Archiv der Kategorie: Wettern der Woche

Peter Grohmann schreibt und spricht das Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext.

Wettern der Woche
Auge für Auge

Auge um Auge ... – Peter Grohmann's "Wettern" vom 23.7.2014

Es erzählt eine Legende von fünf blinden Männern, die einen toten Elefanten finden. Sie wissen sofort: Es ist etwas Großartiges! Und so beschließen sie, das Fundstück von allen Seiten zu untersuchen. Der eine entdeckt inspiziert den Stoßzahn, der andere den gewaltigen Rücken, der dritte untersucht den Schwanz, der vierte den Rüssel und der fünfte Blinde die Zehen der Vorderbeine. Als sie ihre Erfahrungen austauschen, stellen sie fest, dass sie unterschiedlicher nicht sein könnten.

Guantanamo oder Gaza, Ostukraine oder Omertà – wir wissen nicht mehr, wo vorn und hinten ist, vor allem, wenn man den Elefanten nachts umdreht oder wiederbelegt. Während im Falle Gaza bewusst wie unbewusst antisemitische Klischees mobilisiert werden, überwiegt bei der Ostukraine der Blick auf den Putinschen Stoßzahn. Russische Nachrichten – No wosti, Genosse? – werden im Gedenken an den Antikommunismus so gut wie nirgends zitiert, und die Akteure von Revolution und Konterevolution mahnen die Betroffenen mit einem Spruch des Kinderschänders Berlusconi: „Wer taub, blind und stumm ist, lebt hundert Jahre in Frieden.“
Die mit den Waffen Krieg und Frieden spielen, proklamieren ungeniert Bibel oder Tora, Koran oder Schari’a und jagen den Gläubigen nicht nur einen Heidenschrecken ein, sondern lassen den frommen Worten gemeine Taten folgen: Raketen aus dem Wohnzimmer, Granaten ins Kinderzimmer. Das neue Volkslexikon Wikipedia meint, dass nach überwiegender rabbinischer und historisch-kritischer Auffassung bei der Vergeltung ein angemessenen Schadensersatz verlangt wurde, um die im alten Orient verbreitete Blutrache einzudämmen und durch die Verhältnismäßigkeit von Vergehen und Strafe abzulösen. OK, das ist lange her und war früher so.

Unrecht? „Das sieht ja ein Blinder mit dem Krückstock“, tät‘ heute meine Omi Glimbzsch aus Zittau sagen. Aber ihr Blinder würde spätestens vor dem toten Elefanten kapitulieren, weil es zu dunkel ist geworden ist. Dafür sind die fünf Blinden dieser Tage sind laut: Auge für Auge, rufen sie, Zahn für Zahn!

Peter Grohmann schreibt und spricht das Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext – für lau.

Wettern der Woche
Schwarz. Rot. Gold.

Dass wir mal Papst waren, damals, unter Ratzinger, Gott hab‘ ihn selig, war meiner Omi Glimbzsch aus Zittau so was von egal! Als gute Atheistin war sie sich des Himmels auch unter Pieck, Grotewohl, Ulbricht und Honecker ganz sicher – bei Helmut Kohl freilich zweifelte sie, zu Recht, wie wir heute wissen. Und kann mir lebhaft vorstellen, wie sie jubelte, als wir 2003 und 2007 Weltmeister wurden! Von der grandiosen Europameisterschaft 1989 ganz zu schweigen: Das Finale ausverkauft, alle im Siegesrausch, im Freudentaumel. Unglaublich, was da geleistet wurde. Und für den Sieger gab’s ein 40-teiliges Kaffeeservice aus Meißner Porzellan, allerdings nur 2.Wahl. Was für Zeiten! Da saß die Omi Glimbzsch noch hinter Mauer und Stacheldraht, schenkte sich einen Nordhäuser Doppelkorn ein und sah das 4:1 gegen Norwegen illegal im Westfernsehen. Freie Sicht auf die schwarz-rot-goldenen Siege gab es aber dann sofort nach dem Mauerfall – und was für eine Erfolgsserie für das wiedervereinigte Deutschland und den Fußball: Wir waren Europameister 1991, 1995, 1997, 2001, 2005, 2009, 2013! Und jetzt, in diesen Stunden, läuft die EM in Norwegen, Anfang August die Weltmeisterschaft in Kanada, und Omi bügelt schon mal fürs public viewing vor der Volksband Zittau-Löbau ihr historisches Trikot mit Hammer, Zirkel und Ährenkranz auf Schwarz-Rot-Goldnem Grunde. Auf die Farben ist sie übrigens ganz schön stolz, die alte Glimbzsch, auf den März 1848 in Berlin, auf das Hambacher Fest und den Donnersberg, na ja, und wenn ich schon mal dabei bin, schließe ich mich ihr an: auf den 14.Juli 1789, den Sturm der Pariser Bürger die Bastille, auf das 125 Jahre alte Bundeslied für den Pariser Arbeiterkongress am 14. Juli 1889 des Stuttgarter Dichters Georg Herwegh: „Mann der Arbeit, aufgewacht! Und erkenne deine Macht! Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will!“ Nach dem November 1918 gingen sie in Berlin und Stuttgart noch mal auf die Straßen, für Freiheit, Gleichheit, Brüder-lichkeit. Auch für die mies bezahlten Schwestern. Die kriegen zwischen Baden-Württemberg und Sachsen im Monatsdurchschnitt nicht mal 2000 Euro. Brutto natürlich. Die Diätenerhöhung der Schwestern ist der kalte Kaffee fürs Service. Schau doch! Denn es gibt ein Leben nach dem Fußball – aber das meiste davon sieht man nicht, es lohnt sich nicht, dieses Leben. Keine Direktübertragung. Kein public viewing.

Peter Grohmann schreibt und spricht das Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext – für lau.

Wettern der Woche
Wahnsinn

Fußball-Wahnsinn! – Peter Grohmann's "Wettern" vom 8.7.2014

Millionen Menschen, Lebende und Sterbende, verfolgen in diesen Augenblicken diese kühne, ja grandiose Fußballweltmeisterschaft in Brasilien. Und sie vergessen vielleicht für einen Augenblick, vielleicht auch für immer, was sie bislang bedrückt oder beflügelt hat, Mord und Totschlag in der Welt, Hunger, aber auch Fettleibigkeit, oder, wie der Italiener gern sagt: Adipositas. In diesen Augenblicken brandet beispielhafter Jubel auf, zum Teil sogar Trubel. Viele der Zehntausende haben Tränen in den Augen, selbst Frauen, als die beiden Mannschaften, angeführt von dem umstrittenen, aber dynamischen Schiedsrichter Master Card aus Purchase (NY), auf dem im saftigen grün angespritzten Rasen einlaufen. Konterfußball und Foulspiel pur – das erwartet hier der einfache Mafiosi genauso wie der Profi von Respect! Und just in diesem Moment wird angepfiffen, und Adidas sofort vorn, ganz vorn, wunderbar, schiebt den Ball fast lässig rüber zu Sony, dem Linksaußen, direkt auf die Socke – doch gaaaaaanz knapp verfehlt! Samsung greift sich sofort das Leder, mit einem zielgenauen Schuss rüber zu Pepsi, gekonnt, jetzt stürmt Lufthansa vor, gibt ab zu VW, Adidas – aber sicher gestoppt von Emirates! Was für ein fulminanter Auftakt. Die Viererkette mit Castrol steht, mit Oi, Apex und ihrem stärksten Mann Continentals. Auf der anderen Seite lauert CocaCola, komplett ungedeckt von Blattner, völlig abgefüllt von Budweiser ganz rechts jetzt Johnson Johnson. Knappe 6 Minuten nach dem Anpfiff die erste richtig gute Chance für Yingli, der haut den Ball im letzten Augenblick auf Emirates, Klasse gemacht. Kann sich aber nicht durchsetzen, Ballverlust, jetzt Freistoß Cola, das Leder hart auf Kante.

An der Außenlinie jetzt auch der 12. Mann, die erste richtig gute Chance mit der Aussicht auf Ausschreitungen nach der dritten Halbzeit – wenn nicht der Assistent wieder die Fahne hebt … Aber das Spiel verliert an Spannung, zu viele Pässe, zu wenig Tempo, und so mancher Hardliner hofft vergeblich auf eine Blutgrätsche, die dem Spiel noch eine Wendung geben könnte – Foul, rufe ich vorsichtshalber noch – das knallt mir einer das Rund in die Eier. Jetzt, spätestens jetzt zeigen mir alle, die noch lesen können, die Rote Karte. Ich, der beste Mann für einen gezielten Fernschuss im Zwölf-Meter-Raum, muss vom Platz. Welche Schandeden Meister aus Deutschland, für meine Omi Glimbzsch, die bei BSG Lokomotive Zittau die Wäsche gemacht hat. Und die hätte schon viel früher abgeschaltet.

Peter Grohmann schreibt und spricht das Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext – für lau.

Wettern der Woche
Drei Mal nein!

3x Nein! – Peter Grohmann's "Wettern" vom 2.7.2014

Keine kleinkalibrige Kritik an der vollautomatischen Diätenerhöhung unserer Abgeordneten! Die Neidgierer vergessen, dass der Abgeordnete ausschließlich dem Wohle des deutschen Volkes verpflichtet ist und sonst allenfalls sich selbst. Und viele haben ja neben der Familie auch noch einen Job. Noch mal nein: Keine Kritik an unserer Bundes-Drohnen-Beauftragten Ursula von der Leyen! Die Verteidigerin ist sich ihrer Verantwortung für die Truppe und die Heimat selbstverständlich bewusst, sonst wäre sie ja nie auf diesem Posten gelandet. Natürlich reichen die Mittel des BMFV hinten und vorne nicht aus, um die traumatisierten Heimkehrer von der Front anständig oder überhaupt zu behandeln. Denen geht es zum Teil so beschissen, dass sich jetzt sogar die verhassten Kriegsdienstverweigerer für die Exsoldaten einsetzen. Der kampferprobte Freiwillige hat immerhin die Chance, seinen Seelenschmerz bei der „Tatort“-Serie meistbietend zu verscheuern und kann dann linkshändig seinen Therapeuten bezahlen. Es geht also!

Nein, aber nein auch zu den Kleingeistern und Leisebetern, die Sigmar Gabriel jetzt das Leben schwermachen wegen dieser paar erneuerbaren Energien. Da haben wir früher ganz andere Sache verfeuert! Klar haben sich der eine oder die andere vor der Wahl die Hände gerieben, weil es jetzt dem Atommüll, ja dem ganzen Uran an den Kragen geht. Meine Omi Glimbzsch aus Zittau würde jetzt einwerfen: Brennholzverleih der SPD! Aber auch sie vergisst gern, dass der Wirtschaftsminister faktisch am Tropf von CDU/CSU hängt. Gabriel ist ja ein echter Pferdeflüsterer, aber eben auch ein Bürgerversteher. Er weiß, dass er allein den Anstieg von CO2 in der Regierung nicht verhindern kann. Und wen hat er denn noch? Brandt ist tot, Helmut Schmidt schwächelt, und Ernst Ulrich von Weizsäcker will austreten.

Nein also, denn sonst verlieren wir und Deutschland in den nächsten 10, 15 Jahren unsere Konkurrenzfähigkeit. Ich sage nur russisches Gas! Nein auch zur linken Häme gegen Martin Schulz, unseren Hoffnungsträger und Chef der Progressiven Allianz der Sozialisten und Demokraten im Europäischen Parlament, aus Eschweiler übrigens! Alle Jasager wussten doch schon lange vor der Stimmabgabe, dass es Jean-Claude-Juncker genauso wie Martin machen wird – und haben mit dieser Sicherheit eben erst gar nicht an den Wahlen teilgenommen.

Damit wir uns nicht missverstehen: Nein auch zum Fracking-Zwang, Genmais und Polizeiwannen, Privatisierung, Krieg und Kapitalismus.

Peter Grohmann schreibt und spricht das Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext – für lau.

Wettern der Woche
Zwischen allen Toren

Zwischen allen Toren – Peter Grohmann's "Wettern" vom 25.6.2014

Natürlich dürfen bei den Spielen deutsche Fahnen gezeigt werden,

ob DDR-Fahne, Reichskriegsflagge oder eben das einfachere Schwarz-Rot-Geld. Das ist sich die Fifa seiner Demokratie schuldig. Klar, wenn jetzt jemand auf die Idee käme, ein Sinalco-Fähnele zu schwenken oder ein Boss-T-Shirt provokativ überzuziehen – das ginge der Fifa ihren offiziellen Partnern denn doch zu weit. Die FiFa hat dafür zu sorgen, dass kein einziges falsches Fernsehbild unzensiert ein Stadion verlassen kann. Nicht nur nackte Brüste und Ärsche (schade!) bleiben da außen vor, auch obszöne Gesten oder, viel schlimmer, Kritik an der Mafia im besonderen oder den Zuständen im Allgemeinen müssen werden beschnitten. Dass dennoch den Fans und einigen anderen Interessenten die Demonstrationen der Millionen gegen die Fifa und für den legalen Fußball nicht verborgen blieben, liegt an der freien Welt und der freien Presse. Das ist es, was wir den Negern und vielen andere Unterentwickelten voraus haben: Dieses tiefe Mitgefühl für Freiheit und Demokratie, zum Teil sogar für echte Menschenrechte. Nehmen wir nur mal Ghana, das uns jetzt nahesteht und das früher, als es den Menschen dort noch besser ging als heute, mehr oder weniger weiß war. Die reichen Rohstoffreserven wussten, wo sie hingehörten, und der Handel mit Gold und Elfenbein war ebenso lukrativ wie der Handel mit schwarzen Menschen. Das ist Gottlob vergessen, und nur ganz schwach erinnern sich heute multinationale Konzerne an die unvorstellbaren Erdöl- und Erdgasfelder an der Goldküste, an die immer noch nicht voll ausgebeuteten Vorkommen an Aluminium, Mangan und seltenen Steinen. Die meisten Schätze des Landes gehen, wie man gern sagt, nach Übersee, aber den Ghanaern bleiben, so will es das Gesetz, 10% der Erlöse. Da würden sich andere Ländern die Finger abschlecken. Na gut – es ist damit zu rechnen, das Ghana nicht Weltmeister wird, sondern wir. Dennoch muss man mit den Fouls vorsichtig sein, auch wenn die Zensur manches schönen kann.

Was ich sagen will: Wir sollten uns den Fussball nicht durch miesepetrige Kommentare versauen lassen! Wenn schon die deutschen Nationalspieler nur vor einer Reklamewand das sagen würfen, was sie nie denken, sollten wir einfachen Spieler ganz, ganz leise sein. Darauf ein Budweiser, würde meine Omi Glimbzsch in Zittau jetzt sagen und heimlich ihr Eibauer Schwarzbier knallen lassen. Prost.

Peter Grohmann schreibt und spricht das Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext – für lau.

Wettern der Woche
Pest oder Präser?

Pest oder Präser? – Peter Grohmann's "Wettern" vom 18.6.2014

Mit tränernerstickter Stimme schildert ein Vertreter von Gen-Food und Co KG, wie in Asien oder Afrika die Kinder zu zehntausenden verhungern, weil die Umweltschützer den Einsatz von Pestiziden verhindern. Die starrsinnigen Grünlinge stehen jedem Fortschritt im Wege, klagt er, sie lassen sterben, während unsereins, Bayer und Monsanto, mit froher Botschaft für die unterernährten schwarzen Babys die und die ganze Welt vor dem Hungertod retten retten könnten. Aber man lässt sie ja nicht.

Im Rahmen des grassierenden Petitionismus haben in den letzten Monaten hunderttausende via Internet Druck auf nationale und internationale Parlamente gemacht, um den Gen-Food-Vormarsch aufzuhalten. Offenbar war’s aber doch nur Druckluft. So wie die Pestizide die fleißigen Bienchen orientierungslos machen, irren die Gläubigen der gelenkten Internetdemokratie durch die Netze, anstatt ihren Volksvertretern auch nur einmal richtig Feuer unterm Arsch zu machen.

Generalstabsmäßig und strategisch eingebunden über Gen-Mais-Stresstest und Bienen-Schlichtung, hofft man im Lande auf die günstigen Winde, die uns vor den bösen Pollen schützen. Denn die Winde kennen keine Grenzen, denen sind sogar Verordnungen oder Vorschriften der Europäischen Union egal.

Gerd Müller (nein, nicht der Ex-Fußballer und Bomber der Nation, sondern der Entwicklungsminister von der CSU, also der mit den Eigentoren) sorgt mit Initiativen wie der German Food Partnership oder der Neuen Allianz für Ernährungssicherung dafür, dass die großen Agrarkonzerne Bayer, BASF, Monsanto & Co. in Afrika satte Profite erwirtschaften können, während Kleinbäuerinnen und Kleinbauern dort hinten ins Abseits gedrängt werden. Und kein Schiedsrichter auf dem Feld, keine Regel für’s Menschenrecht auf Nahrung.

Eine Chance, das ungewollte Wachstum von Pestiziden, Gen-Food und Menschheit aufzuhalten, wäre: Pille, Präser oder Aufklärung. Sicher ist sicher – und aller guten Dinge sind dreie, würd‘ da meine Omi Glimbzsch aus Zittau sagen und Lichtenberg zitieren: Man kann den Hintern schminken wie man will – ein ordentliches Gesicht wird nie daraus.

Peter Grohmann schreibt und spricht das Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext – für lau.

Wettern der Woche
Quotenluder

Liebe Tante SPD ... – Peter Grohmann's "Wettern" vom 4.6.2014

Liebe SPD, nu werd mir bloß kein Quotenluder, ich kenn genug von der Sorte! Als traditionsreiche Partei erinnerst du dich ja sicher noch an deine alten Freunde von der APO, die Außerparlamentarischen, die später (oft genug geschichtsvergessen) bei dir reihenweise auf- und abgestiegen sind. Aus dieser Zeit stammt ein Spruch mit Foto: Ein Haufen Sch … (Kacke) mittenmang auf der Titelseite der „Bild“-Zeitung und darunter die fröhliche Zeile: Millionen Fliegen können nicht irren. Wahr oder nicht, aber besser kann man die grassierende Quotensucht samt Klickfimmel nicht beschreiben.

Nicht dass ich dich besonders gern hätte, du einst so stolze Mutter der Arbeiterschaft! Dazu hast du zu oft gesündigt und uns hinters Licht geführt. Was für ein Trost, dass die anderen nicht besser, sondern eher schlimmer waren. Aber nun mal ganz unter uns: Bei der Demokratie machen bekanntlich immer weniger mit, Tendenz steigend. Und die, die mitmachen, sind auch nicht alles lupenreine Republikaner. Etliche wollen sogar die Demokratie ganz abschaffen und der SPD Berufsverbot geben. Ich würd da nicht so weit gehen, aber wer mitmacht, braucht nun mal die SPD für eine Mehrheit links von der Mitte, denn die Räterepublik lässt eher noch länger auf sich warten. Wenn die einst so stolzen Rosaroten mit langer, oft ehrenvoller Geschichte von einst 28 Mandaten (1972) im Stuttgarter Stadtrat 2014 bei 9 landen, dann sind nach Omi Glimbzsch in Zittau zwei Drittel der Felle den Bach runter.

Ich weiß ja – die Sehnsucht nach links hält sich in Grenzen, denn was da bei der SPD abgeht an Stimmen, kommt ja offenbar nirgends mehr an. Ein Naturwunder gewissermaßen. Sagen wir’s offen: Vielen ist die Demokratie inzwischen völlig Schnuppe, andere empören sich alternativlos, dritte fühlen sich verraten und verkauft, suchen einen neuen Führer (mit hohen Einschaltquoten) oder gieren parteiübergreifend nach Fußball oder der neuen S-Klasse. Bloß niemanden den Spaß verderben.

Schulz oder Juncker ist dir ja egal, da drehst du die Hand nicht um. Bei der Geheimniskrämerei ums Freihandelsabkommen hast du ebenso mitgestimmt wie gegen einen Untersuchungsausschuss. Welchen? Egal, du magst die einfach nicht, nicht in Berlin, nicht in Stuttgart. Das ließe sich fortsetzen, aber eins noch: So wie wir nun lange genug auf die Kennzeichnungspflicht für Polizisten im Lande gewartet haben, warten wir nun auf die Kennzeichnungspflicht für die SPD. Das wäre ein Anfang.

Peter Grohmann wettert jede Woche für die Wochenzeitung Kontext – für lau.

Wettern der Woche
WWW – Was ist die Würde Wert

WWW-Was ist die Würde Wert – Peter Grohmann's "Wettern" vom 28.5.2014

„Biste erscht die Arbeit los, biste schnell die Würde los“, wusste meine Omi Glimbzsch aus Zittau. Sie hat zeitlebens nicht viel auf die feschen Sprüche und großen Worte gegeben und unterscheidet sich da kaum von den Daheimgebliebenen vom letzten Sonntag. Ob Schulz oder Junkers, Brüssel oder Straßburg, saure oder krumme Gurken – das geht den Leuten am Allerwertesten vorbei. In der Kommune nicht anders: Blau Weiss Rot, Schwarz Rot Geld: Wenn Du alles in einen Topf schmeißt und kräftig rührst, kommt’s unten oft Braun raus und fast immer Schwarz. Aus den demokratischen Fehltritten Land auf, Land zimmern sich die Leut‘ ihre eigene Farbenlehren. So lange die Parteien der Wählerschaft viele dumme Sprüche und keinerlei Denkarbeit zumuten, weil sie ihr das Denkvermögen absprechen, wird sich das kaum ändern.

Also, Parteien: Wenn die Hirnleistung zu wünschen übrig lässt, bleibt der Ausweg des Neurodopings als Kassenleistung. Es muss nicht immer gleich Haschmich sein.

In diesen Tagen feiern wir ja – feiern Sie mit!*) – den 65. Geburtstag unseres Grundgesetzes. Das war vielleicht eine Steissgeburt! Und mit ihr tausend tolle Versprechungen wie etwa diese hier, der Artikel 3 GG:

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Oder nehmt den Artikel 10 – da lachen ja die Hühner! „(1) Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich.“ Richtig Trost spendet den Armen und Daheimgebliebenen da schon eher der Artikel 12: (2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden. Nu ja ja nu ne ne, was tun, wenn das dem Jobcenter zu Ohren kommt?

Der Artikel 16a klingt da fast poetisch: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.“ Schon deshalb muss der politisch Verfolgte unter allen Umständen daran gehindert werden, jemals auf dem Boden des Grundgesetzes anzukommen. Denn wenn er erst mal in einem deutschen Lager ist, könnte er, theoretisch, auf den Artikel 1 GG pochen: „(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt,“ aber die treibt mit der Würde und mit Hilfe von Frontex, NSU, Hartz IV etc. pp. ganz schön Schindluder. Da tröstet mich auch meiner Omi Glimbzsch aus Zittau ihr Trost „Der liebe Gott sieht alles“ nicht – denn den interessieren solche Petitessen eher selten.

*) Georg Nüsslein (CSU) verlässt den Saal und diesen Text.

Peter Grohmann wettert jede Woche für die Wochenzeitung Kontext – für lau.

Wettern der Woche
Peter macht sich nackig

Peter macht sich nackig ... – Peter Grohmann's "Wettern" vom 14.5.2014

Es ist alles so tragisch! Die Mafia steckt in der Fifa, die Fußballer sind gedopt, selbst Sportler schrecken vor Eigenblut nicht zurück, Politiker sind bestechlich, der Schwarze Block wird vom Verfassungsschutz dirigiert, die Parlamente von der Lobby, die Kommunarden sind pleite, die Kommunen auch. Die Justiz ist im Irrtum. Und SOS: Die Grünen haben versagt. Die Sozialdemokraten sind zu tief gefallen, die Piraten finden kein Schiff mehr. Und die Leute im Bioladen werden auch immer unfreundlicher, aber nirgends ein Kondensmilchstreifen der Hoffnung!

Wählen unter solchen Umständen wird zu Qual, mitunter wird sogar Nachdenken verlangt beim Panaschieren. Da können sich die Preußen, Hessen und Bayern ein Stück Demokratie abschneiden, wie weiland der heilige Martin, der seinen Mantel teilte. Heute tragen die Martins Kaschmirmäntel aus fairem Handel – sie würden lieber einen Scheck ausstellen als Hand anzulegen an dem teuren Stück. In der kleinen Schillerstadt Marbach (15 000 Einwohner) protestierten am Wochenende 500 Pipels gegen das TTIP – jedes Kind in der Provinz weiß, dass es sich hier um das von Merkel und Gabriel gefettete Freihandelsabkommen handelt. Wie aus einem bösen Traum werden die Schlafmützen in den Metropolen eines Tages erschreckt aufwachen und sich fragen, wie das passieren konnte, fast widerstandsfrei.

Es ist tragisch. Aber nicht zu spät. Wenn in Marbach Pastorentöchter und Ökoanarchos Hand in Hand mit Kleinbauern, Wengertern, parteifreien Bürgermeistern und roten, schwarzen oder grünen Demokraten auf die Straße gehen, keimt Hoffnung auf.

„Hier gilt es, Schütze, deine Kunst zu zeigen: Das Ziel ist würdig und der Preis ist groß“, schrieb Schiller an die Scheunentore in Marbach. Also auch Eigenblut – aber keine Gewalt! Bei Gewalt geht der Schuss gern nach hinten los, und wer weiß schon vorher, wer dann hinter einem steht? Im Gegensatz zur Marbach, wo derartige Massenversammlungen angeblich nur jedes Schaltjahr stattfinden, wurde Stuttgart jetzt zur Demohauptstadt Europas gewählt, auch wenn nicht jedes Thema die Ureinwohner auf die Straßen treibt.

Wie auch! Es besteht ja nicht nur die Gefahr, überfahren zu werden. Auch bei der gesetzeswidrigen Belastung durch Feinstaub (Folgen: Keuchhusten, Lungenkrebs, Herzinfarkt, Tod) ist die schwäbische Metropole europaweit Spitze.Wie gesagt: Tragisch.

Mal wieder ist Peter Grohmann, der das Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext erstellt, etwas von seinem Manuskript abgewichen – falls Sie es nicht schon selbst gemerkt haben sollten.

Wettern der Woche
Hindu, kusch!

Hindu, kusch! – Peter Grohmann's "Wettern" vom 30.04.2014

Mission nennen sie das, was sich in Fernost dem Ende nähert: Der gescheiterte Militäreinsatz am Hindukusch. Unser guter Freund, der von den Drogen abgängige Hamid Karsai, vom Unterstützer der Mudschaheddin zum Unterstützer der Taliban zum Unterstützer der westlichen Werte, nimmt seinen Hut und wirkt im Hintergrund weiter: Genug ist nie genug, wie die Wahlen weisen werden.

Was nun den Hindukusch angeht – die waren ganz, ganz früher auch anders. Wenig Drogen und noch weniger Ausländer, bis die Briten kamen und den Islamismus mitbrachten, um Afghanistan zu unterwandern. Sie schleusten angeblich extreme Prediger des Islam ein, um die vorherrschende Religion verdrängen. Weiß Gott, ob das stimmt!

Der Deutsche als solcher – auch der mit ausländischen Wurzeln – hat allerdings mit Religionen und so nicht mehr sooo viel am Hut. Leiden und leiden lassen, sagt er sich. Marienwunder und Heiligsprechungen sind ihm so suspekt wie die Islamischten, die zu Millionen auf der anderen Seite der toten Meere stehen und zu uns reingelassen werden wollen, um hier ihre Moscheen zu bauen. Doch das Boot ist voll und kentert – wenn das nicht die Männer von Frontex da wären, rechtzeitig mit RTL plus zur Stelle. Das ist der Beweis: Sicheres Geleid für die Hungerleider..

Ja: Es sind die guten Taten, die wir tun müssen, ob wir wollen oder nicht. Wir wollen naturgemäß eher nicht. Und doch sind es die guten Taten, die die Gläubigen gewollt oder ungewollt zu Gleichen im Glauben an einen Gott machen, die die Propheten verehren, eine Heilige Schrift haben und an Paradies und Hölle glauben. Das mit den Guten Taten, den Propheten und heiligen Schriften haben sie auch mit den Atheisten gemein – nur bei Himmel und Hölle gibt es Unterschiede. Meine Omi Glimbzsch aus Zittau ist stets für das Himmelreich auf Erden eingetreten. Sie hätte gewusst, dass das Leben in Aleppo ein Leben in der Hölle ist. Syrische Kinder sind in Zittau heute ebenso wenig willkommen wie in Zwiefalten oder Heidenheim. Da sind sich Gläubige und Ungläubige einig.

Peter Grohmann stellt sein Wettern der Woche der Wochenzeitung Kontext zur Verfügung.

Wettern der Woche
Ostern. Western.

Ostern. Western. – Peter Grohmanns "Wettern" vom 16.04.2014

Am 16. April 1917 kehrte Lenin, aus Zürich kommend, in Sankt Petersburg ein. Der Genosse kam über den Stuttgarter Kopfbahnhof und wäre gern ausgestiegen, um seinen Stuttgarter Verleger J.H.W. Dietz Grüß Gott zu sagen – Rot Front sagt man bekanntlich erst später. Die beiden kannten sich seit dem Internationalen Sozialistenkongress 1907 auf dem Cannstatter Wasen, auf dem sich am 18. August 1907 rund 50000 Menschen versammelt hatten (lt.Polizei 100000). Undenkbar, hätte die Polizei Lenin aussteigen lassen! 1907 hatte der Genosse Dietz jenen Kongress und das Meeting bei den Behörden angemeldet. Die Königstreuen machten ihm zur Auflage: 1. Rote Fahnen dürfen nicht zur Verwendung gelangen; 2. Beleidigende Ausfälle gegen die Reichsregierung, die Regierungen der Deutschen Bundesstaaten und befreundeter Staaten müssen unterbleiben. 3. Den Verhandlungen wohnt ein Polizeibeamter in bürgerlicher Kleidung an.

Heute ist alles anders. Jesus lebt, aber Lenin ist tot. Sankt Petersburg hieß nicht für immer, sondern nur für etliche Jahre Leningrad. Das hätte sich kein Prophet nie träumen lassen. Beleidigende Ausfälle gegen befreundete und korrupte Regimes interssieren keine Maus. Und rote Fahnen finden bei allen passenden und unpassenden Gelegenheiten Verwendung – und sei es nur, um die Bürger mal so richtig zu erschrecken. Das klappt deshalb kaum, weil die Bürger nur noch sehr wenig über rote Fahnen, Ausbeutung und Klassengesellschaft wissen: Sie sind im Möbelparadies angekommen. Und was die Polizeibeamten angeht: Die wohnen komplett uniformiert und mit Gesichtsmasken nahezu allen Versammlungen bei, ohne dass es ihnen viel ausmacht, von den „Zivilen“ mal garnicht zu reden. Nur zu lange Reden stören sie. Und schlechte Musik und schlechte Bezahlung. Da sind sie sich nicht nur mit den Krankenschwestern, den Kindergärtnern und Altenpflegern einig, sondern auch mit allen anderen mies bezahlten Jobbern und Aufstockern. Früher wären sie, ohne mit der Wimper zu zucken, mit geballter Faust und roter am 1.Mai aufmarschiert, zu schlechter Musik und den zu langen Reden der Besserverdienenden. Heute ist nur noch die Wurst rot.

Und heute? Da nimmt sich das Volk den 2. Mai als Brückentag: Flug auf die Krim. Best Western Hotel Sewastopol. 19,90 Tag, VP. Fast wie im Kapitalismus, lieber Uljanow.

Wettern der Woche
Schwarze Tage

Schwarze Tage – Peter Grohmanns "Wettern der Woche" vom 02.04.2014

Während in Berlin die ersten Mitarbeiterinnen des BND in den Untergrund gehen und ihre Stellungen ausbauen, mosert der Spitzel der Grünen, der Abgeordnete Hans-Christian Ströbele, das alles sei ein schwarzer Tag für Deutschland und die Stellungen viel zu „mächtig, riesig, hässlich und ungeheuer teuer“.

Ach, wenn’s doch der einzige schwarze Tag wäre! Erstens, Hans-Christian, ist das alles demokratisch besprochen und legitimiert, von der Schwarzen, den Grünen, dem Gelben, als es sie noch gab, und den Rosa-Roten. Demokratie hat eben auch Nachteile – häufig gewinnen die Falschen wie in Frankreich oder in der demokratischen Volksrepublik Türkei.

Da braucht es natürlich Geheimdienste aller Couleur, dort wie da, die mitregieren, die den Regierungen und, wenn’s unbedingt sein muss, auch dem Volke die Wahrheit sagen, früher oder später. Meistens später und oft zu spät.

Die Wahrheit ist dehnbar wie ein Schlüpferbändel aus Gummi, wusste meine Omi Glimbzsch in Zittau. Mal so gesehen: Ob nun von Frau Merkel 250 oder 350 Telefonate gespeichert wurden, ist unerheblich angesichts der Tatsache, dass unsere Gutste allein in einer Woche 600 Mal telefoniert – seit Beginn ihrer Amtszeit vor mehr als 13 Jahren sind das 325 000 Telefonate. Wer hört eigentlich Sigmar Gabriel ab und warum nicht? Wer hört Nietzsche ab oder Siemens-Chef Joe Kaeser oder den Freund aller Kanzler, den Deutschbanker Jürgen Fitschen?

Mahnungen, Warnungen oder Hinweise auf gestern werden ungern gehört oder gelesen. Etwa, wenn es da heißt, dass zwischen 1941 und 1942 faktisch die gesamte jüdische Bevölkerung, Sinti, Roma etc. pp. in der Ukraine und auf der Krim von uns ermordet wurden. Diesbezüglich hört auch mich niemand, und selbst wenn: Es sind zu wenige.

Zu unserem weisen Sokrates kam jüngst einer und begann zu plappern und zu plaudern. „Langsam, Junge“, stoppte Sokrates und fragte seinen Besuch: „Hast du denn das, was du mir sagen willst, auf die Wahrheit hin geprüft?“ Der Gast schüttelte den Kopf und sagte: „Aber ich hab’s gehört!“ Genosse Sokrates lächelte: „Behalt’s für dich.“ Manches behalte ich für mich. Das hier nicht.

Das Wettern der Woche stellt Peter Grohmann Kontext:Wochenzeitung zur Verfügung.

Wettern der Woche
Fingerjucken

Wo die Drohnen fliegen – Peter Grohmanns "Wettern" vom 26.03.2014

Klar, dass es nun manche in den Fingern juckt, dass sie am liebsten blankziehen würden, losballern, wenn sie könnten, was sie dürften, wie sie wollten. Stellen wir uns bloß mal vor, was für eine Entbehrung für viele: jahrzehntelang nur kalter Krieg und anschließend warmer Frieden. Wie stolz waren die Europäer allesamt, als sie zum Endes jedes Jahrzehnts mit tränenerstickter Stimme verkünden konnten: Kein Krieg in Europa seit 1945! Griechenland zählte bekanntlich damals, 1948, nicht zu Europa, und Jugoslawien erst, seit es verkuppelt und kaputtgemacht wurde. Und Bürgerkriege oder Volksaufstände werden ja nicht mitgerechnet, nicht in echt, also Ungarn, CSSR, Polen oder so …

Zugegeben, dabei waren wir immer wieder mal, aber nie so richtig vollberechtigt. Wegen der Skrupel. Skrupel sind ganz schlecht für einen Krieg. Irak, Iran, Afghanistan, Pakistan – je nun! Aber die Welt darf niemals vergessen. Auch nicht, dass faktisch 500 Meter Luftlinie von meinem Rechner entfernt Stuttgart-Vaihingen und Stuttgart-Möhringen liegen und dass ohne die Vaihinger und Möhringer weltweit faktisch kriegsmäßig gar nichts läuft!

Auf den Fildern, wo sonst Krauts wachsen würden, koordinieren zwei Stützpunkte die US- und NATO-Kriegslogistik. EUCOM kümmert sich um NATO-Einsätze oder andere Kriege. Von Stuttgart aus wurden unter anderem der erste Irakkrieg, der Jugoslawienkrieg und auch der Nachschub für den zweiten Irakkrieg im Jahr 2003 koordiniert. Das ist nicht alles. Seit 2008 residiert hier auch auch AFRICOM (in Möhringen). Alles was bei den Schwarzen in Sachen Krieg so läuft oder zum Laufen gebracht werden muss und mit strategischen Stützpunkten, Gas, Öl oder anderen Rohstoffen zu tun hat, läuft hier querfeldein über den Artikel 26.1 des Grundgesetzes. Kriegsstützpunkte also – aber mehr können wir im Moment noch nicht für euch tun.

Der Stuttgarter an sich hört so was verständlicherweise gar nicht gern, ja, er hört regelrecht weg, sollte zufälligerweise in der Stadt die Rede darauf kommen. Da ist er wie alle andere Landsleute auch: wegducken.

Frau von der Laien weiss natürlich nicht, was wir hier alles in petto haben. Kein Drohnenangriff niemals nirgends, der nicht über Stuttgart gelaufen ist oder läuft. Logisch – wir könnten mehr tun. Beispielsweise erst einmal NATO-Truppen an den russischen Grenzen aufmarschieren lassen, sagt unser Flintenweib. Nur so, zum Spaß. Nu guggemal, Iwan, würde meine Omi Glimbzsch in Zittau sagen und die Vorräte in ihrem Luftschutzbunker erneuern.

Das Wettern der Woche stellt Peter Grohmann der Wochenzeitung Kontext zur Verfügung.

Wettern der Woche
Russki, go home

"Iwan go home!" – Peter Grohmanns "Wettern" vom 12.03.14

Was für ein Aufschrei, als Russland 1835 Texas annektierte, das bis dahin zu Mexiko gehöre! 1898 stellten die Sowjets unter militärische Verwaltung, unterwerfen die Philippinen und installieren ein Terrorregime. Dann wird Hawaii genommen, Puerto Rico, im März 1903 Honduras. Im gleichen Jahr sichern die Russen die Kontrollrechte über den Panama-Kanal, der wird russisches Hoheitsgebiet. 1905 folgt eine Militärintervention in der Dominikanischen Republik, na ja, was heisst schon Republik, und 1909 eine in Nicaragua. 1914 mischen sich die Kommunisten massiv in die innenpolitischen Machtkämpfe Mexikos ein, und dann geht’s weiter in Honduras, Kuba, Nicaragua – letztlich geht denen das ganze lateinamerikanische Kroppzeug auf den Wecker. Gut, in Shanghai hatten die Russen 1925 nichts zu suchen und dann kam ja bald der ganz große Krieg. 1947 verhindern die Russen eine sogenannte Volksregierung in Griechenland, 1958 greifen die Russen im Libanon ein, 1959 landen sie in der kubanischen Schweinebucht, im Mai 1964 kämpfen sie in Laos, stürzen im gleichen Jahr den brasilianischen Präsidenten, engagieren sich bis 1975 massiv in Vietnam und entlauben Wald, Feld und Flur. 1965 stürzen die Kriegstreiber in der Dominikanischen Republik Präsident, bombardieren in Kambodscha systematisch alle Dörfer zur vietnamesischen Grenze und sorgen in Bolivien für Ruhe. 1981 gewährt die UdSSR den Mudschahidin und anderen afghanischen Widerstandskämpfern massive finanzielle, militärische und logistische Hilfe in ihrem Kampf gegen fremde Truppen. 1983 erhält der Iran Waffenhilfe und ohne Vorwarnung wird die Inselrepublik Grenada besetzt. 1989 folgt Panama besetzt, weil die auch nicht mehr guttun. 1993 gibt’s Marschflugkörper mit Sowjetstern auf Bagdad, 1999 den Kosovokrieg und 2001 Kabul, da erinnern sich ja selbst die Jüngeren. Die Liste ist alles andere als vollständig.

Der Russe ist natürlich nicht doof – hunderte kleiner und grosser Einmischereien kommen dazu – mal gibt’s Waffen, Krimsekt, Kaviar, andere Drogen oder nur Rubel und Berater. Klar doch, die Russenfreunde haben alle einen Namen, etwa: Franco, Salazar, Pinochet, Batista, Duvalier, Reza Pahlavi, Chiang Kai shek, Gaddafi. Die vielen anderen Verbrecher sind mir entfallen.

Aber jetzt ist Schluss mit dem Anti-Amerikanismus, sonst kommen die Drohnen.