Ohne Doping nix zu machen

Ohne Doping nix zu machen

„Ohne Doping geht es nicht, Peter“, sagte mir der Skilangläufer Johannes Dürr (ein Österreicher!) im Vertrauen. Wo er recht hat, hat er recht: Sobald Montags mal keine Demo ist auf dem Schloßplatz, für was auch immer, fühl‘ ich mich wie auf Entzug. Mein Eigenblut kocht. Auch der Skilangläufer berichtet, dass er in ständiger Angst gelebt hat – und da geht’s ihm wie Dieter Zetsche, Harald Krüger, Bram Schrot, Herbert Diess oder Rupert Stadler. Klar, die Jungs wissen: beim Auto ist es wie in der Katholischen Kirche – man muss beichten, bevor man erwischt wird, und alles wird gut. Auf Franziskus oder andere Betriebsräte kann man sich ja auch nicht mehr richtig verlassen. Nehmen wir den US-Schauspieler Mark Wahlberg (2009: Goldene Himbeere: Schlechtester Hauptdarsteller in „The Happening“). Er will ein guter Mensch und seinen Kindern ein Vorbild sein und geht jeden Tag in die Kirche, sagte der dem „stern“. Es hat ihm nicht geschadet. Aber was ist mit den Kindern? Unsere frühere Umweltministerin sorgt sich: „In Deutschland protestieren jetzt Kinder für den Klimaschutz. Das ist ein wirklich wichtiges Anliegen. Aber dass plötzlich alle deutschen Kinder, nach Jahren, ohne jeden äußeren Einfluss, plötzlich auf die Idee kommen, dass man diesen Protest machen muss, das kann man sich auch nicht vorstellen“, so die heutige Kanzlerin anlässlich der Münchner Sicherheitskonferenz zu Putin und den anderen Leuten.

Also, woran liegt, das die Kinder immer heller werden? Doping durch links-grün-versiffte Medien? Eltern, die ihre Kinder nicht in die Kirche, sondern auf die Straße schicken, weil sie zuviel Fleisch essen (beide)? Aufgehetzt durch liberale Lehrerinnen? Irritiert durch Löcher in den sozialen Netzen? Opfer von RT deutsch? Das weiß allein der Herr.

Andererseits: Viele ältere Menschen haben ganz schlicht ihre liebgewonnenen Parteien vergessen, ja sogar die Demokratie! Manche halten relativ wenig vom Grundgesetz oder Europa und würden bei Konflikten mit dem Nachbarn dem am liebsten eins auf die Gusche geben“ (Originalzitat Om Glimbzsch, Zittau). Viele müssen bei den nächsten Wahlen mit Gewalt an die Urnen getrieben werden – aber wie verhindern wir, dass sie falsch wählen (also nicht uns, sondern die anderen?). Um’s mit der beliebten Kanzlerin zu sagen: „Ohne jeden äußeren Einfluss“ wird das nicht klappen. Und auf den Einmarsch der Amerikaner würd‘ ich jetzt nicht wetten!

Schraube locker

„Ja, wenn der alte Senator erzählt. Das ist der, dem das ganze Wackelsteiner Ländchen gehört und alles, was darauf steht…“, sang Rotgardist F. J. Degenhardt zu besseren Zeiten. Nein, mit dem Senator ist nicht der große Kunstmäzen Reinhold Würth gemeint, denn der kommt ja aus dem Hohenloher Ländchen. Die Schraubendreher wettern gegen den Export-Stopp für Rüstungsgüter nach Saudi-Arabien. Gerade jetzt, wo profitbringende Kriege locken, ist ein kurzes Innehalten (Israel und so) kontraproduktiv: Es geht ums Geschäft, um 1,5 Milliarden. Da dreht man schon mal am Schräubchen. Wo früher ein Anruf genügte, muss ein Senator von heute fast alle Parteien bedienen. Es ist halt alles nicht mehr, wie’s mal war, nicht mal bei Manuel Neuer, dem VfB, Angela Merkel. Alle am Boden, demoralisiert wie Kaputtgart.

Trost verspricht einzig Donald Trump – das Kalifat ist so gut wie besiegt. Doch plötzlich will uns der hinterhältige weiße Blinde 800 IS-Kämpfer aufhalsen, noch dazu unbewaffnet, letztlich unbrauchbar. Wenn wir die nicht nehmen, kaufen die Amis keine BMWs mehr bei uns und keine Schrauben beim Würth. Demnächst kommt er wo möglich noch mit der Forderung, die gute alte Mauer wieder aufzubauen – höher, breiter, tiefer und weiter ostwärtser. Und alles nur wegen der Sicherheit! Desderwegen gab’s ja gerade eben bei der Münchner Sicherheitskonferenz Probleme mit der Merkel und einen Riesenstreit um die Frage: Was ist gefühlte Sicherheit und was echte? Und tut’s die gefühlte eventuell auch? Denn die wäre deutlich billiger. Soviel ist sicher: Die Sicherheit ist schon lange nicht mehr das, was sie mal war – von der Cybersicherheit ganz zu schweigen. Nehmen wir nur mal die Luftsicherheit. Bei der geraten selbst erfahrene Lungenfachärzte ins Trudeln. Dr. Köhler, der Mann, der auf gute Luft pfeift, der Doktor mit der schwärzesten Lunge seit Helmut Schmidt, würde heute für eine Schachtel Gauloises jede Reval links liegen lassen! Ein harter Brocken, der sich mit den Kettenrauchern der Stuttgarter Zeitung messen könnte, wenn die nicht längst im journalistischen Jenseits wären, was den Dampf angeht. Sei’s drum.

In Chandler, im US-Bundesstaat Arizona, haben Bewohner dieser Tage zur Selbstsicherheit selbstfahrende Autos mit Steinen und Messern angegriffen, weil sie sich auf ihren Bürgersteigen nicht mehr sicher fühlen. In Chemnitz, Sebnitz, Pesterwitz, ja im ganzen Land geht seit dem letzten deutschen Herbst die Sächsische Sicherheitswacht auf Streife, und die beiden großen Parteien CDU und AfD wollen Sachsen bis zu den Wahlen am 1. September (passend zum Antikriegstag), noch sicherer machen, sicherer sogar als zu DDR-Zeiten.

Schiss in der Hose

Die Schulschwänzer von heute fahren nicht mehr nach Amsterdam, um eine Handvoll Hanf zu kaufen. Sie gammeln auch nicht mehr auf dem Schloßplätzen herum und lassen sich von den Täubchen aus dem Hölderlin-Gymnasium füttern. Sie hören Greta. Sie sind auf der Straße für die Bienen und Schmetterlinge, für weniger Schnee im Sommer, gegen die Waffen und ihre Lobby (selbst im Bundestag), gegen Plastik im Bioladen und sonstewo. Sie sind weiter als wir. Für die Bienen von gestern hätten die Alten von heute nie den Arsch hochgekriegt, vielleicht weil sie dachten, in der Gesellschaft von morgen braucht’s keine Bienen.

Jaja, die Greta! Sie reist mit ihrem Papa, sie kriegt das Mikro in Davos, in der Presse Greta hinten, Greta vorne. Greta wird gehört und gesehen und geliebt im Sozialen Netz. Nicht nur das. Sie überzeugt, im Gegensatz zu uns, die Jungen. Komisch. Da kann doch irgendwas nicht stimmen! Also: Wer steckt hinter Greta, fragen sich die Klimawandler. Eine geldgierige Verwandtschaft? Konzerne? Banken? Papa? Russia Today? Oder wäre es möglich, dass es nur eine gute Idee ist, Gretas Idee, die ansteckt, die überzeugt? Die ein paar hunderttausend junge Leute Regeln brechen lässt, also etwas, was weder Maoisten, Grüne oder Sozis heute schaffen?

Die Erfolglosen, die uns all die Jahre mit ihren Sorgen, Nöten und treffenden Analysen begleiten, die keinen Rasen mehr betreten, die mit ihrem Gesparten sparsam umgehen müssen, weil Toyota E und Biokost immer teurer werden, ärgern sich über Greta oder Emma, über deren „künstliche Aufwertung bzw. übertriebene Präsentation“, den Rummel um die jungen Frauen, sie vermuten Täuschung, Betrug, List und Tücke.

Wie schön wär’s, wenn man endlich uns folgt auf unseren furztrockenen Webseiten, wenn man auf unseren Spuren bliebe in den sozialen Netzen, bei unseren Kundgebungen! Wir kämpfen um jede Schlagzeile und kriegen sie nicht, um Titelseiten, Fotos, um Minuten auf allen Kanälen. Aber wehe, wenn mal jemand mit einem Thema, das auf Herz und Nieren geht, einen mittelprächtigen Durchbruch schafft! Dann heißt’s: Vorsicht vor den Botschaften! Und natürlich nie vor den eigenen. Die stimmen nämlich seit dem Spartakusaufstand.

Zu wehrhaft? Alassa Mfouapon nimmt seine demokratischen Rechte in Anspruch – und soll eiligst wieder abgeschoben werden

Text + Fotos: Anja Tuckermann

Ein junger Mann und eine junge Frau fliehen mit ihrem kleinen Kind aus Kamerun, weil sie dort gefährdet sind. In Libyen werden sie getrennt. Alassa schafft es, über das Mittelmeer nach Italien und weiter bis nach Deutschland zu gelangen. Als er schließlich wieder Kontakt zu seiner Frau hat, ist sie in Italien, ihr gemeinsames zweijähriges Kind jedoch war im Meer ertrunken.

Alassa (Foto: privat) wohnt in der Erstaufnahmeeinrichtung im baden-württembergischen Ellwangen mit etwa 500 anderen Menschen, darunter vielen Afrikanern. Er musste sich in Italien mit Fingerabdrücken registrieren lassen und soll deshalb nach dem Dublin-Abkommen nach Italien zurück. Niemand der Geflüchteten möchte dorthin zurück – in dem Land, in dem Deutsche gern ihren Urlaub verbringen, leben Geflüchtete unter menschenunwürdigen Bedingungen. Hunderttausende sind obdachlos und schlafen auf der Straße, ohne Essen und Trinken, ohne Zugang zu medizinischer Versorgung.

Diejenigen, die einen Platz in einem der Flüchtlingslager haben, haben zwar ein Bett, aber dennoch nicht genug zu essen. In den Lagern gibt es Kakerlaken und anderes Ungeziefer, die sanitären Einrichtungen sind oft defekt, Heizungen gibt es nicht. Diese Unterkünfte sind zum Teil betrieben von der organisierten Kriminalität mit allen Konsequenzen. Die Geflüchteten sind schutzlos und ohne jede Hoffnung auf ein selbstbestimmtes Leben.

Der deutsche Innenminister und andere Politiker mögen noch so oft wiederholen, dass mehr Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber durchgesetzt werden sollten – dadurch wird es nicht richtiger, Menschen nach Italien abzuschieben. Die Bedingungen für Geflüchtete in Italien haben mit der Würde des Menschen und mit den allgemeinen Menschenrechten, die in Europa gelten, nichts zu tun. Und das wissen die Politiker auch.

Alassa soll nun zum zweiten Mal nach Italien abgeschoben werden.

Die Vorgeschichte:

Im Mai 2018 wollte die Ausländerbehörde in Ellwangen mit der Polizei einen jungen Mann aus Togo nach Italien abschieben. Polizisten drangen nachts in sein Zimmer ein und führten ihn in Handschellen aus dem Gebäude. Er habe gerufen, er wolle nicht nach Italien, er wolle nicht deportiert werden, andere wachten auf und protestierten. Die Polizisten waren nur zu viert, wollten daher eine Auseinandersetzung mit der Menschenmenge vermeiden und ließen den jungen Mann da. Den Schlüssel für die Handschellen gaben sie einem Sicherheitsmitarbeiter.

Aus dem Vorfall machten viele Medien und auch die ARD eine gewalttätige Gefangenenbefreiung mit 150 Geflüchteten, die gegen die Polizei gekämpft hätten.

Es hieß, drei Polizisten seien verletzt worden. Später gab die Polizei zu, dass kein Polizist durch die Geflüchteten verletzt worden sei.

Es sei keine Gefangenenbefreiung aus dem Auto gewesen, da der junge Mann noch gar nicht im Auto gesessen haben, sagen die Bewohner bei ihrer Pressekonferenz in derselben Woche.

Drei Tage nach dem Abschiebeversuch rücken mehrere Hundertschaften Polizei an. Die maskierten Polizisten treten die Türen ein, die gar nicht abgeschlossen sind, die Bewohner wachen in Panik auf, Polizisten leuchten ihnen mit Taschenlampen ins Gesicht, fesseln mit Kabelbindern ihre Arme, so berichten Geflüchtete. Zwei Bewohner seien vor Angst aus dem Fenster gesprungen, am Ende sind laut Polizei elf Geflüchtete verletzt. Laut Polizei hätten sie „Widerstand geleistet, der gebrochen werden musste.“ Jeder, der sich wehrte, sei festgenommen worden. Ein Bewohner sagt der ZEIT: „Wer Fragen stellte, musste mit Gewalt rechnen.“

Der junge Togolese wird abgeschoben. Zuvor hatte er gesagt, er wolle kein Obdachloser und Straßenjunge in Italien sein, sondern mit seinem Schweiß arbeiten und etwas für seine Zukunft tun.

Die taz recherchiert genauer und findet, dass von Gewalt und Aggression seitens der Geflüchteten auf Nachfrage bei der Polizei nicht viel übriggeblieben ist. Und schreibt:

„Offenbar um die Massivität des Einsatzes zu rechtfertigen, hatte die Polizei, während dieser lief, erklärt, auch nach Waffen zu suchen. Es habe bei der ‚aggressiven Ansammlung’ in der Nacht zum Montag ‚ernst zu nehmende Aussagen’ gegeben, dass man ‚sich durch Bewaffnung auf die nächste Polizeiaktion vorbereiten wolle’.

Ein Sprecher der Polizei Aalen sagte der taz, er könne nicht genau sagen, wie der Verdacht auf Waffenhortung entstanden sei. Er sprach von ‚Mosaiksteinen’ und erwähnte ‚andere Sicherheitsdienste’, sagte dann aber, er könne nicht bestätigen, dass der private Sicherheitsdienst in der Einrichtung entsprechende Äußerungen gehört und die Polizei darüber informiert habe.

Gefunden worden seien jedenfalls ‚keine Waffen im technischen und nicht-technischen Sinne’. Was das bedeute? ‚Gefunden wurden Gegenstände des täglichen Lebens, die auch als Schlagwerkzeuge eingesetzt werden können’, so der Sprecher. Die Äußerung von Baden-Württembergs CDU-Innenminister Thomas Strobl, es ‚steht im Raum, dass künftige Abschiebungen auch unter dem Einsatz von Waffengewalt durch widerständige Flüchtlinge verhindert werden sollen’, war da allerdings längst von mindestens acht überregionalen Medien verbreitet worden. ‚Flüchtlinge wollten sich bewaffnen’, berichtete etwa die Welt.“

Alassa schrieb: „Später konnten wir in allen Zeitungen lesen, dass 150–200 afrikanische Flüchtlinge Widerstand gegen die Polizei geleistet hätten. Dabei waren es viel weniger, die ihr Recht auf einen friedlichen (!) demokratischen Protest wahrgenommen hatten. Als Flüchtlinge sind wir völlig auf uns allein gestellt. Wir haben keine andere Hilfe als durch uns selbst. Allein viele Freundinnen und Freunde aus Ellwangen, der Pater und dann auf Dauer der Freundeskreis von Alassa und seine Unterstützer halfen mir und uns in dieser schweren Zeit. Wir sind voller Traumata und innerlich und teilweise auch äußerlich verwundet, wir haben manchmal fast die Hoffnung verloren. Wir brauchen doch Hilfe, um mit all dem fertig zu werden!“

Was hat Alassa damit zu tun?

Er wohnte zu der Zeit auch in der Einrichtung in Ellwangen. Er hat alles miterlebt. Und meldet mit seinem Namen eine Pressekonferenz und eine Demonstration (Foto: Radio Dreyeckland) an, gegen die Polizeirazzia und die hetzerische Berichterstattung vieler Medien und die falschen Verurteilungen einiger Politiker, darunter des Innenministers.

„Wir sind Flüchtlinge, keine Kriminellen“ steht auf ihrem Demotransparent und: „Our hearts are full of Love – Stop Polizeigewalt“.

Die Geflüchteten legen Wert darauf zu sagen, dass sie nicht gewalttätig gewesen seien. „Wir haben nicht gegen die Polizei gekämpft. Wir sind nicht gewalttätig.“

Sie möchten gegen die falsche Berichterstattung ihre Stimme erheben: „Viel wurde über uns geredet, jetzt reden wir!“

Die Pressekonferenz war bereits vor dem gescheiterten Abschiebeversuch für diesen Tag geplant, die Bewohner der Einrichtung hatten ohnehin über ihre Lebensbedingungen sprechen und der Regierung mitteilen wollen, dass sie unglücklich darüber seien, wie sie behandelt würden. „Wir bitten die deutsche Regierung und ganz Europa, dass wir wie Menschen und nicht wie Tiere behandelt werden.“

„Die Demo hat unsere Angst ein bisschen beruhigt“, sagt Alassa später. „Wir haben bisher alles überlebt, die Menschen müssen sehen, dass jeden Tag im Mittelmeer Menschen sterben. Wir haben gedacht, wir sind jetzt sicher. Man nimmt uns auf, aber man will uns nicht gut empfangen.“

Einen Monat später, im Juni 2018, wird Alassa nach Italien abgeschoben.

Eine Initiative nennt die Abschiebung politisch motiviert und setzt sich dafür ein, dass er zurückgeholt wird. Mehr als 20.000 Menschen unterschreiben eine entsprechende Petition, die baden-württembergische Landesregierung lehnt es aber ab, die Unterschriften entgegen zu nehmen.

In Italien wird Alassa von der Polizei ohne Geld und Adresse auf der Straße abgesetzt und ist obdachlos. Er ist traumatisiert und braucht medizinische und psychologische Hilfe, die er nicht bekommt. Seine Frau kann er nur einmal sehen, sie darf das Flüchtlingslager, in dem sie sich aufhält, nicht verlassen.

Alassa verklagt von Italien aus die baden-württembergische Landesregierung, weil für die Razzia und das Eindringen in die Wohnräume kein richterlicher Beschluss vorlag.

Nach Ablauf der sechsmonatigen Einreisesperre für Deutschland kommt Alassa im Dezember 2018 nach Deutschland zurück und stellt einen Asylfolgeantrag. Das ist sein Recht, bis jetzt sind seine Asylgründe noch nirgends geprüft worden.

Kurz darauf findet er sich plötzlich in der BILD-Zeitung. Über Alassa werden mit vollem Namen und Adresse Lügen geschrieben, sein Foto wird auf der Titelseite gedruckt. Er wird „Rädelsführer“ und „Unruhestifter“ genannt, er habe „aggressiven Widerstand gegen den Polizeieinsatz organisiert.“

Die Polizei in Aalen und die Generalstaatsanwaltschaft in Ellwangen stellt richtig, dass er nicht beteiligt gewesen sei. Dennoch behauptet die Bild-Zeitung das weiterhin, und schreibt außerdem, Alassa habe einen Aufstand angezettelt.

Alassa selbst schreibt: „Man kann doch nicht einfach alles behaupten!  Was für eine Pressefreiheit ist das eigentlich? Ich wundere mich, was diese Leute wohl ihren und anderen Kindern sagen über die Lage und Situation der Flüchtlinge. Wissen sie überhaupt etwas über mich und andere Flüchtlinge? Informieren sie sich über die Fluchtursachen in Kamerun und anderswo?? Warum haben sie das Recht, solche Desinformationen zu verbreiten!? (…) Kann ein Mensch wie ich, der seine Heimat wegen politischer Verfolgung verlassen musste, der sein Kind auf der Flucht im Mittelmeer verloren hat und von seiner Frau getrennt leben muss, denn kein Asyl in Deutschland bekommen?? Haben sich die Journalisten bis hinauf zum Ministerpräsidenten Kretschmann und seinem Innenminister Strobl einmal in die Lage eines traumatisierten Flüchtlings versetzt, der nachts kaum schlafen kann, weil so viele furchtbaren Erlebnisse ihn verfolgen und seine Zukunft in Deutschland so unsicher ist? Es ist sehr leicht zu urteilen und solche Artikel zu schreiben, wenn man auf der anderen Seite steht und kein Flüchtling ist.“

Vor wenigen Tagen untersagte das Landgericht Hamburg der Bild-Zeitung, Alassa M. im Zusammenhang mit den Protestaktionen von Flüchtlingen in der Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) in Ellwangen im vergangenen Mai weiterhin als zentrale Figur etwaiger Ausschreitungen darzustellen. Andernfalls drohe eine Strafe von 250.000 Euro oder sechsmonatige Haft.

Das Verfahren gegen die Vorsitzenden der AfD-Bundestagsfraktion Alice Weidel und Alexander Gauland wegen der Behauptung, Alassa sei als einer der Rädelsführer von „Ausschreitungen von Asylbewerbern in Ellwangen, bei denen deutsche Polizisten brutal angegriffen wurden“, nach Italien abgeschoben worden, ist noch nicht abgeschlossen.

Alassa klagt auch gegen die „Junge Freiheit“, unter anderem die Behauptung zu unterlassen, er habe „Anfang Mai zusammen mit einem Mob von 200 Afrikanern gewaltsam die Abschiebung eines Togolesen verhindert“. Ebenso wehre er sich gegen den AfD-Bundestagsabgeordneten Thomas Seitz, der gefordert habe, zur Abschreckung in „solchen Fällen“ wie dem des Antragstellers dürfe die Wiedereinführung der Todesstrafe, wörtlich „die Änderung des Art. 102 GG kein Tabu sein“.

Zur Ruhe kommt Alassa nicht.

Als Folge einer höchst ungewöhnlichen und ungewöhnlich eiligen Einigung auf höchster Ebene zwischen Italien und Deutschland – trotz der Weihnachtsfeiertage bereits zwei Wochen nach seiner Einreise – hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge es abgelehnt, seinen Asylantrag in Deutschland zu prüfen und seine Abschiebung angeordnet. Dagegen hat sein Anwalt beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage eingereicht. Das online-Magazin Beobachternews zitiert seinen Anwalt: „Alassa M. soll abgestraft werden, weil er sich prominent für Flüchtlingsrechte eingesetzt hat.“

Die Initiative Freundeskreis Alassa bittet mit openpetition.de/alassa um Unterstützung für ihn.

Er selbst bittet:

„Ich appelliere an alle Menschen und Parteien, an die Medien, die ihre Zeit dafür einsetzen, um die öffentliche Meinung gegen die Flüchtlinge zu manipulieren, dass sie nicht die Flüchtlinge verantwortlich machen sollen für die Probleme in der Welt, sondern dass die Regierungen und die gesellschaftlichen Verhältnisse dafür verantwortlich sind, dass es so viele Flüchtlinge gibt. Sie sollen nicht die Flüchtlinge bekämpfen, sondern die Fluchtursachen!“

Seine Anwälte haben eine Pressemitteilung verfasst.

Roll back

Wenn Sie Angst haben, dass der Krieg kommt: Gehen Sie einfach vor die Tür, vielleicht wartet er ja schon. Damals, als wir alle noch jünger waren, waren auch die konservativen Denkfabriken jünger – und viel schüchterner. Ob man sich nun vornahm, Salvador Allende zu kidnappen, Olaf Palme, Lumumba oder Dag Hammarskjöld zu erledigen: Diskretion war Ehrensache. Der weltweite Normalfall war, antikommunistische Guerilleros mit Waffen zu versorgen, ob in Afghanistan, Angola und Nicaragua. Die Kommunisten ihrerseits (auch das musst du zugeben, Sahra!) wollten die Weltrevolution, inzwischen aber nicht mehr so arg, höchstens heimlich. Andererseits ruft gerade eben US-Vizepräsident Pence die Armee zum Umsturz auf – nein, nicht gegen Trump, Dummerle, sondern in Venezuela! Früher hätten das die Staaten selbst gemacht – Ehrensache, notfalls mit dem CIA, einer der Umweltorganisationen der USA. Ich weiss, immer dieses „früher früher früher!“ Sollen wir etwa wieder eine Menschenkette organisieren wie früher, von Ulm nach Stuttgart, bloß weil Polen auf die Stationierung amerikanischer Atomraketen pocht oder nur weil der Iran noch längere präsentiert? Mensch Mullah, Israel ist sowieso schneller!

Die Bundesregierung geht in Sachen Demokratie übrigens jetzt ja mit gutem Beispiel voran. Sie fordert „Freie Wahlen“, etwa wie in Rußland oder den USA. Zunächst nur probehalber in Venezuela, später soll dann Saudi Arabien folgen. Wer nicht mitzieht, kriegt keine Waffen mehr von uns. Sobald sich die Lage beruhigt, sollen Somalia, China, die Türkei und Ägypten folgen. Insgesamt, so die Kanzlerin im Stillen, leben derzeit 3,3 Milliarden Menschen in einer Autokratie, Daimler nicht mitgezählt.. Das kann, wird und darf Deutschland nicht länger hinnehmen. Der eine oder andere im Lande war bekanntlich früher eher ein 150prozentiger – also volle Pulle Demokratie, ohne jeden Abstrich. Klar, das kann auf die Dauer nicht gutgehen, und die meisten haben sich von solchen Utopien längst gelöst. Heute reichen vielen schon 50 % rechts von der Mitte, wenn morgen wirklich mal wieder Wahlen wären.

Die gute Nachricht zum Schluss: Heil SPD! Uns Geringverdienern will die Partei die Renten um bis zu 447 Euro aufstocken, aber eben nur, wenn sie die Wahl gewinnt. Sollen wir’s versuchen? Allerdings – Gerhard Schröder ist gegen Nahles, und Scholz sagt, er kann sich’s auch gut vorstellen.

Aber Vorsicht – Seehofer sagte eben, er will Lügner hart bestrafen.

Nachdenktag bei AnStifters

Es ist der letzte Januar-Samstag 2019, als sich über 50 Anstifter-Aktive im Clara-Zetkin-Haus der Naturfreunde in Sillenbbuch treffen.
Draußen Schnee, drinnen heiße Köpfe vom Nachdenken darüber, wie die Welt in ein paar Jahren oder auch erst in Generationen aussehen könnte.

Gerd Rathgeb

Zentraler Veranstaltungspunkt des Vormittages ist der Impulsvortrag von Gerd Rathgeb, der sich mit unserer „imperialen Lebensweise“ befasst und hinter deren schöne Fassade blickt (den Wortlaut des Vortrags findet ihr im Anschluss an den Blogbeitrag).

Nach einer deftigen Erbsensuppe aus der Waldheimküche – wer nachdenkt braucht auch Nervennahrung – geht die Arbeit in kleineren Gruppen zu spezifischeren Inhalten weiter.

Die AnStifter*Innen einigen sich auf vier Arbeitsgruppen zu folgenden Themen:
AG 1: Imperiale Lebensweise – Menschenrechte – Aktionen
AG 2: Demokratie und Schule
AG 3: Populismus – Parteien – Perspektiven gegen Rechts
AG 4: Strukturen – Beteiligungen in Gremien

Peter Grohmann

Der Tenor ist eindeutig: Menschenrechte müssen vor Unternehmensrechten stehen; es ist notwendig, Bündnisse einzugehen und Netze zu knüpfen; demokratische Rechte müssen vermittelt und genutzt werden; lasst uns Sand im Getriebe der Mächtigen sein! Viel Mut und gute Ideen für die weitere Arbeit, die verwirklicht werden wollen.

Das letzte Wort hat Peter Grohmann. Gemeinsam mit den Teilnehmer*Innen zieht er eine positive Bilanz des Tages und macht klar, dass wir AnStifter und AnStifterinnen auch in der Zukunft unsere ganz konkreten, fassbaren Beiträge für eine bessere Welt leisten werden. Vormerken könnt Ihr Euch schon mal den Demokratiekongress am 13. April im Literaturhaus.
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Vortrag von Gerd Rathgeb

U. Brand / M. Wissen: Imperiale Lebensweise
Stephan Lessenich: Neben uns die Sintflut

Es ist ein charakteristisches Merkmal von Imperien, weite Teile des Planeten zu beeinflussen, ohne dass sich die Bevölkerung des Imperiums dieses Einflusses bewusst wäre – oder dass sie auch nur von der Existenz vieler der betroffenen Orte wüsste.“ (Rob Nixon)

Die internationale Arbeitsteilung besteht darin, dass einige Länder sich im Gewinnen und andere im Verlieren spezialisieren.“ (Eduardo Galeano)

Kein Gemeinsames ist möglich, sofern wir uns nicht weigern, unser Leben und unsere Reproduktion auf dem Leid anderer zu gründen und uns als von ihnen getrennt wahrzunehmen.“ (Silvia Federici – emeritierte Professorin für politische Philosophie)

mehr…

Mitmachen beim Crowdfunding
Unterstützung für eine Fritz-Elsas-Dokumentation

WORUM GEHT ES IN DIESEM PROJEKT?

Mit einer filmischen Dokumentation wollen wir an Fritz Elsas erinnern. Dieser große Sohn der Stadt Stuttgart wurde nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler am 20.Juli 1944 verhaftet, gefoltert und erschossen. Unsere Dokumentation soll auf vielen Kanälen verbreitet werden: Im Internet, in der Bildungsarbeit, an Schulen. Schön wäre eine Ausstrahlung im Fernsehen. Ausführlich wird das in unserem Video geschildert.

WAS PASSIERT MIT DEM GELD BEI ERFOLG?

Das Geld würde dazu reichen, alle wichtigen Vorarbeiten für die Produktion der Fritz-Elsas-Dokumentation zu finanzieren. Also Recherchen, eventuell alle wichtigen Interviews etc. Für die eigentliche Produktion hoffen wir Fördermittel von Stiftungen etc. zu bekommen. Auch mit der Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg haben bereits Vorgespräche stattgefunden. Mit einer erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne im Rücken dürfte es kaum Probleme machen, zusätzliche Finanzmittel aufzutreiben.

WER IST AM PROJEKT BETEILIGT?

Die Idee hatte Volker Lang bereits 2003. Der Grafikdesigner hat zahlreiche Filme für Museen und Firmen realisiert. Bekannt ist er vor auch durch die schwäbischen Comic-Figuren „Äffle und Pferdle“, die er im Team seines Bruders mitgestaltet hat.

​Seit 2016 arbeitet auch der Co-Autor Wilhelm Reschl, Filmemacher und Historiker, an der Fritz-Elsas-Dokumentation mit. Er ist Autor vieler zeithistorischer Produktionen für ARD, Arte und die dritten Programme. Zehn Jahre lang leitete er das „Haus des Dokumentarfilms“ in Stuttgart.

LINKS

CROWFUNDING-SEITE https://www.bw-crowd.de/fritz-elsas-dokumentation

WEITERE INFORMATIONEN https://www.fritz-elsas.de/

Das Stickoxid-Lügenpack

Das Stickoxid-Lügenpack

Ich sitz‘ genüsslich beim meinem Lungenfacharzt Dr. Köhler, dem die Chaoten die Zulassung wegnehmen wollen, huste ihm was und spucke etwas Blut und Eiter, als ich mich plötzlich bei der Lektüre meiner Heimatpostille völlig übergeben muss. Echt jetzt!

Dass die Stuttgarter Zeitung den Tunichtgut Ioannis Sakkaros hochjazzt, fällt unter Dummheit und Pressefreiheit und zeigt den Fortschritt der „Trumpisierung“ der Gesellschaft. Sakkaros nämlich, der 26 Jahre alte Grieche, der bei Porsche arbeitet, outet sich als ordinärer Nichtwähler: Ja genau, solche Demokraten braucht das Land! Sakkaros also will mit der Autoindustrie, Herrn Scheuer, meinem Pneumologen und dem Stuttgarter Blättle der Wissenschaft das Fürchten lehren: Er organisiert die hiesigen Demos gegen Fahrverbote, allwöchentlich. Warum? Weil er, wie viele andere, auf die fake news von Dr. Köhler und Kollegen reingefallen ist. Der Doktor verfasste 2019 zusammen mit dem lange in der Autobranche tätigen Ingenieur Thomas Koch ein zweiseitiges (!) Positionspapier über Stickoxide. Dort bestritt er schlicht nahezu alle Forschungen zur Gesundheitsgefährdung durch Stickoxide. Das kam quer durch die Republik den „führenden Medien“ wie gerufen: Sie haben, alle journalistischen Pflichten weit hinter sich lassend, die Lachnummer von Köhler und seinen 100 Mitzeichnern begierig verbreitet – ungeprüft und dankbar. Das kommt doch immer gut, ob bei Bild, den Porsche-Kollegen, der StZ: Kein einziger Toter durch Feinstaub nachgewiesen. Die Medien überschütteten die Wissenschaft mit Hohn und Spott – alles Lüge!

Meine Omi Glimbzsch würde jetzt zu recht fragen: Aber warum zieht eigentlich niemand von den Betrogenen vor der Türe der Betrüger? Wer sonst, außer der Bundesregierung, den Eliteparteien, dem TÜV, Herrn Scheuer, dem Kraftfahrtbundesamt, der Autolobby und den vielen Ungenannten gehörte denn sonst an den Pranger? Na gut, vielleicht noch die Wissenschaften und die netten Kollegen von der Stuttgarter Zeitung?

Der Lungenfacharzt Kai-Michael Beeh sagt, dass die „Trumpisierung“ unserer Gesellschaft und einzelner Medien bereits weit fortgeschritten ist – nur so erklärt sich der mediale Erfolg der Korona Köhler (zwei Seiten Behauptungen, kein einziger Beleg, Spiegel online, 25.1.2019). Mit Beeh nimmt auch Dr. Barbara Hoffmann, Epidemiologin an der Uni Düsseldorf, den Kampf gegen die Fake-news-Verbreiter auf. Aber ihr Contra gegen Köhler & Co. fiel unter die Redaktionstische. Dort liegt’s heute noch.

Wir unterstützen das Bündnis für mehr Personal in unseren Krankenhäusern!

Die AnStifter unterstützen das Bündnis für mehr Personal in unseren Krankenhäusern

Was ist das BÜNDNIS FÜR MEHR PERSONAL IN UNSEREN KRANKENHÄUSERN?

Wir sind Gruppen und Personen, die sich gegen den Personalnotstand in den Krankenhäusern der Region Stuttgart einsetzen. Wir tun dies auch in dem Wissen, dass wir selbst Leidtragende von Personalmangel und Pflegenotstand sein können. Es ist unser Anliegen, eine gute Gesundheitsversorgung für alle zu erreichen. Wir wenden uns daher gegen die Kommerzialisierung des Gesundheitswesens. Kontakt: Monika Münch-Steinbuch und Guido Lorenz (BündnissprecherInnen), mmuench-st@online.de/0711-46906266

Nächstes Bündnistreffen: Donnerstag, den 24.1.2018, um 18:00 im DGB-Haus, Willi-Bleicher-Str. 20 (offen für alle Interessierte!)

Eiter-Euter und Mondfinsternis

Eiter Euter und Mondfinsternis

Gestern Nacht hab‘ ich geträumt, in Davos sei eine Lawine ungeheuren Ausmaßes runtergegangen und hätte alles mitgerissen, aber Trump fehlte. Gewaltfantasien gegen das Weltwirtschaftsforum, das mit seinen „Bonzen im Schnee“ vom 22. bis 25. Januar 2019 alpin tagt. Beim Aufwachen habe ich den Traum sofort korrigiert: Keine Toten! Nicht mal Verletzte! Aber eben ein Schock. Die Jungs und Mädels wollen deshalb nachdenken, wo sie Scheiße gebaut haben, träumte ich.

Kein Traum ist der neue Horrorbericht über den Zustand der Erde: Ein Bild aus der Hölle, verheerend wie bei Hieronymus Bosch! Aber welche Gefahren bedrohen die Hautevolee am ärgsten? Wo kommt sie ins Schwimmen? Hunderte der bedeutendsten Manager und Ökonomen meinten (nein, nicht die AFD): Der Klimawandel ist an allem schuld. Kontext hatte recht. Die Wahrscheinlichkeit von Wetterkatastrophen, Wirbelstürmen, Überschwemmungen oder Dürren wächst und wächst und wächst und die Welt pennt, pennt und pennt. Die größte Gefahr ist immer die Dummheit, sagte meine Omi Glimbzsch aus Zittau. Wenn dann noch der Einfluss der Konzerne auf Parteien, Politik, Regierungen dazukommt, ist Matthäi am Letzten. Na klar, das wissen wir doch: Der Verlust der Artenvielfalt etwa geht Monsanto am Arsch vorbei. Doch um das Maß voll zu machen: Die in Davos warnen vor Cyberangriffen, Kriegsgefahren, Geldverlusten, Bankenkrisen, Ungerechtigkeiten. Das sieht dann aus wie der Blutmond über Köpenick und entspricht den gebündelten Parteiprogrammen einer GroKo aus Grünen, Linken und SPD (genehmigt von der FDP). Gelbe Westen, rote Socken, dreimal schwarzer Kater. Es kommt halt mal wieder alles auf einmal.

In Berlin naschen sich unterdessen Gutesser durch die Grüne Woche. Am Wochenende versammelten sich allerdings in der Hauptstadt und bei Boris Palmer die Andersesser auf den Gassen. „Wir haben es satt“, sangen sie. Andere nicht, das ist das Problem. Schon Lenin fragte seine Krupskaja wieder und wieder: Was tun? Besser werden. Wir wünschen den Protestantinnen aufmerksamere Passantinnen. Kritische Menschen, denen das Smartphone nicht am Haar klebt. Gute Ideen, Besetzungen von Bahnhöfen und Börsen, Banken dann im Frühling). Mehr Radikalität. Ein Umschwenken im Alltag, beim eigenen Leben. Freundlichkeit gegenüber den Andersdenkenden. Geduld beim Argumentieren. Lust beim Streiten. Weniger Wirtschaftswachstum. Nehmt die Hunde an die Leine. Und passt auf Eure Felder auf.

Friedensfinder* gesucht!

Suche Frieden… 

… und jage ihm nach!

… und halte ihn fest!

… und gestalte ihn!

Ausschreibung Manfred-Müller-Preis

Mit dem Manfred-Müller-Preis zeichnet der Verein zur Förderung ev. Schüler_innenarbeit politische Jugendbildungsarbeit aus.

Überall auf der Welt werden Konflikte im Großen wie im Kleinen mit Gewalt gelöst. Zwischen Staaten und zwischen Menschen herrscht oft Unfrieden. Dabei sehnen wir uns nach Frieden und einer gerechten Welt. Es geht um einen Frieden, der auch Konflikte aushält. Wir suchen Jugendliche und junge Erwachsene, die sich auf die Suche nach Frieden machen, die um Frieden streiten und Räume des Friedens schaffen:

Wir suchen Friedensfinder*! 

Ihr seid jung, engagiert und setzt Jugendprojekte um, die die Welt ein kleines oder großes bisschen friedlicher machen? Dann freuen wir uns auf Eure Bewerbung für den Manfred-Müller-Preis 2019!  Der Verein zur Förderung evangelischer Schüler_innenarbeit in Württemberg zeichnet mit dem Manfred-Müller-Preis Initiativen und Projekte aus, in denen junge Menschen ihre Träume und Ideen umsetzen und sich für eine bessere Welt einsetzen.

Hier gibts Infos zur Bewerbung

Zum Download:

Flyer fürs Netz:
Plakat zum Ausdrucken bis A3
Grafik von Lucylibre

Termine:

  • Bewerbungsschluss: 10. Februar 2019
  • Jurysitzung: 26. Februar 2019 in Stuttgart
  • Preisverleihung: 23. März 2019 im Ludwig-Raiser-Haus in Bad Cannstatt.

Die PreisträgerInnen werden von einer fachkundigen Jury ausgewählt:

  • Pfarrerin Gabriele Wulz, Prälatin in der Prälatur Ulm
  • Berthold Frieß, Direktor des Landtages Baden Württemberg
  • Pfarrer Steffen Kaltenbach, Vorsitzender des Vereins zur Förderung ev. SchülerInnenarbeit
  • Pfarrerin Petra Dais
  • Kirchenrat Hans-Joachim Janus, Referatsleiter Werke und Dienste
  • Prof. Dr. Jörg Dinkelaker, Prof. für Erziehungswissenschaften und stellv. Vorsitzender
  • eine ehemalige Preisträgerin (m/w/d)

Kantholz mit Rosa

Natürlich wussten alle sofort, auch die Taz, dass sich das nicht gehört, nicht mit Kantholz. Kantholz ist nicht links. Doch dann waren alle Linken glücklich, dass das Kantholz ein falscher Link von rechts war. Unglaublich viele Menschen sind ja, wie Politiker gern sagen, „der festen Überzeugung“ von irgendwas. Etwa, dass unsereins bereits als Guter geboren wurde, als Mensch unter Menschen, und dass das Kantholz immer nur eine Option von rechts war, ein Geburtsfehler. Falsch. Der Mensch ist zu allem fähig. Jeder. Das ist traurig, aber wahr. Und es ändert auch nichts an der Tatsache, dass zum Kantholz meist die Rechte greift.

Reden wir von Rosa Luxemburg, die am 15. Januar 1919 ermordet wurde. Viele ihrer Schriften waren häufig verboten, in der DDR durch Papiermangel, Stalinisten und Bürokraten, unter den Nazis sowieso, und kaum zu haben im freien Westen, das war sie nicht, die Ausnahme vom Artikel 5. Nehmen wir Brecht: Unerwünscht nicht nur in Augsburg. „Freiheit ist immer die Freiheit des anders Denkenden“, erklärte Rosa den Roten. Viele Menschen von heute können natürlich nicht wissen, wer Rosa und wer Karl ist – woher auch? – und dass es guter Brauch sein sollte, andere Meinungen anzuhören, das Ja und das Nein zuzulassen, sich damit auseinanderzusetzen und sich so eine eigene Meinung zu bilden. Ein Volk, ein Reich, ein Führer und seine Meinung ist eben vor allem Forderung und Praxis der alten und neuen Nazis, aber eben nicht nur. Deshalb schmerzt ja heute so der Blick der Linken zurück – auf die tatsächliche Verfassung der Staaten des sogenannten Sozialismus, auf Menschenrechte – und der Blick heute auf Ortega, auf Mittel- und Lateinamerika etwa. Andererseits gibt’s es immer noch etliche, die zwar von Rosa und Karl gehört haben, aber nichts vom Gulag wissen wollen.

Es ist oft verdammt schwer, eine andere Meinung anzuhören oder auszuhalten. Muss man ja nicht. Man kann widersprechen, argumentieren, Fakten liefern, sich informieren, auch wenn’s schwerfällt, die eigene Meinung verteidigen, nachdenken. Meinungsbildung braucht Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit und einen eigenen Kopf, der weiß: Manchmal haben auch die anderen recht.

Denunzianten, Spekulanten, Hollerith juchhe

Denunzianten, Spekulanten, Hollerith juchhe

Der türkische Geheimdienst Millî İstihbarat Teşkilâtı hat mit Unterstützung kalifornischer Umweltschützer eine App entwickelt, mit der man in der Türkei, aber auch von hier aus endlich Freunde, Nachbarn oder Kollegen (direkt vom Sofa aus!) denunzieren kann. Doch der MIT hinkt seiner Zeit hinterher: Bei uns wußte die Obrigkeit schon lange vor 1933 durch die Hollerith-Karten (Hermann Hollerith, deutscher Erfinder aus der Pfalz, ausgewandert wegen politischer Repression), wo der Jude und wo der Kommunist wohnt und wer durch sein Handicap ein unnützer Esser war. Die Aussortierten konnten dann 8 – 10 Jahre später am hellen Tag zu Hause abgeholt werden, dank der Wahlerfolge der Rechtsfront. Die türkische App kann man heute noch kaufen. Und wenn wir schon beim Thema sind: In Göttingen beschlagnahme die Polizei kistenweises Beweismaterial, etwa ein Handy und einen Laptop und „Die Känguru-Chroniken“, um zu belegen, dass der Student der vergleichenden Literaturwissenschaften an den Hamburger G-20-Krawallen beteiligt war. War er aber nicht, im Gegensatz zu einem andere V-Mann, der Randale im Hamburg machte. Unser Mann war hingegen zur fraglichen Zeit in Japan, stellte man jetzt fest. Sorry, dem Mann ist doch nichts passiert. Außer, dass er jetzt beim Neurologen ist, Trauma und so.

Moschee-Steuer und Völlerei

Moschee Steuer und Völlerei

Cumrun Vafa ist kein Gewürz der Mullahs, sondern ein saumäßig gutbezahlter, also hochgeachteter Physiker der Harvard-Universität. Er hat im brütend heißend Sommer 2018 gesagt, es sei durchaus möglich, dass es das Universum gar nicht gibt. Das hatte ich schon früher befürchtet – aber weder Vafa noch ich können es bisher beweisen. Letztlich würde das ja auch auf die Demokratie zutreffen: Sie liegt räumlich etwas näher bei uns als das Universum – aber schlüssig beweisen kann man ihre Existenz nur durch die Probe aufs Exempel. Hin und wieder kriegt man dafür eine aufs Maul, aber dieses Risiko muss man schon eingehen.

Wenn fürs Wahljahr 2019 der Heilige Franziskus Fress-Sucht und Völlerei brandmarkt und die Vielfalt (sic!) lobt, Japan wieder die Harpunen schärft und unser korrupter Helfershelfer Al Baschir im Sudan die Menschen in die Flucht treibt, sollten wir uns einen Blick aufs Naheliegende gönnen. Es schadet nichts, wenn’s etwas mehr als eine Nabelschau wird. Ostwärts von Gutland hat die CDU bereits das Muffensausen und spielt den Weichmacher. Die stärker werdende Nationale Front der Rechten wird in Brandenburg fast schon in trockene Tücher gewickelt – eine Große Koalition von CDU und AfD ist im neuen Jahr kein Schreckgespenst für den gesättigten Demokraten Ingo Senftleben. Deutschland bröselt.

Sara Wagenknecht fordert vom anderen Ufer (in Gelber Weste vor dem Kanzleramt) die sozial deklassierten Republikaner und Demokrate auf, sich von ihren Sitzen zu erheben. Doch den munter fortschreitenden Rechtstrend wird man kaum durch Peitschengeknalle auf den Straßen von den Futtertrögen der Parteienfinanzierung fernhalten, da braucht’s vielleicht doch im Vormärz den demokratischen Urknall der Republik, auch wenn es zur „befreiten Gesellschaft“ noch ein gutes Stück Weg ist. „Die Welt ist unvernünftig eingerichtet“, erklärte mir meine Omi Glimbzsch in Zittau immer wieder, „aber zum guten Leben für alle ist noch ein Weilchen hin.“ Vorerst bleibt’s also beim Ende der Völlerei und der Moschee-Steuer.

Alte Socken stinken

Schon damals, als die Ostzone noch DDR hieß, war meine Omi Glimbzsch aus Zittau skeptisch, was den Goldenen Westen anging. Für uns junge Pioniere aber war dieser Begriff die Metapher für Walter Ulbricht plus Reisefreiheit, für Pril, Amibrause, für Jeans, Jacobs, grenzenlosen Konsum und Westgeld: Damit konnte sich selbst der gemeinste Verbrecher freikaufen und rübermachen – „Geh doch rüber“, freute sich die Stasi. Heute haben wir alles, außer genügend Westgeld, und anstatt der Jeans ziehn sich die kleinen Leute in den Provinzen zwischen Avignon, Wien und Tel Aviv die gelben Westen über. Es warnt. In Österreich demonstrierten am Wochenende 20000 Menschen gegen Rechts und Kurz und Klein und brachten es auf den Nenner: „Eure Politik stinkt mehr als alte Socken“. Aber vorher hat’s ja auch nicht immer vornehm gerochen. Ist das nicht alles etwas Reha?

Die Utopisten der Reha-Klinik Bad Langensalza (Thüringen) zum Beispiel, fordern gerechte Löhne und faire Arbeitsbedingungen im Goldnen Westen – aber sie haben nicht mal einen richtigen Tarifvertrag! Die ehedem volkseigenen Kliniken gehören heute dem privaten Klinikbetreiber Celenus, der angeblich rabiat und massiv gegen engagierte Beschäftigte vorgeht, die sich für einen solchen Tarifvertrag einsetzen. Also wieder Republikflucht? Aber wohin? Berlin. Dort haben sie sich gemein gemacht mit den streikenden Kolleginnen und Kollegen der Charité Physiotherapie- und Präventionszentrum, die gern als Weihnachtsgeschenk eine Angleichung an den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) möchten. Aber muss man da gleich die Tarifpartner mit Gelbwesten zu Tode erschrecken?

Damals, im Kalten Krieg, gab’s ja das Gleichgewicht des Schreckens. Drüben im Osten der Konsum mit vielerlei Bückwaren, dem Dresdner Zwinger für alle und die Erlebniswelt der Plattenbauten – im Westen Möbelparadiese, Traumschiffer und Atomkraft nein Danke am Zweitwagen. Heute wissen wir natürlich: Marcon kocht auch nur mit Eau de Cologne.

Es wird kälter in der Demokratie. Das kommt vom Klimawandel und aus Kattowitz. Zu Weihnachten dürfen natürlich auch die Populisten ihre alten Socken zum Trocknen in der Armenküche aufhängen und dann beim Pfeffern und Versalzen des Süppchens helfen. Rührt Euch.

Guten Morgen, Abendland

Guten Morgen, Abendland

Steht Wladimir Putin tatsächlich hinter der Wahl von Annegret Kramp-Karrenbauer oder haben sich die 1001 Delegierten aus freien Stücken für so eine Frau entschieden? AKK wird es den bunten Bündnissen der anderen Geschlechter vermutlich schwerer machen: Ein Herz für ungeborene KInder! Und die müssen ja eh nicht gleich schwarz sein. Grenzen dicht, Hunde müssen draußen bleiben. Sozialpolitisch gehört die Frontfrau der CDU allerdings eher zum linken Flügel bei den Rechten. Sie gilt als ordnungslieb, franzosenfreundlich und polizeitreu. Mehr kann man in diesen Tagen nicht erwarten. Fazit: Merz wird Kanzler. Wann? Ja.

Tief enttäuscht von den aktuellen Zuständen in Frankreich sind nicht nur die Deutschen, die Gelbwesten, die Eisenbahner, die Mariannen und die Minderbemittelten, sondern auch die Eliten im eigenen Land. Und letztere wissen, was der Russe in der Adventszeit auf den Champs-Élysées vornehmlich sucht: Glitzernde Diademe und wirklich pfiffig und exquisit geschneiderte Mäntel vom Okapi. Doch was findet er? Holz vor der Hütte. Er ist frustriert und muss seine Kreditkarte (Platin von Amex) stecken lassen. Wo, um Himmels Willen, kann er jetzt noch einkaufen? Den Aufständischen quer durch Land fehlt nicht nur die Kaufkraft, sondern auch das Verständnis für die Kauflust der Reichen. Die sind, sagen sie, wie „Le menteur“ Macron: Ignorant und arrogant. Und Lugebeutel. Macron hat seinen Landsleuten den Himmel über der Ruhr versprochen – und jetzt riecht’s nach Reizgas. Hätte man wissen können.

Alles, was rechts ist: Gelogen, dass sich die Balken biegen wird nicht nur beim Migrationspakt, gelogen haben auch Michael Cohen, Trumps Ex-Anwalt, Paul Manafort, sein Ex-Wahlkampfchef, und Ex-Sicherheitsberater Michael Flynn. Man weiss eigentlich nicht, wer nicht gelogen hat. Gelogen ist auch, dass es enger wird für den US-Präsidenten. Die nackte Wahrheit gehört schon am frühen Morgen (Frühstücksfernsehen und TAZ) zu den best angezogendsten Leuten im Abendland.

Wahr ist aber, dass Weihnachten unwiederbringlich vor der Tür steht – das Fest der Nächstenliebe, der Besinnung, der Einkehr. Viele Menschen suchen da verzweifelt nach Alternativen. Mensch, Leute, was liegt denn näher, als ein Geschenkabo für Kontext? Intelligent und nachhaltig – das gibt’s nur bei uns. Ungelogen.

FriedensGala der AnStifter würdigt Emma Ganzález

Den Stuttgarter Friedenspreis 2018 ging an die US-amerikanische Schülerin Emma González.

Emma González
Emma González

„Emma González repräsentiert eine neue, junge Generation, die sich gegen einen staatlich tolerierten Missbrauch von Jugendlichen, als Objekte der Waffenindustrie, zur Wehr setzt“, bewertet Annette Ohme-Reinicke, die Vorsitzende der AnStifter, die Entwicklung in den USA. Emma González und ihre Mitstreiter/innen hätten Worte für die oft tödliche Verflechtung von Politikern und Waffenverkäufern gefunden und dies angegriffen. Sie repräsentierten damit das ‚andere Amerika’: Das Amerika jener starken Zivilgesellschaft, die sich jetzt verstärkt gegen Rassismus, Ausländerfeindlichkeit oder jüngst den staatlich verordneten Missbrauch kleiner Kinder zur Abschreckung möglicher Migranten erfolgreich wehre.

Annette Ohme-Reinicke

 

 


Laudatio
, Annette Ohme-Reinicke, Vorsitzende der AnStifter:

 

„Welcome to the Revolution!“ – Mit diesen Worten eröffnete Cameron Kasky den weltweiten „March for our Lives“, am 24. März dieses Jahres. Allein in Washington waren über eine halbe Million Menschen auf der Straße. In 800 Städten weltweit, von Tokyo über Stockholm bis München, gab es Demonstrationen. Kasky ist, wie Emma Gonzales, ein überlebender Schüler des Massakers in Parkland, Florida.

Es ist wohl eher eine Revolte als eine Revolution, was die die Schüler aus Florida anzettelten.

Die Revolte und der Streit für Frieden haben in den USA eine lange Geschichte. Hier begann oft, was in anderen Ländern noch entstehen sollte.

Aus den USA stammt etwa der Civil Disobedience, der gewaltfreie Zivile Ungehorsam. Vor fast 200 Jahren weigerte sich etwa der Lehrer David Henry Thoreau Steuern zu zahlen. Er wollte nicht das mit „seinem“ Geld der Krieg gegen Mexiko finanziert würde. Thoreaus Schriften wurden auch für Mahatma Gandhi und Martin Luther King zum Vorbild.

Die „Industrial Workers oft the World“ bildeten eine der ersten Sparten übergreifenden unabhängigen Gewerkschaften. Sie handelten nach dem Prinzip der Direkten Aktion. Eugene Debs, Mitglied der IWW, kandidierte 1920 für das Amt den Präsidenten der USA. Er erhielt knapp eine Million Stimmen, und das, obwohl Debs im Gefängnis saß, weil er sich nämlich gegen den 1. Weltkrieg ausgesprochen hatte.

Während in Europa verschiedene Länder faschistisch waren, erlebten die USA in den 1930er und 1940er Jahren eine der größten Streikbewegungen überhaupt. Erst der New Deal machte dem später ein Ende.

Deutsche Migranten, wie Max Horkheimer, Theodor W. Adorno oder Hannah Arendt konnten im Exil-Land USA forschen, lehren und Gedanken formulieren, die für emanzipatorische Bewegungen weltweit von Bedeutung sind.

Die „Civil Rights Movement“, die Bürgerrechtsbewegung setzte sich mit ihrem gewaltfreien Widerstand, etwa des „Student Nonviolent Coordinating Commitee“ (SNCC), den „Freedom Rides“ und dem „Poor People‘s March“ erfolgreich gegen Rassismus zur Wehr.

In seinem „Letter to the New Left“ wandte sich der amerikanische Soziologe und Aktivist C. Wright Mills 1960 erstmals an eine bis dahin noch nicht benannte „Neue Linke“. Diese Neue Linke bezog sich auch auf die Friedensbewegung, die in den USA und in England gerade ihre ersten Schritte gemacht hatte.

Die internationale Bewegung gegen den Vietnam-Krieg entstand in den USA und entwickelte neue Aktionsformen wie etwa Sit-Ins und die Teach-Ins. Die Kriegsgegner forderten erfolgreich amerikanische Soldaten zum Desertieren auf und organisierten Kampagnen.

Vor wenigen Jahren thematisierte die Occupy-Wallstreet-Bewegung – „We are the 99 Percent“, „Wir sind die 99 Prozent!“ – erstmals seit langer Zeit wieder die „Soziale Frage“. Wenigstens für einige Monate dominierten im öffentlichen Diskurs nicht mehr Fragen sogenannter „Rassenunterschiede“, sondern Fragen nach Gründen und Ausmaßen steigender Armut und Verelendung.

Von Februar bis Juni dieses Jahres streikten in verschiedenen Bundesstaaten der USA Lehrer und andere Beschäftigte des öffentlichen Sektors. Die Unterstützung der Bevölkerung war enorm. In West-Virginia etwa forderten 30 000 streikende Lehrer fünf Prozent mehr Lohn. Es wurden vier Prozent geboten, sie lehnten ab. Es wurden fünf geboten, aber nur für Lehrer. Sie ließen sich nicht spalten und lehnten ab. Schließlich wurden fünf Prozent mehr Lohn für alle im öffentlichen Sektor Beschäftigten durchgesetzt.

Im November dieses Jahres stimmten 78 Prozent der Wähler ihres Bezirks für die ehemalige Barkeeperin Alexandria Ocasio-Cortez aus der New Yorker Bronx und wählten sie in den US-amerikanischen Senat. Cortez bezeichnet sich selbst als Sozialistin.

All das ist ebenfalls die USA, das „andere Amerika“.

Auch das Aufbegehren der Jugendlichen aus Florida, „For Our Lives“, für unser Leben, lässt hoffen. Aber warum eigentlich? Was die Waffengesetzte angeht, sind die Verhältnisse in den USA und in Deutschland deutlich verschieden. Etwa 30 000 Menschen sterben jährlich in den USA durch Schießereien. Im Durchschnitt wird jede Woche ein Erwachsener von einem Kind angeschossen oder getötet. Seit 1968 sind in den USA mehr Menschen durch Schusswaffen gestorben, als in Kriegseinsätzen außerhalb der USA, nämlich anderthalb Millionen. (NYT 2015) Schusswaffen sind in den USA frei käuflich und nach fast jedem Massaker steigen die Aktien der Waffenverkäufer. Dreißig Millionen Dollar hatte der amerikanische Präsident von der Waffenlobby erhalten. Gemessen an der Anzahl der Opfer von Schussverletzungen in den USA in den anderthalb Monaten im Jahr 2018 beläuft sich dies auf 5.800 Dollar pro Person „5800 Dollar pro Kopf“, fragte Emma Gonzales in ihrer berühmten Rede, „ist es das, was dir die Leute wert sind, Trump?“ In Deutschland dagegen muss man eine Schusswaffe nicht nur anmelden, sondern auch nachweisen, dass sie sicher in einem speziellen Waffenschrank aus Stahl aufbewahrt wird.  Das wird tatsächlich überprüft und das ist gut so. Aber es ist eben auch so, dass mit Waffen aus deutscher Produktion eher nicht zuhause geschossen wird. Deutschland ist einer der weltweit größten Waffenexporteure.

Die schlechten Waffengesetzte sind es jedenfalls nicht, die die große Sympathie mit den jungen Leuten in den USA begründet und wegen der Emma Gonzeles zur Friedenspreisträgerin gewählt wurde. Auch nicht die Furcht, dass man selbst oder seine Kinder in der Schule erschossen wird. Schießereien an Schulen kommen hier vergleichsweise selten vor. Was ist es dann?

Eine Forderung der Schüler aus Florida lautet: „Wir wollen nicht eure Gebete, wir wollen Taten!“ Sie lehnen es ab, sich vertrösten zu lassen, mit dem Hinweis, irgendwelche höheren Mächte würden es schon richten. Stattdessen fordern sie zu einem kompromisslosen Handeln auf, hier und jetzt. Für ein Leben ohne Angst, hier und jetzt. Diese kompromisslose Forderung nach einem Leben ohne Angst, ohne Existenzangst, vorgetragen von einer jungen, neuen Generation, ist es, das über Grenzen hinweg begeistert und bewegt. Ich bin sicher, dass Emma Gonzales wegen dieser Botschaft zur Friedenspreisträgerin gewählt wurde. Kinder haben ja immer etwas mit der Hoffnung auf eine bessere Zukunft zu tun. Und wenn sie das auch noch selbst in die Hand nehmen wollen – „Wir werden die Kinder sein, von denen du in den Schulbüchern lesen wirst!“, sagte Emma – dann kann man sie natürlich nur dabei unterstützen.

Nebenbei bemerkt: Dass diese jungen Leute in der Lage sind, vor einem Millionenpublikum aufzutreten und ihre Argumente vorzutragen, das ist auch ein Ausdruck gelungener Bildung. Und das freut mich als Dozentin natürlich besonders.

Es ist noch keine zwei Wochen her, da sah ich mit einigen meiner Schüler an einer Stuttgarter Berufsschule die Rede von Emma Gonzales im Internet an. Meine Schüler kommen aus den verschiedensten Teilen der Welt. Einer – nennen wir ihn hier Said – ist erst vor kurzem nach Deutschland geflohen. Er stammt aus Syrien, viele seiner Freunde sind tot, erschossen. Von Emma Gonzales hatte er noch nie etwas gehört. Said sagt selten etwas. Aber nachdem er die Rede von Emma gehört und einiges zu den Hintergründen erfahren hatte, meldete er sich: „In Syrien, wo ich herkomme“, sagte er, „werden jeden Tag Kinder erschossen. Warum protestieren die amerikanischen Jugendlichen nicht dagegen?“ Diese Frage war überhaupt nicht als Vorwurf oder in irgendeiner Weise moralisierend gemeint. Said hat einfach nachgedacht.

Das Recht auf ein Leben in Sicherheit, ohne Angst um die eigene Existenz ist schon in der amerikanischen Bill of Rights von 1789 und später in der internationalen Erklärung der Menschenrechte festgeschrieben. In Artikel drei heißt es: „Jeder hat ein Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person.“ Das meint selbstverständlich Emma und Said. Aber Rechte müssen zur Geltung gebracht und durchgesetzt werden. Und zwar von uns allen.

Heute bedeutet das Recht auf ein „Leben in Sicherheit“ auch:

Sicherheit vor den skrupellosen Profitinteressen der Waffen- und Rüstungsindustrie,

Sicherheit vor einer Politik der Verarmung, zugunsten obszönen Reichtums,

Sicherheit vor Hasspredigern und homophoben Ideologen, egal ob in weißen Gewändern oder in dunklen Anzügen,

Sicherheit vor einer Politik, die gezielt Unsicherheit erzeugt, etwa durch die Errichtung von Schuldverhältnisse oder mittels Zeitverträgen die Angst um den Arbeitsplatz, also um das Auskommen überhaupt,

Sicherheit vor den Profitinteressen der Industrien, die die natürlichen Ressourcen der Erde ausplündern und dafür sogar eine Klimakatastrophe in Kauf nehmen.

Eine Gesellschaft zu gründen, in der das Leben weder Zweck noch Mittel ist, in der alle prekären Verhältnisse und damit Existenzängste abgeschafft sind – „For our Lives!“ – dafür lohnt es sich zu streiten und das wäre wahrlich: revolutionär.

Sidar Carman

Einfühlsam moderiert wurde die Gala von Cidar Carman. Ein Novum war in diesem Jahr die Preisverleihung des Minimalfilmwettbewerbs, der vom Jugendhaus Mitte im Rahmen der Aktion Vielfalt ins Leben gerufen worden ist.

Eröffnungsworte kamen vom Vorsitzenden der AnStifter, Ebbe Kögel.

Die jugendlichen Preisträger

 

Ebbe Kögel

Weltmusik von Lakvar

 

 

 

 

Musikalisch begleitete die interrnationale Gruppe Lakvar durch den Abend, mit Hajnalka Péter – Gesang, Zura Dzagnitze – Gitarre, Florian Vogel – Geige, Péter Papesch – Bass, Tayfun Ate, Perc, und Santino Scavelli – Schlagzeug .

Dank an unser Publikum

 

 

 

Ausnahmezustand

Ausnahmezustand – Peter Grohmanns "Wettern der Woche"

Die Franzosen sollten wissen: Dass Zivilisten angegriffen und verletzt und Wohnhäuser angezündet werden, dass Autos in Flammen aufgehen, dass Läden geplündert und Barrikaden gebaut werden, dass Chaos und Gewalt über die Menschen kommen: Das ist nur im Krieg erlaubt. Doch an dieser Stelle muss zunächst einmal bissle Salz in die Suppe, damit’s schmeckt, denn „damit das kapitalistische System fortbestehen kann, müssen Kriege geführt werden, wie es die großen Imperien immer getan haben“. Also noch mehr Krieg?

Meine Omi Glimbzsch, eine Atheistin in Zittau, die nie auf ihren Weihnachtsbaum und die polnische Soße verzichten würde, macht mich bei dieser Gelegenheit auf die tröstlichen Worte ihres Gegenspielers in Rom aufmerksam: „Damit das kapitalistische System fortbestehen kann, müssen Kriege geführt werden, wie es die großen Imperien immer getan haben. Wir sind aufgerufen, uns der Gewalt und Ungerechtigkeiten in vielen Teilen der Welt bewusst zu werden. Wir dürfen nicht gleichgültig und tatenlos zuschauen. Jeder von uns muss sich einbringen, damit wir eine wirklich gerechte und solidarische Gesellschaft schaffen können. Niemals haben wir unser gemeinsames Haus so schlecht behandelt und verletzt wie in den letzten beiden Jahrhunderten. Wenn jemand die Erdenbewohner von außen beobachten würde, würde er sich über ein solches Verhalten wundern, das bisweilen selbstmörderisch erscheint. Der Rhythmus des Konsums, die Verschwendung, die Veränderung der Umwelt hat die Kapazität des Planeten so überschritten, dass der gegenwärtige Lebensstil nur in Katastrophen enden kann. Schlimmer noch, der Mensch selbst wird sogar als Konsumgut angesehen, das man benutzen und dann wegwerfen kann. Das Wirtschaftssystem dieser Welt ist nicht gut. Der Mensch muss im Zentrum des wirtschaftlichen Systems stehen. Wenn die Politik wirklich den Menschen dienen soll, darf sie nie Sklave der Wirtschaft und der Finanzwelt sein. Das Geld muss uns dienen, es darf nicht regieren.“

Das kommt gerade recht zum 2. Advent und zum 31. Parteitag der CDU in Hamburg. Die Zitate (kursiv gesetzt) des fröhlichen Franziskus sind mal älter, mal jünger, wie der Heilige Vater selbst, doch keineswegs weit hergeholt, ganz im Gegenteil. Die Botschaft bietet vielerlei Handlungsoptionen.

FriedensGala der AnStifter am 2.12.2018 im Theaterhaus
Das letzte Wort

„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Geschwisterlichkeit begegnen“, so der Artikel 1 der Erklärung der Menschenrechte, wie er auf dem Papier steht.
Utopien, Träume, Hoffnungen und bittere Realität: Was für Begegnungen! Was für ein Nachdenken, Ausweichen, Resignieren. Aber auch: Was für ein Aufbruch, beim dem Hunderttausende auf den Straßen sind, was für eine Vielfalt der Zivilgesellschaft.

Es müssen neue Bündnisse geschlossen werden. Aber machen wir uns nichts vor: Es wird nicht leicht. Denn auch wenn wir sagen: „Wir sind mehr“ – so genau wissen wir das nicht. Und wenn wir uns trösten und sagen: „Wir sind die Vielen“, müssen wir wissen: Aber noch zu wenige. Momentan ist eine große Fluchtbewegung im Gange. Die Menschen flüchten ins Milaneo oder in die Betten, sie flüchten in den Black Friday, sie flüchten vor den Flüchtlingsströmen, sie flüchten vor der SPD, und den Grünen und den Linken, sie flüchten..

Und wir? Wir sind etwas irritiert. Darüber, wie stark die Waage sich neigt nach rechts. Wie willfährig die Argumente der Populisten in allen Reihen aufgenommen werden, hier bei uns und weltweit. Wie empfindlich in der eigenen Reihe auf Kritik reagiert wird.

Wir fürchten uns jeden Tag vor den grausamen Nachrichten über vergewaltigte Frauen und über die Bilder von den Mittelmeeren. Krim, Giftgas, Aleppo, Trump, Putin. Ein verkorkster Aufruf der AfD im Landtag zum Aufstand. Aber wie einfach wir es uns oft machen: Die Guten und die Bösen. Die Waffenproduzenten misstrauen den Friedenstruppen. Wir misstrauen den neuen Veteranen und den alten Helden.

Sozialpakt, Bankenkrise, Wetterleuchten.

Wir wollen keine weinenden Kinder in der Adventszeit sehen, keine niedergebrannten Häuser, keine Barrikaden, keine Feuer. Wir, die wir fern der Schlachtfelder leben im sicheren Gewahrsam der Demokratie, beobachten ihren Abbau.

Wir fürchten uns vor der Anarchie, die vor den Haustüren wartet, vor Ressourcenknappheit und Umweltzerstörung, wachsenden Bevölkerungszahlen und neuen Krankheiten, schlechten Hüftgelenken, Krebs, Entwaldung, Bodenerosion, Wassermangel und teurem Diesel, vor Fahrverboten und steigenden Meeresspiegeln. Der Feinstaub ist uns egal. Es gibt Wichtigeres. Wir wohnen woanders.

Wir sind am Leben, aber der Krieg schleicht in der Welt herum. Wir sind im Wohlstand, und das Sterben ist das Sterben der Anderen.Die Sehnsucht der Anderen nach Herrschaft, nationaler Ehre, nach Autoritäten. Sprech- und Saalverbote statt Redefreiheit. Draufhauen statt Verhandeln. Und alle 5 Jahre wählen. Die Grünen sind unser Ablassbrief.

Die Verteilung der Unbeschwertheit ist unfair und hat keine Zukunft, denn sie macht, dass die Schmetterlinge und die Fische sterben. Doch Tote Fische schwimmen mit dem Strom. Lebende dagegen. Muss man denn immer noch dagegen schwimmen wir? Und mit wem? Wo sind unsere Rettungsringe, die Schwimmwesten? Haben wir denn nicht unser Hotel Silber, in dem selbst Kommunisten zu Wort kommen, heute? Haben wir denn nicht die vielen Bücher und die vielen Philosophen und Goethe und den Guten Tag der deutschen Einheit? Haben wir nicht schon immer mehr Recht als Macht gehabt? Und jetzt wieder schwimmen? Im hohen Alter?

Werdet Rettungsschwimmer für die Demokratie. Denn weder Sara Wagenknecht noch der Aufbruch oder das Aufstehn werden uns helfen. Wir müssen selber ran.

Wir müssen selber ran. Wir in den zivilgesellschaftlichen Initiativen, wir in den Mieterinitiativen und der Kirche von unten, wir im Theaterhaus und bei den AnStiftern und bei Kontext, in den Gewerkschaften und bei attac. Wir, die Akteur*Innen der Straßen und Plätze, der offenen Räume, die den Vielen gehören.

Wir. Weil wir wissen: Demokratie muss täglich neu verhandelt werden. Weil wir sehen: Der rechte Populismus greift die Vielfalt an, die Kultureinrichtungen als Akteure gesellschaftlicher Visionen. Die Polemik kommt längst auch aus der Mitte der Gesellschaft. Der verächtlicher Umgang mit Menschen auf der Flucht, mit engagierten Künstler*innen, mit allen Andersdenkenden verrät, wie man mit der Gesellschaft umzugehen gedenkt, wenn sich die Machtverhältnisse ändern.

Und das ist nicht zu weit hergeholt. Im Gegenteil, es ist ganz nah. Und was heisst das? Streit aushalten! Die alten Ideen der Menschheit anders denken. Ermutigung für die Müden. Solidarität mit den Anderen.

Fantasie an die Macht.

Die AnStifter stärker machen.