Archiv der Kategorie: Was wir machen

Portrait von Betty Rosenfeld übergeben

STUTTGART. Am Dienstag, 25. September 2024, wurde dem Gymnasium „Olga-Stift“ ein Gemälde der Stuttgarter Jüdin Betty Rosenfeld und ihrer zwei Schwestern übergeben und schulintern vorgestellt.

Betty Rosenfeld hat vor hundert Jahren diese Schule im „Westend“ der Stadt bis zur Mittleren Reife besucht. Sie wurde dann in Stuttgart zur Krankenschwester ausgebildet und übte diesen Beruf (u.a.) während des Spanischen Bürgerkriegs auf der Seite der Republikaner aus. Nach der Niederlage der demokratisch gewählten Regierung gegen die aufständischen Franquisten flüchtete B. Rosenfeld nach Frankreich und wurde von dort an die deutschen Eroberer Frankreichs ausgeliefert und in Auschwitz ermordet.

Der aus Stuttgart stammende Historiker Dr. Michael Uhl hat das Leben von Betty Rosenfeld in jahrelanger hingebungsvoller Arbeit erforscht und ausführlich dargestellt, veröffentlicht im Schmetterling-Verlag, Stuttgart. Anstifter-Mitglied Veit Feger, Ehingen/Donau (früher Verleger und Redaktionsleiter), hat bei der Attenweiler Künstlerin Marlis E. Glaser ein Portrait Betty Rosenfelds in Auftrag gegeben. M. E. Glaser malte ein farbenfrohes Bild der tapferen Stuttgarterin aufgrund von Fotos und Angaben, die Dr. Michael Uhl zusammengetragen und zur Verfügung gestellt hatte. Der Leiter des Königin-Olga-Stift-Gymnasiums, René Wollnitz, akzeptierte den Vorschlag von Veit Feger, das Bild der Schule zu spenden und es an besonderer Stelle im Schulgebäude gut sichtbar zu hängen.

Am Dienstag war nun die feierliche Übergabe an die Schule.

Schüler gestalteten die Feier musikalisch mit; die Geschwister Polina und Vadim Nikitin (Preisträger bei „Jugend musiziert“, Kinder russischer Einwanderer aus Moskau und Kasachstan) spielten einen Bach-Choral, für vier Hände eingerichtet von dem ungarischen (jüdischen) Komponisten György Kurtág.

Direktor Wollnitz schilderte das Leben von Betty Rosenfeld. Er erinnerte daran, dass es in Stuttgart Bemühungen gibt, einen Platz im „Westend“ nach Betty Rosenfeld umzubenennen.

Veit Feger erklärte, was er selbst mit dieser Bild-Stiftung zu tun habe, und verlas ein Grußwort des Historikers Michael Uhl.

Die Künstlerin Marlis E. Glaser erläuterte wesentliche Elemente ihres Rosenfeld-Portraits. „Betty als Erwachsene und Betty als Kind zusammen mit ihren beiden Schwestern Lotte und Ilse Rosenfeld mit dazu gehörenden jüdischen Symbolen aus der Kindheit.“ Auch Lotte und Ilse waren Schülerinnen an der Stift-Olga-Schule.

Ergänzt wird das Portrait von zwei der Schule gestifteten Bildern: einem Zypressenpaar, welches nach Aussage der Künstlerin Elemente des Portraitbildes enthält. Das weitere dazugehörige Bild entstand auf Vorschlag des Schulleiters: Die Schüler/innen sollten die hebräische Schrift sichtbar vor Augen haben; das Bild enthält einen Vers aus dem jüdischen Morgengebet und sieben Symbole.

Veit Feger

Bericht der Stuttgarter Zeitung (StZPlus): Schule erinnert an NS-Opfer: Betty Rosenfelds Rückkehr in die Schulgemeinschaft – Stuttgart (stuttgarter-zeitung.de)

30.OKTOBER 2022
CAMPO DELLA PACE 2022 – ERINNERUNG IM LAND DER TÄTER*INNEN

30.Oktober 2022: Campo della Pace 2022 - Erinnerung im Land der Täter*innen

Einladung zu einem Abend im Hotel Silber mit den italienischen und deutschen Teilnehmenden des Friedenscamps 2022

30.10.2022
18 Uhr
Hotel Silber, Foyer

Die jugendlichen Teilnehmenden des diesjährigen Friedenscamps im toskanischen Bergdorf Sant’Anna di Stazzema  treffen sich in diesem Herbst wieder in Stuttgart zum zweiten Teil des Friedenscamps.
Sie setzen sich in Stuttgart mit den hierzulande gescheiterten Bemühungen um die juristische Aufarbeitung des Kriegsverbrechens von Sant’Anna auseinander und werfen einen Blick auf die Erinnerungslandschaft von Italien und Deutschland.

Im Hotel Silber berichten Sie von ihren Erlebnissen in Sant’Anna, von den Begegnungen mit den Zeitzeugen und Zeitzeuginnen und der Gedenkfeier zum Jahrestag des Massakers in Sant Anna am 12. August, an dem sie sich mit einem Redebeitrag beteiligt haben.

Sie werden  mit den Ergebnissen ihrer Workshops in Italien und Deutschland einen Abend im Hotel Silber gestalten zu dem alle Interessierten herzlich eingeladen sind.

Gesprochen wird Italienisch und Deutsch.

Veranstalter*innen: Haus der Geschichte Baden-Württemberg, Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber e. V., Die AnStifter, Naturfreundejugend Württemberg

Wir bitten um Anmeldung bis zum 27. Oktober unter: veranstaltungen-hs@hdgbw.de

Internationale Jugendbegegnung – Friedenscamp „Campo della Pace“ 2022

Auch in diesem Jahr ist wieder ein Friedenscamp in Sant’Anna di Stazzema und Stuttgart geplant. Junge Erwachsene (17 – 26 Jahre) verbringen gemeinsame Zeit in Pruno, einem toskanischen Bergdorf, und vor allem in Sant’Anna, am Gedenkort für die Opfer eines Massakers der Waffen-SS (12.8.1944). Im Vordergrund stehen gemeinsames aktives Lernen und gemeinsames Erleben: Begegnungen und Austausch mit Zeitzeug:innen, begleitete Wanderungen auf historischen Pfaden, Workshops (z. B. Kunstprojekt, Journalistik, Geschichtswerkstatt), gemeinsame aktive Teilnahme an den Gedenkfeierlichkeiten zum Jahrestag des Massakers. Zeit für Freizeitaktivitäten, auch am nahen Meer, ist eingeplant.

Anmeldung bis 30.06.2022*: Anmeldungen, Rückfragen (auch zu Beitragsermäßigung) und Informationen per Mail an  s.anna.campodellapace@gmail.com

Kurzinfo:

  • Friedenscamp 1 in Pruno und Sant’Anna di Stazzema: 03.08.–14.08.2022
  • Friedenscamp 2 (Nachbereitung) in Stuttgart: 29.10.–01.11.2022
  • Anreise: FC1 gemeinsame ab Stuttgart, FC2 selbstständig
  • Altersgruppe: 17 – 26 J.
  • Gruppengröße: max. 20 Teilnehmer:innen
  • Unterkunft: Mehrbettzimmer Ostello/Jugendherberge
  • TN-Beitrag: 250 Euro** (Ermäßigung möglich)

* je nach Nachfrage auch danach
**Angebot vorbehaltlich der Bewilligung von Zuschüssen durch das Auswärtige Amt

2022_Campo della Pace Infoflyer

Andreas Platthaus im Blog der FAZ über Irene Lupis Graphic Novel „Enrico Pieri – Mai più – nie wieder – Sant‘Annas!“

„Ja, klar, mit einem Comic wird auf junges Publikum spekuliert. Manchmal aber auch zu Recht. Deshalb sind viele Institutionen seit einigen Jahren – nachdem sich über die Etablierung des Begriffs „Graphic Novel“ der von manchen empfundene Hautgout des Comics verflüchtigt hat – ganz wild darauf, ihre Ziele mittels dieser Erzählform zu propagieren. Manchmal zu Recht. So auch der in Stuttgart existierende Verein „Die AnStifter“, der sich seit mehr als zwei Jahrzehnten unter dem Motto „Eigensinn und Zivilcourage“ für Demokratie und Toleranz engagiert. Er hat nun die deutsche Fassung eines Comics ermöglicht, in dem die 1983 geborene italienische Zeichnerin Irene Lupi von ihrem im vergangenen Dezember gestorbenen Landsmann Enrico Pieri erzählt. Oder richtig gesagt: Enrico Pieri erzählen lässt, denn Lupis ihm gewidmeter Comic ist sein Vermächtnis.“

Wenn die Zeitzeugen sterben, muss die Erinnerung an sie aufleben – Comic (faz.net)

Mehr Informationen zum Buch und der genannten Veranstaltung: Graphic Novel „Enrico Pieri“ erschienen und öffentlich präsentiert | Die AnStifter (die-anstifter.de)

Und in der B&W (Bildung und Wissenschaft), Mitgliederzeitung der GEW BW, hat Eberhard Frasch ebenfalls eine wohlwollende Besprechung verfasst.

Graphic Novel „Enrico Pieri“ erschienen und öffentlich präsentiert

Am 23. April 2022 wurde in Stuttgart eine wichtige Neuerscheinung der Öffentlichkeit vorgestellt. Es handelt sich um die Graphic Novel

Irene Lupi,  „Enrico Pieri – Nie wieder – mai più – Sant’Annas“, Stuttgart 2021

Das Buch ist im Selbstverlag des Vereins Die AnStifter e.V. (Stuttgart) erschienen.
Verlagsausgaben sind in Italien und Deutschland geplant, aber noch nicht realisiert.

Die Veranstaltung ist online dokumentiert und erreichbar über den Link.

 

Kurzbericht zur Buchvorstellung

Im Mittelpunkt der Graphic Novel steht Enrico Pieri aus Sant’Anna di Stazzema (Toskana). Er war Überlebender des am 12.8.1944 von der Waffen-SS verübten Massakers an der dortigen Zivilbevölkerung mit über 500 Opfern. Die italienische Künstlerin Irene Lupi lässt ihn seine seine Lebensgeschichte erzählen – im Dialog mit jungen Friedenscamp-Teilnehmenden aus Deutschland und Italien. Minutiös angefertigte Zeichnungen, je nach Thema farbig oder schwarz-weiß, werden durch knappe Texte ergänzt. Der appellative Untertitel Nie wieder – mai più – Sant’Annas steht für Enrico Pieris Eintreten für ein solidarisches, demokratisches Europa der Menschenrechte und der Völkerverständigung.

Die Spuren dieses Kriegsverbrechens reichen bis nach Stuttgart – 2012 stellt die Staatsanwaltschaft Stuttgart ihre Ermittlungen gegen zehn Hauptverdächtige ein. Dagegen gab es Protest, der zu intensiven Kontakten mit den Zeitzeugen und Zeitzeuginnen sowie ihren Familien und Organisationen in der Toskana führte. Die zivilgesellschaftlichen Aktivitäten, die wesentlich vom Verein Die AnStifter ausgingen, blieben nicht ohne Wirkung auf die Politik: Die baden-württembergische Landesregierung engagierte sich schließlich auch finanziell bei der Förderung von Projekten wie den deutsch-italienischen Friedenscamps und beispielsweise der Graphic Novel, die nun am 23. April der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.

Ministerialdirigentin Karin Scheiffele, im Stuttgarter Staatsministerium u.a. für Internationale Beziehungen zuständig, würdigte das Werk auch im Blick auf den Tod von Enrico Pieri Ende des vergangenen Jahres: „Es ist Ihnen, liebe Signora Lupi, und allen Beteiligten gelungen mit der Graphic Novel … ein Vermächtnis zu schaffen für Enrico Pieri – in starken, in wirkmächtigen Bildern und Worten, die bleiben und die nachhallen.“ Sie zeigte an diesem Beispiel die Bedeutung zivilgesellschaftlicher Initiativen auf und ermutigte die beteiligten Organisationen, ihre Bemühungen um Versöhnung und Verständigung fortzusetzen – gerade in diesen Tagen des Ukrainekriegs.

Irene Lupi gab Einblicke in ihr künstlerisches Schaffen, auch an anderen Beispielen der Erinnerungskultur, um dann einige Aspekte ihrer Arbeit an der Graphic Novel zu erläutern.

 

Veranstalter waren die Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber e.V., Die AnStifter e.V., die Naturfreundejugend Württemberg e.V., das Haus der Geschichte Baden-Württemberg, zusätzlich gefördert vom Stadtbezirk Stuttgart-Mitte.

Bezug: Das Buch ist beim Verein Die AnStifter (70182 Stuttgart, Werastr. 10) erhältlich. Bestellung per Mail über SantAnna-Stuttgart@gmx.info . Abgabe kostenlos, Spende für Versandkosten und Zukunft des Projekts erbeten.

Kontakt: Eberhard Frasch MOBIL +49 16092998995 MAIL s.o.

Einen ausführlichen Bericht zur Buchvorstellung finden Sie hier.

 

Eberhard Frasch
AnStifterInitiative-Sant’Anna Stuttgart
25.4.2022

Betty Rosenfeld – Zwischen Davidstern und roter Fahne

Seit 2017 haben die AnStifter und ihre Spender*innen dieses Projekt erst möglich gemacht. Nun ist das Buch „Betty Rosenfeld – Zwischen Davidstern und roter Fahne“ von Michael Uhl im Schmetterling Verlag erschienen. Dafür gilt unseren Spender*innen unser größter Dank! Veranstaltungen zum Projekt sind bereits in Planung.

Mehr Informationen zu Projekt und Buch finden sie auf der Seite des Verlags und hier auf unserer Website.

Zum Tod von Enrico Pieri – Aus Hass wird Hoffnung

Hallo liebe FreundInnen von Sant Anna di Stazzema,

hier die Berichterstattung über die Aufbahrung von Enrico am 11. Dezember in der Kapelle des Croce Verde in Pietrasanta und der Feierlichkeit zur Urnenbestattung am Sonntag den 19. Dezember in Sant Anna, den uns Jenö Egan-Krieger zugeschickt hat.

Aus Deutschland war zu mindestens sein langjähriger Rechtsbeistand, die Anwältin Gabriele Heinecke aus Hamburg, anwesend.

Saranno disperse a S.Anna le ceneri di Enrico Pieri

Es wird keine Beerdigungszeremonie geben, aber Enrico Pieri hatte den Wunsch geäußert, dass seine Asche in S. Anna beigesetzt wird, an den Orten, an denen er zum historischen Gedächtnis geworden war.

Dies bestätigte auch der Bürgermeister von Stazzema, Maurizio Verona, der sich zu den vielen Menschen gesellte, die Enrico in der Kapelle des Croce Verde di Pietrasanta, einer Vereinigung, der Pieri angehörte, die letzte Ehre erweisen wollten.

Der Bürgermeister erinnerte auch an Enricos Engagement für die Weitergabe europäischer Werte an die jüngeren Generationen, wofür er 2011 mit dem Titel „Europäischer Bürger des Jahres“ ausgezeichnet wurde.

Hier der Beitrag zur Urnenbeisetzung

Zum Tod von Enrico Pieri: Aus Hass wird Hoffnung – Baden-Württemberg – Stuttgarter Zeitung (stuttgarter-zeitung.de)

Ein Tag im Leben mit Enrico Pieri – Eine nachgerufene Liebeserklärung

Ich erreiche am 19. April 2013 mit der Bahn frühmorgens Pietrasanta. Enrico Pieri holt mich ab: Mit seiner Ape, seinem motorisierten Lastentier. Mein Koffer landet auf der Pritsche, darauf schon das vorbestellte Fahrrad. Ab in die Pension Villa Elena in Forte di Marmi. Enrico fragt kurz, ob alles gut gegangen ist im Nachtzug. Er lädt eigenhändig ab. Ich bin angekommen.


Kurze Pause. Wir starten nach Valdicastello. Natürlich mit der Ape. Sie kennt bereits die Strecke Pietrasanta – Valdicastello Centro – Valdicastello Oliveto – Sant’Anna und zurück in- und auswendig. Für Enrico Alltag.

Enrico stoppt. Er gibt mir den Auftrag, beim Musikalienhändler eine Zeitung zu kaufen. Hier gibt es wirklich alles für alle. Ich frage Enrico , welche Zeitung denn. Seine Instruktion: Die UNITÁ.

Die Unità gab es seit 1924. Sie war das das offizielle Organ der Kommunistischen Partei Italiens bis zu deren Auflösung 1991. Das Blatt existierte mit Unterbrechungen weiter noch bis 2017.

Gegenüber das Geburtshaus des italienischen Dichters und Schriftstellers und Dichters Giosuè Carducci, geboren 1835. Träger des Nobelpreises für Literatur 1906. Der Literaturprofessor, Teil des gehobenen Bildungsbürgertums, ein Reaktionär? Enrico, nach seinen eigenen Worten selbst minimal gebildet, klärt mich auf: Der Mann war
Atheist, Freimaurer, Anhänger der Republik …

Weiter geht’s zum Lokal eines Arbeiterclubs, Treffpunkt zu fast jeder Tages- und Nachtzeitzeit, Ort für den kurzen Espresso, den Blick in die Tageszeitung – oder das Studium der Sportgazetten. Und für den Austausch über Alltägliches, Fußball und Politik. Noch wenig los, Enrico ist mit allen gut bekannt. Sein Freund und Mitstreiter Enio
Mancini trifft auch ein. Freudige Begrüßung.

An den Wänden Konterfeis von Che Guevara, programmatische Plakate der ARCI, ein Freizeit- und Kulturverein mit politischem Anspruch: Frei denken, solidarisch handeln. Über den Bildschirm gehen die Sportprogramme von Sky und den Berlusconi-Sendern.

Für mich ein Flashback der besonderen Art zu den Debatten über den Eurokommunismus der Siebziger-Jahre, speziell den Weg der KPI. Sie brachte scheinbar Unvereinbares zusammen: Pro Parlamentarismus, contra Kapitalismus.

Enrico hat nie vergessen, woher er gekommen ist. Er fühlte sich zeitlebens an der Seite der „kleinen Leute“. Vor allem auch derer, die in den Bergen hinter Pietrasanta in bitterer Armut gelebt hatten und nicht nur in Sant’Anna durch die deutschen Kriegsverbrechen in noch tiefere Existenzkrisen gestürzt worden waren. Für ihn gehörten Gerechtigkeit im rechtlichen und im sozialen Sinne untrennbar zusammen.

Weiter mit der Ape zu Enricos Oliveto: Sein Olivenhain ist sein zweites Zuhause, sein persönliches Paradies. Hier kann er schweigen, hier kann er reden, mit den Katzen, vielleicht auch mit den knorrigen Olivenbäumen, die gelegentlich Menschengestalt anzunehmen scheinen.

Ohne viele Worte zu machen, arbeiten wir ein paar Stunden zusammen, ich grabe um, er pflanzt, gießt und erntet. Frische Zitronen, reines Olivenöl, aromatischer Honig landen in meinem Reisegepäck.

Es ist Mittagszeit: Auf dem Weg nachhause besuchen wir noch verschiedene befreundete Handwerker und Künstler, so auch ein Atelier, in dem Marmorskulpturen hergestellt werden. Enrico , der Sohn eines Minenarbeiters, ein wenig stolz im Dialog mit dem Meister. So werde ich am nächsten Tag noch einen Kunst-Metallgießer und den Chef eines Marmorsteinbruchs kennenlernen …

Zum Mittagessen gibt es Polenta und Rotwein, schon vorher zur Begrüßung und nach dem Espresso Fiorenzas selbstgemachten Limoncello.

Nach kurzer Mittagsruhe bringt uns die Ape hoch nach Sant’Anna. Dort warten schon viele junge Leute auf ihn. Stets wie zum ersten Mal erzählt er seine Geschichte vom 12. August 1944: Wie die Waffen-SS brüllend das Haus der Familie stürmte und alle seine Angehörigen (und weitere Personen) erschoss. Wie er sich mit Hilfe eines Mädchens verstecken konnte und überlebte. Wie er damit zurechtkommen musste, im Alter von zehn Jahren als einziges Familienmitglied überlebt zu haben.

Er zeigt den Schüler*innen sein Elternhaus. Inzwischen hat er es der Gemeinde Stazzema geschenkt, um dort eine Begegnungsstätte für Jugendliche einzurichten.

Wir besuchen die Gedenktafel für Enricos Familie oben am Ossario. Am 12. August 1944 hatte Enrico seinen Vater Natale, seine Mutter Irma, im vierten Monat schwanger, und seine beiden Schwestern Luciana und Alice verloren.

Später spricht er vor und mit einer weiteren Gruppe Jugendlicher. Das Besondere daran: Mit ihm zusammen tritt der Militärstaatsanwalt Marco de Paolis auf. Dieser hatte den Prozess gegen zehn Täter in La Spezia auf den Weg gebracht. Er ist auf vielen Gedenkveranstaltungen anwesend und zeigt den Überlebenden und Hinterbliebenen nicht nur von Sant’Anna seine Solidarität. Davon konnten wir in Baden-Württemberg nur träumen.

Enrico verabschiedet alle persönlich mit Handschlag. Übrigens redet er stets frei, ohne Manuskript. Vor Schüler*innen, Studierenden und Professoren, auf Veranstaltungen mit vielen Menschen. So auch 2013 vor 800 Leuten in Stuttgart oder vor Staats- und Bundespräsidenten in Sant’Anna und Rom.

An diesem Tag feiert Enrico seinen 79. Geburtstag. Gäste kommen und gratulieren. Es wird gefeiert im Arbeiterclub in Valdicastello. Es gibt Spaghetti Aglio e Olio.

Enrico bleibt auch hier, wie in seinem ganzen Leben, ein bescheidener Mensch. Dadurch und mit seiner menschlichen Wärme sowie seinen scheinbar einfachen, aber werthaltigen Botschaften erreicht und beeindruckt er viele, besonders junge Menschen außerordentlich – nicht nur für den Augenblick.

Danke, Enrico – und leb wohl!

Eberhard Frasch
10. Dezember 2021

Alle Fotos: Eberhard Frasch

Wimmelbild „Recht auf Stadt“ – leider ausverkauft

Ausschnitt

Jetzt wieder auf Lager (d. h. auf wundersame Weise wieder aufgetaucht) und in der Denkmacherei abholbar: sieben Exemplare des Wimmelbilds „Recht auf Stadt“ von Markus Wende aus dem Jahr 2016.

Plakat, DIN A1 Hochformat, 594 × 841 mm, gefalzt auf DIN A4
ohne Verlag & ISBN

Mehr Infos zum Künstler und zum Wimmelbild gibt’s hier: http://wimmelbild.animationsfilm.de/hintergrund/

Deutsch-italienisches Friedenscamp Sant’Anna – jetzt anmelden!

Die Termine:

Friedenscamp 1 in Pruno /Sant’Anna di Stazzema: 03.08.–14.08.2021

Friedenscamp 2 (Nachbereitung) in Stuttgart: 14.10.–17.10.2021

Mehr Informationen und Anmeldung:
https://www.nfjw.de/veranstaltungen/internationale_jungendbegegnung/-/

und im Flyer.

Social Media – Instagram:
https://www.instagram.com/stories/highlights/17863273640039615/

Hintergrundinfos gibt es hier.

Rückblick auf  Friedenscamp 2019:
https://www.die-anstifter.de/2019/08/75-jahre-massaker-der-waffen-ss-in-santanna-di-stazzema-zum-dritten-mal-deutsch-ita lienisches-friedenscamp-campo-della-pace/

Gefördert vom Auswärtigen Amt, der Landeszentrale für Politische Bildung und vom Kultusministerium Baden-Württemberg

Je nach Pandemieentwicklung und Bewilligung der Fördermittel bleiben Änderungen vorbehalten.
Falls eine Absage wegen Corona-Einschränkungen erfolgen muss, wird voraussichtlich ein alternatives Programm angeboten.

Bitte Infos auf der Homepage der NFJW beachten (Link s.o.)

Kontakt:  Naturfreundejugend Württemberg  – Tel.: 0711 48 10 77 –  info@nfjw.de

Winfried Wolf, Heiner Monheim, Wolfgang Hesse
Stuttgart 2030. Eine Stadt für die Menschen

Beim Studium von Statistiken, SSB- und VVS-Bilanzen und Gemeinderatsdebatten wurde mir deutlich: Die Stadt-Oberen in Stuttgart verfolgten auch in den vergangenen acht „grünen“ Jahren eine Weiter-so-Politik, die sich in Sachen Verkehr kaum unterscheidet von derjenigen, die es zuvor unter den CDU-Oberbürgermeistern gegeben hatte. Wertvolle Zeit wurde vertan, verantwortungsbewusst das Thema drohende Klimakatastrophe anzugehen…

120 Seiten Paperback, 150 x 210 mm
9,50 Euro
Peter-Grohmann-Verlag
ISBN 978-3-944137-65-0

Im Buchhandel, in der DenkMacherei, Werastraße 10, 70182 Stuttgart oder beim Peter-Grohmann-Verlag.

Hannes Rockenbauch
Mit allen für alle Stadt gestalten

Gedanken eines Architekten, Planers, Stadtrats und Vaters.

„Eine zukunftsfähige Stadt ist eine Stadt, in der sich alle aufgehoben fühlen, weil die Rahmenbedingungen stimmen. Die Lebensverhältnisse in einer solchen Stadt sind so, dass sich alle Bürger*innen damit identifizieren wollen und können. Deshalb ist es vordringlich, eine Stadtgestalt von den Schwachen und Kleinen her zu denken. Nicht umsonst heißt es, Kinder sind die Zukunft.“

Hannes Rockenbauch erzählt über seinen Werdegang vom Stuttgarter Kind im Osten, über die ersten Schritte in der Politik. Über seine Arbeit als Architekt und Stadtplaner und als Kommunalpolitiker mit langjähriger Erfahrung. Er entwirft das Modell einer Stadt für alle, in der die Herausforderungen der Zukunft von Politik und Bürger*innen gemeinsam gemeistert werden.

147 Seiten Hardcover, 140 x 220 mm
15 Euro
Peter-Grohmann-Verlag
ISBN 978-3-944137-42-1

Im Buchhandel, in der DenkMacherei, Werastraße 10, 70182 Stuttgart oder beim Peter-Grohmann-Verlag.

Natalie Reinsch
Horst Brandstätter und die Frage der (Un) Freiheit

Ein schwäbischer Intellektueller, Netzwerker und Kulturvermittler

Der Katalog zur Ausstellung im Württembergischen Kunstverein Stuttgart mit einem Nachwort von Peter Grohmann

vom 10. Juli bis 30. August 2020

 

 

72 Seiten Paperback, 170 x 240 mm
12 Euro
Peter-Grohmann-Verlag
ISBN 978-3-944137-49-0

Im Buchhandel, in der DenkMacherei, Werastraße 10, 70182 Stuttgart oder beim Peter-Grohmann-Verlag.