Antrag aus Stuttgart
Deutsch-italienischer Zukunftsfonds finanziert Kapellenprojekt

2014-08-13 IL TIRENNO kapellenprojekt

 

Schlagzeile aus IL TIRENNO „Aus Deutschland kommt das Geld für die Restaurierung“
13.8.2014
Dalla Germania i soldi per restaurare

 

 

Die Freiwilligen aus Stuttgart (und Umgebung), die vom 3. bis 14. August 2014 in Sant’Anna zu Besuch waren, konnten sich über einen Mangel an guten Nachrichten nicht beklagen, im Gegenteil. Nachdem sie am 5. der Beschluss des OLG Karlsruhe erfreut hatte, verkündete der deutsche Generalkonsul aus Mailand, Peter Dettmar, am 12. bei der Ausstellungseröffnung vor dem Seminargebäude den Zuhörenden:

„In diesem Zusammenhang freue ich mich, hier bekanntzugeben, dass die Regierung der Bundesrepublik Deutschland sich nun bereit erklärt hat, die Restaurierung der Kapelle auf der Piazza Pardini am Eingang des Friedensparks zu finanzieren.“

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3. Solidaritätsfahrt nach Sant’Anna

01 SantAnna 2014_Gruppe

Foto: Fritz Mielert

Die Reisenden sind zurück von der 3. Solidaritätsfahrt nach Sant’Anna. Neun Personen hatten sich am 3. August aufgemacht, um den Opferverein bei den Vor- und Nachbereitungen zu den Gedenkfeierlichkeiten zu unterstützen und um so den Menschen von Sant’Anna an diesem besonderen Gedenktag, dem 70. Jahrestag des Massakers ihre Solidarität zu bekunden. Die Teilnehmenden bedanken sich für alle ideelle und auch materielle Unterstützung von privater Seite wie auch  des Vereins „Gegen Vergessen – für Demokratie“ (Baden-Württemberg).

Einen ersten Bericht gibt es von Fritz Mielert auf der AnStifter-Website: Sant’Anna-Nachlese, inklusive kurzes Video, und einen weiteren Report, speziell zugeschnitten auf die Reutlinger Lokalpresse, von Eberhard Frasch: Eine Italienreise der besonderen Art.

Am 16. August brachte das FREIE RADIO STUTTGART eine Sendung „70 Jahre Massaker von Sant’Anna di Stazzema“: Sabine Gärtling im Gespräch mit Thomas Renkenberger und Eberhard Frasch.

Eine gute Ressonanz fand die Solidaritätsfahrt auch in den lokalen italienischen Medien. So berichtete die Zeitung IL TIRENNO am 13.8.2014 online:

„Da Stoccarda a Sant’Anna di Stazzema: ecco i volontari per la pace“
[Von Stuttgart nach Sant’Anna di Stazzema: die Freiwilligen für den Frieden sind da“]

Und am selben Tag in der Print-Ausgabe:

„Voluntari tedeschi al lavoro a Sant’Anna“
[Deutsche Freiwillige zum Arbeiten in Sant’Anna]
zum Faksimile

Sant’Anna-Nachlese

Liebe Leut,

haben wir nun in Sant’Anna di Stazzema Buße getan? Schwer zu sagen. Zumindest nicht im religiösen Sinne. Unter anderen klimatischen Bedingungen wäre es eine leichte Arbeit in einer wunderbaren Landschaft gewesen. Doch in der toskanischen Hitze und bei z.T. tropischer Feuchtigkeit der in knapp 700 Metern hängengebliebenen Wolken waren fünf Tage mit Heckenschnitt, Heu machen und das Ossario von Gräsern und Efeu befreien nicht gerade ein Spaziergang. Umso herzlicher wurden wir Neun vor Ort aufgenommen. Umso emotionaler waren die zufälligen Begegnungen mit Angehörigen von Opfern und Überlebenden während unserer Arbeit. Dokumentiert haben wir unseren Einsatz in einem mehr schlecht als recht geratenen Filmchen.

Neben der Verkündung, dass der deutsch-italienische Zukunftsfonds die Restaurierung einer zentralen Kappelle übernimmt, stieß natürlich der Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe in Sant’Anna auf große Begeisterung. Wie zum Jahrestag bestellt hatte das Gericht die von den Stuttgarter Staatsanwaltschaften 2012 verkündete Einstellung der Ermittlungsverfahren gegen die Verantwortlichen des Massakers vom 12. August 1944 in der Luft zerrissen und so bei den Überlebenden wieder Hoffnung auf Gerechtigkeit geschürt.

Wie nun, da die Verantwortung bei einem Hamburger Gericht liegt, unsere Kampagne genau weitergehen wird, ist noch nicht abzusehen. Ideen haben wir auf jeden Fall. Z.B. steht eine Lesung aus der Autobiografie des Massaker-Überlebenden Enio Mancini an. Sobald der Termin fixiert ist, erfahren Sie’s natürlich sofort.

Leider schon von uns gegangen ist am Montag, den 11. August 2014 ist unser Freund Peter Buohler, mit 77 Jahren, Architekt, AnStifter und Städtebauer für eine bessere Welt. Er ist uns vorausgeeilt. Die Beerdigung findet am Dienstag, 19. August 2014 um 11 Uhr auf dem Waldfriedhof statt, anschließend sind wir im Gemeindezentrum Sonnenberg (Anna-Peters-Straße). Wir trauern mit den Angehörigen und Freunden.

Leider im russischen Exil weilt Edward Snowden. Das Internationale Literaturfestival Berlin ruft deshalb für den 8. September zu einer weltweiten Lesung für Edward Snowden mit dem Ziel auf, dass in den USA die Anklage gegen den Whistleblower zurückgenommen und ihm weltweit freies Geleit erteilt wird – auch zu Anhörungen und zur Verleihung unseres Friedenspreises am 23. November. Haben Sie Interesse an einer gemeinsamen Aktion in Stuttgart?

Grüßle

Fritz Mielert & Peter Grohmann (die leider beide bis Ende August nur schwer erreichbar sind)

PS: Peter Grohmann wetterte über Semitismus und Antisemitismus und dasLompapack
PPS: U.a. Süddeutsche und Kontext berichteten über Sant’Anna.
PPPS: Fordern Sie jetzt Infos zu unserem Kongress “Der NSU im Staat” am 8.11. an!
PPPPS: Auch vormerken sollten Sie sich den 23.9., an dem die Berliner Compagnie mit der Lobbyisten-Komödie “Stille Macht” in der Halle auf der Schrey ist.
PPPPPS: Immer noch hörenswert: Georg Schramm über den Krieg „Reich gegen Arm“
PPPPPPS: Am So, den 31. August gibt’s um 11 Uhr „Besessenheit / Ossessione“ von Luchino Visconti in unserer Reihe Filme, die Geschichte machen im Planetarium
PPPPPPPS: Am 30. August geht’s zum vorletzten Mal zur Kunstausstellung Underground im Elsaß. Waren Sie schon mit dabei?

Sant’Anna di Stazzema
Video des Arbeitseinsatzes

Arbeitseinsatz in Sant'Anna di Stazzema

Vom 3. bis zum 14. August waren neun Menschen aus dem Umfeld der AnStifter zum Arbeitseinsatz in Norditalien. Zur Dokumentation unserer Arbeit im Vorfeld des 70. Jahrestags des NS-Massakers vom 12. August 1944 im Sant’Anna di Stazzema haben wir ein kurzes Video erstellt.

Wettern der Woche
Lompapack

Lompapack – Peter Grohmann's "Wettern der Woche" vom 13.8.2014

Hans Bayer, der Stuttgarter aus Cannstatt, hätte jetzt viel zu tun, lebte er noch. Vielleicht, weil es so aktuell ist, widmet die Stiftung Topografie des Terrors dem Kriegsberichterstatter aus dem Zweiten Weltkrieg eine Sonderausstellung (Berlin, ab August): Bayer musste 1938 zu den Soldaten und war ab 1941 bei einer Propagandakompanie an der Ostfront. Propaganda und Ostfront – das tät auch heut passen, Ausstellung hin oder her.

Für unsereins hat der Kollege viel getan, unter anderem als Motor für den Schriftstellerverband, als Zuredner für eine freie, unabhängige Presse, als Zeitzünder für eine Künstlersozialkasse. Und er hat unglaublich viel dazugelernt – eine Fähigkeit, die zunehmend verloren geht: Bayer wurde Pazifist und politischer Akteur. Mit Heinrich Böll und Günter Grass wurde er 1974 gewissermaßen zur SPD vorgeladen: „Eine Dichterlesung wird es nicht werden“, schrieb seinerzeit die „Frankfurter Rundschau“. Bayer empfahl der SPD die Provokation und den Mut zu einer klaren Absage an den Staatskapitalismus, den Mut zum Widerstand gegen die Pressionen der internationalen Konzerne, die Abkehr von der Mauschelei um Ämter als Sinekuren für ausgediente Funktionäre. Und 1977 forderte er die Aufklärung der Bevölkerung darüber, dass ein Radikaler noch lange kein Terrorist ist und dass Persönlichkeiten wie der junge Schiller, Hölderlin, Schubart, Hegel und Brecht Radikale waren, dass Pestalozzi, Fichte, Lessing, Leibniz, Arndt, die Brüder Grimm, Jahn und Hoffmann von Fallersleben als staatsgefährdend galten, ihre Ämter und Professuren verloren und mit Berufsverbot bestraft wurden.

Eingebettet in die Furzmullen der Macht, mit vorauseilendem Gehorsam den Verbündeten hinterher, ohne Ecken und Kanten präsentieren sich dieser Tage die Farben tragenden Parteien. Da muss, im Falle Sant’Anna di Stazzema, ein Gericht dem Justizminister sagen, wo der Barthel den Moscht holt, um einen Prozess neu aufzurollen, da braucht es einen Bundesverfassungsrichter, der Abgeordnete vor ihren Diäten warnt und meine Omi Glimbzsch in Zittau, die – von Ossi zu Ossi – die Kanzlerin um die Aufnahme jesidischer Flüchtlinge bittet: zwar Türken, aber immerhin Christen.

Trauern wir also um Thaddäus Troll, jenen aufsässigen, radikal-liberalen Schwaben, den Hans Bayer aus Cannstatt, der 100 geworden wär in diesem Jahr, und die zunehmende Abnahme von Courage, freier Rede und freier Presse, überall. Troll – das wär ein Wetterer gegen die Griffelschpitzer und Lugabeitel, die Erbsazähler und Wendbeitel.

Peter Grohmann schreibt und spricht das Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext – für lau.

Heute vor 70 Jahren
Im Gedenken an SS-Massaker im italienischen Sant‘Anna die Stazzema

Die geplanten Morde

Am 12. August 1944: Die Soldaten der 16. Panzergrenadierdivision »Reichsführer SS« trieben die Menschen aus ihren Häusern, schossen auf jeden, den sie sahen. Ihre Opfer waren vor allem Frauen, Kinder und Alte. Die Männer hatten sich zuvor in die Berge geflüchtet. Die Bewohner Sant’Annas gingen davon aus, dass die Soldaten in ihr Dorf kämen, um die Väter und Söhne nach Deutschland zur Zwangsarbeit zu verschleppen. Sie konnten nicht ahnen, mit welcher Grausamkeit fast alle von ihnen ermordet werden sollten. Die Deutschen schossen nicht nur um sich, sie warfen auch Handgranaten, zündeten Häuser und Ställe an. Schrecklicher Höhepunkt des Massakers war die Hinrichtung von 132 Menschen auf dem Kirchplatz des Ortes durch Maschinengewehrfeuer. Nach weniger als vier Stunden war alles vorbei.

»Das Massaker von Sant’Anna di Stazzema hat in unserem Land unauslöschliche Narben hinterlassen«, sagte Piero Grasso, Präsident der italienischen Senats. Bei der Feierstunde heute, an der mehrere hundert Menschen teilnahmen – unter ihnen Überlebende und Angehörige der Opfer, Regierungsvertreter, Parlamentarier und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Über eine- offizielle Vertretung aus Deutschland wurde bislang nichts bekannt – einzig eine Gruppe der Stuttgarter AnStifter ist seit Tagen in Sant’Anna bei einem Arbeitseinsatz. Das Bürgerprojekt hatte 2013 den Stuttgarter Friedenspreis an Enrico Pieri und Enio Mancini verliehen- stellvertretend für das Dorf in der Toscana.

Von vier Seiten stiegen damals 300 SS-Soldaten, teils geführt von italienischen Faschisten, in den Morgenstunden in das Bergdorf hinauf. Die Sonne schien, der Himmel war strahlend blau – so wie an diesem Gedenktag. Der 12. August 1944 sollte ein herrlicher Sommertag werden. Doch es war der Tag, an dem Sant’Anna vernichtet wurde.

Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft versuchte rund 10 Jahre lang an der Vorbereitung eines Prozesses – die Täter waren bekannt – und stellte im Herbst 2012 unter Protest von Überlebenden, Historikern und den AnStiftern ihre Ermittlungen ein. Der Justizminister des Landes, Stickelberger, stellte sich in dem Verfahren hinter den ermittelnden damaligen Oberstaatsanwalt Häußler. In Sant’Anna di Stazzema wurde einer Nachricht mit besonderer Freude aufgenommen: Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat entschieden, dass zumindest gegen einen damaligen Kompanieführer doch Anklage erhoben werden kann.
»Dies ist ein weiterer Schritt vorwärts in der Suche nach der Wahrheit«, kommentierte Bildungsministerin Stefania Giannini die Karlsruher Entscheidung in Sant’Anna. Für Opfer,Hinterbliebene und Historiker steht die längst fest. »Sie ermordeten 560, so viele wie möglich, ohne Mitleid im Herzen«, steht auf der Gedenktafel am Ort des Verbrechens.

17. Mahnwache am 12. August 2014

12. August 1944 – 12. August 2014
70 Jahre ungesühnt – das Massaker von Sant’Anna

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Foto: Roland Hägele

Die Mahnwache stand ganz im Zeichen des 70. Jahrestags des Kriegsverbrechens.
Gleichzeitig war eine Gruppe der Initiative Sant’Anna vor Ort und nahm an den Feierlichkeiten auf dem Kirchplatz, am Ossario und am Seminargebäude teil. Zuvor hatte sie den Opferverein durch Arbeiten auf dem Gelände des Parco della Pace bei den Vorbereitungen unterstützt.
Wenige Tage vorher war – geradezu passend – der Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe bekannt gegeben worden, die Einstellungsverfügung der Stuttgarter Staatsanwaltschaft vom September 2012 aufzuheben. Diese
OHRFEIGE FÜR STAATSANWALT HÄUSSLER
und für die Stuttgarter Justizbehörden sorgte dafür, dass die Beteiligung an dieser Mahnwache besonders hoch war.

 Im Flyer, der auf der Mahnwache verteilt wurde, war u.a. zu lesen:

„Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft – zuständig Bernhard Häußler – hat das
Verfahren im September 2012 nach neun Jahren Ermittlungen eingestellt, alle
Rechtsmittel waren bis vor wenigen Tagen (5.8.14) erfolglos geblieben.
Nun gibt es neue Hoffnung auf ein Gerichtsverfahren:
Das Oberlandesgericht Karlsruhe gab dem von dem Überlebenden Enrico Pieri
eingereichten Klageerzwingungsantrag statt: Es qualifiziert in seiner Entscheidung
vom 5.8.2014 den Beschluss der Stuttgarter Staatsanwaltschaft als unzulässig
und unbegründet:
• Unterstellungen zugunsten der Beschuldigten seien durch die Fakten
nicht belegt.
• Es bestehe dringender Tatverdacht; die Verurteilung eines Angehörigen
der Waffen-SS wegen Mordes oder Beihilfe dazu sei zu erwarten. …“

Eigentlich ist damit das wichtigste Ziel der Initiative Sant’Anna und der Mahnwachen erreicht.
Bei aller Freude über den Erfolg bleibt ein bitterer Beigeschmack:

Das Verfahren wurde über 12 Jahre hin verschleppt.

  • Die meisten Täter sind gestorben oder verhandlungsunfähig, Zeugen und Nebenkläger werden immer weniger.
  • Die skandalösen Zustände in der Stuttgarter Statsanwaltschaft, ihre Versäumnisse und möglicherweise gewollten Hemmnisse, sind bis jetzt nicht aufgearbeitet.

Offen war zunächst auch noch, wieviel Zeit sich die Stuttgarter Justiz lassen würde, die Akten des Beschuldigten Sommer nach Hamburg zu schicken. Das ist nun aber bereits geschehen – nach der blamablen Vorgeschichte wollte man den Vorgang hier wohl rasch loswerden. Abzuwarten bleibt, wie schnell die Hamburger Justiz über eine Anklage entscheidet. Hinweise sprechen dafür, dass schon Ende September eine Entscheidung vorliegen könnte.

Am 3. September wird es in Stuttgart ein Treffen geben und entschieden, wie’s mit den Mahnwachen und anderen Aktivitäten weitergeht. Es gibt aber auch einiges zu feiern!
Zeit: 18:30 Uhr     Ort: Stuttgart Römerstr.8 (da Loretta). Bitte bei Thomas bis Freitag anmelden. Danke!

Bericht über die Mahnwache auch bei Beobachter News „Siebzig Jahre ungesühnt“ mit Fotogalerie

Karlsruher Gericht kippt Stuttgarter Einstellungsverfügung

Mit großer Genugtuung und Freude hat die Gruppe der AnStifter-Initiative Sant’Anna, die zur Zeit vor Ort Arbeiten zur Vorbereitung der Gedenkfeier zum 70.Jahrestag des Massakers durchführt, die Nachricht aus Karlsruhe vernommen: Die Einstellungsverfügung der Stuttgarter Staatsanwaltschaft und die Bestätigung durch den Generalstaatsanwalt wurden aufgehoben. Der Beschluss des Oberlandesgerichts folgt auf der ganzen Linie der Argumentation der Rechtsanwältin Gabriele Heinecke und des Gutachters Dr. Carlo Gentile: Es handelte sich um ein planvoll begangenes Kriegsverbrechen und eine Verurteilung des (noch verbliebenen) Beschuldigten Sommer kann erwartet werden.

Für unsere Initiative ist damit unser Anliegen weitestgehend erreicht – leider nicht auf dem ‚direkten‘ Weg, sondern mit zeitlicher Verzögerung durch einen Gerichtsbeschluss – eine Ohrfeige für die Stuttgarter Justizbehörden und Justizminister Stickelberger!

Wir haben in Sant’Anna mit Enrico Pieri und Enio Mancini gesprochen: Beide hoffen, dass mit dem Urteil der Weg dahin eröffnet ist, dass nach 70 Jahren endlich Gerechtigkeit geschaffen werden kann.

Die Mahnwache am 12. August 2014 solte auch dazu dienen, unsere Freude und Genugtuung zum Ausdruck zu bringen!

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Pressemitteilung des OLG Karlsruhe

KONTEXT-Artikel 13.8.2014 „Ohrfeige für Ankläger“

Bericht Stuttgarter Zeitung 8.8.14 „Justiz muss weiter ermitteln“

Kommentar Stuttgarter Zeitung 8.8.14 „Blamierte Juristen“

Am 16. August brachte das FREIE RADIO STUTTGART eine Sendung „70 Jahre Massaker von Sant’Anna di Stazzema“:  Sabine Gärtling im Gespräch mit Thomas Renkenberger und Eberhard Frasch – auch zum Karlsruher Beschluss.

Wettern der Woche
Semitismus? Antisemitismus?

Semitismus? Anitsemitismus? – Peter Grohmann's "Wettern" vom 6.8.2014

Es wird gut sein, vorher einen Anwalt zu konsultieren, wenn man dieser Tage auf die Straße will, um seine Meinung zu sagen. Auf den gesunden Menschenverstand ist so wenig Verlass wie auf guten Geschmack oder den politischen Instinkt, vor allem, wenn man mit einem selbstgefertigten Demonstrationsmittel – einem Schild etwa – zur Kundgebung eilt. Doch gemach: Im Falle des Nahost-Konflikts warten, gut gedeckt, Staatsanwalt und Arabisch-Übersetzer, links- und rechtshändig stehen gutgerüstete Ordnungskräfte parat, damit das Versammlungsrecht nicht ausufert. Sie können bei Bedarf direkt vor Ort entscheiden, was erlaubt und was verboten, was beleidigend, semitisch oder antisemitisch ist – Kyrillisch und Xinjiang-Dialekte mal ausgenommen. Von erfahrenden Montagsdemonstranten in Stuttgart hört man, dass die Staatsmacht auch Gebärdendolmetscher honoriert, die auf größere Entfernung und ohne Einsatz technischer Mittel dem Gegner jeden Wunsch von den Lippen ablesen. Nicht die Rede sein soll hier von weiteren Hilfstruppen – mehr oder minder bewaffneten Zivilisten, die Knarre im Hosenbund, die auf einer Demo nichts verloren haben und dennoch suchen, von V-Leuten, verdeckten Ermittlern oder Scharfmachern und Provokateuren, die ein welterfahrener Demonstrant wie der Kontext-Wetterer auf hundert Meter riecht. Die Ordnung sorgt auch dafür, dass quasi jeder Furz vorsorglich mit Video aufgezeichnet wird. Die nicht versteckte Kamera ist überall dabei, und jede Demo kann bei genügend Bedarf jederzeit komplett eingekesselt werden. Bei der Blockupy-Party 2013 in Frankfurt hatten die Saubermänner der hessischen Regierung sogar schon im Vorfeld Dixi-Klos ankarren lassen. Ach, Kinder – was das alles kostet!

Der große Aufreger dieser Tage sind die Antisemiten: Sie kommen, obwohl ungerufen, wie gerufen. Als in Stuttgart Palästinenser-Komitees und Freunde zum Protest gegen Bombardement und Gaza-Einkesselung aufriefen, machten sie vorab klar: Antisemiten sind nicht erwünscht – hier geht’s gegen Israels Politik und nicht gegen Juden. Die Veranstalter bekamen freilich keine Hilfe von der Polizei, als sie das durchsetzen und provozierende Plakate entfernen lassen wollten. Und leider konnte die Polizei nicht einmal die Namen der Provokateure geststellen, wo doch im Vorfeld jeder linken Demo Rucksack- und Gesichtskontrolle zum guten Ton gehören. Cui bobo, frag‘ ich den Mann mit der dunklen Sonnebrille. Und kein Wort davon in der Presse – aber wir haben ja kontext.

Peter Grohmann schreibt und spricht das Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext – für lau.

NS-Massaker in Sant’Anna di Stazzema
Nach 70 Jahre keimt bei Überlebenden wieder Hoffnung auf Gerechtigkeit

Pressemitteilung vom 5.8.2014
NS-Massaker in Sant’Anna di Stazzema
Nach 70 Jahre keimt bei Überlebenden wieder Hoffnung auf Gerechtigkeit

Sant’Anna di Stazzema – Am heutigen Dienstag hob das Oberlandesgericht Karlsruhe Entscheidungen der Staatsanwaltschaft Stuttgart und der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart auf. Die beiden Stuttgarter Behörden hatten die Anklage eines in Italien schon in Abwesenheit wegen Mordes und seiner Beteiligung an einem Massaker an bis zu 560 Menschen am 12. August 1944 verurteilten SS-Mannes abgelehnt. Ein Überlebender des Massakers im toskanischen Sant’Anna di Stazzema begrüßt die Entscheidung ausdrücklich.

Das OLG Karlsruhe hält es hinsichtlich eines einzelnen Beschuldigten, über dessen Anklage zu entscheiden war, für hinreichend wahrscheinlich, dass es zu einer Verurteilung wegen Mordes oder zumindest wegen Beihilfe zum Mord kommt. Wie eine Ohrfeige für die Stuttgarter Staatsanwaltschaften nimmt es sich aus, dass just deren Begründung für die Einstellung der Ermittlungen durch das OLG Karlsruhe mit dem folgenden Satz disqualifiziert wurde: „Insbesondere bestehen nach Ansicht des Senats keine vernünftigen Zweifel, dass die Befehle und die Einsatzplanung […] von vornherein auf die Vernichtung der Zivilbevölkerung von Sant‘Anna di Stazzema gerichtet waren.“

Enrico Pieri, einer der Überlebenden des Massakers in Sant’Anna di Stazzema vom 12. August 1944 erklärt hierzu: „Das ist eine sehr gute Nachricht. Ich bin meiner Rechtsanwältin Gabriele Heinecke sehr dankbar, dass sie sich so sehr eingesetzt hat, und ihr ist es zu verdanken, dass das Verfahren nicht definitiv eingestellt wird. Ich hoffe, dass das Verfahren weitergeführt wird und nach 70 Jahren die Gerechtigkeit siegen wird.“

Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft hatte im September 2012 die Verfahren gegen die letzten noch lebenden Täter eingestellt. Daraufhin gründete sich eine Arbeitsgruppe des Stuttgarter Bürgerprojekts Die AnStifter, um ihre Empörung über dieses Versagen der Justiz und ihre Solidarität mit den Opfern zum Ausdruck zu bringen.

Seit Anfang dieser Woche helfen neun Ehrenamtliche aus dem Umfeld der AnStifter, das Gedenken zum 70. Jahrestag des NS-Massakers in Sant’Anna di Stazzema am 12. August vorzubereiten.

Pressemitteilung des OLG Karlsruhe

Sant’Anna di Stazzema
Ehrenamtliche aus Stuttgart helfen bei Vorbereitung des Gedenktages

Pressemitteilung vom 4. August 2014
70 Jahre NS-Massaker in Sant’Anna di Stazzema
Ehrenamtliche aus Stuttgart helfen bei Vorbereitung des Gedenktages

Sant’Anna di Stazzema – Seit dem heutigen Montag helfen neun Ehrenamtliche aus dem Umfeld des Stuttgarter Bürgerprojekts Die AnStifter, das Gedenken zum 70. Jahrestag des NS-Massakers im toskanischen Sant’Anna di Stazzema am 12. August 1944 vorzubereiten. Bei der Terroraktion gegen die Zivilbevölkerung ermordete die Waffen-SS bis zu 560 Menschen.

„Angesichts der Krisen in unserer unmittelbaren Nachbarschaft – in Südeuropa, Palästina und der Ukraine – ist praktische Friedensarbeit heute wichtiger denn je“, erklärt AnStifter Thomas Renkenberger in Sant’Anna di Stazzema. „Im direkten Kontakt mit Überlebenden und den Angehörigen der Opfer verwirklichen wir, was in vielen Sonntagsreden gefordert wird.“

Skandalöserweise entschied die Stuttgarter Staatsanwaltschaft im September 2012, die Verfahren gegen die letzten noch lebenden – in Italien bereits verurteilten – Täter einzustellen. Daraufhin gründete sich eine Arbeitsgruppe der AnStifter, um ihre Empörung über dieses Versagen der Justiz und ihre Solidarität mit den Opfern zum Ausdruck zu bringen.

Unter anderem organisiert die Gruppe Exkursionen nach Sant’Anna di Stazzema, Begegnungen mit Überlebenden des Massakers, Vorträge zum Themenkomplex und eine Mahnwache am 12. eines jeden Monats vor dem baden-württembergischen Justizministerium. Ihr Ziel ist dabei, über die schrecklichen Geschehnisse in Norditalien aufzuklären, einen bescheidenen Beitrag zur praktischen Völkerverständigung zu leisten und die deutsche Justiz doch noch zur Eröffnung eines Verfahrens zu bewegen.

Die AnStifter vergaben den Stuttgarter Friedenspreis 2013 an zwei Überlebende des Massakers, Enio Mancini und Enrico Pieri, die sich seit Jahren für die juristische Aufarbeitung des NS-Verbrechens und gleichzeitig für internationale Verständigung einsetzen.

Sant'Anna - Kirchplatz

Das Massaker von Sant’Anna di Stazzema – 70. Jahrestag

MAHNWACHE am 12. 8. 2014, 12.30 – 14.00 Uhr, Stuttgart Schillerplatz

12. August 1944 – 12.August 2014

70 Jahre ungesühnt – das Massaker von Sant’Anna di Stazzema

Sant'Anna - Kirchplatz

Hier, auf dem Kirchplatz des toskanischen Bergdorfs Sant’Anna, trieb die Waffen-SS
am 12. 8.1944 Frauen, Kinder und ältere Menschen zusammen, ermordete sie mit Maschinengewehren und errichtete über deren Leichnamen einen gewaltigen Scheiterhaufen aus Kirchenbänken. Das jüngste Opfer war gerade 20 Tage alt.
Etwa 560 Menschen wurden auf dem Kirchplatz, in ihren Häusern und auf freiem Feld erschossen – alle Opfer eines sinnlosen und völkerrechtswidrigen Verbrechens.
Einige der Täter sind verurteilt – von einem italienischen Gericht, allerdings wurden die
Strafen nie vollzogen. In Deutschland gab es keinen Prozess:

  • Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft – zuständig Bernhard Häußler – hat das Verfahren im September 2012 eingestellt, alle Rechtsmittel sind bis heute erfolglos geblieben.
  • Die Stuttgarter Justizbehörden, auch Justizminister Stickelberger, verharren in einer passiven Haltung des Schweigens und Wegsehens.

Die Überlebenden fordern Gerechtigkeit. Die Stuttgarter AnStifter-Initiative Sant’Anna erklärte ihre Solidarität und unterstützt die Überlebenden und Hinterbliebenen:

  • Regelmäßig mit Mahnwachen (am 12. des Monats, 12:30 – 14:00 Uhr, Schillerplatz)
  • Akut durch den Besuch einer Gruppe in Sant’Anna, die ihre Verbundenheit durch einen Arbeitseinsatz und die Teilnahme an der heutigen Gedenkfeier zumJahrestag bekundet.

   MENSCHENRECHTE SIND UNIVERSAL GÜLTIG – ZU JEDER ZEIT, AN JEDEM ORT !

Foto: Eberhard Frasch

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NSU-Sumpf? Kongress am 8. November!

Liebe Leut,

Liebe Leut, der Prozess in München dümpelt nur so vor sich hin. In Stuttgart wird ein Untersuchungsausschuss mit echten Kompetenzen auf die lange Bank geschoben. In Berlin wird über die Ausweitung der Geheimdienstkompetenzen debattiert. Und was machen wir?

Die AnStifter organisieren auf Initiative des ehemaligen Richters Klaus Beer für den 8. November, dem 3. Jahrestag des Auffliegens des Nationalsozialistischen Untergrunds, ab 10 Uhr einen Kongress in der Musikhochschule Stuttgart und fragen: Was hat sich am Staat geändert? Was müssen wir verlangen? Was schlugen die Untersuchungsausschüsse vor? Wie haben Parlamente, Regierungen, Verwaltungen reagiert, wie Sicherheitsbehörden, Verfassungsschutz, Staatsanwaltschaften, Justiz? Wie wird mit den Opfern umgegangen? Was vermittelt der Staat den Bürgern zum Komplex Rechtsextremismus? Nach Bilanz, Bewertung und Kritik soll die Tagung Konseqenzen und Forderungen formulieren. Interesse? Dann senden wir Ihnen eine detaillierte Einladung.

Trotz dieses Blicks nach vorn, ist auch der Blick zurück notwendig und wichtig. Nicht nur beim NSU. Am Samstag, den 9. August sprechen deshalb ab 11 Uhr Günther Randecker vom Wilhelm-Zimmermann-Geschichtsverein und unser Ebbe Kögel auf einer Veranstaltung am Mahnmal für die Opfer des Faschismus zum Gedenken an die sechs Aufständischen des „Armen Konrad“, die in Stuttgart hingerichtet wurden.

Einen Tag später geht’s raus zur Schillereiche am Bopser: Zum 100. Geburtstag von Thaddäus Troll laden Eleonore Lindenberg und Peter Grohmann zu einem literarischen Picknick (So, 10. August, 11 Uhr).

Und ab morgen schon ist die DenkMacherei den restlichen August über leider weitestgehend geschlossen. Unter anderem wegen des AnStifter-Arbeitseinsatzes in Sant’Anna di Stazzema (danke für die Spenden!). Wollen Sie in Stuttgart Ihren Teil zu Gedenken beisteuern, sind sie herzlich zu unserer Mahnwache anlässlich des 70. Jahrestags des NS-Massakers am 12. August ab 12:30 Uhr auf dem Stuttgarter Schlossplatz eingeladen.

Einen unverregneten Sommer wünschen

Fritz Mielert & Peter Grohmann

PS: Die Entwürfe zum Plakatwettbewerb “Die Waffen nieder! Jetzt!” lagen Samstag der Jury vor und die Ergebnisse können sich sehen lassen, meinen wir.
PS: Wettern der Woche über Konfliktherde und Geld
PPS: Timo Kabel hat Bilder der Juliexkursion zur Kunstausstellung Underground im Elsaß online gestellt (2016 leider nicht mehr erreichbar). Die nächste Exkursion startet am 30.8.
PPPS: Wegen mutmaßlich volksverhetzenden Plakaten auf einer Demo zum Gaza-Konflikt haben wir Anzeige erstattet
PPPPS: Da es Nachfragen gab: Ja, unsere Bankverbindung hat sich vor etwa einem Jahr geändert. Wir sind jetzt bei der GLS unter DE31 4306 0967 7000 5827 01 zu beglücken. Und ja, da hat’s auch noch Platz.
PPPPPS: Am kommenden Mittwoch um 20 Uhr zeigt die Allmende im Feuerwehrhaus Stetten den Film “Betriebsstörung – Macht die Bahn noch mobil?” von Hermann Abmayr

Plakatwettbewerb „Die Waffen nieder!“
Die Jury hat getagt

Herzlichen Dank allen Teilnehmenden am Plakatwettbewerb „100 Jahre erster Weltkrieg. Die Waffen nieder! Jetzt!“ Am Samstag, den 26. Juli 2014 tagte die Jury – bestehend aus Hans D. Christ, Prof. Marcus Wichmann, Peter Boehm und Fritz Mielert – und beriet über die Einsendungen.

Die Entscheidung fiel nicht leicht. Trotzdem hat sich in stundenlanger Debatte ein eindeutiger Favorit herauskristallisiert: Arms Race – Wettrüsten von Vincenzo Fagnani. Seinen bestechend klaren Entwurf belohnt die Jury mit 1.000 Euro.

Auf den zweiten Platz (600 Euro) kam ein Werk von Kathrin Wevering, dass das Leiden der schwächsten Kriegsopfer thematisiert.

Den dritten Platz (400 Euro) belegt Anne Kuper mit ihrer Arbeit „War is not…“, die die Jury durch ihren Mut, einen ganz anderen Ansatz zu verfolgen, überzeugte und mit ihrem Plakat den Versuchen entgegenwirkt, Krieg den Schrecken zu nehmen.

Die Plätze 4-8 (Burkhardt Hauke, Erik Bölscher, Sandra Gratz, Jan Heerlein & Anne Schäfer) belohnt die Jury mit Buchpreisen.

1. Platz

Vincenzo Fagnani
Vincenzo Fagnani

2. Platz

Kathrin Wevering
Kathrin Wevering

3. Platz

Anna Kuper
Anna Kuper

4.-8. Platz

burkhardthauke
burkhardthauke
Erik Bölscher
Erik Bölscher
Sandra Gratz
Sandra Gratz
Jan Heerlein
Jan Heerlein
Anne Schäfer
Anne Schäfer

Entwürfe in der engeren Wahl

Die Entwürfe aus der engeren Wahl werden voraussichtlich vom 9. November 2014 an im Theaterhaus Stuttgart ausgestellt.

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Wettern der Woche
1 Million nebenher

Neidhammel – Peter Grohmann's "Wettern" vom 30.7.2014

Dass der CSU-Parlamentarier Peter Gauweiler rund eine Million mehr oder weniger so ganz nebenbei eingenommen hat, schmerzt allenfalls die Geringverdiener und mich. Neidhammel, ruft mir in diesem Augenblick meine Omi Glimbzsch aus Zittau zu – ich hätte ja auch Karriere machen können, wenn ich fleissig genug gewesen wäre. www.abgeordnetenwatch.de ist da die eine gute Seite unserer Mediengesellschaft, die Karriere macht, und die andere, die ebenfalls furchtbar die Leute ärgert, heisst www.transparency.de. Auf der einen oder anderen Liste taucht früher oder später jeder auf, der Rang und Namen hat in unserer Demokratie. Es sei denn, man macht rechtzeitig gutes Wetter, um einem Getwitter zuvorzukommen. Unsere Landesregierung etwa, die neulich in Berlin zur Stallwächterparty des Landes einlud, ging mit dem 250.000-Euro-Fest absolut souverän um. „100 Prozent Öko“ war die Devise. Deshalb reiste die ganze Klicke von Stuttgart aus mit dem Flieger nach Berlin – der wäre ja so oder so geflogen. „Ja, Grohmann, Du Seckel“, wird mich jetzt vielleicht Genosse Friedrich fragen, „hättet mir etwa mit ‚m Fahrrädle kommen solle? Über Helmstedt?“

Die Party des Landes kostete rund 220.000 Euro. Eingeladen waren alle, die irgendwie irgendwo zur Berliner Haute volee zählen, darunter natürlich auch der eine oder andere Steuersünder, zwei-drei handzahm gewordene Journalisten, Bankrotteure und Banker, Zuhälter der Rüstungsindustrie, Zocker aus dem Immobilienmilieu, wie Spötter aufzählen dürfen – vor allen aber wohlverdiente und verdienende Zeitgenossen, wie sie unser Land braucht.

Ich sag‘ mal so: Die Schickeria,die Großkopfeten brauchen auch solche Events, bei denen es ein Verbrechen wäre, wie Anno Dunnemal die Roten am Holzstecken ins Feuer zu halten. Die gepamperte Demokratie trinkt in Maßen – nur der Pöbel würde sich sinnlos besaufen.

In Wahrheit hat das Fest das Land so gut wie gar nichts gekostet, denn es wurde gesponsert. Nehmen wir die Firma Diehl, Kennwort: Schwerter zu Pflugscharen. Diehl hat 5.000 gegeben, Daimler das Vierfache, die AOK 10.000. Das sieht dann die „Stiftung Entwicklungszusammenarbeit“ (SEZ) mit ihren 1.000 Euro (Sachleistung!) richtig alt aus. Die Stiftung hat wenigstens bei dieser Party „ein wichtiges Zeichen dafür gesetzt, dass die Bekämpfung von Armut und die Schaffung von Zukunftsperspektiven in den Ländern des Südens nicht nur eine Aufgabe auf internationaler Ebene ist, sondern auch Handeln auf Landesebene erfordert.“ Schön gesagt.

Peter Grohmann schreibt und spricht das Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext – für lau.

Volksverhetzung
Anzeige erstattet

Am Freitag, den 25. Juli waren verschiedene Personen aus dem Umfeld von AnStiftern und DFG-VK auf einer Demonstration zum Gaza-Konflikt auf dem Stuttgarter Schlossplatz. Mit Pace-Fahnen und Schildern, die einerseits die deutsche Verantwortung im Konflikt und andererseits den Wunsch nach Frieden zwischen Israel und Palästina thematisierten, wollten wir einen Beitrag zur Debatte leisten.

Die Veranstalter distanzierten sich mehrfach von der Bühne aus von Antisemitismus. Und so lief die Kundgebung lief einigermaßen problemlos ab, beinhaltete aber auch aufputschende Sprechchöre, die Gott huldigten oder gegen Israel gerichtet waren. Eine Frau mit israelischem Fähnchen stand am Rand, debattierte hin und wieder mit anderen Teilnehmern und wurde mit der Zeit immer stärker von Polizeikräften geschützt/abgeschirmt.

Gegen 17:30 Uhr brachen die Demonstrationsteilnehmenden langsam zu ihrem angekündigten Demozug auf. Gleichzeitig putschten zwei auf den Schultern weiterer Personen sitzender Männer die Menge mit allahu akbar-Rufen (bzw. einer wohl verkürzten Variante hiervon) auf. Unsere Gruppe bildete mit einem Transparent und einem Fahrrad eine kleine Absperrung zwischen der Masse der Demonstrierenden und dem Gebiet indem das Israelfähnchen zu sehen war. Die Menge wurde lauter und aggressiver. Auf der Treppe zum Kunstmuseum tauchten eine größere israelische Fahne und ein Plakat „Hamas ist das Problem“ auf. Direkt bei Peter Grohmann und mir hielten plötzlich zwei junge Männer zwei mutmaßlich volksverhetzende Plakate in die Höhe. Wir versuchten immer wieder, die Plakate mit einer Pace-Fahne bzw. mit einem Schild zu verdecken. Schließlich durchbrachen immer mehr Menschen aus der aufgeputschten Masse unsere kleine Absperrung woraufhin sich unsere Gruppe trennte.

Fotos der beiden grässlichen Plakate in unserer direkten Nachbarschaft habe ich erst heute Vormittag zu sehen bekommen und sofort über die Internetwache der baden-württembergischen Polizei Anzeige erstattet. Diese fokussiert sich auf eines der Plakate, da ich das andere auf der Demo nicht wirklich inhaltlich wahrgenommen habe.

Bildschirmfoto 2014-07-28 um 11.07.46
Screenshot: polizei-bw.de

Anzeige der israelischen Friedensinitiative Gush Shalom

Enough!

Genug!

Die Körper von Zivilisten und Soldaten stapeln sich in den Straßen von Gaza.

Dutzende Kinder wurden umgebracht.

Israel versinkt in Gaza in einem neuen Sumpf.

Genug! Wir müssen das Blutvergießen und die Belagerung des Gaza-Streifens beenden.

Es gibt keine militärische Lösung. Nur Verhandlungen können an der Grenze Ruhe schaffen.

Gush Shalom (Wikipedia, offizielle Website)

Wettern der Woche
Auge für Auge

Auge um Auge ... – Peter Grohmann's "Wettern" vom 23.7.2014

Es erzählt eine Legende von fünf blinden Männern, die einen toten Elefanten finden. Sie wissen sofort: Es ist etwas Großartiges! Und so beschließen sie, das Fundstück von allen Seiten zu untersuchen. Der eine entdeckt inspiziert den Stoßzahn, der andere den gewaltigen Rücken, der dritte untersucht den Schwanz, der vierte den Rüssel und der fünfte Blinde die Zehen der Vorderbeine. Als sie ihre Erfahrungen austauschen, stellen sie fest, dass sie unterschiedlicher nicht sein könnten.

Guantanamo oder Gaza, Ostukraine oder Omertà – wir wissen nicht mehr, wo vorn und hinten ist, vor allem, wenn man den Elefanten nachts umdreht oder wiederbelegt. Während im Falle Gaza bewusst wie unbewusst antisemitische Klischees mobilisiert werden, überwiegt bei der Ostukraine der Blick auf den Putinschen Stoßzahn. Russische Nachrichten – No wosti, Genosse? – werden im Gedenken an den Antikommunismus so gut wie nirgends zitiert, und die Akteure von Revolution und Konterevolution mahnen die Betroffenen mit einem Spruch des Kinderschänders Berlusconi: „Wer taub, blind und stumm ist, lebt hundert Jahre in Frieden.“
Die mit den Waffen Krieg und Frieden spielen, proklamieren ungeniert Bibel oder Tora, Koran oder Schari’a und jagen den Gläubigen nicht nur einen Heidenschrecken ein, sondern lassen den frommen Worten gemeine Taten folgen: Raketen aus dem Wohnzimmer, Granaten ins Kinderzimmer. Das neue Volkslexikon Wikipedia meint, dass nach überwiegender rabbinischer und historisch-kritischer Auffassung bei der Vergeltung ein angemessenen Schadensersatz verlangt wurde, um die im alten Orient verbreitete Blutrache einzudämmen und durch die Verhältnismäßigkeit von Vergehen und Strafe abzulösen. OK, das ist lange her und war früher so.

Unrecht? „Das sieht ja ein Blinder mit dem Krückstock“, tät‘ heute meine Omi Glimbzsch aus Zittau sagen. Aber ihr Blinder würde spätestens vor dem toten Elefanten kapitulieren, weil es zu dunkel ist geworden ist. Dafür sind die fünf Blinden dieser Tage sind laut: Auge für Auge, rufen sie, Zahn für Zahn!

Peter Grohmann schreibt und spricht das Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext – für lau.

Straßentheater in Stuttgart am 28.6.14 zum hundertsten Jahrestag des Attentats von Sarajevo
„Wie ein Krieg beginnt“

"Wie ein Krieg beginnt" - Straßentheater Stuttgart 28.6.2014

von Doris Berger

Auf die Frage, wie ein Krieg beginnt, haben in der Vergangenheit unzählige Historiker und Militärstrategen versucht eine Antwort zu finden. Doch trotz aller Erklärungen bleibt vieles rätselhaft. In unserer Arbeitsgruppe zum Thema „Erster Weltkrieg“ wollten wir mit Hilfe verschiedener Aktionen das Verstörende sichtbar machen. Im Rahmen des Aktionstags wurde das Theaterstück „Wie ein Krieg beginnt“ aufgeführt. Der größte Teil des Stücks besteht aus Briefen, die die Soldaten schrieben und den Antworten, die sie erhielten.
Zu Beginn wird am Beispiel von zwei jungen Männern gezeigt, welche Parolen damals so unwiderstehlich waren, dass man sich von der Straße weg zum Militärdienst verpflichten ließ. Doch dann verpuffte die Euphorie, der Feind war stärker als erwartet, der Gefechtslärm kaum zu ertragen. Es stank nach Schlamm, Schweiß und Kot.
Auch die Antwortbriefe aus der Heimat veränderten sich. Anfangs war von Stolz und Heldentum die Rede. Wenige Monate später hieß es: „Wichtig ist, dass du zurückkehrst.“
Trauriges Fazit in Gestalt eines Bankiers, der gleich nach Kriegsende wieder neue Geschäfte abschließt: So lange wie es Banken und Firmen gibt, die mit der Produktion von Waffen Geld verdienen, wird es immer Kriege geben.
Unser Dank gilt den beiden Schauspielern Hanni Schäfer und Hans-Martin Thill, den Schülern der Theater-AG „the movement“, den Trommlern Katja und Joshua Luft, und allen anderen, die geholfen haben, das Stück zu realisieren.

Herfried Münkler, der Anti-Pazifist

Der AnStifter Philippe Ressing schreibt auf seinem Blog Medienfresser über den Politikprofessor Herfried Münkler und dessen positive Haltung zu deutscher Kriegsbeteiligung und Dronen-Einsätzen. Aktueller Höhepunkt ist ein langes Interview in der Stuttgarter Zeitung, in dem Münkler sagt: „Dronen zu ächten, wäre absurd.“

Philippe Ressing kritisiert in seinem Artikel „Herfried Münkler – Germans to the front!“ die Argumentation Münklers und weist auf die Gefahren hin, die davon ausgehen:

Aktuell vesucht er Gegner der Flugdrohnen als „Stechschrittpazifisten“ (Stuttgarter Zeitung, 15. Juli 2014) zu dikreditierten. Er nutzt dabei die klassischen Tricks der Feind-Propaganda: Gegner lächerlich machen und moralisch abwerten. Wie wär´s mit ‚Friedens-Ajatollahs‘, ‚Fundi Pazifisten‘ oder ‚Anti-Kriegs-Hetzer‘?  
(…)

Unbekümmert von geschichtlichen Katastrophen werkelt die politische Jeunesse Dorée in Berlin an neuen Instrumenten, die im schlimmsten Fall einen erneuten „Griff zur Weltmacht“ heraufbeschwören könnten. Währenddessen steigt in den Ländern der Europäischen Union die Abneigung gegen die Dominanz Deutschlands. Und wir? Merken wieder mal nix! Hauptsache: „Wir sind Weltmeister“. Da fällt man beim Public-TV unangenehm auf, wenn die Nationalhymne nicht mitgesungen wird.

Albrecht Müller von den Nachdenkseiten behauptet sogar, dass manche Professoren Lobbyisten und Ideologen seien, denen der Titel entzogen werden und die Pension gekürzt werden sollte: „Bei Raffelhüschen, Sinn, Münkler und ähnlichen PR-Professoren sollte die Möglichkeit bestehen, Professorentitel und –gehalt zu entziehen“