Nie war sie so wertvoll wie heute, die evangelische Klosterfrau aus der Uckermark. Denn nun hat sie dem Volke das schönste Weihnachtsgeschenk gemacht, das je gemacht wurde: Die Große Koalition. Jetzt kann endlich, nach all den Anfeindungen, den widersprüchlichen Analysen der vormaligen Gegner, ihren kontroversen, trotzigen Programmen und bitteren Anfeindungen, an einem Strang gezogen werden: Für die Uckermark genauso wie für Südbaden, fürs Thüringer Land, die Saar und den Ruhrpott, für Deutschland, Europa, für die Welt. Mal ganz ehrlich: Wer hätte das gedacht, nach dieser verheerenden Niederlage der Opposition? Vor Monaten noch haben sich Soziologen, Journalistinnen und Parteistrategen die Haare gerauft oder die Schenkel geklopft, höhnisch die andere Seite fertig gemacht, je nach dem, und nun das! Reichen auch uns wir, wo immer wir leben, die Hände, lassen auch wir den Weihnachtsfrieden einkehren!
Andererseits – nie war sie so wertvoll wie heute, die andere Seite der Medaille, kurz ApO genannt, mag der eine oder die andere einwenden. ApO freilich bezeichnet treffend die illegalen Kinder der Demokratie, die außerparlamentarische (!) Versammlung der Möchtegerne, der Wutbürger und Schreihälse, die ohne Auftrag und Mandat auf Straßen und Plätze ziehen, ob nun in Kiew oder Kairo, Bangkok oder Rio, und den gewählten Regierungen das Leben zur Hölle machen wollen. Davon sind wir gottlob weit entfernt. 95 % unserer Menschen finden die Linke schlimm genug, 91 % halten nichts von den Außerparlamentarischen und 75,8 % finden auch eine parlamentarische Opposition unnötig. Ja, es gibt sogar ernst gemeinte Vorschläge wie jene: „Verbieten!“ oder „Geh‘ doch nach drüben!“ Beide Ideen haben eine gewisse Tradition im Lande, kommen also nicht nur aus dem hohlen Bauch, gründen auf alte Erfahrungen und lassen sich natürlich auch beliebig kombinieren.
Meine Omi Glimbzsch aus Zittau würde sagen: „Nu‘ is‘ aber Ruhe im Karton!“ Eine Wahl ist ja auch so etwas wie eine Volksabstimmung oder der Abstieg aus der 1. Liga im Fußball. Die Menschen hatten jahrelang Zeit zum Krakeelen oder gar zum Nachdenken und haben dann, als Höhepunkt, freiwillig an der politischen Willensbildung mitgewirkt und ihr Kreuzle gemacht – jetzt ist gutt!
Man kann den Tag auch vor dem Abend loben. Denn der Segen kommt von oben (nach Schiller, Stuttgart).