichtigste Grund für
den Untergrund und das Verbot.
Querdenker mögen sowas, Verschwörungstheoretiker lecken am Denkmal im
Kreml. Der größte Star von ihnen war Xavier Naidoo. Dem Faschistle aus Mannheim
war keine Story zu absurd. Die Erde sei gar keine Kugel, die Corona-Impfung will
aus Menschen Zombies machen und es gibt eine Welt-Elite, die Kinder in
Tunnelsystemen (Stuttgart 21?) foltert. So wird Adrenochrom gewonnen und von
Hollywoodstars zur Bekämpfung des Alterungsprozesses genutzt. Vermutlich alles
ziemlich teuer. Wenn Naidoo, der Freund von Reichsbürgern und Antisemiten,
angepinkelt wird, stehen 100 Prominente hinter ihm: Atze Schröder, Mario Adorf, Die
Prinzen, Pur, Thomas D, Tim Mälzer, Jan Josef Liefers – so viele, dass einem
schlecht wird nach Sicht auf die einseitige Anzeige 2015 in der FAZ. Vergessen wir’s.
Doch Naidoo hat in der Folge immer noch kräftig was Rechts-radikales draufgelegt,
ohne dass sich seine Gönner distanziert hätten. Das ganze kotzige rechtsradikale
Elend dokumentierte das ZDF am 4. Mai 2022.
Die AfD ist trotzdem nicht im Landtag, denn wenn Wähler wandern, bleibt kein
Auge trocken. Nachdem schon die Linken am Sinken sind, sinken auch
Sozialdemokraten: Ein letzter Gruß an die alte Volkspartei. Abgeschifft kieloben, sagt
der Volksmund. Wenn alle in selben Boot sitzen wollen, wird der Platz eng. Gerettet
wird, wer am nettesten aussieht. Ich. Do not panic – children and women first!

Peter Grohmann (peter-grohmann@die-anstifter.de)

ist Kabarettist und Koordinator von Bürgerprojekten

Krieg ist Scheiße – Grohmanns „Wettern der Woche“

Krieg ist Scheiße – Grohmanns "Wettern der Woche"

Ich weiß natürlich: So eine humanitäre Forderung geht den Herrschaften am Arsch vorbei. Selbst Marlene Dietrich hatte mit ihrem Aufruf an die deutsche Jugend kaum Erfolge: „Jungs! Opfert euch nicht! Der Krieg ist doch Scheiße, Hitler ist ein Idiot!“ ließ sie ausrichten. Die Deserteure waren wenige. Wenn sie erwischt wurden, stellte man sie an die Wand.
„Was damals rechtens war, kann heute nicht Unrecht sein“, sagte Hans Filbinger. Er wurde umgehend Minister-präsident. Heute gibt es leider kaum Deserteure, nicht in Russland, nicht in der Ukraine. Wenn ein Russe im Krieg die Waffe niederlegen würde, wär‘ er ein toter Mann: Erschossen von den Kameraden Rotarmisten. Doch selbst wenn er mittels Gebeten, guten Schuhen (unwahrscheinlich) und korrekten Karten die Grenzen der westlichen Welt erreichen würde: Er hätte schlechte Karten. Er hätte kaum Chancen, reingelassen zu werden. Insoweit war mein pazifistischer Aufruf in Kontext (570) an die russischen Streitkräfte zwar gut gemeint, aber wirkungslos. Erstens, weil an der Front Kontext kaum Abonnenten hat, zweitens, weil man bei uns keine russischen Deserteure mag – übrigens erst recht keine ukrainischen, das wäre Vaterlandsverrat. Ich hatte den eventuell jetzt schon (!) kriegsmüden Jungs leichtfertig versprochen, für ihre Aufnahme bei uns geradezustehen, im Vertrauen auf das Grundgesetz, das großsprecherisch wie ich in Art. 3 behauptet, alle Menschen seien vor dem Gesetz gleich. Da fehlt u.a. der Zusatz: Aber nur, wenn sie sich einen guten Anwalt leisten können.

Noch konkreter wird’s in Absatz 3: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Ich musste unwillkürlich lachen. Kommt mir jetzt nicht wieder mit der Eisenbahn, die der ukrainische Mensch kostenlos nutzen darf, während alle andren schwarzen Schwarzfahrer umsteigen müssen und in den Knast wandern. Das mein‘ ich nicht. sondern: Zur Zeit müssen geflüchtete Deserteure und Kriegsdienstverweigerer aus Russland und Belarus ein stinknormales Asylverfahren anstrengen – „mit ungewissem Ausgang“. Die Verfolgung dieser Leute (auch von sonstewo) gilt in der BRD mitnichten als Asylgrund. Die Behörden und Gerichte hier stellten oft „extrem hohe Beweisanforderungen“ an die Betroffenen. Gelobt sei, was hart macht.

Die Weichmacher aber sind die echten Flüchtlinge – weil sie von nebenan kommen und wir damit rechnen können, zu gewinnen und dass die Ära Putin dann zu Ende geht und die Menschen zurück fliehen, um ihre Heimat aufzu-bauen. „Der Verlust des Friedens ist nicht mehr nur die Angst der Alten, die als Kinder den Krieg gesehen, erlebt haben. Der Wert des Friedens wird von den jüngeren Generationen erkannt. Der Krieg, das absolute Böse, das mit keinen Argumenten zu verteidigen, mit keinen „politischen Absichten“ zu erklären ist, kommt dieses Mal aus Russland, einem Land, das einmal meine Heimat war, schreibt Wladimir Kaminer.

Taktische Atomwaffen – Grohmanns „Wettern der Woche“

Taktische Atomwaffen – Grohmanns "Wettern der Woche"

Neulich stand einer am Gartenzaun, der sah aus wie General Heusinger und erklärte mir, warum es uns (außer Geld) nichts bringe, den Ukrainern zum Beispiel den Schützenpanzer Marder zu liefern. „Grohmann, das sind letztlich hochkomplexe Systeme, das meiste computergesteuert – eine Sache, von der Sie eh keine Ahnung haben! Und was, wenn da mal ein Chip ausfällt? Da kannste dann nicht auf den Techniker von Kraus-Maffei warten!

Vive la France – Peter Grohmanns „Wettern der Woche“

Vive la France – Peter Grohmanns "Wettern der Woche"

Vive la France!, ruft der Franzose, wenn’s ihm beschissen geht. Klar, Revolution oder so will er nicht nochmal machen – Égalité hin oder her, es reicht ihm mit der Republik. Aber am 24. April darf er mal wieder das Zünglein an der Waage sein: Soll er oder soll er nicht? Fast ein Drittel unserer NachbarInnen stimmten, wenn sie stimmen durften oder wollten, für den Typ mit Krawatte, Anzug und weißem Hemd, fast 50 Prozent für Ausländer raus (ja, ich weiß). Nun ist die Merde am Dampfen, denn die salonfähige Madame zwinkert schon mal den Faschisten zu. Nie in ihrem Leben war die Chance größer, Volkspräsidentin zu werden. Deshalb sind jetzt Grüne, Linke, Kommunisten und echte Republikaner so erschrocken: Morgen könnten sie vielleicht verboten oder, noch schlimmer, bedeutungslos werden. Nur der mit dem weißen Hemd könnte sie und den Rest von der Republik noch retten. Fuffzich Fuffzich, dass es klappt.

Dass russische Kinder hierzulande drangsaliert werden von den Andersstämmigen, ist neu. Bislang haben immer sie die Andersstämmigen gehänselt und gegretelt, gemeinsam mit dem Rest der Klasse. Vielleicht, da denken sie wie ihre Eltern, rettet uns doch ein höh’res Wesen und wenn es Putin hieße! Sie lieben den GPU-Genossen wie den eigenen Opa. Weiß-Blau-Rot mit goldner Zarenkrone, darunter macht es der Russe nicht, wenn er in Stuttgart gegen Corona, ukrainische Faschisten und die Systempresse hupt. Nun sind weiß Gott nicht alle Faschisten Ukrainer, aber es gibt welche. Unsereins, als Sensibelchen für Menschenrechte, wär‘ schon mit weniger zufrieden und würde bei der Polizei in Mannheim anfangen. Die hat einen sicheren Blick dafür, wer echter Ukrainer ist und wer Zigeuner, was man nicht sagen darf, weil es rassistisch und nicht korrekt ist.

So wie die Colors of People von den Polen zurück an die Front geschickt werden, zu den Russen ums Verrecken, wenn sie in Polen anklopfen, so werden ja auch an den anderen Außengrenzen die Leute zurück ins Meer geschickt, was auch nicht korrekt ist. In der Ukraine selbst, wo auch die Freiheit der Kontext-LeserInnen verteidigt wird, gibt es für die vielleicht 400.000 Sinti*zze und Rom*nja auch kein Zuckerschlecken. Sie gelten vielen Menschen, die sich gegen die russischen Untermenschen verteidigen, halt auch als Untermenschen – ein stehender Begriff aus großdeutschen Zeiten, als alles, was ostwärts von Zittau, ostwärts von meiner Omi Glimbzsch lebte, als untermenschlich galt und allenfalls als Arbeitstier anerkannt wurde.

Dieser Tage sprach der sich geirrt habende Bundespräsident, der Brandts und die eigene Ostpolitik den Gully hinunterspülte, weise Worte zu den Sinti*zze und Rom*nja und dass es ganz gemein war, wie man die noch lange nach ’45 bis ins Heutige hinein umeinanderdiskriminierte. Zu den Zigeunern, die gestern und heute in der Ukraine mit grüner Farbe angesprüht oder gern auch mit Klebeband an Straßenlaternen gefesselt werden, sagte er nichts. Konnt‘ er auch gar nicht, weil wir sowas nicht wissen.

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator von Bürgerprojekten

Butscha
Ein Versuch – Grohmanns „Wettern der Woche“

Butscha: Ein Versuch – Grohmanns "Wettern der Woche"

Peter Grohmann: Das Wettern der Woche für den 5.3.2022

Napalm? Butscha – das kennen wir aus Vietnam, als die Armee der Freien und Gleichen mit Flammenwerfern die Hütten niederbrannte, in die sich die Menschen geflüchtet hatten – Alte, Frauen, Kinder, Familien. Das war gestern. Doch Klartext für heute: Wer die Zahl der Toten, der Ermordeten, der Opfer des „Westens“ benutzt, um Putins Kriegsverbrechen zu verkleinern, ist moralisch bankrott.

Amnesty International hat im Laufe des russischen Überfalls Angriffe des russischen Militärs auf die zivile Infrastruktur dokumentiert – auch auf Schulen, Krankenhäuser, Kindergärten und Wohnviertel. Über die Zahl der Opfer ist das meiste bekannt. Im Norden der Ukraine hat AI u.a. einen Angriff mit Streumunition auf eine Schule dokumentiert, bei einem gezielten Fliegerangriff auf eine Gruppe Hungernder, der um Essen anstand, wurden 47 Zivilpersonen getötet. AI kann belegen, dass die russischen Streitkräfte wahllos mit Streumunition, mit Waffen von großflächiger Wirkung wie ungelenkten Fliegerbomben (dumb bombs) und Salven von Mehrfach-raketenwerfern (MLRS) auf Städte, Gemeinden und dichtbesiedelte Gebiete die Infrastruktur des täglichen Lebens der Zivilbevölkerung zerstören.

Wahllose Angriffe, bei denen Zivilpersonen getötet oder verletzt werden, stellen Kriegsverbrechen dar und verstoßen gegen das humanitäre Völkerrecht und internationale Menschenrechtsnormen. Aber:

Der Internationale Strafgerichtshof, eingerichtet von den Vereinten Nationen 1998, dokumentiert, untersucht und sühnt zwar schwerste Verbrechen des Völkermords, gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und das Verbrechen der Aggression. Doch Staaten wie die USA, Russland und China haben das Statut nicht ratifiziert – und damit die Kompetenz des Gerichts nicht anerkannt.

Ob anerkannt oder nicht: Die Kriegsverbrechen von gestern sind selten oder nie sanktioniert worden, von Babi Jar über My Lai, vom Ungarnaufstand 1956 über den Algerienkrieg nach Grosny, von Halabja nach Chile oder Argentinien oder Prag. Wie militärische Lösungen heute aussehen, könnte die Welt, wenn sie wollte, in Afrika besichtigen, in Afghanistan, Syrien, im Jemen, in Äthiopien, im Sudan – und morgen in der Ukraine, wenn die Bilder nicht mehr zensiert werden.

Tod und Terror, Ruinen, zerstörtes Land, Folter, Vergewaltigung, Totschlag und Massenmord sind Kriegsalltag – auf allen Seiten. Butscha ruft uns das vielleicht in Erinnerung, und vielleicht auch, dass die direkt und indirekte Beteiligten Atomwaffen haben. Sprechen wir mit unseren Schwestern und Brüdern.

Peter Grohmann (peter-grohmann@die-anstifter.de) ist Kabarettist und Koordinator des Bürgerprojekts Die AnStifter

Putin
Der StalinZar – Grohmanns „Wettern der Woche“

Putin: Der StalinZar – Grohmanns "Wettern der Woche"

So tief kann auch ein Kommunist sinken: Wenn sich die 8,87 Meter hohen, mit Blattgold verzierten Flügeltüren im Kreml-Saal öffnen und der Stalinzar gemessenen Schrittes ins eigene Land einmarschiert, schlägt ihm eine heiße Welle der Sympathie entgegen – Russlands Schauspieler waren schon immer erste Sahne. Alles Bolschoi – da bleibt kein Auge trocken. Dabei bleibt eine Frage aber bisher ungestellt: Wie lassen sich Putins Minderwertigkeitskomplexe heilen? Ein Wettschwimmen mit Joe Biden reizt ihn wohl eher nicht.

„Ich habe großes Verständnis für die russischen Sicherheitsbedenken im Hinblick auf die Einkreisung durch die Nato und die Stationierung von Vorwärtsraketen“, sagt der linke schottische Menschenrechts-Aktivist Craig Murray, einst britischer Botschafter in Usbekistan. Aber ein Regimewechsel durch eine Invasion – das geht gar nicht, sowas können sich nur die Amis leisten. In seinem ersten Leben hatte der Ex-Diplomat allerdings Pech: Er wurde aus dem diplomatischen Dienst gezwungen, nachdem er die Anwendung von Folter aufgedeckt hatte. Assange lässt grüßen. Der hatte früher auch mal Ideale.

Jede Zeit, überall auf der Welt, lebt von den Ideen, für die sich die Menschen begeistern lassen – Wohlstand, Jesus, Sozialismus, Panzerfäuste, Eisbein mit Sauerkraut, Scholz und Baerbock, ein trockener Spätburgunder, Hitler, Stalin, Hegel oder Brezeln vom Waible im Heusteigviertel, bewaffnete Drohnen, Atomkraftwerke, Apollinaris. Nicht erst seit der Oktoberrevolution, sondern schon seit 150 bis 180 Jahren vor Putin lebten wir von der Idee, dass der Mensch – also ihr, ob aus Berlin oder Heslach, aus Leningrad oder Pittsburg oder Kinshasa – aus eigener intellektueller Kraft die Welt komplett erkennen und perfekt beherrschen könne, wenn man ihn ließe.

Die Leute von heute, also die meisten, sind davon überzeugt, dass sie die Fähigkeiten haben, immer neuere, schönere, bessere, größere Maschinen, Apparate und Vorrichtungen zu erfinden und zu bauen, die ihr Leben erleichtern, es sicherer und bequemer und erträglicher machen. Das beschäftigt sie wie uns in der MEZ den ganzen Tag, sofern wir Arbeit haben. Wir träumen sogar nachts davon. Aber auch davon, dass wir unseren Arbeitsplatz verlieren könnten, dass es plötzlich in Luanda oder Lwiw kein Brot oder in Kiel kein Sonnenblumenöl mehr gibt und keinen Matrosenaufstand, dass Mikroplastik roundup die Muttermilch versaut oder die VR China unseren Müll nicht mehr wüll. Alles tragisch.

Als die Sowjetunion, die Stiefmutter aller Völker, baden ging – Glasnost hin, Perestroika her –, haben viele Kommunisten die Bergwerke und Ölfelder und die Stahlwerke und die Autobahnen privatisiert und wurden Oligarchen. Vielleicht liegt ja da ein Hund begraben?

Manchmal träume ich schwer /
Und dann denk ich es wär /
Zeit zu bleiben und nun /
Was ganz andres zu tun …

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator von Bürgerprojekten. Alle Wettern-Videos gibt es hier zum Nachgucken.


Gefäl

Kinschal
Dolch der Tscherkessen – Grohmanns „Wettern der Woche“

Kinschal: Dolch der Tscherkessen – Grohmanns "Wettern der Woche"

Dumm gelaufen: Jetzt muss Annalena Baerbock über Nacht mit Putin gleichziehen und bis morgen früh die kaukasische Traumrakete beschaffen, sonst wird’s nichts mit der nukleare Abschreckung, dem heute hochgelobten und vielbeschworenen Gleichgewicht des Schreckens …

Angst – Grohmanns „Wettern der Woche“

Angst – Grohmanns "Wettern der Woche"

Was sind das für Zeiten, wo ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist, weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt! Der dort ruhig über die Straße geht, ist wohl nicht mehr erreichbar für seine Freunde, die in Not sind?

Was bis neulich noch weit weg war, ganz woanders, haust nun nebenan. Krieg. Allezeit war Krieg, von den „Unseren“ meist geflissentlich übersehen. Allezeit war Hunger, wurden 100.000 Tonnen Lebensmittel vernichtet, Tag für Tag. Allezeit gab es Hoffnung, dass sich die Mächtigen dem Druck der Völker beugen würden über kurz oder lang. Allezeit gab es die Alternativen der Vielen, Wege zur Gerechtigkeit und Solidarität, 1.000 Möglichkeiten des Teilens, Hoffnung auf andere Wege, Chancen, den Frieden zu hüten, die Waffen zu ächten. Aber allezeit sind da doch viele, die das Unentschuldbare entschuldigen oder erklären. Lassen sich Bomben auf Kinder erklären? Lässt sich der Finger am Atomsprengkopf wortreich erläutern mit den Sünden der Nato oder der alten Nomenklatura? Macht es einen Sinn, die Zensur in Russland mit der Presse-Einfalt bei uns zu entschuldigen?

In diesen Tagen gilt unsere Solidarität den Millionen Menschen, die sich mit dem Rucksäckl aufmachen, nicht ostwärts, was sie könnten, sondern westwärts. Es hilft nun nicht, mangelnde Fürsorge für jene zu beklagen, die in Moira im Elend vegetieren, die sich an den Zäunen Europas blutige Hände holen. Es hilft nichts, um die zehntausend Toten zu klagen, die wir, die Roten und die Grünen, die Schwarzen und Gelben, im Mittelmeer ertränkt haben. Es hilft nichts, um unsere Doppelstandards bei den Menschenrechten zu jammern, wenn wir nicht gleichzeitig und unmissverständlich NEIN sagen zu jedem Krieg. Was sich da an grüner, roter, an gelber und schwarzer Politik selbst bejubelt, ist von uns gezeugt, ist unser Kind, selbstgerecht und gut gefüttert von Wahl zu Wahl. Wir haben schon immer Lebensmittel ins Meer geworfen – und schon immer aus den Rettungsringen die Luft rausgelassen. Nun ist der Krieg bei uns angekommen. Wer gut hören kann, hört die Sirenen.

Geht an die Bahnhöfe und holt die Flüchtlinge ab oder bringt ihnen eine warme Suppe. Putin ist in Sicherheit, noch, muss keine Angst haben, anders als die Menschen in den dünnwandigen Kellern von Kiew. Angst haben die 1,2 Millionen Menschen in Russland, die einen Appell für den Frieden unterzeichnet haben. Angst haben die zehntausend russischen Kulturschaffenden und WissenschaftlerInnen, die Gesicht zeigen und morgen vielleicht geächtet, arbeitslos sind. Angst haben die DemonstrantInnen in Leningrad und Moskau.

Auch wir müssen Angst haben. Vor einem Weltkrieg. Vor Russenhass und Russenhetze, vor Atomkraftwerken unter Raketenbeschuss, vor Kriegsjubel für den Sieg, Angst vor dem Ende der Meinungsfreiheit, wo auch immer. Die Kriege der USA sind dabei so wenig vergessen wie die Kriege Russlands – und unsere.

Auch der Hass gegen die Niedrigkeit verzerrt die Züge. Auch der Zorn über das Unrecht macht die Stimme heiser. Ach, wir, die wir den Boden bereiten wollten für Freundlichkeit, konnten selber nicht freundlich sein. (Bertolt Brecht)

Heften Sie sich einen weißen Friedensbändel ans Revers wie die Frauen in Turin und Belarus und Havanna. Danke, dass Sie laut sind und für die weißen Fahnen!

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator von Bürgerprojekten.

Liebe Putin-Versteher – Peter Grohmanns Wettern der Woche

Nächste Woche wird wieder mit Video gewettert, verspricht Peter Grohmann.

Nicht nur in der DDR galt es, Stalin auf Teufel komm raus zu ehren. Tatsächlich musste ich als Kind heulen, als der Vielfachmörder 1953 und viel zu spät das Zeitliche segnete. Die Erleuchtung über diesen Klassenfeind kam erst später, als sein Nachfolger Nikita Chruschtschow vor 66 Jahren in seiner Geheimrede vor dem ZK der KPdSU einen Teil der Verbrechen Stalins, der KP und seiner Getreuen aufdeckte. Ich wurde zum Chruschtschow-Versteher. In der UdSSR wurde vordem alles, was nicht der Parteilinie bedingungslos folgte, vergiftet, erschossen, in den Knast gesteckt und im besten Fall nach Sibirien deportiert – Sozialisten aller Farben, Kommunisten aller Länder, Anarchisten, Juden, nationale Minderheiten. Mit Michail Gorbatschow (Glasnost, Perestroika – Wandlung, Offenheit, Erneuerung) wurde ich 1985 mit meiner Omi Glimbzsch in Zittau zum Gorbatschow-Versteher, wodurch das Ende der DDR eingeleitet wurde und sich selbst die alte Tante UdSSR dank westlicher Hilfe nicht mehr lange auf den Beinen halten konnte.

Memorial (denk mal selbst) war danach Kopf und Kragen der russischen Zivilgesellschaft, wenn auch einseitig gelähmt durch Putin. Memorial geht’s trotz aller Schikanen und Verbote darum, die lang verschwiegenen Verbrechen des Stalinismus – Gulag, Terror, Repression – öffentlich zu bearbeiten. Dem schob Wladimir einen Riegel vor: Wer bei Memorial arbeitet oder anstiftet, wird zum Staatsfeind. Korruption und Repression nahmen in den letzten Jahren in Russland in hohem Maße zu – der kurze und holprige Weg in eine demokratische Gesellschaft wurde von Putin und seinen Gardisten, der neuen Nomenklatura und den Oligarchen gesperrt.

Ich ahne, dass vieles davon von den Putin-Verstehern übersehen wird und sie im neuen Russland immer noch die alte UdSSR vermuten. Ich vergess‘ dabei nicht, was wir doch alle wissen müssten: Russland ist umzingelt. Die West-Raketen sind aber nicht darauf angewiesen, in der Ukraine stationiert zu werden, um Moskau zu erreichen.

Auch wenn alles unsicher ist – das ist todsicher: Krieg löst keine Probleme und bleibt ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Zu Putins Krieg braucht’s daher keine pazifistischen Verweise auf die Ausrottung der Indigenen oder die Kolonialisierung der Welt, auf die Verbrechen des CIA, die Kriege der USA oder die despotischen Verbündeten der Nato. Es genügt der Blick dieser Tage auf die schwarzen Ukrainer, die mit einem Fußtritt empfangen werden, es genügt der Blick an die Außengrenzen der EU, dorthin, wo christliche Blindheit herrscht, dorthin, wo jahrelang und immer noch die Menschenrechte ertränkt werden. Es braucht auch keine militärstrategischen Empfehlungen der grün-gelb-roten Frontkämpferverbände. Es braucht keine öffentlich-rechtlichen Scharfmacher in den Medien, die allen journalistischen Anstand vergessen.

Es braucht den Aufstand in Moskau, den kompletten Gas-Kaufstopp von uns, das wär‘ ehrlich und nützlich und schmerzhaft. Es braucht hier und dort radikale Pazifisten statt Kanonen, Gesprächsbereitschaft, glaubhafte Sicherheitsangebote und (ganz unter uns) kürzere Tische und einen guten Nervenarzt für Putin. Hass und Hetze helfen der russischen Opposition so wenig übern Berg, wie sie die Menschen in den Bunkern und auf der Flucht schützen.

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator von Bürgerprojekten.

Desertiert! – Grohmanns „Wettern der Woche“

Desertiert! – Grohmanns "Wettern der Woche"

Das wäre die richtige Botschaft in diesen falschen Zeiten: Die Waffen nieder!, russische Soldatinnen und Soldaten, desertiert! Wer sich diesem Krieg entziehen will, muss aus der Ukraine ausreisen dürfen. Wer desertiert, dem muss Schutz und Asyl in Deutschland gewährt werden. Долой оружие! Русские солдаты, уходите из армий! Война не решает проблем!

Wir wissen, dass Friedenskundgebungen und Boykottaufrufe zweischneidige Schwerter sind. Die Kundgebung bleibt eine billige Botschaft ohne alle Folgen, sie kostet nichts. Es wird gejubelt, wenn wir alte Gewohnheiten über Bord werfen und liefern, was gebraucht wird. Kein Blut für Öl, das war einmal. Wir beliefern Katar und China, Ägypten und die Türkei, Saudi-Arabien und Russland, Pakistan, die Ukraine und 40 weitere Länder. Diktatur? Demokratie? Monarchie? Anarchie. Da verdienen wir am meisten. Wer bestellt und bezahlt, wird beliefert. Die deutschen Rüstungsexporte sind weiter gestiegen auch in Kriegs- und Krisenregionen. Da heißt es: Weiter so!

Ein kleiner Rückblick: Sieben Jahre nach dem Sieg über unsere Nazidiktatur machte Josef Stalin (ja, ich kenn‘ ihn: Kommunist und Verbrecher) in einer Note an die USA, England und Frankreich einen Vorschlag für ein wiedervereintes, souveränes und demokratisches Deutschland. Es sollte sogar über eine begrenzte Armee verfügen dürfen, aber dafür seine Neutralität wahren. Alle Besatzungstruppen sollten abgezogen und mit einer gesamtdeutschen Regierung dann ein Friedensvertrag ausgehandelt werden. Wer weiß, was draus geworden wär‘! Die Westmächte lehnten ab. Fünf Jahre später entwickelte der polnische Außenminister Adam Rapacki vor der UNO-Vollversammlung die Idee von den atomwaffenfreien Zonen inmitten Europas. Das war 1957. Dieser Entwurf enthielt ein Verbot der Produktion und Lagerung von Atomwaffen in der Bundesrepublik, der DDR, Polen und der Tschechoslowakei. Obwohl die Sowjetunion dem Plan zustimmte, wurde er vom Westen abgelehnt, und auch Walter Ulbrich (DDR) wollt‘ nicht: Es wär‘ sein frühzeitiges Ende gewesen, sagte mir meine Omi Glimbzsch in Zittau. Ja, wer weiß, was draus geworden wär‘!

Im Fall der Ukraine (ist sie schon gefallen?) fällt den Leuten nicht viel mehr ein als umfassender Boykott des Aggressors Russland. Im Hinterzimmer der Mächtigen beschließen wir, Waldemar Putins Facebook-Account zu sperren. Der Autobauer Mercedes-Benz hält natürlich weiterhin 15 Prozent an der russischen Firma Kamaz, die die gepanzerten Fahrzeuge für den Einmarsch liefert. Auf allen anderen Kanälen postet General a.D. Harald Kujat an die Soldaten die biblische Botschaft vom Zusammenbruch der Ukraine, weil die der Militärgewalt Russlands nie und nimmer gewachsen sei. Unsereins bereitet inzwischen die nächste Friedens-Demo vor und hofft, dass der Aufruf zu Gewaltverzicht, Abzug, Rückzug, Wiedergutmachung etc. pp. im Kreml gelesen wird. In Wahrheit aber bleiben nur zwei Realitäten: Hoffnung und Trauer. Hoffnung, dass die nächsten Winter nicht zu kalt werden, und Trauer um den tausendfachen Tod.

Mein letzter Satz? Desertiert zur Demokratie. Aber Vorsicht: Leute, die nach Afrika aussehen, haben keinen Zutritt in die EU. Mehr davon bei meinem politischen Aschermittwoch im Theaterhaus.

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator von Bürgerprojekten. Alle Wettern-Videos gibt es hier zum Nachgucken.

Heldengedenken – Grohmanns „Wettern der Woche“

Heldengedenken – Grohmanns "Wettern der Woche"

Der Mensch braucht Helden. Leute wie den Wüstenfuchs Rommel oder die drogenverwöhnte eiskalte Russin Kamila Walijewa, Männer wie den Knast-Bruder Uli Hoeneß, den Tiefseetaucher Wladimir Putin oder die sozialdemokratische Sparbüchse Gerhard Schröder, aber auch die Intensivpflegerin Racuta Popescu im Krankenhaus Esslingen, die nach 44 Stunden Dauereinsatz und einer Impfung zusammengebrochen ist. Helden sind nie Privatpersonen. Nehmen wir Schröder – er bleibt, ob wir das wollen oder nicht, Repräsentant unseres Staates, dessen Regierung er mal führen musste. Keiner muss sauer sein, weil er noch ein elf Quadratmeter großes Büro in Berlin hat und sich von seinem Chauffeur in einem alten Skoda Camicaze ab und an nach Hause fahren lässt. Anders das 15-jährige Wunderkind Kamila Walijewa (47 kg, eigentlich gar keine Russin, sondern eine liebenswerte Tatarin!), das schon mit zwei Jahren von seiner Mutter aufs Glatteis geführt wurde. Der Tatar (Islam!) ernährt sich tagsüber mit Pferdeschinken und stark gesüßtem Tee, abends gibt’s Etschpotschmack: Mehr Doping ist nicht möglich.

Thomas Bach sagte mir mal, Lobbyismus sei die vornehmste Variante von Korruption. Selbst Gerhard Schröder war nie ein Mann von Prinzipien. „Peter, Sozialdemokraten können so oder so sein – oder ganz schlimm!“, so meine Omi Glimbzsch aus Zittau, nachdem sie mir zur seelischen Erbauung das Lied der Thälmann-Pioniere vorgesungen hatte. Manch ältere Altvordere stellen sich gar in den Dienst der Demokratie-Gegner, ohne es zu merken.

Da geht es ihnen wie den stummen Fischen in den japanischen Meeren vor Fukushima, wenn die blind durchs radioaktiv verseuchte Wasser huschen: nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. Bei der Einweihung der Millionen und Abermillionen Liter fassenden Behälter beteten unsere Atomkraft-Softies „Gott gebe, dass es hebe!“, aber jetzt läuft’s über. Zur Zeit prüfen Experten der Internationalen Atomenergiebehörde mit Emmanuel Macron an der Spitze das profitorientierte System Entsorgung, Entvölkerung und Entzauberung und – wetten, dass? – werden die Millionen Tonnen „aufbereitetes“ Abwasser ins Meer kippen. Der Fisch als solcher kennt natürlich alle aktuellen Studien der Grünen: Die weisen nach, dass der Mensch, auch wenn er niemals japanischen Fisch essen tät‘, im Schnitt Mikroplastik im Gesamtgewicht einer Kreditkarte zu sich nimmt. Die eine Studie sagt: jeden Monat, die andere: jede Woche. Das erinnert ganz stark an die eben entdeckten russischen Angriffshubschrauber und die ukrainischen Verteidigungskanonen made in DDR. Das kann man so oder so sehen – aber wahr ist dennoch mein letzter Satz:

Es gibt keine Zukunft im Krieg. Mehr dazu in Kontext am Aschermittwoch, 2. März, und am selben Tag beim politischen im Theaterhaus.

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator von Bürgerprojekten. Alle Wettern-Videos gibt es hier zum Nachgucken.