Archiv der Kategorie: Wettern der Woche

Peter Grohmann schreibt und spricht das Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext.

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O Gott

Oh Gott – Peter Grohmanns "Wettern" vom 3.6.2015

Der liebe Gott macht viel mit, wenn der Tag lang ist, auch mit seiner Kirche. Was hat er gewettert und gemahnt und Geduld gezeigt – nix zu machen. Die Kirche hat ihn nicht gehört. Heut auf den Tag genau vor 920 Jahren, am 3. Juni 1005, zogen die Christen von Konstantinopel nach Jerusalem und zeigten den Moslems, wo der Bartel den Moscht holt. mehr…

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Hegel

Subversives Nachdenken – Peter Grohmanns "Wettern" vom 27.5.2015

Abendrott, Arendt, Suttner, Luxemburg, Scholl, Merkel, Hegel, Herwegh, Schiller, Nietzsche, Kant, Goethe – soll ich wirklich weitermachen? Das ganze christliche Abendland versammeln, nur damit man mir nachweisen kann, wen ich alles vergessen habe? Unsere Toleranz geht so weit, dass wir sogar eine muslimischen Schützenkönig haben, in Werl. mehr…

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Den 8. Mai feiern!

Den 8. Mai feiern! – Peter Grohmanns "Wettern" vom 6.5.2015

Nicht Achsen und Allianzen schmieden, sondern raus auf die Straßen und tanzen: Frieden lernen, dass die Fetzen fliegen! Den Tag des Sieges der anderen haben viele im Land so wenig verdaut wie die

Niederlage, die bedingungslose Kapitulation – nein, eben nicht die der Nazis, nicht der Hitlers, nicht der Wehrmacht, sondern der Deutschen.

Viele hätten lebend gern weitergekämpft mehr…

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Glück gehabt

Glück gehabt … – Peter Grohmanns "Wettern" vom 29.4.2015

haben jene 3113 Bürgerinnen und Bürger Stuttgarts, die in diesen Tagen nach sieben Jahren gehört wurden. Sie erhielten eine freundliche, freilich abschlägige Antwort auf ihre Eingabe an den Petitionsausschuss des Bundestags. Man hat sie gehört, aber nicht erhört in ihrem impertinenten Wunsch, Stuttgart21 zu stoppen. Das wäre ja auch noch schöner! Alles Große und Gescheite, meinte Goethe, existiert nur in der Minorität, und die hat bekanntlich verloren. mehr…

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Jeder Schuss ein Russ

Jeder Schuss ein Russ – Peter Grohmanns "Wettern" vom 15.4.2015

Made in Germany – das war früher mal! Heute taugen selbst die Sturmgewehre von Heckler & Koch nicht mal mehr zum Taubenschießen. Heckler kocht vor Wut. Es kochen allerdings auch viele Friedensfreunde – Pazifisten reinsten Wasser, die für die Bundeswehr gefälligst einwandfreies Mordwerkzeug fordern – und weil das nicht klappt, einen Untersuchungsausschuss. Mit Fug und Recht, das Kroppzeug ist teuer genug, meint meine Omi Glimbzsch in Zittau. Dennoch ist es zum Gotterbarmen, noch vor dem Kirchentag! “Gott mit uns” – das stand doch Anno Dunnemal schon auf den Koppelschlössern der deutschen Soldaten, und neben Gott gab’s ja noch den Kaiser, den Führer, das Volk, das Vaterland. Jeder Schuss ein Russ, jeder Stoß ein Franzos: Aber es muss halt getroffen werden, Leute! Der zitierte Vers stammt von einer beliebten Postkarte aus dem Lande der Dichter und Denker war vor allem zur moralischen Stärkung der niederen Stände gedacht – in Auftrag gegeben von den oberen Ständen, die billig davonkamen mit einem blauen Augen als Sieger der Etappe wie immer.

Was nun die Zielgenauigkeit angeht – im Musterland der Demokratie liebt man die Knarre im Hause genauso wie die eigenen Kinder. Ohne die gezückte Smith und Wesson spaziert heute kein weißer Polizist mehr durch die Schwarzenviertel – und wetten? Er trifft immer jemanden. Bei der Waffe ist es eine Frage der Qualität, beim Waffenträger eine des Vertrauens in in die staatliche Autorität. Da kommt was zusammen, bevor das Jahr rum ist. 300? 500? 1000? Weißmanns?

Und was die Qualität angeht: Der Russe als solcher ist da nicht so zimperlich. Allein in drei Monaten des Jahres 2014 hat der Iwan 297 Warenpositionen aus der deutschen Bundesrepublik eingekauft, legal natürlich, mit schwarz-rotem Regierungsstempel. Pistolen, Revolver, Doppelflinten, Gewehre, Granaten, Munition und Geschosse – aber auch Waffenteile wie Läufe, Schäfte und Kolben. Es geht ja beim Kleinkrieg auch mal was kaputt, oder? Und wer hilft? Eben! Die Russische Föderation ist ein pünktlicher Zahler, weiß das Bundesfinanzministerium. Und sagt entschuldigend: Alles Sportwaffen, mehr oder weniger. Also genau die, die auch in der Ukraine eingesetzt werden, mangels größerer Kaliber. Ave Cäsar, die Scheinheiligen lassen grüßen.

Peter Grohmann schreibt sein Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext – für lau.

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Post scriptum

Post scriptum – Peter Grohmanns "Wettern" vom 8.4.2015

Wenn es morgen an meiner Tür klingelt, ist es nicht der Verfassungsschutz und auch nicht der Milchmann, sondern der Briefträger, der sich für seine Schweinereien entschuldigen will. Bei mir persönlich! Andernfalls wird sein Vertrag nicht verlängert, und dann sieht der Kerl alt aus! Warnstreik – dass ich nicht lache! Vierzig Stunden die Woche ordentlich Arbeit haben, Leute treffen, Schwätzchen machen, vielleicht zum Kaffee eingeladen werden – und dann Lohnerhöhung? Nee, nicht mit mir!

Briefträger an und für sich ist schöner Beruf, viel Bewegung, Kontakt mit netten Menschen, ein sicherer Arbeitsplatz bei der Post, möglicherweise sogar Beamter, wenn man sich gut führt, wie früher die Lokführer und ihr Alt-68-er Weselsky. Und heut? Da prügeln sich die Briefdienstleister vor der Haustür um den letzten Brief, das erste Paket: Der Briefträger siehst also jetzt schon alt aus. Aber er kann ja zwischen seinen Botengängen eben mal am Tafelladen vorbeischauen und den Schnee von gestern abholen oder in der Leonhardskirche seine Vesperpause machen, bevor er die Bußgeldbescheide zustellt. Merke: Viele Kommunen pfeifen schon lange auf die gute alte deutsche Post – sie lechzen nach minderbemittelten Sozialstaatsopfern, die die Briefe für fast umme austragen: 800 plus Kindergeld. Schon wieder gespart, freut sich der Kämmerer. Man spart beim Porto und legt beim Sozialen drauf. Mit dem Aufbau von 49 Regionalgesellschaften für die Paketzustellung flieht die Deutsche Post flugs aus dem bestehenden Haustarifvertrag und bricht den ebenfalls mit ver.di abgeschlossenen Vertrag zum Schutz vor Fremdvergabe in der Zustellung. Für diesen Schutz verzichten die Beschäftigten unter anderem auf Kurzpausen und arbeitsfreie Tage. Mit der Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich soll der Vertragsbruch kompensiert werden. Keine Rede davon, dass der Postler quasi rund um die Uhr für seinen Dienstherren – die Zustellbasis – erreichbar sein muss, auch im Urlaub, „wg. Personalmangel“. Vielleicht hat sich ja wer aufgehängt aus Verzweiflung über prekäre Leben.

„Scheiß Privatisierung!“, seufzt mein Briefträger. Er hat sich’s auf meinem Sofa bequem gemacht, nippel am Espresso, drückt das zweite Stück Schwarzwälder Kirschtorte runter, wischt sich mit dem Handrücken über sein freches Maul und rülpst. „Hast Du vielleicht noch ein Schnäpsle, Kollege?“

„Pass bloß auf, sonst wirschte noch nach Tröglitz strafversetzt!“, rät ihm meine Omi Glimbzsch. Sie ist aus Zittau da, für ’n paar Tage.

Peter Grohmann schreibt sein Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext – für lau.

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Domina Vobiscum

Domina Vobiscum – Peter Grohmanns "Wettern" vom 1.4.2015

Allenthalben spendieren hilfsbereite Deutsche – Freunde des Asyls – den Negern in Deutschland Warnwesten. Der Schwarze an sich, denkt man sich, wird ja erst am Abend munter und könnte allzu leicht übersehen, sprich: überfahren werden, wenn er sich von seinem Lägerle entfernt und nicht rechts außen läuft. Am sichersten ist der Asylant allerdings in einem Auffanglager in Afrika. Er spart die Überfahrt. Deutsche Beamte können dann vor Ort am Rande der Sahel-Zone einen Quickie-Check machen: Muskeln mal Fettmasse, Gewicht mal Alter geteilt durch Größe, AIDS-Test, Sprachkenntnisse, Zustand der Glieder: Leute ohne haben so wenig Chancen wie Zahnlose – aber ausgebildete Zahnärzte werden durchgelassen. Vorher impfen und die Regeln beachten: Vor dem Essen – nach dem Essen Händewaschen nicht vergessen. Thomas de Maziere kennt die Regeln, und als Christ weiss er: Der Weg übers Wasser fiel nur dem Flüchtling Jesus leicht.

Ganz allgemein wird der gemeine Flüchtling als Feind der westlichen Wertegesellschaft angesehen: Er ist hinter unseren Weibern her, frisst dir die Haare vomKopf und hinter jedem könnt‘ ein vollausgebildeter Kindersoldat stecken, ein Hartz-IV-Tourist, der keine Skrupel kennt und nur aufs Kindergeld scharf ist, ein Drogendealer oder ein Sinti und Roma, verkleidet als Jugo. Und wenn er nicht mehr weiterkommt, beantragt er flugs Kirchenasyl, auch der Muselmann.

Im nahen Ausland ist die Situation nicht viel besser: Der Franzose fährt jetzt verstärkt rechts außen vor und hat seine Unschuld und sein Vertrauen in die herrschende Politik vollends verloren – und wird’s so schnell auch nicht wieder finden. Hier wie dort sinkt die Wahlbeteiligung. 50 % bleiben zu Hause, 50 % der Departements für die Linke futschikato. Ein Null-Summen-Spiel des Parlamentarismus. Helfen tät nur, direkt an der Wahlurne ein Begrüssungsgeld auszuzahlen. Aber unter einem Fuffi ist da nichts zu wollen, wüsste Omi Glimbzsch in Zittau.

Wir Deutschen wollen beliebt sein, notfalls bezahlen wir das, außer bei den Griechen, die müssen in die Knie. Angela Merkel als Domina Vobiscum, mit der die Angst grassiert, wir könnten wieder die sein, die wir sind. Am meisten Angst haben wir freilich, dass unsere Kinder drogenabhängig werden – da kann der Asylant nachhelfen. Fast jeder Dritte hat Angst vor Naturkatastrophen – da kannste eh nix machen – und 50 % fürchten, dass die Politker versagen. Das ist nicht ganz unbegründet, auch wenn immer nur die von der anderen Partei versagen.

Peter Grohmann schreibt sein Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext – für lau.

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Verdammt lang her

Verdammt lang her – 30 Jahre Theaterhaus Stuttgart

Verdammt lang her, verdammt lang! Genauer gesagt: 30 Jahre. Hammern statt jammern, sagten wir uns – und machten einen Knopf dran an die Hoffnung. 30 Jahre Theaterhaus, und die Hoffnung hieß vorallem: Autonomie, also Unabhängigkeit, Selbstbestimmung, Eigensinn.

Leerstehende Fabrikhallen hatten es uns angetan – sie hatten allesamt einen größeren Charme als Turnhallen mit drohenden Hausmeistern, jene Unorte, die die unabhängigen Kulturschaffenden, die Musiker, Theatermacher, die Politischen mieten konnten für eigene Konzerte, Theater, Propaganda. Die Säle? Höchst vornehm meist, mit und ohne Stuck, livriert für die Sesselfurzer, Notlösungen unter Denkmalschutz. Da war ein Zeltspektakel am Karlsplatz sechs Wochen lang schon eine andere Nummer, Zirkusluft und Masse Mensch, ganz fröhlich-nachdenklich und scharf auf Alternatives. Da wehte plötzlich die Erkenntnis durch die Ränge, dass die Stadtgesellschaft nach einer anderen Art von Kultur geradezu lechzte, nach Frechheit und Freiheit und der Fortsetzung der wilden Achtundsechziger mit anderen Mitteln. Wir hatten, 1971, schon mit dem Festival „Zu Gast bei Gastarbeitern“ die größte Halle auf dem Killesberg heimgesucht und vollgemacht – später folgten von Gudrun und Werner Schretzmeier eben dort mit immer ausverkauften Solidaritätskonzerten für den Schorndorfer Club Manufaktur. Das Theaterhaus lag also vor mehr als 30 Jahren in der Luft. Luft. Luft.

Nach manchem Ach und Krach zogen Schretzmeier & Co KG – also wir – vor heute 30 Jahren ins Selbstgemachte und öffneten uns: Unter dem Argwohn des Stadtrats und dem Jubel der Szene luden wir zum ersten Wangener Hypotheken- und Wechselball in die Fabrikhallen. 14 000 Mark Miete, sagte mir der Schretzmeier – ich teilte durch 12. Alles, was unter 2000 Mark lag, macht mir bis heute keine schlaflose Nacht. „Der hat schon immer geträumt“, tät meine Omi Glimbzsch in Zittau jetzt sagen. Denn die 14 000 Mark waren nicht die Jahresmiete, sondern monatlich fällig. Kalt.

Der Anspruch der Szene, das Theaterhaus hätte die 68er-Revolution mit anderen Mitteln fortsetzen müssen, schwingt manchmal noch leise durch die Erinnerungskultur. Wir sollen frech sein und aufmüpfig und kritisch und politisch und aufklärerisch, na klar, zum Einheitslohn, zur Einheitsfront, und ihr werdet Beamte, Direktoren bei der Lufthansa, Staatssekretäre, ja Außenminister …

Die Rolle der Zirkusdirektoren steht uns allen gut. Dem Establishment laufen die Leute weg, uns laufen sie zu. Millionen.

Es war ein guter Deal, und kein Mensch darf je eine Verbeugung machen für Steuergelder, die in das Unternehmen Theaterhaus geflossen sind. Es steht uns zu, es steht euch zu. Aber ehrlich gesagt: Es ist zu wenig.

Glückwunsch, Theaterhaus! Küssle.

Peter Grohmann ist Kabarettist und Mitbegründer des Stuttgarter Theaterhauses

Wettern der Woche
Strajk-Aufruf!

Strajk-Aufruf! – Peter Grohmanns "Wettern" vom 18.3.2015

Strajks sind etwas Wunderbares – je weiter weg, umso wunderbarer. Hongkong, Bangladesh, Soma oder China: Spitzenmäßig! Bloss nicht bei uns! Ein Streik ist schlimmer als ein Abendessen beim Griechen in diesen Tagen oder der erfundene Stinkefinger von Tsipras.

Die großen Sklavenmärkte unserer Tage finden in Kambodscha, Thailand und auf den Philippinen statt. Wenn die weißen Leute mit dem großen Flieger landen, ist high live bei den Mädels dort. Diesmal werden 200 gekauft. Mit von der Partie bei den neuen Einkaufstouren in Fernost sind Stadtverwaltungen und Sozialverbände – Diakonie, Caritas, Arbeiterwohlfahrt. Die haben in jahrelangen Mühen dafür gesorgt, dass die jungen Menschen wieder eine Zukunft haben – natürlich bei uns. Das Wort Zukunft kennen die dort ja nicht einmal. Der Paritätische nimmt dises Jahr vielleicht 15 von der ersten Wahl, AwO, Diakonie und Caritas jeweils 50, den Rest kriegt die Kommune. Wenn der Altenpfleger-Flieger später in Echterdingen landet, ist für alles gesorgt: Arbeitsklamotten, eine 500-seitige Dienst-Ordnung, ein Zimmer oder gar eine kleine Wohnung – und die Alten in den Altenpflegeeinrichtungen reiben sich vergnügt die knorrigen Hände – high life auch im Altenpflegeheim! Natürlich müssen die neuen Dienerinnen lesen und schreiben können, Medikamente kennen, Erste Hilfe ist da zu wenig, da steht fast eine richtige Ausbildung dahinter. Welches Handtuch fürs Gesicht und welches für untenrum reicht da nicht.

In den Schulen sieht’s nicht besser aus. Dass angestellte Lehrerinnen bis zu 500 Euro monatlich weniger verdienen als beamtete, hätten sie sich ausrechnen können. Wer wird denn da noch Lehrer, wer Altenhelfer, Kindergärtnerin, Krankentussy? Ich bin doch nicht blöd.

Eine Pflegekraft (ambulant) verdient in Deutschland durchschnittlich 1.721 € brutto. Viel Kohle, klar! Und woher kommt die? Von Ihnen und von mir und von Omi Glimbzsch aus Zittau! Denn nach Abzug der Abzüge bleiben den Pflegern noch gut und gerne 1200 Euro, mehr als in der Danziger Lenin-Werft. Dort schlug die Staatsmacht vor 40 Jahren, 1985, einen Strajk zusammen – 85 Tote. Vergessen wir’s.

Das soll keine Warnung sein. Denn unserer „Staatsmacht“ ist mit demokratischen Mitteln beizukommen: Mit Streik. Und der Erkenntnis der Wohlstandsgesellschaft, dass Leben etwas kostet. Angeblich regeln nach dem Gesetz der Marktwirtschaft Angebot und Nachfrage die Kosten – daraus ergibt sich der Preis eines Menschen, der für unsere Kinder da ist, für Dich und für mich, wenn wir je krank werden oder altern sollten. Das möge der liebe Gott verhindern, wegen der Marktwirtschaft.

Peter Grohmann schreibt sein Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext – für lau.

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Schimpf + Schande

Schimpf und Schande – Peter Grohmanns "Wettern" vom 11.3.2015

Wehe, wer in diesen lausigen Zeiten (für Sozialdemokraten und Grüne) unsere Landesregierung kritisiert! Der kommt sofort auf die Schwarze Liste – 1000 Stockschläge mit Zuckerbrot und Peitsche. Das gilt unisono fürs Schwarz-Rote Berlin: Alternativlos alles, unumkehrbar! Die Herrschenden sind doch seit jeher faktenresistent, ob es sich nun um 32 oder 52 Bahngleise handelt, um Hannah Arendt, Putin, Fukushima oder den Frauentag. Bei Letzterem hat der Mann, auch wenn er sich hinter Omi Glimbzsch in Zittau verstecken würde, wenig Chancen, etwas Folgenreiches zum Thema beizutragen. Omi aber wüsste immerhin, dass der Frauentag 1921 von den Kommunistinnen erfunden wurde,die dafür heute noch von den Männern verfolgt werden. Gewalt und Unterdrückung einerseits, wirtschaftliche Abhängigkeit und soziale Ungerechtigkeit andererseits: Der Kampf geht weiter. Abgesehen von den 107 Aufsichtsrätinnen bekommen Frauen im Durchschnitt für vergleichbare Arbeit weniger Geld als Männer. Dafür dürfen sie einen Großteil der unbezahlten Haus-, Erziehungs- und Pflegearbeiten übernehmen. Frau Scheswig bittet darum, das neue Gesetz nicht kleinzureden. Nicht nötig, Schwester!

Empfindlich auf Kritik hat auch Dietmar Gabriel reagiert, als er den saudischen Hände- und Halsabschneidern unsere Solarleuchten für Menschenrechte empfahl. Da hängen Arbeitsplätze dran, die jedes Argument totschießen, notfalls mit der Panzerfaust gegen das eigne Volk.

Damit’s jetzt nicht zu einseitig wird, soll auch Peer Steinbrück sein Fett abkriegen. Der steigt dieser Tage ungebremst mit drei scheinheiligen Königen aus der Ukraine ins Bett, um das Land vor dem Kollaps und seine Nebeneinnahmen zu retten. Viktor Pintschuk, Rinat Achmetow und Dimitri Firtasch heißen die Freunde. Firtasch wurde 2014 in Wien verhaftet und kam nur gegen Kaution von 125 Mio Euro frei. Eine feine Sippschaft! Peer Steinbrück hält die Kritik für überzogen.

Dumm geloffen ist auch eine Frage an den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags zu TTIP. Gemeinderäte, so die Rechtsauskunft von ganz oben, dürfen sich nicht mit dem TTIP beschäftigen. Erstens fiele das eh schwer – das meiste ist geheim, sag‘ ich. Aber tun sie’s dennoch, verhalten sie sich rechtswidrig, so der Rechtsdienst. Das Recht auf kommunale Selbstverwaltung gilt nur für Themen, die einen “spezifisch örtlichen Bezug” aufweisen. TTIP ist also gottlob von der Tagesordnung verbannt. Man lernt nie aus. Da lob ich mir die Untersuchungsausschüsse zum NSU:
Die verzichten von vornherein auf dumme Fragen – damit das Vertrauen in die Demokratie nicht verloren geht.

Peter Grohmann schreibt sein Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext – für lau.

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Arsch & Hose

Arsch & Hose – Peter Grohmann's "Wettern" vom 4.3.2015

Alle Welt beklagt neuerdings nicht nur, dass die Bundeswehr für Konflikte sauschlecht gerüstet ist, wenn’s mal ernst würde. Noch mehr Sorgen bereitet dem gewöhnlichen Militaristen, dass die Soldaten unterfordert sind. Zwei Drittel der Soldaten meinen, sie hätten nichts Nützliches gelernt. Das stimmt uns Friedensapostel nachdenklich. Ist es denn nicht nützlich, im Nahkampf seinen Mann zu stehen? Zu wissen, wo das Messer anzusetzen ist, wenn das Vaterland in Gefahr ist? Nur 31 Prozent der potenziellen Nahkämpfer äußerten sich positiv über die Sinnhaftigkeit des Dienstes, verzichteten allerdings auf Details. Tröstlich immerhin ist, dass 83 Prozent der Soldaten mit dem Sold „zufrieden“ bis „sehr zufrieden“ sind. Kameradinnen, Kameraden, danke für das offene Wort! Wegtreten.

In der Zivilgesellschaft, die sich ja letztlich erst unter dem Schild, Schwert und Schutz der Bundeswehr entwickeln konnte, sieht es dagegen duster aus: 79 Prozent der von mir Befragten sind mit ihrem Salär mehr oder weniger unzufrieden – und so richtig zufrieden sind eigentlich nur die Großverdiener und Kuponschneider. Im Arbeitsleben selbst, also etwa bei Heckler & Koch, zweifelt kaum jemand an der Sinnhaftigkeit der Produktion: „Eine gute Waffe von uns kann überall auf der Welt eingesetzt werden“, meinte ein Betriebsrat in einem vertraulichen Gespräch. So funktioniert eben Gleichberechtigung! Meine Omi Glimbzsch in Zittau etwa durfte zu Zeiten der DDR bei der Gesellschaft für Sport und Technik schießen lernen – das hat sie der älter werdenden Generation im Westen voraus, wenn je der Kampf um gerechte Renten geführt werden würde.

Sei’s drum! Unsere Kinder in der Bundeswehr brauchen wieder einen Arsch in der Hose. Vielleicht würde ja eine Friedensmission in der Ostukraine Abhilfe schaffen? Momentan will Schwarz-Rot-Gold die einst geschleiften Panzerkasernen wieder auf Vordermann bringen – die Ukraine ist im Grunde genommen nur einen Katzensprung entfernt. Die Route für die Vorhut: Zittau–Mariupol. Rund 2000 Kilometer, Zeit etwa 23 Stunden, Kraftstoffverbrauch 150 Liter, Kosten ca. 220 Euro. Panzer brauchen natürlich deutlich länger, könnten aber auf dem sicheren NATO-Bahnweg direkt an die Front gebracht werden, über Kassel–Stuttgart–Bratislava–Kosice – und gleich da.

Peter Grohmann schreibt sein Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext – für lau.

Wettern der Woche
Blutdiamanten

Stets zu Diensten, sagt der Schweizer Banker, wenn er die Klientel sicher über die heimatlichen Abgründe und Gletscherspalten führt. Ins Ungewisse geht es nie. Der weltweite Kunde vertraut seiner Bank – aber nie umgekehrt. Letztlich sind ja alle, der Banker wie seine Kunden, asoziale Nummern – Hauptsache, der Zinsfuß hinkt nicht und das Geschäfts lohnt sich, beiderseits. Moral hat da nichts zu suchen, die braucht man im Heimatland allenfalls für Wahlkampfappelle und Sonntagspredigten an Hartz-IV-Empänger. Damit wir uns nicht mißverstehen: Die Schweizer Banken stehen dabei sinnlich haftend und nur stellvertretend für eine weltweite und grandiose Geldmafia, die keine Skrupel kennt. So hat man sie erzogen. Gute Geschäftsbeziehungen sind die Hauptsache. Blutdiamanten, Waffen, Kriegsanleihen? Die HSBC hat sich doch entschuldigt! Ob es nun um das Geld von ermordeten Juden geht, Steuergelder, Staatseigentum, ist egal. Man wird schnell reich am Elend der Toten, am Leiden der Armen. Die Banken und ihre Diktatoren, Präsidenten, Generäle, Schieber sind Legende! Nun, eher zufällig, sind mal Rotlichtkönige, Fußballprofis, Spitzel der Geheimdienste, die Erben des Nationalsozialismus, Unternehmer, Damen der Charity, echte Blaublütler verraten worden. Gott segne die Whistleblower – aber Namen werden nicht genannt. Knapp zweitausend Personen mit 740 Nummernkonten, 3616 Unterkonten und mindestens 3,3 Milliarden Euro Guthaben und 229 Offshorebohrung-Briefkastenfirmen – Peanuts!

Doch jetzt mal ganz ehrlich – sitzen wir nicht alle im gleichen Boot? Klar – die einen segeln und die anderen rudern.

Auch die großen deutschen Geldhäuser – Leistung aus Leidenschaft! – sind doch in Steueroasen aktiv. Allein die Deutsche Bank gründete über ihre Filiale in Singapur mehr als 300 Trusts und Briefkastenfirmen. Reg‘ dich nicht auf, ruft uns Omi Glimbzsch aus Zittau zu: Alles verjährt. Und wenn nicht: Alles vergessen.

Mutti, der Mann mit dem Zinsfuss ist da…

Peter Grohmann schreibt sein Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext – für lau.

Wettern der Woche
Schweizer Zurückhaltung

Schweizer Zurückhaltung – Peter Grohmann's "Wettern" vom 25.2.2015

Früher wussten wir alles besser: Raus aus der Nato – rein ins Vergnügen: Wer hätt‘ da gezweifelt?

Wir wussten, wie es die Vietnamesen machen sollten, um erst die Franzosen und dann die Amis loszuwerden. Wir wussten, wo Patrice Lumumba seine großen Schwächen hatte und warum Che Guevara letztlich in die Falle tappte. Wir wussten, warum Waffen für El Salvador gut wären und warum die DDR scheitern musste, wir wussten, wie es Lech Welesa hätte besser machen müssen und warum Erich Honecker der falsche Mann zur richtigen Zeit war, wir wussten, was Mao Tse Tung hätte lassen sollen und wo Ho Tschi Min besser auf seinem Pfad geblieben wäre. Wir wissen, wie in Venezuela die Volksherrschaft gerettet werden könnte und wo die großen Fehler der Bolivianer liegen. Wir wissen genau, wer hinter Raul Castro steckt und dass es gut wäre, wenn der endlich auf uns hören tät, vom Urwald in Brasilien jetzt mal ganz zu schweigen. Wir wissen, wie ein Frieden zwischen Palästina und Israel zustande kommt und was die Palästinenser falsch machen und warum die Israelis gemein sind. Von China (VR, rot) muss nicht groß geredet werden, Winfried hatte einst alles gesagt. Klar, was jetzt in Ägypten notwendig wäre (Aufbau von Polizei und Verfassungsschutz) oder bei den Saudis (Panzerbrechendes aus Deutschland) oder wo der Marokkaner lieber die Finger weglassen sollte, wann der Tunesier wo investieren soll – kein Problem. Fragt uns, aber wir sagen es auch ungefragt, und wer nicht hört …

Auch ihr, Völker Persiens, des Iran und Irak, in Myanmar, Kamputtschea, Sri Lanka! Menschen In Papua, im Jemen, im Sudan, hört ihr uns? Du, Oma Glimbzsch in Zittau und Opa Diesch in Zwiefalten? Unser Rat, Freunde in Mexiko, Mali, Syrien, in Thailand, in der West- und der Ostukraine, in Tadschikistan, Belutschistan? Ihr, Studentinnen und Studenten in HongKong, Matrosen von Kronstadt, Arbeiter im roten Wedding, Hamburger, Cheeseburger, Limburger: Kämpft! Kämpft an unserer Seite! Sorgt endlich dafür, dass die Welt besser wird, Schluss mit dem Terror von Banken, IS, US, Putin. Und noch was, rüber nach Griechenland:

Hallo, Syriza, Tsipras, Varoufakis und ihr anderen tapferen Frauen, wir wissen, was ihr, ja was das ganze griechische Volk jetzt tun muss! Völker der Welt: Lasst u n s das doch endlich mal machen!

PS: Glauben Sie mir: Ich weiss es wirklich besser.

Peter Grohmann schreibt und spricht sein Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext – für lau.

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Volltreffer! Nachschlag vom Papst

Volltreffer! Nachschlag vom Papst – Peter Grohmann's "Wettern" vom 11.2.2015

Der Klaps auf den Arsch, den O mein Papa gegen unartige katholische Kinder dieser Tage empfiehlt, ist alles andere als ein Schlag ins Gesicht. Es sei denn, man ist empfindlich, führt Kinderrechte an, die Gefahr des Nachahmens, vielleicht auch Verletzungen, wenn der eine oder andere heilige Vater mal zu hart zuschlägt. Deshalb auch dieses Aufbegehren im Netz, diese Schlagzeilen. Wenn die weltliche Welt wettert, dann aber deftig. Und doch entgeht ihr offenbar, dass mitten uns Zivilisierten Woche für Woche drei Kinder an den Folgen schwerer Misshandlungen sterben. Nachts ist die Dunkelziffer höher. Dazu kommen – ebenfalls jede Woche – rund 400 Fälle von schweren Misshandlungen. Soweit die amtlichen Zahlen, und doch: Staatliches Versagen beim Kinderschutz sei nicht die Ausnahme, sondern die Regel, behaupten Experten, Autoren und der Kinderschutzbund. So weit, so schlecht.

Großsprecherisch heißt es in der Kinderrechts-Konvention der UNESCO (Story, aber wir haben das unvorsichtigerweise unterschrieben!): „Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, gleichviel ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist.“ Das ist klar und deutlich und bindet eigentlich auch Gerichte, Ministerialbüro- und Sozialdemokraten. Es sei denn, es handelt sich sich im Roma-Kinder. Die können bei uns über Nacht und mitten im Winter (natürlich in Begleitung der Erziehungsberechtigten) abgeschoben werden. Ob sie nun ein oder drei Jahre alt sind, krankenhausreif und schwach auf der Brust, mittellos und mies bekleidet: Weg der Dreck. Im speziellen Fall geht es um eine sechsköpfige Roma-Familie, die die baden-württembergische Landesregierung ins Elend bei Niš (Serbien) ins sichere Herkunftsland schickte, 8 Grad minus. Die Behausung der Familie besteht aus zwei nicht bewohnbaren Räumen – es gibt zwar eine Tür, aber keine Fenster. Es gibt keine Heizung und kein fließendes Wasser. Die Wände sind verschimmelt und feucht, die Decke zerstört. Bei schlechtem Wetter dringt Regen ein. Die „Toilette“ besteht aus einem Loch im Freien.

Aussen Pisse, Kot und Kälte, innen nasse Zudecken, verkackte Windeln, Babys ohne Schuhe.

Die Landesregierung ist natürlich nicht dumm – die Grünen, die Roten und die Schwarzen auch nicht. Sie alle wissen ganz genau, wie es in den Roma-Lagern zugeht: Alles rechtens. Sag‘ ich doch.

Peter Grohmann schreibt und spricht sein Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext – für lau.

Wettern der Woche
Rauchende Colts

Tü ponimaetje, verstehste? – Peter Grohmanns "Wettern" vom 4.2.2015

Am 4. Februar, vor 30 Jahren, starb Jesse Hibbs an Alzheimer. Wir Jüngeren von uns kennen den Regisseur aus Filmen wie „Mit roher Gewalt“ oder gar „Rauchende Colts“ und „Tausend Meilen Staub“, wir Älteren haben das längst vergessen. Dafür sehen mit durchaus gemischten Gefühlen jenen zu, die mit rauchenden Colts durch die Medien, durch die Lande streuen: Scharfmacher aller Couleur, Politiker, eingebettete Journalisten, gute und schlechte Schauspieler. Man hat das Gefühl, das Drehbuch zu kennen: „1000 Meilen nach Dnjepropetrowsk oder „Brennende Krim“. Alternativ: „Nur einer kam durch“.

Keine Angst! Momentan sind wir persönlich in dieser Ecke der Welt erst einmal nur in der Türkei engagiert: Kobane gucken und Peschmergas sterben lassen. Aber wir dürfen auf den Trittbrettern der Verbündeten rund um Mütterchen Russland mitfahren: Ein Kessel Buntes rund ums Zarenreich. Falls man dem russischen Bären noch etwas mehr auf den Pelz rücken müsste, um die Menschenrechte zu sichern, sollten wir nicht abseits stehen. Wir sind gefragt, selbst von Gauck. Und immer nur zusehen war nie unser Bier. Ich sag mal so: Die Aussichten, dass der Film spannend wird, sind da!

Allerdings: Die NATO und die EU werden sich mit der Frage beschäftigen müssen, was als nächstes ansteht – nach der erforderlichen Mitgliedschaft der Ukraine in der Nato, wie sie Zbigniew Brzeziński, weise seiner Zeit voraus, forderte. Man muss dem Russen zeigen, wo der Bartel den Moscht holt. Der strategische Ausdenker dieser ollen Orakel, die jetzt nach und nach erfüllen, war Sicherheitsberater und immer schon ein hervorragender Drehbuchschreiber für die US-amerikanischen Präsidenten. Er hat gewusst, was man an Vaihingen und Möhringen hat: Das AFRICOM steuert alle militärischen Einsätze der USA in Afrika, Kampfdrohnen inkludet. Das EUCOM befehligt die US-Atomwaffen in Europa und sorgt dafür, dass die Colts rauchen, wenn’s sein müsste.

Das ist völkerrechtswidrig? Mannomann, jetzt werd‘ mir nich zickig, die Amis sind die einzige Weltmacht, вы понимаете? tät meine Omi Glimbzsch aus Zittau sagen. Junge, es geht um Menschenrechte, nicht um Krieg und Frieden! Nu, irgendwas bleibt eben immer auf der Strecke, Krieg oder Frieden.

Peter Grohmann schreibt und spricht sein Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext – für lau.

Wettern der Woche
Griechen und kriechen

Griechen und kriechen – Peter Grohmanns "Wettern" vom 28.1.2015

Wir haben die Griechen gewarnt! Kein Grieche kann jetzt noch sagen, er hätte nicht gewusst, was auf ihn zukommt.

Dass Griechenland schon in grauer Vorzeit gewissermaßen deutsch war, ist nichts Neues – es sei denn, die Indogermanen waren gar keine von uns. Sei’s drum: In diesen Tagen kommen Tausende griechischer Immobilien unter den Hammer. Selbst auf den 600 oder 6000 Inseln kann man noch wahre Schnäppchen machen. Für 350 000 Euro kriegst du schon ein‘ Bungalow fast am Meer mit eignem Strand – Mädle, verscheure deine ET-Wohnung im Kernerviertel und mach rüber nach Kamari! Dunkler Lavastrand, Traum von Insel, Promenade, Leben, alles sehr potent, selbst die Arbeitslosen. Als wir in Griechenland das Sagen hatten (WK zwo), transportierten wir alles, was nicht niet- und nagelfest war, in unsere Heimat, zur Strafe, weil uns die Griechen nicht liebten. Alles, was produziert wurde, und letztlich auch die Fertigungsanlagen. Was wir nicht brauchten, zerstörten wir. Und wir nahmen auch die 44 000 Juden aus Saloniki und Umgebung mit. Abgesehen von einem total ausgeplünderten Land, etwa 38 000 Exekutionen und ein paar Hunderttausend Toten standen wir uns in der Folgezeit gut mit den Griechen. Der freie Westen gab dem Land den guten Rat, „wegen damals“ keine übertriebenen Forderungen zu stellen. Aus Dankbarkeit durften sie in die NATO & Co KG. Zeus sei Dank.

Schnitt. Bis gestern mussten im Griechenland der alten Banditen immer nur die Armen hungern. Das soll sich jetzt ändern – wg. Merkel und Schäuble. Die penetrierenden Deutschen waren den Ägäern zwar immer ein Dorn im Auge, doch nun haben die Griechen in ihrem Elend trotz aller widerwärtigen Drohungen nach dem Strohhalm Syriza gegriffen. Dem Söder kocht die Galle über.

Alle Griechen, die noch reisen wollen, können sich jetzt ja mal in den großen Museen in Berlin oder München umsehen, bevor sie wieder ans Fließband müssen. Vielleicht entdecken sie ja Beutekunst – aber mit Sicherheit viele ihrer 2000 bis 3000 Jahre alten Kunstschätze.

Klarer Himmel fürchtet keine Blitze, würd meine Omi Glimbzsch aus Zittau vielleicht sagen. Freuen wir uns auf das Wintergewitter!

Peter Grohmann schreibt und spricht sein Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext – für lau.

Wettern der Woche
Lug & Trug

Lug & Trug – Peter Grohmanns "Wettern" vom 21.1.2015

„Du musst ooch nich immer alles glooben, was inner Zeitung steht“, mahnte meine Omi Glimbzsch in Zittau bei passenden Gelegenheiten. So wie Gutenberg eben nicht die beweglichen Lettern erfunden hat, sondern das Morgenland, hat auch das Abendland die Pressefreiheit und menschliche Werte nur gepachtet und abgekupfert – vom Morgenland. Es ist doch lustig, dass ausgerechnet jene, die den Asylbetrüger am liebsten auf den Mond schießen täten, zumindest aber ins Morgenland abschieben würden, von eben diesem verlangen, er sollte sich gefälligst integrieren – am besten noch vor der Abschiebung. Merke: Was wir hier brauchen, sind gut ausgebildete, junge und gesunde Ärzte aus Syrien, fitte IT-Leute aus Asien, Ingenieure aus dem Kosovo und Marias aus Polen. Alle anderen können bleiben, wo der Pfeffer wächst.

Dabei ist Integration nichts anderes als Annäherung, Auseinandersetzung und Kommunikation – etwas vom Feinsten jenseits von Festreden und Wahlkämpfen. Das freilich dürfen wir uns in diesen harten Zeiten für die Zugewanderten ebenso wünschen wie für die schon immer Dagewesenen: Integration.

Sie, die Einheimischen, waren nicht immer da, ob in Untertürkheim, Klotzsche oder auf der Alb. Sie kamen in Migrationswellen (Jäger und Sammler!) aus Russland, lange vor Stalin, aus Litauen und Polen vor paar tausend Jahren, und noch viel früher aus Afrika. Von ihnen stammt der Großteil der heutigen Europäer ab – so traurig das für Pegida & Co. auch sein mag. Der ersten Teil der Integration zur Menschwerdung des Affen leistete die Arbeit, der zweite Teil steht noch aus: Die Integration der hiesigen Angsthasen aus Ost und West in die Wertegesellschaft des Menschen. 539 v. Chr. eroberten die Armeen von Kyros dem Großen Babylon. Der Große befreite die Sklaven und behauptete, dass alle Menschen das Recht haben, ihre eigene Religion zu wählen, und dass alle, Hautfarbe piepegal, das Recht hätten, als Menschen zu leben. Das mündete später in die Verfassung der USA, die Orientierung ist für alle ist, die guten Mutes sind: Dass die Menschwerdung des Affen letztlich doch gelingen möge. Später wurden uns Eingeborenen die Menschenrechte erklärt: Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen. Wer das kapiert, ist integriert. Vorher nicht.

Peter Grohmann schreibt und spricht sein Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext – für lau.

Wettern der Woche
liberté, égalité, solidarité!

Liberté, Égalité, Solidarité! – Peter Grohmanns "Wettern" vom 14.1.2015

Seltsam, was sich da tut vor unsrer Haustür: In Dresden gehen 35000 auf die Straße, in Frankreich Millionen. Die Straße gewinnt. Doch noch möchten wir’s nicht zugeben: Die Angst hockt uns im Genicke. Etliche tausend junge Leute kämpfen auf der anderen Seite, aus Duisburg und Lyon, aus Stockholm, aus den Banlieues. Wenn sie im Kampf sterben, interessiert das kaum. Wenn sie überleben, kommen sie zurück zu uns.

Kriege machen die Menschen roh, gewalttägig, krank – sie werden so krank wie der Krieg selbst. Häufig werden die Kämpfer, egal für wen, für was, von wo, zu Hause allein gelassen mit ihren Wunden, wenn sie wieder unter uns sind – so wie die Freiwilligen aller Armeen vorher alleingelassen wurden, in ihren Heimaten, unter uns, in den tristen Vorstädten, auf menschenleerem Land, vernachlässigt und zurückgewiesen, häufig chancenlos, immer ausgegrenzt, benachteiligt, lebenslang verdächtig, verfolgt, diskriminiert. Sie haben die falsche Hautfarbe, Überzeugung, Lebensweise.

Was bringen die Rückkehrer mit, außer einem kranken Leben? Frust, Hass, Enttäuschung, Neid?

Geiz ist geil. Bringen sie Kenntnisse mit, wie man sie in fast allen Armeen der Welt lehrt und lernt? Wie man im Dschungel der Großstadt überlebt?

Wie man eine Bombe bastelt? Wie man Freund und Feind unterscheidet, den Gegner unschädlich macht, wie man richtig quält und foltert?

Bestien.

Dann erinnern wir uns sicherlich auch an die Bestien von Auschwitz, von Katyn und Abu Ghraib, an das Giftgas von Halabdscha, an die möglichen Vorbilder, die Helden: Die Männer der Tiger Force mähten in Vietnam wehrlose Bauern nieder, schnitten ihren Opfern die Ohren ab und enthaupteten Babys: Es waren die Eliteeinheiten des Abendlandes.

Wann wird die Bestie wieder zum Menschen?

Das wird dauern. Soviel Zeit haben die meisten nicht. Doch spätestens dann, wenn Gerechtigkeit und Solidarität herrschen, Freiheit und Gleichheit.

Dafür lohnt es sich, auf der Straße zu sein.

Peter Grohmann schreibt und spricht das Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext – für lau.