Archiv der Kategorie: Wettern der Woche

Peter Grohmann schreibt und spricht das Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext.

Wettern der Woche
Die Waffen nieder

Wer hört schon auf Frauen? – Peter Grohmanns "Wettern" vom 05.02.14

Die Waffen nieder,

schrie Bertha von Suttner vor 125 Jahren. Die Dame kam aus einem rein militaristischem Hause, sie musste es wissen. Aber wer hört schon auf die Frauen, außer, wenn sie zum Essen rufen, würde meine Omi Glimbzsch aus Zittau sagen, und die musste es auch wissen! 1905 erhielt die gute Bertha von Suttner als erste Frau von Welt den Friedensnobelpreis, aber es hat der Welt wohl nicht geholfen. 35 Staaten riefen ihre Männer früher oder später zu den Waffen – fette Jahre für den Tod und Alfred Krupp, den Kanonenkönig, der die Waffen an jeden lieferte, der gut bezahlte. Diese Lehre sitzt bis heute, und in ihrem Lichte ist ein Blick auf die Münchner Sicherheitskonferenz interessant. Gleich drei wichtige Männer – Joachim Gauck, Frank-Walter Steinmeier und Ursula von der Leyen – empfehlen sich als virtuelle Waffenbrüder und sprechen den deutschen Jungs Mut zu beim weltweiten Einsatz für die westlichen Werte. Man muss dabei, meinen sie entschuldigend, durchaus nicht immer gleich zur Knarre greifen. Doch der Terrorist, der Staatsfeind, der Diktator und schlimme Finger, gestern noch gehätschelt, getätschelt und gern beliefert, muss wissen: Die Hand ist nah am Abzug!

Nu ja ja, nu ne ne. Saudi-Arabien: Hand ab, nein danke, wie die Friedensbewegung gern sagen würde. Der Gottesstaat ist Hauptabnehmer unserer Rüstungsgüter. Dankbarer Kunde ist auch Katarrh: Haubitzen und Panzer könnten sicherstellten, dass die eisgekühlten Stadien auch wirklich rechtzeitig fertig werden. Waffen sichern den Frieden auch in den deutschen Fabriken – so lange es Arbeit gibt, mault niemand.

Auf die Idee, dem müden Frieden mit Nähmaschinen auf die Beine zu helfen, kommen Gauck, Steinmeier und von der Leyen noch nicht. Es könnten auch Fahrräder sein, Kochtöppe, Sonnenkollektoren, Brunnen, Brücken, Wellblechhäusle, ja sogar Schulhefte, Bleistifte, Ingenieurinnen oder Bücher, zweisprachig etwa Bertha von Suttners „Die Waffen nieder!“ Von mir aus auch was über die Menschenrechte, wer weiss, vielleicht versteh‘n die‘s ja?

Wettern der Woche
Schmierfinken

Ist Angela Merkel wirklich die beliebteste Kanzlerin? – Grohmanns "Wettern" vom 22.0114

Die Schmierfinken vom ADAC haben das deutsche Auto in den Schmutz gezogen! Unser Land ist verunsichert. An was soll man noch glauben? Ein Skandal verdrängt den Milliardenverlust der guten Deutschen Bank ebenso auf die Hinterseiten unserer Medien wie Obamas Reaktion auf die NSA: Kein Mensch hört hin, kein Mensch hört mit, kein Mensch ist illegal. Ausgerechnet ein Kollege – Journalist wie du und ich – hat nach mehr als 110 Jahren ADAC-Geschichte 30 000 Stimmen erfunden und das Ansehen eines ganzen Berufsstandes schwer beschädigt. Und das nicht nur einmal, nicht fünfmal, nicht zehnmal, nein … ach was, egal. Können wir da noch den Wahlumfragen, ja Wahlergebnissen trauen? Fälschungssicher ist nur meine Omi Glimbzsch in Zittau.

Und die fragt sich schon lange: Ist Angela Merkel wirklich der blaue ostdeutsche Engel, geliebt von Schwarz, Rot, Geld? Und gehört Boris Palmer tatsächlich zu den am Besten angezogenen Menschen in der Republik, oder ist es nicht in Wahrheit Kai Dieckmann oder Egon Krenz? Sie wissen ja: Ein mehr als renommierter Gutachter fiel auf eine Fälschung von Galileo Galilei herein! Nichts ist mehr sicher. Und schuld daran sind die wahren blauen Engel, stets im Dienst der Automobilindustrie – große Manipulateure vor dem Herrn, aber doch nicht gut genug. Warum nur?, mag sich der verstörte Automobilist fragen, Mitglied seit 1903, als der ADAC im Hotel Silber zu Stuttgart gegründet wurde, warum nur?

Ich sage es Ihnen! Weil es ihnen peinlich war, dass – egal, was man sonst von den Franzosen hält – in Wahrheit der gute alte R 4 der Deutschen liebstes Auto war, ist und bleibt. Ein echter Volkswagen von Renault, Ausgänge nach Ost, West, Süd und Nord, mit Frontantrieb, und das nach dem Krieg! Will mir jemand das Gegenteil beweisen?

Wettern der Woche
Wer betrügt, der fliegt

"Wer betrügt, der fliegt": Peter Grohmanns "Wettern der Woche" vom 15.01.14

Mal ganz ehrlich im neuen Jahr: Die Sozialbetrüger hocken doch mitten unter uns – da brauchen wir keine bulgarischen Rumänen! Unsere sind schon längst da. Sie sitzen nur in den seltensten Fällen im Knast, sondern meist beim Steuerberater und an Stammtischen, in Kantinen und Kabinetten, das Maul weit aufgerissen, und bereiten den Rechtsruck vor. In den Glashäusern von der Maas bis an die Memel sind sie sich einig: Wer betrügt, der fliegt. Die reichen und hässlichen Hetzer knöpfen sich jetzt die Ärmsten der Armen vor.

Sie fliegen nach Zürich oder Hongkong, auf die Cayman-Inseln oder nach Florida, nach Delaware, Gibraltar, Jersey und Japan. Sie fliegen oder lassen fliegen. Die Sozialbetrüger heißen Hoeneß oder Rummenigge, Boris Becker, Verona Pooth oder Freddy Quinn, sind Stars und Sternchen, deutsche Herrenreiter, honorige Bankchefs,Vorbilder wie der Postbote Klaus Zumwinkel oder der Mann mit dem Tennisarm: Peter Graf, der’s für die Tochter treibt. Auch Jan Ulrich, Sebastian Vettel, Theo Müller, der Milchmann lassen den deutschen Sozialstaat am langen Arm verhungern. Wenigstens 15 Milliarden Euro kostet allein der Umsatzsteuerbetrug den deutschen Staat, Jahr für Jahr. „Mit so viel Knete könnte man Griechenland besetzen oder den Hellenen 10 000 Steuerprüfer schenken“, sagte meine Omi Glimbzsch aus Zittau. Bankhäuser, Energieunternehmen, Versicherer und Großunternehmen geraten in Erklärungsnot und polieren nachts ihr angeschlagenes Image auf. Dividendentricks, Scheingeschäfte, doppelte Steuergutschriften – der Fiskus wird ausgenommen, so gut es geht. Und es geht gut. Da sehen die Rumänen und Bulgaren alt aus, und hier geht’s um hunderttausendfach höhere Summen. Da sind die fragwürdigen Steuertricks, die der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) unterstellt werden. Die mehr als 100 Millionen entgangene Euro beschäftigen jetzt die Staatsanwaltschaft Stuttgart. Man wird sehen, oder nicht.

Inzwischen untersuchen deutsche und europäische Behörden illegale Karussellgeschäfte mit Strom mit dem Ziel, dass der Fiskus nie gezahlte Umsatzsteuer zurückerstatte. Möglicher Schaden: „Ein paar Milliarden“. Und bei der EnBW sind wohl findige Steuerprüfer auf „strafrechtlich relevante Sachverhalte gestoßen“. Falls Sie das tröstet: Wer Steuern hinterzieht, verhält sich asozial, meint Joachim Gauck. Und er meint es wirklich ernst. Soviel zum Thema Sozialbetrug und CSU.

Wettern der Woche
Hosenscheißer

Peter Grohmanns "Wettern der Woche" vom 25.12.2013

War Gottlieb Daimler ein Hosenscheißer? Die Frage soll offen bleiben, anders als die offenen Antworten, die hier, kurz vor Tores- oder Jahresschluss, vom Wetterer der Woche den Lehrkräften des Gottlieb-Daimler-Gymnasiums vor die Füße geschmissen werden. Das Gymnasium liegt im Herzen von Bad Cannstatt, einem der vielen Kur- und Vorort Stuttgarts: Gute Bildung, gute Beschäftigung (Daimler!), gute Migrations- und andere Hintergründe.

Weil nun in der Stadt der Auslandsdeutschen Menschen aus 189 Nationen leben und die wenigsten katholisch oder evangelisch sind, wollen auch hier Kindergärten und Schulen der eher kinderreichen Mehrheit etwas entgegenkommen bieten statt heiligem Nikolaus, Christbaum und den Glocken der Liebfrauenkirche Weltfeiern an: Alle Menschen werden Brüder, ob sie wollen oder nicht. Das hier gescholtene Gottlieb-Daimler-Gym hatte eben deshalb just in den besinnlichen Vorweihnachtstagen zu so einem multikulturellen Nachdenk-Fest eingeladen, doch die Rechnung ohne die deutschen Christen gemacht.

Die nämlich schmähten im Internetz mit gehässigen und dummen Bemerkungen aus den bekannten Rassistenküchen Schulleitung und Schule und nannten auch gleich das Kontakttelefon der Rektorin – für allfällige Beleidigungen und vorsorgliche Drohungen.Vorfälle wie diese sind vielerorts Alltag, die Androhung von Mord und Totschlag war diesmal nicht dabei, hat aber dennoch der Schule einen solchen Schrecken eingejagt, dass sie die im Herzen der Bäderstadt geplante Welt-Ethos-Feier flugs absagte und sich auf sicheres Schulgelände zurückzog, unauffällig bewacht von den Schützern der Verfassung. Dafür, dass die Feier nicht gänzlich abgesagt wurden, wurde die Schule förmlich mit Lob und virtueller Solidarität überschüttet.

Zu Unrecht. Man hätte immerhin den Arsch in der Hose behalten können. Man hätte immerhin alle Bewohnerinnen unserer multikulturellen Stadt zur Feier einladen können, den Nazis zum Hohn und Trotz. Die Stuttgarter Schulen hätten immerhin – als Zeichen praktischer Solidarität – alle zusammen nach Cannstatt pilgern oder an ihren Schulen zeitgleich zur Weltenfeier einladen können. Man hätte auch, vielleicht leichter gesagt als getan, die frommen Drohungen der echten Deutschen ignorieren können. Die nämlich haben ihr Ziel erreicht: Ein paar gemeine Hinweise im Netz, und eine ganze Schule kippt aus den Latschen.

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ApO

Peter Grohmanns "Wettern der Woche" vom 18.12.2013

Nie war sie so wertvoll wie heute, die evangelische Klosterfrau aus der Uckermark. Denn nun hat sie dem Volke das schönste Weihnachtsgeschenk gemacht, das je gemacht wurde: Die Große Koalition. Jetzt kann endlich, nach all den Anfeindungen, den widersprüchlichen Analysen der vormaligen Gegner, ihren kontroversen, trotzigen Programmen und bitteren Anfeindungen, an einem Strang gezogen werden: Für die Uckermark genauso wie für Südbaden, fürs Thüringer Land, die Saar und den Ruhrpott, für Deutschland, Europa, für die Welt. Mal ganz ehrlich: Wer hätte das gedacht, nach dieser verheerenden Niederlage der Opposition? Vor Monaten noch haben sich Soziologen, Journalistinnen und Parteistrategen die Haare gerauft oder die Schenkel geklopft, höhnisch die andere Seite fertig gemacht, je nach dem, und nun das! Reichen auch uns wir, wo immer wir leben, die Hände, lassen auch wir den Weihnachtsfrieden einkehren!

Andererseits – nie war sie so wertvoll wie heute, die andere Seite der Medaille, kurz ApO genannt, mag der eine oder die andere einwenden. ApO freilich bezeichnet treffend die illegalen Kinder der Demokratie, die außerparlamentarische (!) Versammlung der Möchtegerne, der Wutbürger und Schreihälse, die ohne Auftrag und Mandat auf Straßen und Plätze ziehen, ob nun in Kiew oder Kairo, Bangkok oder Rio, und den gewählten Regierungen das Leben zur Hölle machen wollen. Davon sind wir gottlob weit entfernt. 95 % unserer Menschen finden die Linke schlimm genug, 91 % halten nichts von den Außerparlamentarischen und 75,8 % finden auch eine parlamentarische Opposition unnötig. Ja, es gibt sogar ernst gemeinte Vorschläge wie jene: „Verbieten!“ oder „Geh‘ doch nach drüben!“ Beide Ideen haben eine gewisse Tradition im Lande, kommen also nicht nur aus dem hohlen Bauch, gründen auf alte Erfahrungen und lassen sich natürlich auch beliebig kombinieren.

Meine Omi Glimbzsch aus Zittau würde sagen: „Nu‘ is‘ aber Ruhe im Karton!“ Eine Wahl ist ja auch so etwas wie eine Volksabstimmung oder der Abstieg aus der 1. Liga im Fußball. Die Menschen hatten jahrelang Zeit zum Krakeelen oder gar zum Nachdenken und haben dann, als Höhepunkt, freiwillig an der politischen Willensbildung mitgewirkt und ihr Kreuzle gemacht – jetzt ist gutt!

Man kann den Tag auch vor dem Abend loben. Denn der Segen kommt von oben (nach Schiller, Stuttgart).

Wettern der Woche
Kein Auge!

Peter Grohmanns "Wettern der Woche" vom 11.12.2013

„Kein Auge hat sie …“, sang meine Omi Glimbzsch aus voller Brust für uns Kinder in der Adventszeit – aber eben nur diese fünf Silben. Es war ein Lied zum Kindererschrecken: Wir stellten uns eine augenlose Frau vor, blind, grausam – und baten um Dacapo.

Der ganze Liedtext? Bitte: Zwei Engel sind hereingetreten, kein Auge hat sie kommen sehn. Sie gehn zum Weihnachtstisch und beten – und wenden wieder sich und gehn. Dass sie sich wieder abwenden und gehen, hat uns natürlich ebenso ebenso beschäftigt wie das „kein Auge“. Die Engel dieser Tage kommen aus Syrien. Es sind die Waisenkinder, Kriegsopfer und ohne jede Chance, je das christliches Weihnachtsfest zu erleben. Die Engel sind die vergewaltigten Frauen, traumatisierte Jugendliche, Giftgasopfer, Menschen mit Amputationen, Kriegswunden, häuserlos, heimatlos. In einer Art Gnadenakt hat der leider immer noch amtierende Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich entschieden, dass „wir“ weitere 5000 syrische Bürgerkriegsflüchtlinge aufnehmen. Der bedauernde Tonfall ob dieser Großtat war nicht zu überhören, der CSU-Mann mag diese Menschen – 5000 von zwei Millionen – als Zumutung empfinden.

Deshalb erfolgte denn auch postwendend eine Art Wiedergutmachung für die rechtslastige Wählerschaft: eine kräftige Watschen für Bulgaren und Rumänen, die frei in Europa umeinanderreisen könnten, dann überall mal kurz haltmachen, die Wäsche von der Leine klauen und die Sozialkassen plündern. Kein Auge hat sie gehen sehn. Mit diesen „Auslassungen“ vergreift sich der deutsche Innenminister am Kern der europäische Idee. Im Haus Europa wohnen eben nicht nur die Profiteure, die am internationalen Markt mit deutschen Produkten ganz gut Kohle machen.

Und übrigens, Hans-Peter: Niemand zahlt für Lumpenbuden in den Slums der deutschen Großstädte höhere Mieten als der gepiesackte Rumäne, niemand lässt sich als illegaler Billiglöhner für zwei fuffzig leichter ausbeuten! Freizügigkeit für alle EU-Bürgerinnen und -Bürger ist vertraglich zugesichertes Recht. Alles andere zementiert Ausbeutung und eine menschenverachtende Zweiklassengesellschaft. Im Weihnachtsgepäck von Friedrich stecken jede Menge Gemeinheiten – und kein Auge hat sie kommen sehn.

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Fette Sau!

Peter Grohmanns "Wettern der Woche" vom 04.12.2013

Eine Sau braucht, um fett zu werden und 120 bis 130 Kilogramm auf die Waage zu werfen, weder Auslauf noch Freunde und auch nicht viel Zeit für Spaziergänge. So erleben etwa die meisten Schweine nie in ihrem Leben Weihnachten. Und da geht es ihnen nicht viel besser als den Gänsen – die Mehrheit schafft’s nicht mal bis zum ersten Advent. Dabei könnten sie, ging’s nach der Natur, 20 Jahre alt werden – doppelt so alt wie eine Wildsau, wenn die nicht in eine Falle tappt.
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Wettern der Woche
Falsche Fuffziger

Peter Grohmanns "Wettern der Woche" vom 27.11.2013 – Dieter Hildebrandt

Jetzt werden wieder massenweise falsche Fuffziger in Umlauf gesetzt, diesmal für Dieter Hildebrandt. Der Kollege würde sich im Grabe rumdrehen, tät‘ er hören, was ihm nachgerufen wird. Damit nicht auch das noch passiert, wird er sich wohl verbrennen lassen.

So gemein ist das Leben: Du warst jahrzehntelang aufmüpfig, frech, eine Münchner Schnodderschnauze aus Breslau, hast den Hartleibigen im Lande den Magen rumgedreht und den Goldfingern den Stinkefinger gezeigt – es wird Dir nichts nützen: Sie weinen, schluchzen, trauern, finden ganz, ganz große Worte, beteuern, dass der Verlust unersetzlich ist, daß man solche Dich braucht. Gestern noch haben sie Dir das Mikrofon abgedreht, Filmriss im Studio, haben Dich abgehört, verscheissert. Jaja, sie haben auch den Deckel gelupft, den Hut gezogen vor Dir, wer weiss, werden sie sie sich gesagt haben, vielleicht knöpfst Du sie Dir ja doch mal vor.

Deine Gewitter haben jedes Wetter in den Schatten gestellt.

Jetzt werden sie sich streiten, wer wie lange reden darf bei Deiner Trauerfeier, wer in der ersten Reihe sitzen darf neben dem Intendanten und den Honoratioren. Aber vielleicht hast Du ja vorgesorgt, Du weisst schon: „In aller Stille“.

Nein, das politische Kabarett ist nicht tot, wie der entertönende Scheinkollege Harald Schmidt – der vom Flachbildschirm – – offenbar meinte, als der die politischen Kabarettisten, die scharfen Alten im Fernsehen, neulich madig machte. Gemeint hat er mit den Alten offenbar die Hildebrandt, Schramm, Priol, die Polt, Zimmerschied & Co. Die sind lebendiger als die Demokratie in diesem Lande, das scheintote Luder, mißbraucht, gebenedeiht, gedemütigt und immer wieder auferstanden aus Ruinen. Tot sind die Sender, die öffentlich-rechtlich alles Anspruchsvolle, alles Kritische an den Rand des Tages schieben, je später, je lieber – wenn überhaupt. Und scheintot sind die verschnorchelten Rundfunkräte, die zusehen, wie den Sendern die Luft zum Atmen genommen wird. Tot ist die Unabhängigkeit der Presse, tot sind die Feuilletons und politischen Magazine, die die Zeit der Unkultur nicht begreifen und die einem Hildebrandt jetzt dicke Krokodilstränen nachweinen.

Der meinte: „Die Öffentlich-rechtlichen machen sich in jede Hose, die man ihnen hinhält. Und die Privaten senden dann, was drin ist.“

Dieter Hildebrandt stand für eine andere Kultur, für eine andere Republik, für eine andere, eine radikale Demokratie, zu der es noch ein ganzes Stück hin ist. Mit solcher Weltanschauung haben die meisten Nachrufer nichts am Hut. Sie haben sich bei keiner Demo schmutzig gemacht, sie denken, Lampedusa ist eine Hautcreme, kennen Mutlangen nicht mal vom Hörensagen. Aber sie kürzen bei nächster Gelegenheit die milden Gaben für Soziales und kritische Kultur. Sie setzen immer Prioritäten – für Schnelle Eingreiftruppen, Auslandseinsätze, Drohnen, Notstandsgesetze und den Überwachungsstaat. Etwas Sonne am Grab reicht ihnen, wenn Du weisst, was ich meine, Alter.

Wettern der Woche
Schön blöd

Peter Grohmanns "Wettern der Woche" vom 20.11.2013

Wer heute noch mit der Sparkassenbuch spart, muss schön blöd sein, meinte einer jener Gauner, die unser Geld in Immobilienblasen gesteckt haben und anschließend vom Staat eine füllige Leibrente kassierten. Ein Sparbuch heißt Sparbuch, weil man es sich sparen kann. Die Zinsen sind mehr als lausig – eine kalte Enteignung, die die Sparer aber offenbar geduldig hinnehmen. Bei den jungen Leuten ist das Sparbuch trotzdem beleibt – es hat eben jeder seine Omi Glimbzsch, wenn auch nicht in Zittau, die zur heiligen Jugendweihe dem Enkel das Büchle in die Windeln wickelte. „Schöne Scheiße“, würde der heute sagen, wenn er nachdenkt. Aber das muss er ja nicht: Von den 14- bis 24-jährigen haben deutlich mehr als 65 Prozent ein Sparbuch. Dass sie davon weniger als zuvor haben werden, ahnen sie noch nicht. Später einmal, vielleicht schon bei den Europawahlen im Mai, wird man ihnen sagen, wer an diesem Desaster schuld ist: Die EU, der Euro, die Amis, die Juden, die Linken, die Griechen und die anderen Asylanten. Griechenland ist zu weit weg, also wird man ihnen zeigen, wo die Flüchtlinge hausen: In aufgelassenen Kasernen, vermoderten Schulen, Lagern. Ein kleinerer Teil der „Assis“ wartet noch im Flughafen Frankfurt auf die Abschiebung: Heimat, Du hasst mich wieder! Die Fackelaufmärsche der Populisten („Wir sind keine Rechtsradikalen, wir sind das Volk!“ – der Slogan ist geschützt!) werden so viel Widerhall finden wie seinerzeit die Scheiterhaufen für die schädlichen und unerwünschten Bücher der entarteten Schriftsteller. Interessant bleibt, dass die besseren Kreise in der Regel toleranter sind – weil in ihren besseren Gegenden niemals eine Asylbewerberunterkunft stehen wird. Im übrigen sind weder ganz Rote noch Halbrote oder Grüne vor dem Virus Fremdenhass, Antisemitismus oder Intoleranz gefeit: Die populistischen Bündnisse in Europa gegen die Überfremdung haben die bildungsfernen Schichten und das Bildungsbürgertum längst erreicht. Na, denn mal Prost beim Prosecco im Mai! Mal ganz unter Freunden: Gute Nacht um Sechse, wenn die Alternative für Deutschland Führer wie Haider, Le Pen oder Wilders gebiert. Der Schoss ist fruchtbar noch, aus dem das kroch. Wenn wir nicht hinstehen gegen Rechts, werden wir auch hier unser blaues Wunder erleben.

Wettern der Woche
Kaltes Land

Peter Grohmanns "Wettern der Woche" vom 13.11.2013

Friss die Hälfte, das wußte schon meine Omi Glimbzsch in Zittau, und für sie galt das auch in schlechten Zeiten. Denn „je schlechter die Zeiten, umso dicker die Bäuche.“ „Iss mit ‘m Kopp, nich mit die Oogen“, sagte sie. Armut frisst, Reichtum lebt. Anders in China – da kommen die Leute bekanntlich mit einer Handvoll Reis aus.

In Herne, die Stadt mit den meisten Arbeitslosen und den meisten Hartz-IV-Empfängern, hat wohl auch die meisten Dicken. Dicht auf folgt Gelsenkirchen, dann kommen die Amis. Aber wer Sorgen hat, hat auch Likör. Logisch, jetzt folgt die Leier mit dem Alkoholismus, dem die Armen verfallen, weil die Realität so triste ist. Diese Realität wird auch die geplante schwarz-rote Scham-Offensive nicht ändern. Richtig Arme haben übrigens auch mehr Kinder als richtig Reiche, weil sie sich damit die Zeit vertreiben. Denn wenn der Strom abgestellt ist, weil die Rate nicht bezahlt werden kann, bleibt die Bude kalt und dunkel, der Zugriff auf arte gesperrt und das Bett die letzte Zuflucht. Hoffnung auf neues Leben?

Wenn die Kinder aus der Schule kommen, wenn sie überhaupt noch nach Hause wollen, wird es erst recht ungemütlich. Papa ist nicht beim Joggen, Mama nicht im Yoga-Kurs, der Pizza-Service gestern hat das letzte vom Baren gestern mitgenommen. Neulich wurde der Kleine erwischt, weil er einem Schulkameraden das Pausenbrot geklaut hat. Früh übt sich. Geduscht wird kalt, wenn, und gewaschen wird von Hand, das Zeug trocknet nicht, und solche Höschen wird kein Mensch niemals auf die Wäscheleine hängen. Im Eine-Welt-Laden zwei Häuser weiter stellte sich neulich die Initiative Fair Trade vor, warb für die Grüne Kiste, regionale Produkte und warnte vor den Billig-Klamotten von kick: In Bangladesch würden die Arbeits-Neger eben mal einen Dollar kriegen. In der Stunde, am Tag, in der Woche? Wer weiss das schon!

Wenn Sie bisher gelesen haben, wissen Sie auch, dass seelische Leiden zur Volkskrankheit Nr. 1 geworden sind, auch aus diesen Gründen. Depressionen und Angsterkrankungen stehen ganz oben auf der Liste – zur Freude der Pharmaindustrie und ihrer Genossen in den Vorzimmern der Ministerien. Bayer und Co. haben nämlich gegen alles ein Mittelchen – nur nicht gegen die wachsende Armut. Und wie steht‘s mit  dem „Recht auf Stadt“? Das geht den Menschen am Arsch vorbei, die Wahlbeteiligung bei Kommunalwahlen in diesen Kreisen liegt bei 25-30 %, Tendenz fallend. Lobby? Nicht für solche, das lohnt sich nicht. Stattdessen Vesperkirche, Trost von der Kanzel und die Weihnachtsaktion der Tageszeitung, Krokodilstränen zum Advent für das traurige Einzelschicksal und im übrigens das große Schweigen im Blätterwald.

Ein Georg Büchner müßte her.

Anmerkung des Säzzers: Irgendwie passt der Text zwar zum Video, ein Manuskript ist es aber keinesfalls.

Wettern der Woche
Hype

Peter Grohmanns "Wettern der Woche" vom 30.10.2013

Das Abhören, sagte mir ein unbekannter US-Senator dieser Tage, hat viele tausend Tote gespart, und die Merkel samt ihren Europäern solle sich gefälligst nicht so haben. Ob bissel Folter oder bissel Schläge in Guantanamo, ob Drohneneinsätze weltweit, Spionage, nicht erklärte Kriege, katastrophale Zustände in den Knästen, Rechtlosigkeit für die Ärmsten der Armen, ach Mensch Amerika, Land der Freiheit, Erfinderin der Menschenrechte, wie bist du nur so verkommen!?

„Wir halten diese Wahrheit für uns selbst einleuchtend, dass alle Menschen frei und gleich geschaffen sind, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen. unveränderlichen Rechten begabt sind, dass darunter sind Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit, dass zur Sicherung dieser Rechte Regierungen unter den Menschen eingesetzt sind, die ihre gerechten Vollmachten von der Zustimmung der Regierten ableiten, dass wenn eine Regierungsform diesen Zwecken schädlich wird, es das Recht des Volkes, ist sie zu ändern oder abzuschaffen.“ Soweit eine frühe Behauptung, ja, ein Traum von Thomas Jefferson.

Dass also die Kanzlerin, unsere Kanzlerin, von ihren besten Freunden abgehört wird, scheint indes die deutsche Menschheit mehr zu erschüttern als die Abwesenheit jener versammelten Menschenrechte, die sich die Kolonialisten einstens auf ihre Sternenbanner schrieben. Was wird erst los sein, wenn einmal herauskommen sollte, dass mon Ami seit Jahren 96 000 Daten aus den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen von Daimler, Porsche, Stihl, Dürr und Allianz geklaut und ausgewertet hat? Mein Gott, Walter, würd‘ da meine Omi Glimbzsch aus Zittau singen und sich an Lale Andersen und die Stümper von der Stasi erinnern: Es geht alles vorüber, es geht alles vorbei, nach jedem Dezember kommt wieder ein Mai! Das Wiegenlied für die Söldner von heute singt jetzt unsere Angela Merkel mit den Sängern aus Finsterwalde – der neue schwarz-rot-gemischte Chor versammelt sich dann unterm Tannenbaum im Kanzleramt und kündet von besseren Zeiten. Denn beim neuen Koalitionsvertrag geht’s gottlob nicht um Fukushima und erst recht nicht um Lampedusa oder Aufklärung von rechtem Terror, sondern um 8,50 Euro und die Homoehe, zwei Themen, so erhebend und erhellend wie die Weltmeisterschaft für Sebastian Vettel. „Fürs Gewesene gibt’s nischt“, könnte jetzt die Omi Glimbzsch sagen.

Wettern der Woche
Lächeln an Land

Peter Grohmanns "Wettern der Woche" vom 09.10.2013

Nicht nur ein Schiff wird noch kommen, sondern noch viele, viele mehr. Übervoll mit Flüchtlingen. Weiter zuschauen, wie diese untergehen und deren Passagiere ertrinken, dürfen wir nicht mehr, meint Peter Grohmann.

Die Katholischen sind ja vom Naturell her an Leiden gewöhnt, selbst an eigene, und die Christen und Atheisten auch. Letztere können allerdings bei der gemeinsamen Show aufs Elend in der Welt nicht glaubhaft die Hände falten, sind also im Nachteil. Gemeinsam ist allen, dass sie mit dem Lächeln der Auguren am Strand stehen – und zuschauen, wie die kleinen Schiffe kentern, die ungünstige Winde aus Afrika an die Küsten treiben. mehr…

Wettern der Woche
Krieg den Palästen

Peter Grohmanns "Wettern der Woche" vom 02.10.2013

Die gute Nachricht zuerst: Nur lächerliche 24 % der Wahlberechtigten stehen wirklich hinter Angela Merkel. Und das ist noch nicht alles! Wenn ich nämlich die nie und nimmer Wahlberechtigten auch noch davon abziehe, bleiben peinliche 17,5 % übrig. Die Kanzlerin ist also gerade noch mal mit einem blauen Auge und über die 5-Prozent-Hürde gehüpft. So kann man’s also auch sehen. Bitte – gern geschehen, wenn Sie das tröstet. mehr…

Wettern der Woche
Mamatschi

Peter Grohmanns "Wettern der Woche" vom 25.09.2013

Es war einmal ein kleines Bübchen, das bettelte so wundersüß: „Mamatschi, schenk’ mir ein Pferdchen ! Ein Pferdchen wär‘ mein Paradies….“ .
Mal ganz unter uns – ein Gutes hatte diese Wahl denn doch: Die CDU liegt deutlich unter 80 %. Und das will was heißen in einer Volksdemokratie, die ja medial betrachtet nur zwei Parteien kannte: CDU und SPD. Alles andere landete bei den Redaktionen auf dem Müllhaufen der Geschichte – und dem der ungedruckten Nachrichten. Um es mit dem Lieblingsspruch meiner Omi Glimbzsch aus Zittau etwas seriöser auszudrücken: Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen.

Ich hab’ mir die halbe Nacht über den Kopf zerbrochen, wo ich denn diesen oft zitierten rot-grüne Linksruck schon mal gesehen habe der an allem Schuld ist. In den beiden Parteiprogrammen war er nicht, da bin ich mir sicher. Im Wahlkampf, bei dem man in der Hektik der Gefühle auch mal das Parteiprogramm mit der eigenen Partei verwechselt, auch nicht. Nicht in den Sprüchen, Reden, Interviews, nicht auf den schönen Plakaten, Flyern, Bannern, Anzeigen. Vielleicht bei den Hausbesuchen? Und da gibt’s allerdings keine glaubwürdigen Zeugen, allenfalls Leute, die später mal ihren Enkel sagen werden: Ich war’s nicht. Bei den Hartz-IV-Empfängern hätte man ja eventuell noch mit links punkten können – aber die hatten sich bereits mehrheitlich für Merkel entschieden: Mamatschi, schenk wir ein Pferdchen. Den Teufel wird die tun.

Der kleine Mann auf der Straße, unberechenbar und immer noch still, sagte mir mal, als ich ihn mal auf die Sorgen von morgen ansprach: Lass mich in Frieden, Alter! Ich sag’ noch zu ihm: Junge, deine Rente ist nicht sicher! Wir müssen mehr Geld in die Bildung deiner Enkel stecken, sag’ ich noch, und deine Geldanlage …Er lachte nur nachhaltig und ging wählen. Fukushima und Freie Demokraten, Mondfinsternis und Massentierhaltung, Klimawandel und soziale Katastrophen, Armutsflüchtlinge und Abhörskandale, Gentechnik und Giftmüll: Das sollen jetzt endlich mal die ausbaden, die uns das eingebrockt haben, die, die die Macht haben.

Mamatschi, das ist die Sehnsucht von uns allen nach der Mutterbrust, für die einen mit, für die anderen ohne schwarz-rot-goldner Kette. Merkels Mantra bietet allen großen Frauen und ihren kleinen Männern und Schutz und Frieden, auch wenn der einer oder andere bei Heckler und Koch arbeitet und Schießgewehre produziert. Solche Pferde wollt’ ich nicht? Gegessen wird, was auf den Tisch kommt. Also Schweinskopfsülze am Veggie-Day.

Wettern der Woche
Der kleinen Mann

Peter Grohmanns "Wettern der Woche" vom 11.09.2013

Einmal alle vier Jahre kommt er ganz groß raus, der kleine Mann auf der Straße, und seine Frau auch. Die nimmt ihn dann an der Hand und geht mit ihm wählen. Nie sonst ist der kleine Mann auf der Straße so wichtig, so groß, so mächtig so selbstbewußt wie heute, und seine Frau auch! Kurz vor dem mehr…

Wettern der Woche
Giftgas

Peter Grohmanns "Wettern der Woche" vom 04.09.2013

Halabdscha: Das sollten wir auswendig lernen, wir, Satiriker, Kanzlerinnen und Kandidaten, Presseleute, Leser. Halabdscha – das ist 25 Jahre her. 5000 Giftgastote – aus dem Leben geworfen, aus dem Bewußtsein gelöscht. Und auch kein Wort weiter von Genozid bis heute über das qualvolle Sterben von rund 180 000 Kurden im Krieg Irak/Iran. Stattdessen tut die Journaille samt Machthaltern gestern und heute so, als sei dass, was in Syrien passiert, das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte seit dem Verbot von Chemiewaffen. «Vier Stunden», schrieb der Korrespondent der Aargauer Zeitung im März mehr…

Wettern der Woche
Kaufen, kaufen, kaufen

Peter Grohmanns "Wettern der Woche" vom 28.08.2013

Die Richtigen

„Wenn’s Arscherl brummt, ist’s Herzerl gsund“, wusste meine Omi Glimbzsch aus Zittau. Momentan reibt sich das Kapital die Hände, freut sich und läßt einen Kräftigen fahren auf die Moral. Allenthalben werden die Geldpressen angeworfen, um die Banken zu bedienen – das Geld kommt direkt vom lieben Gott. Es ist Revolution auf dem Giermarkt. mehr…