Alle Beiträge von Peter Grohmann

Über Peter Grohmann

Peter Grohmann, Jahrgang 1937, Breslauer Lerge, über Dresden auf d' Alb, dann runter nach Stuttgart: Schriftsetzer und Kabarettist, Autor und AnStifter gegen Obrigkeitsstaat und Dummdünkel. Mitgründer: Vom Club Voltaire übers undogmatische Sozialistische Zentrum, vom Theaterhaus zu den AnStiftern. Motto: Unruhe ist die erste Bürgerinnenpflicht. Was ärgert Grohmann? Alle, die den Arsch nicht hochkriegen, aber dauernd meckern. Und an was erfreut er sich? An Lebensfreude und Toleranz

Schluss mit dem Meckern!

Schluss mit dem Meckern!

Alles, was man sagt, kann gegen einen verwendet werden. Deshalb sag ich an dieser Stelle im alten Jahr gar nix mehr! Kein Gemecker, kein Geschrei, keine dummen Grimassen, nix gegen Gabriel, kein Wort zum Klimawandel! Keine Rede von Abzocke, Doping, Krimkrieg, Awacs-Einsatz! Nix gegen Kretschmann oder Schmid oder Riexinger oder Wohnungsprivatisierung. Erst recht nichts gegen VW, Windkraft, Daimler, Diesel und den TÜV, Kleinkriminelle, den versifften deutschen Rhein, Freihandelsabkommen, Steuerbetrüger, Parteienstaat, Tukur, Frauenquote, Privatisierung der Müllabfuhr, Stuttgart 21, Flughäfen, Elbphilharmonien, VfB, Pegida, Grüne, Streusalz, Gentechnik, gestopfte Gänse, Polen, Feuerwerk, Frankreich, Ungarn, Türken, Bayern, FIFA, Griechenland, Sozialismus, Kohlebergwerke, Kapitalismus, Dobrindt, Hartz IV, Samenbanken, Bankenrettung, Schattenstaat oder Merkel Kontext.

Diesmal nicht!

Aber Ihnen alles Gute für die Zukunft, auch von Omi Glimbzsch aus Zittau! Toi Toi Toi!

Josefs Dröhnung

Wenn ich eine Waffe tragen dürfte: Nur Heckler & Koch! Was anderes käm‘ mir nicht auf den Gabentisch. Schon aus Solidarität mit der IG Metall. Der Amerikaner schenkt ja, las ich gestern in der New York Times, vornehmlich Smith & Wesson, um seinen Vorgarten sauber zu halten. Rein vom Gesetz her hat es der Amerikaner leichter: Nur Panzerfäuste darf man nicht mit in die Schule nehmen. Hierzulande ist ja allein schon die plumpe Vorbereitung eines Angriffskrieges verboten:
Wer einen Angriffskrieg (Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes), an dem die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sein soll, vorbereitet und dadurch die Gefahr eines Krieges für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführt, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft. Das sind mehr als zwei Legislaturperioden, meine Herren! Also – wenn ich eine Waffe tragen dürfte, würde die nie auf Menschen richten (ich bin eben ein unverbesserlicher, alter Pazifist!), sondern ausschließlich auf Bambis. Ich meine jetzt diese weiß, lila oder rot leuchtenden Weihnachtsrehe, die überall und in allen Größen herumlungern, ganz hässliche Schöpfungen. Sie tauchen dieses Jahr vermehrt in nahezu jedem Vorgarten auf, in Arztpraxen, Schaufenstern, an Fassaden, an Klohäuschen! Manchmal sind die Bambis gezwungen, einen Schlitten zu ziehen, manchmal glotzen sie nur dumm. Aus dem Nirwana dröhnt dann was von gnadenbringender Weih-hei-nachtszeit. Gefühlt seit Mitte Oktober! Je näher das Fest rückt, umso häufiger sind wir Josefs Dröhnung ausgesetzt. Da vergeht einem doch jede Willkommenskultur!

Neulich schickte mir ein Freund der Leitkultur ein paar Verse, darunter diesen: „Noch ziert den Baum der Weihnachtsstern / Den Halbmond hätt ich dort nicht gern / Die Kerzen wärmen uns das Herz / Und der Stern weist himmelwärts.“
Das beweist: Die Angst geht um in Europa, mit und ohne Heckler & Koch. In den festlich geschmückten Einkaufsläden ist jetzt preiswertes Kriegsspielzeug im Angebot, und an den Aufzugstüren der Königsbau-Passagen sieht man bereits großflächige Werbung fürs Osterfest. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. „Dass ich das noch erleben durfte!“, würde meine Omi Glimbzsch in Zittau jetzt sagen. Merke: „Fröhliche Weihnachten“ ist auch nur ein atheistisches Fest, aber außerordentlich profitabel.

Arschkarte?

Der Pole an sich macht wunderbare Salzgurken – da kann sich der Spreewäldler eine Scheibe abschneiden. Bessere kann nur die Omi Glimbzsch in Zittau. Ansonsten ist der Pole katholisch, konservativ, hört gern (wg. Antisemitismus) Radio Maria und hat Angst vor dem Morgenland, wo die europäische Leitkultur herkommt. Der Pole bleibt bei Wahlen gern zu Hause (das hat er mit vielen von uns gemein) und ist überraschenderweise nicht krimineller als der Hamburger oder der Sachse. Manchmal platzt dem Polen aber der Kragen wie just am letzten Wochenende, als in allen polnischen Großstädten „der Pole“ auf die Straße ging, morgenländische Werte beschwor und den rechtskonservativ Regierenden die Rote Karte zeigte: Bis hierher und nicht weiter!

Das Volk als solches, überall, zieht immer die Arschkarte, wenn es zu Hause bleibt oder doch wählt, aber falsch, wenn es sich nicht kümmert, nicht informiert, die Nöte des Nachbarn übersieht, wenn es davonläuft, Angst hat oder nicht im Kontext liest, sondern BILD. In Polen kam am Wochenende das Volk gerade recht, um Stopp zu sagen zum Verfassungsbruch. In Frankreich hat das Wahlvolk vielleicht das Schlimmste verhindert, vielleicht auch nicht. Man wird sehen.

Wir Volk müssen genauer Hinschauen. Ums Numgucken ist da die Demokratie weg, gehen Grundrechte flöten, wenn das alte Entsagungslied gesungen wird, „…Das Eiapopeia vom Himmel, Womit man einlullt, wenn es greint, Das Volk, den großen Lümmel…“. Die Kurzsichtigen hierzulande wiegen sich in trügerischer Sicherheit, winken mit Blick auf 10 AfD-Prozente und Ungarn, Polen, Dänemark und Frankreich ab und vergessen Finnland, England, Österreich, Schweden, Griechenland, die Türkei und den Rest der Welt, wo die Anti-Aufklärung marschiert. Unsere Handelspartner, unsere militärischen Sicherungstruppen vor den Außengrenzen, sie sind die Hätschelkinder der deutschen Politik und lassen schön grüßen. Beim Blick auf den gemeinsamen Feind im Inland übersieht man ganz schnell den Rechtsruck der Para-Parlamentarier, den Balken im eigenen Auge.

Stuttgarter Friedenspreis: Rede von Peter Grohmann
Der geräuschlose Krieg: Blitzschnell

Rede von Peter Grohmann bei der FriedensGala der AnStifter am 6.12.2015 im Theaterhaus Stuttgart

Dieser Abend ist eine Demonstration für das Menschenrecht auf Leben, auf Frieden! So geräuschlos ist Deutschland noch nie in einen Krieg geglitten. Und dennoch dürfen wir uns nicht daran gewöhnen! Ich will mich nicht daran gewöhnen, dass Deutschland Teil einer Kriegsmaschinerie ist. Ich will mich nicht daran gewöhnen, dass der mühsame Frieden zerstört und zerfressen wird.

Ich will mich nicht daran gewöhnen, dass das alles normal ist,
– dass es normal ist, in den Krieg zu ziehen,
– dass es normal ist, mit Waffen zu handeln,
– dass es normal ist, ohne langes Gerede JA zum Krieg zu sagen,
frohgemut in die Katastrophe: Denn sie wissen nicht, was sie tun!

Ich kann es nicht glauben, dass dieses Schweigen ist im Land, dieses Zuschauen und diese Verharmlosung des Krieges!

Wir dürfen uns nie daran gewöhnen, dass das Recht des Stärkeren gilt – wo auch immer! Wir dürfen uns nie daran gewöhnen, dass das Recht auf Asyl noch weiter ausgehöhlt wird, dass die Charta der Menschenrechte nichts ist als das Versprechen für übermorgen.
Wir dürfen uns nicht daran gewöhnen, dass täglich 30 000 Kinder verhungern, 30 000 und mehr, dass Ernten im Meer versenkt werden, um den Getreidepreis stabil zu halten. Ich will ich nicht daran gewöhnen, dass Hunderttausende im eigenen Land nicht satt werden, dass Hunderttausenden im eignen Land der Zugang zu Gesundheit, Bildung und einem würdevollen Leben verwehrt wird.

Wir dürfen uns nie daran gewöhnen, dass der Satz „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ zu einer leeren Floskel verkommt.

Ja: Wir sind gegen Gewalt und Vergessen, gegen Terror und Krieg, wo auch immer. Oft haben wir keine schnellen Antworten auf hundert Zweifel, auf tausend Fragen.
Aber Krieg ist immer die falsche Antwort.

Wir dürfen uns nicht an die Barbarei einer globalisierten Welt gewöhnen:
An die Ausplünderung armer Länder, die Waffenlieferungen, an die Unterstützung von Despoten und Diktatoren, Tyrannen und Sklavenhaltern.
Wir dürfen uns nicht an das Aushebeln elementarer Grundrechte gewöhnen,
nicht in Ungarn, nicht in der Türkei, nicht in Polen. Wir dürfen uns nie an den Triumph des Front National gewöhnen. In Solidarität und Geschwisterlichkeit sagen wir:

Non! Nein! Njet! No! Nie! Hayır! Neniu! nincs! Babu! Sin! Óchi! Nein zu Populismus, nationaler Engstirnigkeit, Rassismus und Gewalt.

Ich möchte nicht, dass die Deutungshoheit über die Moral die bekommen, die keine haben. Es gibt die Unschuld des Nicht-Wissens nicht mehr. Wir wissen, dass der Wohlstand auf Unrecht aufgebaut ist. Wir wissen, dass wir die Erde zerstören.
Und wir können auch längst nicht mehr ignorieren, dass andere arm sind, weil wir reich sind. Wir werden uns nicht herausreden können mit dem immer gleichen Worten: „Davon haben wir nichts gewusst“.

Nein, wir werden es gewusst haben.

Aber ich will mich daran gewöhnen, mit Menschen gelebt und gekämpft zu haben,
die aufstehen, wenn es notwendig ist! Heute, jetzt!
Mit Menschen, die Nein sagen!

Ich will mich daran gewöhnen, an Eurer Seite zu sein:
Mit Menschen, die Herz und Verstand besitzen, die mit Fantasie und Solidarität für Gerechtigkeit und Frieden eintreten:

Mit Menschen wie Euch.

Rechtsruck

Überall Rechtsruck: Rechtsruck in Frankreich, Rechtsruck in Polen, Rechtsruck in Venezuela, Rechtsrecht in der Türkei, Rechtsruck in Ungarn, Rechtsruck in Ravensbrück. Zittau bleibt in deutscher Hand – der schönster Weihnachtsmarkt Europa ist nämlich nicht in Stuttgart, wie das Amt für öffentliche Ordnung behauptet, sondern in Zittau – sagt meine Omi Glimbzsch.

Beim Rechtsruck muss man aufpassen, dass man nicht auf den Arsch fällt. Rechtsruck her, Demokratie hin, wie der Volksmund sagt. Zugegeben, Demokratie für alle wär‘ nicht schlecht. Partizipation, Teilhabe, das Einlösen der Versprechen aus der Charta der Menschenrechte. Der Habenichts hat sonst noch weniger mit der Demokratie am Hut als jetzt. Das können Sie mir glauben!

Für die Leichtgläubigen gab’s neulich – gut getarnt als kostenfreie Beilage der hiesigen „Lügenpresse“, den 16seitigen Prospekt des deutlich rechts des Neckars liegenden Kopp-Verlags. Schon Jahre vor Pegida waren die Rotten aus Rottenburg auf der Überholspur, gewissermaßen die gewissenlosen Wegbereiter von Angst, Pegida und Rechtsrückerei. Eben postet Kopp an die wachsende Schar der Jünger, dass es „ohne die nahöstlichen und nordafrikanischen Migranten“ „diesen Terror im Herzen Europas nicht“ gäbe.

Vom Terror zwischen 33/45 mal abgesehen, nicht wahr?

Mit solchen Stinkstiefel-Beilagen machen sich die (Stuttgarter) Zeitungen einmal mehr zu Erntehelfern der rechten Sippen – sie öffnen ihrer Leserschaft den esoterischen Quell der Desinformation und drücken der Propaganda das Gütesiegel der Seriosität auf. Geld stinkt nicht.

Wenn’s um den eigenen Arsch geht, werden wir unruhig, und wenn die Nachbarn der Marie Le Pen den Vorzug vor Marianne geben, reicht nicht mehr, die Marseillaise vor sich hinzu trällern – das ist zu wenig.

Prima Klima

Momentan streitet sich das Land, ob 1200 Soldaten deutscherseits wirklich ausreichen und was besser ist: Landkrieg, Luftkrieg oder Seekrieg oder Olympia? Was meinen Sie? Kommen Sie mir jetzt nicht mit der Verfassung! Der Soldat in uns scharrt schon ungeduldig mit den Füßen, während sich auf der anderen Seite der Front die Pazifisten vor Militärmusik am 1. Advent ekeln. Hier wie dort: Die Pfarreien versprechen den Reisenden seelischen Beistand, jedem einzeln in die Hand. Die anderen sind oooch nich bessa, tät‘ meine Omi Glimbzsch aus Zittau sagen, und in alter Erinnerung: Geh‘ doch in die Oberstadt, mach’s wie deine Brü-hü-der!

Das Elend der Vorstädte ist der ideale Nährboden für die Kriege von morgen. Ich bitte Sie: Woher sollen denn die Ungebildeten wissen, dass die Kriege nicht zu gewinnen sind? Das wissen ja nicht einmal wir – und wenn wir’s je gewusst haben: Längst vergessen. Die aus den Vorstädten in den Krieg ziehen, wissen nur, dass sie todsicher im Frieden die Verlierer sind, seit Generationen. Das könnten wir ändern, wenn wir wollten. Wir sind steinreich – und gebildet.

Einerseits, andererseits, sowohl als auch: Nicht wenige der Gebildeten in meiner unmittelbaren Nachbarschaft glauben allen Ernstes, dass da der Ami dahintersteckt, hinter allem, und nicht wir: Hinter den Fluchtbewegungen, hinten den Fluchtursachen, hinter dem VW-Skandal, hinter der Klimakatastrophe etc. pp. Die wollen Deutschland kaputtmachen! Was uns zeigt: Bildung hat letztlich auch Grenzen, Außengrenzen. Je mehr wir den Stacheldraht ausrollen und den Terror-Touristen ein „Stoi!“ zurufen, vielleicht auch fragen: „Gänsefleischt ’n Gofferraum effnen?“ – umso weniger Kohle haben wir für mehr Bildung. Ich weiss, das ist alles sehr kompliziert und hat auch mit dem Pariser Klima-Kipferl zu tun, und ich versteh’s ja selbst kaum! Vier Jahre Volksschule – was willste da schon schreiben! Ich hoffe, Sie denken mit.

Zum Nachtisch Feinstaub

Zum Nachtisch Feinstaub

Stuttgart, die grüne Großstadt zwischen Hängen und Würgen, ist Europameister beim Feinstaub: 80% aller Betroffenen haben Keuchhusten. Da beisst auch die Maus im Amtszimmer von Fritz Kuhn keinen Faden ab. Fadenscheinig allerdings und hilflos scheint nahezu alles Bemühen, den Titel an Hamburg oder Köln abzugeben! Von den selbstgesetzten und fremden Zielen, also vom weißen, unschuldigen Papier zur schmutzigen Realität bis zur Schleimlösung für die Lungen ist es ein weiter Weg, gepflastert gewissermaßen mit Leichen. Etwa 3,3 Millionen Menschen sterben jährlich weltweit an Luftverschmutzung. Zu den weltweit größten Ursachen der Todesfälle durch miese Luft gehören Schlaganfälle wie etwa bei Omi Glimbzsch in Zittau, das Schlägle und der hundsgewöhnliche Infarkt. Knapp 73% der Toten könnten ein Lied davon singen. 27 % der Todesfälle gehen freilich auf Atemwegserkrankungen oder Lungenkrebs zurück – vom Rauchen wollen wir jetzt mal nicht reden. Die mikroskopisch kleinen, ja fast niedlichen Feinstaubpartikel (ich sag‘ das, weil die nicht ernst genommen werden!) dringen über die Atemluft über die Lunge auch in die Blutgefäße ein. So manches schlägt sich dann auch im Hirn nieder, führt aber denkwürdigeweise zu keiner Verbesserung, sondern erhöht nur noch das Risiko. Und ganz nebenbei: In Deutschland sterben doppelt so viele Menschen an diesen schöngeredeten „Verkehrsemissionen“ wie an Verkehrsunfällen. Aber wir geben weiter Gas. Nahverkehr ist fast so poplig wie echte, alte Bäume, die in der europäischen Feinstaub-Hauptstadt zu hunderten umgenietet wurden.

So wie sich der TÜV und andere wichtige Behörden von VW & Co KG verarschen lassen, so verarschen die dann ihrerseits die Anwohner der Feinstaubstraßen: Dort lebt das wehrlose Volk, die unteren Schichten, die Ärmsten der Armen, Leut‘ ohne Lobby. Die oben in ihren PS-starken Karossen mit und ohne Manipulation vorbei donnern, scheren sich einen Dieseldreck darum. Sie diskutieren allenfalls im Feuilleton, was die Reduzierung auf 30, 40 oder 60 km innerstädtisch bringt. Treffender, klarer kann sich lokale, Landes- und Bundespolitik nicht vorführen. Jetzt fehlt nur noch der Antrag auf Strafvereitelung im Amt. Mit Todesfolge.

Paris

Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit

Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit – für diese Wette der Französischen Revolution sind die Menschen auf die Barrikaden gegangen. Die Arbeiter- und Emanzipationsbewegungen standen für diese Werte, für Aufklärung und Humanismus, für bessere Zeiten, damit eine andere Welt möglich wird.

Das dürfen wir uns nicht aus der Hand schlagen lassen – von niemanden. Keine Schnellschüsse nirgends! Auf dem Teppich der intellektuellen Redlichkeit bleiben: Haltung zeigen. Weitermachen beim schweren Alltagsgeschäft der Aufklärung. 

Zivilcourage ist notwendiger den je – für Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.

 

Wettern
Hurenkinder, Penisangst

Hurenkinder, Penisangst

Manche Meldung dieser Tage erfreut mein linkes Herz! Vor einer Woche wurde einem VW-Manager in den USA der Pass entzogen – vermutlich nur, damit er sich nicht der Verfolgung entziehen kann. Dazu passt die Nachricht, dass sich (deutsche) VW-Mitarbeiter auf keinen Fall in den Staaten blicken lassen sollten. Die Gefängnisse in den Staaten sind so berüchtigt wie deren Polizei und Justiz. Verschwörungstheoretiker gehen davon aus, dass der ganze Skandal von langer jüdischer Hand vorbereitet wurde, um die deutsche TÜV-Wirtschaft in die Knie zu zwingen. Die Flüchtlinge auch. Denn es sind ja nicht nur Terroristen, die da einwandern – die könnten wir verkraften, sorry, ich meine natürlich: Erwischen! Nein, die aktuelle die Völkerwanderung ist ebenfalls inszeniert – und auch das nur, um uns alle zu machen. In der guten alten Zeit empfahl die Regierung mit der Aktion Eichhörnchen: „Denke dran, schaff Vorrat an!“. Nachdenkenswert war überdies der amtliche Warnhinweis, sich bei einem Atomkrieg in die nächstbesten Straßengraben zu werfen und mit einer Aktentasche übem Kopp die letzten selbständigen Gedanken zu schützen. Das hat mich irritiert, denn bei jeder Röntgen-Untersuchung sichert man wieder und wieder durch einen Bleimantel meinen Unterleib. Das Personal verlässt dann panikartig den Raum. Ich habe Penisangst.

Womit ich zum Hurenkind komme. Damit wird im gedruckten wie im virtuellen Text die letzte Zeile eines Absatzes diskriminiert, sofern sie zugleich die erste Zeile einer neuen Seite ist. Hurenkinder, das hat man mit als Schriftsetzer schon ersten Lehrjahr eingebläut, sind in der Typografie schwere handwerkliche Fehler, da sie die Ästhetik des Satzspiegels besonders stark beeinträchtigen. Das Erscheinungsbild leidet. Neulich hab ich unterm öffentlich-rechtlichen Erscheinungsbild des Fernsehens gelitten und mich gefragt, wer hier Hure, wer Hurenkind und wer Freier ist. Jeder halbwegs bekannte Sportler begeht Vertragsbruch, wenn er sich von Mensch zu Mensch interviewen lässt. Das geht nur mit der Sponsorentafel im Hintergrund – alles andere ist untersagt. Der Gipfel war, als sogar das unmittelbare Umfeld eines Mikrofons von sage und schreibe acht Werbetafeln umzingelt war: Acht Quadrate der Dummheit. Wer nicht mitmacht, kriegt kein Bild, kein Wort, keinen Ton. Klar: Warum um alles in der Welt soll nur der deutsche Diesel auf Hund kommen und nicht auch die Informationsfreiheit?

Wettern
Glaube, Liebe, Hoffnung

Glaube, Liebe, Hoffnung

Die absolute Mehrheit liegt auch in der Türkei immer noch deutlich unter 99 % – das ist kein Wahlbetrug, das ist reiner Glaube! Die Mehrheitswähler haben sich deshalb nach dem Stimmgang auch gleich beim lieben Gott bedankt. Die Erdogansche Lehre heißt: Wer Chaos sät und auf Gewalt setzt, wer Kritiker ausbootet, einlocht, mundtot macht, kann Wahlen gewinnen! Hat doch geklappt. Die Türen in Rom, Berlin, London oder Paris stehen immer den Gewinnern offen, zu allen Zeiten. Zugegeben, bei demokratischen Wahlen spielt auch das Geld eine gewisse Rolle – wer nichts hat, kann nichts werden. Ein legitimer Stimmenkauf kommt fast überall auf der Welt ohne Wahlfälschung aus.

Nur hin und wieder geht der Schuss nach hinten los – wie jetzt eben. Im Osten der Republik könnte die AfD aktuell, also wenn denn heute nochmal Wahlen wären, 15 Prozent der Stimmen erreichen, morgen vielleicht 20. Beim Supermatch auf allen Kanälen stünde dann Geld gegen Angst. Angst gewinnt. Komisch: Dort, wo die wenigsten Christen leben, ist der Wunsch, das christliche Abendland zu retten, am größten: In Sachsen. Im Gegensatz zum Flüchtling Jesus, der alles teilte und erfreulicherweise sogar die Banker aus dem Tempel trieb, ansonsten aber eher als Gewaltfreier auffiel, würden die Retter des Abend- und Vaterlands am liebsten mit Feuer und Schwert an die Grenzen ziehen und die Heimatvertriebenen aufhalten.

Auch mein freundlicher Gemüsehändler von nebenan ist – außerdienstlich – für die AfD unterwegs – etwa, wenn der Spargel nicht gestochen werden kann und der Pole noch auf sich warten lässt. Die Angst sitzt tief unten in den sozialen Feldern. In den Nobelvierteln der Städte könnte keine Flüchtlingsunterkunft entstehen, in den Feinkostläden der Republik bleiben die besseren Kreise unter sich. Die da gehn zu Penny. An den Fließbändern, bei den Minijobs, da, wo richtig malocht wird, fürchten die Menschen Lohndrückerei. In den Kindergärten für die ärmeren, die benachteiligten Menschen wird um jeden Platz gekämpft. Längst haben die Städte ihre Sozialwohnungen verhökert – nur wer richtig Kohle hinlegt, bleibt nicht im Regen stehen. Das ist nicht neu: Der Notstand trifft immer die Schwächsten der Gesellschaft. Und die kriegen dann, weil’s die anderen nicht können, nicht wollen und weil’s nicht anders geht, die Aufgabe, die neue Heimatvertrieben zu integrieren. Es klappt. Glaube? Liebe? Hoffnung? Nein. Solidarität.

Wettern
Worte, nichts als Worte

Worte, nichts als Worte

Während in Guatemala ein Kabarettist die Wahl gewinnt – das macht mir Hoffnung – wollen sich im Herzen Europa die polnischen mit den ungarischen Clowns verbrüdern. Da vergeht uns das Lachen. Jenseits von Oder, Neiße und Donauquelle haut die Mitte der Gesellschaft auf den Putz. Das alte System ist überrascht und erschüttert. Längst redet auch bei uns die Mitte Klartext und lässt – noch stellvertretend – zu, dass andere den Knüppel aus dem Sack holen oder die Kastanien aus dem Feuer, wie man’s nimmt. 1000 brennende Unterkünfte lasen uns ja immer noch relativ kalt, und am Arsch vorbei geht die Frage, wie lang es noch dauert, bis Marie Le Pen Präsidentin des EU-Parlamentes wird. Wenn beim Brüssler Flüchtlingsgipfel mehr als die Hälfte der Mitgliedsstaaten einfach abtauchen, steht ja nicht nur dem Europagedanken das Wasser bis zum Hals. Meine Omi Glimbzsch aus Zittau tät‘ da der alte Marx einfallen: „Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des …“. Weiter konnte sie nicht – die Wende kam dazwischen.

Die politische Führung Deutschlands und ein Teil der mitregierenden Opposition müssen schnell neue Methoden entwickeln, um wiedergewählt zu werden. Die Schönwetterdemokratie ist zu Ende, es wird kalt. Der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels fordert schon mal angesichts der Ost-West-Spannung, die zu allem Elend noch dazukommt, eine weitere Aufrüstung der Truppe – genau die richtige Antwort in Zeiten des Kalten Krieges. Im Rüstungsbericht dieser Tage haut Diertmar Gabriel mit der Nachricht auf die Pauke, dass zwar mehr Schlachtermaterial verkauft worden ist, aber eben kaum noch gefährlich, Hausschlachtung also, Waffen als Kinderspielzeug für die Buben in Katar. Klar, eine Diktatur! Aber nennen Sie mir mal eine einzige Diktatur, wo die Menschenrechte nicht mißachtet werden! Die neueste Lieferung umfasst 62 Leopard-2-Panzer und 24 Panzerhaubitzen im Wert von etwa zwei Milliarden Euro – lächerliche Summen also.

Wo das Positive bleibt? Statt vorgezogener Neuwahlen, weil Merkel kippt, eine vorgezogene Adventsaktion der Bundesregierung: Um Hunger- und Kältetote zu vermeiden, könnte sie täglich zwei-drei Transall-Maschinen einsetzen, um dringend benötigte Medikamente, Nahrungsmittel für Kinder und warme Klamotten da runter bringen. Könnte.

‚Gebt mir eure Müden, eure Armen,
Eure geknechteten Massen, die frei zu atmen begehren,
Den elenden Unrat eurer gedrängten Küsten;
Schickt sie mir, die Heimatlosen, vom Sturme Getriebenen,
Hoch halt‘ ich mein Licht am gold’nen Tore!’

Peter Grohmann schreibt sein Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext – für lau.

Wettern
Schießbefehl jetzt!

Wo er Recht hat, hat er Recht, mein Minischterpräsident: Man kann die Grenzen eben nicht dichtmachen: „Das ist nur mit Mauern und Schießbefehl durchzusetzen,“ so Winfried Kretschmann im Nebel der Zeit. Das ist eine Binsenweisheit, die bei den Mehrheitsdeutschen noch nicht angekommen ist. Und das mit den Mauern gilt natürlich auch für Palästina, wo Hunderttausende auf gepackten Koffern sitzen – mit nischt drin, wie meine Omi Glimbzsch aus Zittau sagen würde – und nach Bayern wollen. Im nahen oder fernen Osten hat allerdings fast jeder Israeli die Absicht, eine Mauer zu bauen, aus gutem Grund, und fast jeder Palästinenser sieht Schwarz, was seine und die Zukunft seines Landes angeht. Momentan allerdings machen die Wirte weltweit die Rechnung ohne die Gäste. Selbst der Kubaner ist nicht mehr das, was er mal war. Cuba Libre sieht er nur auswärts und macht sich – voll ausgebildet – auf den Weg in die lockende Neue Welt. Ganz so wie der schwäbische Landmann. Rund 180 000 Leut‘ waren Anno Dunnemal auf der Balkonroute unterwegs, weg vom Hungerleben in Süddeutschland. Und Millionen und Abermillionen Liter guten deutschen Bluts verloren wir an die Vereinigten Staaten. Seinerzeit, etwa zwischen 1825 und 1913, suchten allein rund sechs Millionen deutsche Wirtschaftsflüchtlinge in den USA das bessere Leben. Heute sind’s eben mal 25 000 pro Jahr – die meisten davon finden in der Schweiz ihr Glück, und die Hälfte verlässt unser Land aus reiner Geldgier, oder einfach, weil es ihnen hier nicht gefällt.

Das haben die Auswanderer mit den Kölnerinnen und Kölnern gemein, die sich von nichts erschüttern lassen, nicht vom Kölner Klüngel und erst recht nicht von der Demokratie. Schon bei der letzten Oberbürgermeisterwahl trauten sich nicht einmal die Hälfte der Wahlberechtigten an die Urnen. Am 18.10.2015, diesem nachdenkwürdigen Datum, waren es nur noch 39,7%. Was für eine traurige Stadt, was für ein trauriges Land.

Peter Grohmann schreibt sein Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext – für lau.

Wettern
Addieren statt kritisieren!

Addieren statt kritisieren!

Ich sag‘ mal so: Ich war auch kein Musterschüler, und die Stanford-University war für mich keine echte Option, allenfalls die Parteihochschule der KPdSU. Wie sagte Karl Marx dort schon ganz richtig? „Be that determines the consciousness!“ Und dazu braucht’s keine Doktorarbeit – piepegal, wer sie letztlich abgeschrieben hat! Oft genügt es ja schon, wenn man eins und eins zusammenzählen kann. Nehmen Sie – nein, nicht Stuttgart 21 – die Hamburger Olympiade. Denn in Hamburg ist sauber gerechnet worden. Wenn dort am 29.11. 2015 bei neblig-kalten Wettern über Feuer und Flamme für Olympia vom Volk abgestimmt wird, kann man heute schon das Ergebnis vorhersagen: 52 zu 48. Woher ist das habe? Reine Pyrokinese! Das ist die Fähigkeit, mit der Kraft der Gedanken Feuer zu erzeugen und es ein Weilchen brennen zu lassen. Der Hamburger als solcher hat da so so seine Erfahrungen mit dem Rechnen, wie die Elbphilharmonie zeigt. Die sollte ursprünglich 77 Millionen kosten – aktueller sind’s inzwischen 789 Millionen. Das Geld ist ja nicht weg – es ist nur woanders. Und das liegt nicht an den philharmonischen Klobürsten, die 292 Euro kosten sollten pro Stück.

Bei Olympia geht alles ganz koscher zu: 11,2 Milliarden Euro, mit Tiefbahnhof. Olaf Scholz: „Peter, das ist die am besten durchgerechnete Bewerbung ever!“. Nicht ganz so ever ist ist Frage, wer die Zeche zahlen soll. Üblich ist die Drittelung zwischen austragender Stadt (Hamburg), Bundesland (Hamburg) und Bund. Da ist der Steuerzahler natürloch fein raus. Die Hansestadt Hamburg will aber lediglich 1,2 Milliarden Euro übernehmen. Den Rest? Vielleicht die Partner? Etwa das IOC . Es steht für Gigantomanie, Kommerzialisierung, Korruption, Intransparenz und undurchsichtige Machenschaften. Kaum eine Diktatur, in der das IOC nicht zu Gast war. Skandale gehören zum IOC wie die Olympischen Ringe – es ist faktisch der Bruder der FIFA.

Sei’s drum. Sie kenne mich – ich bin der Letzte, der hier rumkritisieren will. Ich habe selber genug Dreck am Stecken. Mein Vorschlag: Wir addieren 1 + 1 (= zusammenzählen): 10 Milliarden miese bei VW, 8 Milliarden bei der Deutschen Bank, sieben bei Olympiade, 8 bei Stuttgart 21 und 4 beim BER. Macht 37. Das entspricht exakt den Rückstellungen der Energieriesen für den Abriss der Atomkraftwerke. Noch ist das Geld da. Im Jahr 2024 sieht alles ganz anders aus. Wetten? Greifen wir heute zu!

Peter Grohmann schreibt sein Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext – für lau.

Wettern
Wenn Söder sabbert

Wenn Söder salbadert

Deutschland ist ein sicheres Herkunftsland. Von hier muss keiner abhauen, sollte aber, sagt Söder. Sintis zuerst.
Was wir wissen: Es gibt im ganzen schönen Land keine einzige Synagoge, die nicht geschützt werden müsste vor den Deutschen. Es gibt keine einzige jüdische Einrichtung, keinen Kindergarten, keinen Friedhof, die nicht regelmäßig von der Polizei beobachtet, bewacht und kontrolliert werden müsste – und trotzdem nie ganz sicher ist. Alle Einrichtungen sind darüber hinaus selbstverständlich mit Alarmsystemen und Videokameras ausgestattet, alle haben bruchsichere Scheiben, sichere Türen, Gitter vor den Fenstern. Jüdische Bürger laufen nur höchst ungern – und unsicher – in unserem sicheren Herkunftsland mit einer Kippa durch die Gegend.
Das ist unsere Heimat, das ist Deutschland 25 Jahre nach der Wiedervereinigung.
Auf der anderen Seite unserer Heimat dürfen wir aber von den Eindringlingen (das stammt aus dem Sprachschatz der christlichen Parteien, wird aber bald Allgemeingut) verlangen, dass sie sich anständig benehmen, keine Frauen schlagen (wie das bei uns noch gang und gäbe ist) und nicht religiös herum radikalisieren. Der Flüchtling sollte das Grundgesetz kennen und wissen, dass hierzulande die Würde des Menschen unantastbar ist, komme da, was wolle! Jeder Einheimische hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit! Und bei uns sind nahezu alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Noch mehr Chancen gibt dem Flüchtling die Verfassung Baden-Württembergs, denn „das Volk von Baden-Württemberg bekennt sich darüber hinaus zu dem unveräußerlichen Menschenrecht auf die Heimat.“ Nun ist daraus das Recht auf Heimatlosigkeit geworden, und die Hoffnung, dass die verlorengegangene Würde zurückkehrt, irgendwie.

Richtige wäre also: „Die Würde des Menschen ist verletzlich, sie ist zu ermöglichen, zu achten, zu wahren und zu schützen.“ Das freilich ist nicht nur Verpflichtung aller staatlichen Gewalt, sondern Verpflichtung und Verantwortlichkeit von uns allen. Nicht schwer – aber wer das nicht kapiert, steht irgendwie nicht auf dem Boden des Grundgesetzes.

Peter Grohmann schreibt sein Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext – für lau.

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Giftgas

Die Deutschen atmen Giftgas ein, Tag für Tag. Nicht nur – aber als hochmotorisiertes Land ganz schön deftig. Aber auf die Barrikaden will keiner. Was VW gemacht hat, ist vorsätzliche Körperverletzung, sagt die Deutsche Umwelthilfe. Da geht ich doch glatt einen Schritt weiter und sag: Fahrlässige Tötung!

Nu‘ regen Sie sich mal wieder ab – das hier ist eine Glosse und kein juristischer Beitrag zum § 222 StGB. Aber wenn alle Welt furchtbar empört tut und man momentan dem „Alles Müller oder was“ Zucker in den Arsch bläst, muss man sich doch als Mensch auf der Straße doch fragen, wo denn die Toten von VW bleiben. Für die da oben ist klar: Der Feinstaub fällt vom Himmel. Kein Stuhlgang, sondern Stühlerücken.

Merke: Allein an dem durch Dieselabgase ausgelösten Lungenkrebs sterben in Deutschland pro Jahr zwischen 1 100 und 2 200 Menschen. Zusätzlich sterben jährlich 8 000 bis 17 000 Menschen an Atemwegs- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die auf eine Rußbelastung zurückzuführen sind. Und bis zu 2 Prozent der jährlich rund 800 000 Todesfälle in Deutschland gehen auf den Dieselmotor zurück. (Berliner Zeitung, 22.7.15). Ist es denn tatsächlich so ein weiter Weg von Wolfsburg bis zum § 222 StGB:? „Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Der § 222 ist offenbar ein Geheim-Tipp – doch vielleicht geht dem ja mal einer von Ihnen nach. Denn auf die Behörden ist kein Verlass. Die sind oft auf beiden Augen blind, erstens generell, zweitens wegen ihrer Gewerbesteuern, drittens wegen der Spenden.

Umsonst ist der Tod. 2014 zahlte Daimler an CDU und SPD einen Bonus von 100 000 Euro. Die Grünen waren nur mit 40 000 Euro bezahlbar. Das Spnsoring kommt noch dazu, und transparent ist das alles eh‘ nicht. Aber macht nur so weiter! Bei der ganzen VW-Chose hab‘ ich übrigens bisher kein Wort von den Gewerkschaften gehört – vielleicht suchen die ja ihren Arsch in der Hose.

Die kriminellen Akteure in Wolfsburg und global haben da ganze Arbeit geleistet. Speziell VW braucht jetzt keinen Schutz – sondern Druck. Druck von uns. Sonst ist ja keiner da. Denn was bei VW passiert ist, ist kein Versehen, sondern ein bewusster Gesetzesbruch. Aber wenn das so weitergeht, schenk‘ ich meine Feinstaubplakette ab und schenk die meiner Omi Glimbzsch in Zittau. Die da drüben sind nicht so zimperlich wegen ein paar Russ-Partikeln.

Peter Grohmann schreibt sein Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext – für lau.

Wettern
Das große Willkommen

Wie schön: Die ganze Welt klopft uns auf die Schultern, weil wir so menschlich sind – und die anderen nicht. Endlich mal keine Polizeikontrollen mehr an den Bahnhöfen für die schwarzen Brüder (aber der Anfangsverdacht bleibt natürlich!) –, sondern ein herzliches Grüß Gott in München. Und weiter südwärts dann die Grenzen wieder dicht.

Das große Willkommen rührt ans Herz. Aber was kommt danach? Brandanschläge oder Hassgesänge? Der Schulterschluss der Ossis aus Polen, Tschechien, der Slowakei und Un-gern gegen den Strom? Wahltriumphe der Nationalsozialisten? Sprachreisen ins Niemandsland macht nur der Mittelstand, den Willkommengeheißenen wünscht man die Heimat zurück, lieber heute und morgen. Jetzt mal ganz unter uns Tippelbrüdern, wie meine Omi Glimbzsch aus Zittau seinerzeit die Völkerwanderer nannte, die aus Polen und der Armut kamen. Es genügt natürlich nicht, an den Bahnhöfen alte Klamotten abzulagern und Stullen zu schmieren. Das wissen wir. Aber sonst schmiert ja keiner, das mit dem ehrlichen Grüß Gott und dem warmen Tee und dem Teller Reis und dem Stullenschmieren kriegt ja nur die Zivilgesellschaft hin. Freilich, wir müssen schon mehr bieten, wenn wir wollen, dass es vorwärts geht, wo’s doch kein Zurück gibt. Deshalb muss es nach unseren ersten Liebesbeweisen heißen:

Vorwärts und nicht vergessen,
worin unsere Stärke besteht!
Beim Hungern und beim Essen,
vorwärts und nie vergessen:
die Solidarität! (Bertolt Brecht)

Mehr bieten heißt: Ein offenes, ein deutlicheres Wort an Europa, von der Etsch bis an den Belt. Ein ehrliches Wort an alle, die erfreulicherweise zu Hause in der warmen Stube bleiben können – und keine regierungsamtlichen Halbwahrheiten mehr in den Reden ans Volk, das man nicht erschrecken will. Seht, wie der Zug von Millionen endlos aus Nächtigem quillt: Das wäre die ganze Wahrheit. Sie kommen, weil wir ihnen den Boden unter den Füßen weggezogen haben. Sie sind willkommen, weil es andernorts null Perspektive für sie gibt. Andernorts warten der IS mit dem Fallbeil, Hunger, die Bomben der Koalition, Seuchen. Wenn wir noch länger warten, werden die Massenlager zu Todeslagern. Jetzt heißt es: hingestanden, Zivilcourage, Solidarität und Barmherzigkeit. Barmherzigkeit übrigens ist der Begriff von gestern für die menschlichen Tugenden von heute. Sichere Herkunftsländer erfinden und Schiffe versenken ist leichter.

Peter Grohmann schreibt sein Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext – für lau.

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Christen und andere

800.000 oder eine Million? Oder zwei? Hoffen wir das Beste: Drei. Denn Deutschland braucht frisches Blut, damit wir weiter vorne bleiben. Vorn ist immer da, wo die anderen erst noch hinwollen: Hoher Lebensstandard, allerhöchste Standards bei den Menschenrechten, dichtauf gefolgt vom Umweltschutz und den anderen Paragrafen. Einkaufen statt einholen, wie meine Omi Glimbzsch in Zittau gern zu Walter Ulbricht sagte. Deutschland wird alt, schwerhörig, bettlägerig – ich seh‘ es an mir. Wenn wir nicht in absehbarer Zeit Pi mal Daumen 5 Millionen Menschen mehr einkaufen, also im eigenen Land haben, ist Gefahr im Verzug! Derzeit sterben mindestens etwa 200.000 Blutsbrüder mehr als geboren werden, behauptet die Bundesregierung. Pro Jahr, Leute! Ohne kosovarische Fleißbandarbeiter, afrikanische Straßenfeger, syrische Studenten und den schwarzen Afghanen werden keine Träume mehr wahr: Wir stagnieren, ja wir sinken auf das Niveau von Seehofer, Le Penn und Radio Maryja. Radio Maryja sendet weltweit aus Polen, für etwa 50 % meiner älteren polnischen Freunde ist das die Stimme des lieben Gottes. Massive Fremdenfeindlichkeit und ein kräftiger Schuss Antisemitismus plätschert und plappert neben den verschiedenen Geboten, die der heilige Sender so drauf hat, auf das Wahl- und Kaufvolk nieder. Denn darum geht’s ja letztlich: Schleichwerbung – und richtig, also rechts zu wählen und so dafür zu sorgen, dass keine Muslime die Wäsche von der Leine klauen, Korane verteilen oder unwissende Kinder in ihre Moscheen locken. Derlei Ansichten teilen sich die rechten Polen mit den Rechten weltweit. Keine Frage, dass Radio Maryja Druck auf die Regierung macht – denn Viktor Orbán und Ungarn sind die nationalistischen Vorreiter und Vorbilder dieses christlichen Abendlandes. Unterdessen beten 5.000 Tataren – polnische Staatsbürger reinsten Wassers – in Ostpolen für bessere Zeiten und ein weltoffenes Europa. Ab und an stoßen sie da mit ihren Glaubensbrüdern, die vor den Toren der Christen auf dem Bahnhof der Barmherzigkeit auf Nächstenliebe warten, auf die Sure 59/13, wo es dem Sinn nach heisst: „Vor euch Muslimen haben sie mehr Angst als vor Gott – weil es Leute sind, die keinen Verstand haben.“

Das Fazit? Selbst die Christen dürfen ja nicht lügen, hehlen, stehlen, ehebrechen, hassen, töten: Das macht ihnen das Leben so schwer. Und mir auch. Nur Lieb sein ist noch schwerer. Da macht der Atheist keine Ausnahme.

Peter Grohmann schreibt sein Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext – für lau.

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Was hätten Sie denn gern?

Was hätten S' denn gern? – Peter Grohmanns "Wettern"

500 g Griechenland, abgefertigt, eine Tüte rechtsdrehende Mehrheiten, 1 Prise Menschenrechte, ein 1 Kilo Asylantenspeck, ein Portion syrisches Fertiggericht, eine Handvoll ungarischen Stacheldraht zum Mitkochen, ein Liter Krokodilstränen, gleich zum Hiertrinken.

Es ist eine Katastrophe! Jetzt gerät sogar die Mittelschicht unter Druck. Selbst bestens integrierte Ausländer werden nervös. Die Tafelläden, bislang sichere Herkunftsländer und Rettungsanker für die eigenen Armen, klagen über Engpässe. In Ungarn wird der Stacheldraht knapp, in Deutschland die Feldbetten. In Stuttgart denkt man daran, die Bunker unter dem Marktplatz und am Wilhlemsplatz, direkt bei der SPD-Zentrale, wieder herzurichten. Die taugten nach dem vorletzen Krieg sogar als Hotel, wären schnell grundsaniert, und der eine oder andere ist sofort bewohnbar – siehe „Herzlich Willkommen auf unserer Internetsete schutzbauten-stuttgart.de„. In der Rathausfluren wird gemunkelt, dass die Landeshauptstadt mit den Bunkern an der Tal- und der Sickstraße Ungewöhnliches vorhat: Bürgermeister Michael Föll prüft, ob sie sich für Wohnungen eignen. Der Gedanke ist nicht mehr so abwegig. In der Sattelstraße in Untertürkheim baut die Nordland Investment gerade einen Bunker um, der dem Bund gehört hat. Die Wohnungen sollen 2015 bezugsfertig sein. Geht doch!

Ganz abgesehen davon: Die Sache mit den Wirtschaftsflüchtlingen aus der DDR konnte ja damals auch niemand ahnen! Wir – ich gehöre dazu, meine Omi Glimbzsch blieb wegen offener Füße in Zittau (DDR) – wollten Kante zeigen und für nur unser Bestes. Mit Potschen kommste ja kaum über die grüne Grenze! Sehen Sie: Das ist Menschlichkeit. Wäre unsereins in der Ostzone geblieben, dann hätte ich Karriere gemacht: Erst Gruppenleiter bei den Thälmann-Pionieren, dann mit Anlauf zur Freien Deutschen Jugend, von dort direktemang in die SED. Kurze Haft (wg. Wiedergutmachung), und nach der Wende rein in die CDU. Ab 1990 Immobilienmakler – und heute ein Experte in Sachen Flüchtlingsunterkünfte – ein gemachter Mann.

Stattdessen? Glosse für Kontext.

Mein Ex-Freund Rolf G. aus DD hat es zum Inhaber eines nationalen Versandhauses gebracht. Zur Zeit bietet er Nationslrd an, aber auch Gebrauchsgegenstände für den Direkteinsatz. Sehr gut läuft z.B. sein „Teleskop-Schlagstock, schwarz, 53 cm. Abrutschsicherer, geriffelter Griff. Mit schwarzem Cordura-Gürteletui (100 % Polyamid), zusammengeschoben nur 21 cm, ausgezogen: 53 cm. Gewicht 400 g. Mit Griffüberzug aus rutschfestem Du Pont Hypalon. Ganz aus rostfreiem, schwarzen Stahl gefertigt. Interesse geweckt? Altersnachweis erforderlich: Personalausweiskopie an unsere Mail genügt.“

Der Ex ist dieser Tage vor Asylbewerberunterkünften tätig. Vermutlich Direktverkauf. Die Polizei kennt seinen Laden. Die Staatsanwälte in Sachsen auch. „Wir sind machtlos“, sagen sie.

Peter Grohmann schreibt sein Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext – für lau.

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Schluckauf mit Egon

Schluckauf mit Egon – Peter Grohmanns "Wettern"

Demokratische Wahlen sind auch dann demokratische Wahlen, wenn das Volk die Hamas wählt, konstatierte Egon Bahr, der es für einen Kardinalfehler unseres politischen Systems hielt, „dass uns das Bundesverfassungsgericht einen neuen Beruf geschenkt hat, nämlich den Politiker.“ Bei Bahr bekam mancher politische Täter schnell einen Schluckauf. Die knappen Statements haben es heute noch in sich, etwa sein Klartext zu Schülern im Ländle: „In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten.“ Seine lapidare Feststellung, dass „von Konrad Adenauer bis Helmut Kohl … alle Bundeskanzler inoffizielle Mitarbeiter des CIA“ waren, passt ins Heute wie die Faust aufs Auge und erklärt, warum unser Egon mehr in Talkshows als bei seiner Partei reden konnte. Unser Egon?

Als Entwicklungs-Hilfe-Minister hat Bahr rasch die Epplerschen Erkenntnisse über Bord geworfen und neue Prioritäten geschaffen: Gut für die Welt ist, was dem deutschen Export nützt. Wir haben unsere Rohstoffquellen zu sichern: Weniger moralischer Eifer, mehr Sinn für deutsche Eigeninteressen. Mit traditioneller Entwicklungshilfe, meinte er, sei weder daheim noch draußen großer Eindruck zu machen. Allenthalben wachse die Erkenntnis, dass mit einigen tausend Experten, mit Hunderten von Projekten in Asien, Afrika und Südamerika und mit einigen Milliarden an zinsgünstigen Krediten eine Wende in den notleidenden Regionen des Globus nicht zu bewerkstelligen sei.“ (Spiegel, 5.1.1976).

Da lag er voll daneben. Angesichts der Millionen, die seit Jahren vor Ausbeutung, also Hunger, auf der Wirtschaftsflucht sind, die den Schächern entkommen sind, den polit-religiösen Fanatikern aller Farben, die dem Tod im letzten Augenbock von der Schippe gesprungen sind, zeigt sich das ganze Versagen dieser Politik. Fassungslos sehen wir die Polizei (nicht nur) in Heidenau auf dem Rückzug, die ratlose Kaste der Berufspolitiker versteckt sich in den Sommerferien. So wie wir die Flüchtlingen in Griechenland im Stich lassen, lassen wir sie auch in Mazedonien im Stich, wo die Armee Blendgranaten gegen Mütter mit Babys einsetzt. Wir lassen sie auch bei uns im Stich, überlassen sie dem Pöbel aus der Mitte der Gesellschaft, ostwärts, westwärts, bis es richtig knallt. 400000? 600000? Eine Million. Wetten, dass?

Das Elend vor der Haustür einer der reichsten Nationen der Welt. Die durchorganisierte Republik mit Sticheleien in den Leitmedien gegen Flüchtlinge, mit Hass-Tiraden und Morddrohungen, nach denen kein Justiz-Hahn kräht. Überforderte, weil bürokratiegestählte Beamte, hilflose Behörden. Wär‘ da nicht die Zivilgesellschaft.

Peter Grohmann schreibt sein Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext – für lau.

Urlaub

Urlaub – Peter Grohmanns "Wettern"

Urlaub, was willste da machen? Zugegeben, manche wandern ja. Momentan angesagt ist das sogenannte Wahlkampfwandern, in diesem Fall mit allen Vieren: Kretschmann und Wolf (das ist der andere). Alle stimmungsgeladen bis zum Geht-nicht-mehr unterwegs. Selbst die Medien müssen mitwandern, sonst gibt’s kein Bild. Ohne Blasen keine Phrasen, wie der Volksmund weiss. Aber andernorts ist es oft auch nicht besser. In Spanien etwa ist das mit den deutschen Urlaubern, auch Touris genannt, inzwischen so schlimm, dass sich die Einheimischen nicht mehr in die Einkaufsläden trauen: Nix mehr mit Unser täglich Brot gib uns heute, alles weggegessen!

Auf den Boule-Plätzen in Madrid wird nur noch deutsch gesprochen, manchmal schwäbisch. Straßen und Plätze quellen über – viele kommen vor lauter Touristen nicht mehr mal aus dem eigenen Haus. Und jede Nacht Halligalli, betrunkene Mädels in der Gosse, ja sogar Nackte (aus Baden) zum Selfie auf den Straßen. Da platzt manchen Erstgeborenen natürlich der vielzitierte spanische Kragen! Sie sind mit ihrer Geduld am Ende, woll’n auch an die Strände – oder wenigstens in Westdeutschland arbeiten. Ins Fischerviertel von Barcelona kommste ja heute praktisch nicht mehr rein: Seh-Blackade der Einwohner auf den Straße, Tausende! Gegen uns, die Geld- und Heilsbringer!

Dann bleibt nur noch Lesbos übrig, oder eben Kos. Die Insel Kos wurde bekanntlich in der Jungsteinzeit durch dorische Siedler aus Epidauros kolonisiert, erzählte mir meine Omi Glimbzsch aus Zittau. Und es gibt tausende Inseln in der Gegend dort, meist noch im griechischen Eigentum, aber häufig schon frei von echten Einwohnern, was uns entgegenkäme. Ein Urlaub dort würde die verbliebenen Griechinnen und Griechen freuen, würde dem Land helfen. In Kos beispielsweise kann man jetzt eigenhändig Flüchtlingen retten – man darf sich nur nicht erwischen lassen. Einfach an Land ziehen – aber niemals nach Hause mitnehmen! Auf Kos gibt es nur einen Flugplatz, aber alles ausgebucht. Und die Fähren sind momentan absolut überfüllt. Von den Schwierigkeiten mit den Behörden zu Hause ganz zu schweigen. Also dann doch lieber durchmachen in Madrid oder Halligalli in Barcelona – und die abgetragene Kleidung ins Asylbewerberheim Schleyerhalle Stuttgart. Frisch gewaschen und gebügelt.

Peter Grohmann schreibt sein Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext – für lau.