Archiv der Kategorie: Allgemein

Überwachung
Regierung hält Konzern trotz NSA-Kontakten für Vertrauenswürdig

An vielen bundesdeutschen IT-Projekten ist die US-Firma Computer Science Corporation (CSC) über ihre Ableger beteiligt. Wie Netzpolitik.org in Berufung auf eine parlamentarische Anfrage von Grünen-Politikern an die Bundesregierung berichtet, ist dem Innenministerium zwar wohl bekannt, dass US-Töchter von CSC eng mit der amerikanischen Regierung und ihren Geheimdiensten zusammenarbeitet, doch da die deutsche Tochter nach eigener Auskunft keinerlei Verträge mit nordamerikanischen Behörden eingegangen ist, hält sie CSC Deutschland Solutions GmbH für unbedenklich.

Ob das noch naiv ist oder schon grob fahrlässig, wird uns wahrscheinlich der Autor des Buchs Geheimer Krieg, Christian Fuchs, bei einer Veranstaltung im Haus der katholischen Kirche am Donnerstag kommender Woche in Stuttgart erläutern können.

Update: CSC war auch für die IT-Sicherheit bei der Klimakonferenz in Kopenhagen zuständig. Gerade erst berichtete Netzpolitik.org über die Spitzeltätigkeiten der USA und ihrer Five Eyes-Allianz bei der Konferenz

Hamburger Gefahrengebiete
1 Mio Euro für nix

Wie verschiedene Medien gestern berichteten, hat die Hamburger Linke einen Bericht der Polizei veröffentlicht, in der diese Bilanz der Hamburger Gefahrengebiete zieht. Der „Erfolg“ der knapp 1.000 sogenannten Personenkontrollen, bei denen – neben einigen wenigen problematischen Funden – von Schals über Klobürsten bis hin zu Kleister diverse Gegenstände entdeckt wurden, liest sich einfach wunderbar.

Leider scheint die regierende SPD immer noch nicht aus dem Desaster lernen zu wollen…

Überwachung
Die Sicherheitsesoteriker

Sascha Lobo arbeitet sich seit Monaten im Rahmen von lesenswerten Essays an der NSU-Affäre und der Totalüberwachung generell ab.
In seinem gestrigen Text erfindet er das schöne Wort „Sicherheitsesoteriker“, um die Menschen hinter den absurden Begründungen für Vorratsdatenspeicherung und andere Instrumente für anlasslose Überwachung zu charakterisieren.

  • Einzelne Geschehnisse dienen als Rechtfertigung.
  • Unabhängige Studien zur Nichtwirksamkeit werden ignoriert.
  • Die Diskussion um Details ersetzt die Diskussion um den Sinn.
  • Wie zur Beschwörung wird die Notwendigkeit ständig wiederholt.
  • Tautologische Begründungsschleifen werden verwendet.
  • Künstliche Zusammenhänge werden konstruiert.
  • Kritiker werden diffamiert.

Ungarn während des Nationalsozialismus
Alles nur Opfer?

Süddeutsche.de berichtet heute darüber, wie in Ungarn versucht wird, die Zeit während der Besetzung durch Nazideutschland geschichtsklitternd darzustellen. Aktueller Anlass für den Streit um diese Lesart der Geschichte ist ein Denkmal, das zum 70 Jahrestag des deutschen Einmarsches errichtet werden soll.

Ungarn ist nicht der erste und nicht der einzige Staat, der sich – auch noch siebzig Jahre nach dem Holocaust – schwer tut mit der Auseinandersetzung über das eigene Erbe. Allerdings sind die Gräben seit dem Amtsantritt von Viktor Orbán noch tiefer geworden, als sie ohnehin waren. Kritiker werfen ihm vor, die zahlreichen Aktionen und Initiativen gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus in jüngster Zeit seien nichts als Show für den Westen.

Neues Buch
Bosch und der Nationalsozialismus

Im C.H. Beck-Verlag haben Johannes Bähr und Paul Erker eine Monografie zum Unternehmen Bosch veröffentlicht. Die Stuttgarter Zeitung hat einen Blick auf NS-Zeit in dem Buch geworfen:

In den Bosch-Werken arbeiteten viele Zwangsarbeiter. Bähr und Erker schätzen die Gesamtzahl auf 20 000 Zwangsarbeiter, darunter 1200 KZ-Häftlinge. Ende 1944 lag der Anteil der Zwangsarbeiter an der Belegschaft bei rund 33 Prozent; in der gesamten deutschen Industrie waren es im August 1944 etwa 25 Prozent. Dass es den Zwangsarbeitern bei Bosch besser als anderswo ergangen ist, lässt sich nicht behaupten.

Campact gegen OpenPetition
Selbstbeschäftigung oder Demokratie?

Die Kampagnenorganisation Campact hat eine Online-Petition gegen eine Online-Petition der offenen Kampagnenplattform OpenPetition gestartet. Die Unterschriftensammlung auf OpenPetition richtet sich unter dem Titel „Kein Bildungsplan 2015 unter der Ideologie des Regenbogens“ gegen eine Initiative Baden-Württembergs, mit der das Land unter anderem auch die Akzeptanz sexueller Vielfalt stärken will. Campact wiederum stellt sich hinter das Projekt des Südwestens und erläutert richtigerweise die Hintergründe, warum es die Initiative auf OpenPetition ablehnt. Außerdem bezeichnet Campact die Petition als homophob.

Dagegen stellte Fritz Schadow von OpenPetition am 9. Januar in einem Kommentar hier im Blog klar, dass seine Organisation die kritisierte Petition nicht als diskriminierend bzw. als tolerabel ansieht.

Die Petition zum Bildungsplan 2015 für Baden-Württemberg formuliert eine sehr konservative Forderung. Das ist auf openPetition genauso möglich wie Petitionen für die Genehmigung des Christopher Street Day in Rostock , gegen die Abschiebungen der Familie Cruz aus Hamburg oder für die Weiterfinanzierung der Lesbenberatung Berlin – drei viel unterstützte und erfolgreiche Petitionen auf unserer Plattform.

Ist es wirklich so, dass OpenPetition die Unterschriftensammlung für nicht homophob und nur für konservativ hält? Wenn ja, gibt es massive ethisch-moralische Differenzen zwischen den beiden Organisationen. Und das, wo Campact Mitgründer der OpenPetition gGmbH  und damit finanziell wie auch strukturell eng mit der Plattform verbunden ist. Statt eine Beschäftigungstherapie im Internet zu starten und eine Appell gegen einen quasi eigenen Appell zu starten, sollte Campact lieber seinen Einfluss geltend machen und in das Handeln von OpenPetition eingreifen.

Natürlich ist ein Gegenappell ein nettes Zeichen gegen Homophobie, doch stellen wir uns einmal vor, Campact hätte die homophobe Aktion auf OpenPetition durch interne Einflussnahme bei sagen wir mal 5.000 Unterschriften gestoppt. Der ganze Medienhype wäre unterblieben und die Rechten wären ins Leere gelaufen.

Update vom 15.1.: Fritz Schadow von OpenPetition verteidigt das Vorgehen in der Südwestpresse und kündigt gleichzeitig Änderungen an.

Disclaimer: Ich habe bis vor etwa einem Jahr bei Campact gearbeitet und kenne durch meine dortige Arbeit auch die Menschen hinter OpenPetition.

NSU
LKA-Beamter vs. Korpsgeist

Löblicherweise hat ein LKA-Beamter die Mauer des Schweigens der Behörden durchbrochen und im NSU-Prozess eine Aussage gegen den Thüringer LKA-Präsidenten Werner Jakstat gemacht. Der heutige Leiter der Polizeiinspektion Heiligenstadt beschuldig laut MDR und Zeit seinen ehemaligen Chef, die Fahndung nach Böhnhardt sabotiert zu haben. Der MDR schreibt:

Grosa sagte dazu vor dem Untersuchungsausschuss aus, LKA-Chef Jakstat habe ihm am Telefon gesagt, die Beamten sollten da mal hinfahren. Weiter habe er von Jakstat sinngemäß den Hinweis erhalten, in der Sache nichts weiter herauszubekommen.

Hoffentlich werden noch weitere Beamte dem guten Beispiel folgen und die Behörden so wieder daran erinnern, das sie sich auch selber an Recht und Gesetz zu halten haben.

Fremdenfeindlichkeit
CSU darf weitermachen

Drei Meldungen gingen heute durch die Nachrichten und werfen ein interessantes Licht auf die Zuwanderungsdebatte. So hält Brüssel die Regelung deutsches Sozialsystem für rechtswidrig, dass Menschen aus der EU nur schwer Zugang zum deutschen Sozialsystem bekommen.

Diese [Regelung] sei mit europäischem Recht nicht vereinbar, rügen die Brüsseler Juristen. Sollten die europäischen Richter der Kommission folgen, so hätten Zuwanderer künftig deutlich bessere Chancen auf Sozialleistungen, selbst dann, wenn sie keine Arbeitsstelle suchen.

Damit macht die Anti-EU-Haltung der CSU insbesondere in Kombination mit der üblen Stimmungsmache gegen Menschen aus Osteuropa fatalerweise Sinn.

Die Rüge der EU widerspricht ganz klar dem Gefühl der Bürgerinnen und Bürger hierzulande, die sich im ARD-Deutschlandtrend gegen eine sogenannte Einwanderung in die Sozialsysteme aussprechen.

Immerhin 70 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass Zuwanderer aus EU-Ländern, die in Deutschland keine Arbeit suchen, das Land wieder verlassen müssen.

Auch hier wird die CSU frohlocken, da sie mit ihrem Ansatz von Fremdenfeindlichkeit genau den Nerv zu treffen scheint.

Währenddessen weigert sich die Bundesregierung weiter, Seehofer in die Schranken zu weisen und bildet einen Arbeitskreis.

Die Bundesregierung will bis zum Sommer klären, ob und wie sie gegen den angeblichen Sozialmissbrauch von Zuwanderern vorgeht. Am Mittwoch setzte das Kabinett den Staatssekretär-Ausschuss zu dem Thema ein. Er soll bis Juni Ergebnisse vorlegen, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert mit.

Homophobie auf OpenPetition
Strafanzeige gegen Initiator von Online-Petition

Wie Süddeutsche.de heute berichtet liegt gegen den Initiator einer Online-Petition gegen die Festschreibung von „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ im staatlichen Bildungsplan in Baden-Württemberg mittlerweile eine Strafanzeige und eine Dienstaufsichtsbeschwerde vor.

Es ist zu hoffen, dass das von Campact mitfinanzierte OpenPetition diesen Fall zum Anlass nimmt, über sein Selbstverständnis nachzudenken.

Unser Ziel ist die Bildung und Information von Bürgerinnen und Bürgern über politische Entscheidungsprozesse, die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements sowie die Beratung, Begleitung und Unterstützung von Bürgerinnen und Bürgern beim Erstellen, Verbreiten und Einreichen von Online-Petitionen. Dabei ist OpenPetition politisch neutral

Es ist zwar möglich, technische Mittel jedem zur Verfügung zu stellen und sich von den inhaltlichen Ergebnissen zu distanzieren, moralisch ist dies aber, wie die durch die Verbreitung auf rechtsextremen und evangelikalen Websites erfolgreiche Petition zeigt, höchst zweifelhaft.

Brandanschlag auf Asylbewerberheim
Folge geistiger Brandstiftung?

Seit Tagen wettert die CSU und insbesondere ihr Vorsitzender Ministerpräsident Seehofer gegen angebliche Armutsmigranten und versucht mit markigen Sprüchen Eindruck zu schinden und Stimmung für die Wahlen im Mai zu machen. Laut CSU-eigener Einschätzung  ist die Resonanz auf Sprüche wie „Wer betrügt, fliegt“ sehr gut. Dies lässt auf eine latente Ausländerfeindlichkeit schließen, wie sie z.B. auch die Universität Leipzig 2008 in einer Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung augenscheinlich wurde.

Wie Süddeutsche.de heute berichtet hat anscheinend ein junger Mann am frühen Mittwochmorgen die Stimmung in eine Tat umgesetzt und ein Asylbewerberheim im Münchener Vorort Germering angezündet. Zum Glück blieben die BewohnerInnen körperlich unverletzt.

Mich erinnert die ganze Situation stark an die Stimmungsmache in der Nachwendezeit. Lasst uns den Flüchtlingen beistehen. Zum Beispiel am Samstag um 13 Uhr in Feuerbach.

Ausschreitungen in Hamburg
Linksammlung

NDR-Kommentar „Hat die Polizei die Demo zu früh gestoppt?“ von Christian Baars

Analyse „Eskalation an der Schanze“ auf publikative.org

Hamburg: Die Mär der angreifenden Demonstranten“ auf metronaut.de

Frankfurter Rundschau: „Die schwerste Straßenschlacht seit vielen Jahren

Taz: „Gewalt ohne Vorwarnung

Blick auf die Rolle der Medien von Benjamin Laufer unter dem Titel „Medienberichte und Realität #hh2112

Das Ganze sieht für Polizei und Medien nicht gut aus…

Deutsche Polizeigewerkschaft
Erschreckende Reaktion auf Ausschreitungen in Hamburg

Screenshot Tweet Björn WerminghausWas auch immer in Hamburger Schanzenviertel bei einer Demonstration zum Erhalt der Roten Flora passiert/schief gegangen ist, wird wohl ein Untersuchungsausschuss klären müssen. Welche Gefühle und Verständnisse von Verfassung und Rechtsstaatlichkeit bei der Polizei existieren, zeigte sehr anschaulich ein mittlerweile gelöschter Tweet des stellvertretenden hessischen Landesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft Björn Werminghaus:

@HerrVanBohm sind ja auch keine Demonstranten, sondern gewalttätiger Abschaum