Dienstag, 12. Juni 2012, 18.30h
Städtisches Lapidarium, S-Mitte, Mörikestr. 24/1
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Dieter Henrich: Hölderlins Gedicht „Lebenslauf“
In der Ode „Lebenslauf“ stellt Hölderlin das Verwobensein von Geschick (Schicksal) und Freiheit im Leben des Menschen dar. In der Form des Gedichts sind Motive der griechischen Philosophie und der christlichen Lehre mit dem modernen Freiheitsbewusstein zusammengeführt. An die Interpretation des Gedichtes schließen sich philosophische Reflexionen an. Den Teilnehmern sei nahegelegt, das Gedicht vorab zu lesen – und ihm nachzudenken.
Dieter Henrich hat maßgebliche Studien zum Deutschen Idealismus – Kant, Fichte, Schelling und Hegel – und zur Theorie der Subjektivität verfasst. Zu seinen zahlreichen Auszeichnungen zählen der Hölderlin-Preis der Stadt Tübingen (1995) und der Hegel-Preis der Stadt Stuttgart (2003).
Kostenbeitrag: je 8 Euro
Friedrich Hölderlin: Lebenslauf
Größers wolltest auch du, aber die Liebe zwingt
All uns nieder, das Leid beuget gewaltiger,
Doch es kehret umsonst nicht
Unser Bogen, woher er kommt.
Aufwärts oder hinab! herrschet in heil’ger Nacht,
Wo die stumme Natur werdende Tage sinnt,
Herrscht im schiefesten Orkus
Nicht ein Grades, ein Recht noch auch?
Dies erfuhr ich. Denn nie, sterblichen Meistern gleich,
Habt ihr Himmlischen, ihr Alleserhaltenden,
Daß ich wüßte, mit Vorsicht
Mich des ebenen Pfads geführt.
Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,
Daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern’,
Und verstehe die Freiheit,
Aufzubrechen, wohin er will.