Alle Beiträge von Benni Schad

Internationale Jugendbegegnung – Friedenscamp „Campo della Pace“ 2022

Auch in diesem Jahr ist wieder ein Friedenscamp in Sant’Anna di Stazzema und Stuttgart geplant. Junge Erwachsene (17 – 26 Jahre) verbringen gemeinsame Zeit in Pruno, einem toskanischen Bergdorf, und vor allem in Sant’Anna, am Gedenkort für die Opfer eines Massakers der Waffen-SS (12.8.1944). Im Vordergrund stehen gemeinsames aktives Lernen und gemeinsames Erleben: Begegnungen und Austausch mit Zeitzeug:innen, begleitete Wanderungen auf historischen Pfaden, Workshops (z. B. Kunstprojekt, Journalistik, Geschichtswerkstatt), gemeinsame aktive Teilnahme an den Gedenkfeierlichkeiten zum Jahrestag des Massakers. Zeit für Freizeitaktivitäten, auch am nahen Meer, ist eingeplant.

Anmeldung bis 30.06.2022*: Anmeldungen, Rückfragen (auch zu Beitragsermäßigung) und Informationen per Mail an  s.anna.campodellapace@gmail.com

Kurzinfo:

  • Friedenscamp 1 in Pruno und Sant’Anna di Stazzema: 03.08.–14.08.2022
  • Friedenscamp 2 (Nachbereitung) in Stuttgart: 29.10.–01.11.2022
  • Anreise: FC1 gemeinsame ab Stuttgart, FC2 selbstständig
  • Altersgruppe: 17 – 26 J.
  • Gruppengröße: max. 20 Teilnehmer:innen
  • Unterkunft: Mehrbettzimmer Ostello/Jugendherberge
  • TN-Beitrag: 250 Euro** (Ermäßigung möglich)

* je nach Nachfrage auch danach
**Angebot vorbehaltlich der Bewilligung von Zuschüssen durch das Auswärtige Amt

2022_Campo della Pace Infoflyer

Schräge Ukrainer – Grohmanns „Wettern der Woche“

Schräge Ukrainer – Grohmanns "Wettern der Woche"

In der Ukraine, teilt mir ein Freund empört mit, seien ab sofort russische Lieder verboten, darunter das beliebte Liebeslied „Katjuscha“, das von Trauer und Stolz des Mädchens Katjuscha erzählt, deren Liebster in den Kampf zieht. Woher soll man denn um Stalins Willen wissen, dass Katjuscha auch das liebste Lied der Roten Armee war, das Lied der Frontsoldaten, die auch das Pfeifen der Stalin-Orgel begleitete, und das heute das Lied der post-sowjetischen Raketenwerfer ist?

In Moskau und drumrum wiederum wirst du von der Miliz zusammengeschlagen oder nur eingeknastet, wenn du gelb-blaue Socken trägst. Wenn’s nur das wäre! Die schrägen Ukrainer sterben wie die schrägen Russen und wie die Fliegen an den Fronten – für uns, für Asyl und Demokratie und Meinungsfreiheit, für Menschenwürde und Julian Assange und Wohlstand und warme Buden und den freien Welthandel, für allseitige Profite mit Gas und Öl, für gute Nachbarschaft mit Despoten, Diktatoren, Oligarchen, Faschisten und Massenmördern.

Ihr sogenannten Herr’n / Ich sage euch ganz offen / Die Wahl ist schon getroffen / Ich werde desertier’n.

ntv behauptete gestern, die Zahl der Deserteure auf allen Seiten nehme zu, aber Desertieren, sag‘ ich da, reicht nicht aus, selbst wenn’s ein Russe tät‘, um hierzulande Asyl zu bekommen. Allerdings kann heute niemand mehr ganz genau sagen, was westliche Werte sind und ob die Menschenrechte komplett, also samt Präambel, dazugehören. Ganz generell ist man sich weitgehend einig, dass sie für alle Menschen gelten, natürlich nur rein theoretisch.

„Versailles schlemmt, Paris hungert“ – das war der Schlachtruf von 6.000 Frauen, die am 5. Oktober 1789 vom Arbeiterviertel Saint-Antoine nach Versailles zogen, bewaffnet für eben jene Menschenrechte, die wir heute für uns und alle, die nicht sprechen dürfen, reklamieren. Doch steht Versailles heute nicht vornehmlich für die Reichen und Schönen, für Gewalt, Ausbeutung, Unterdrückung, für Profitmaximierung rund um den Globus (und das auch in Russland, alter Freund)?

In Frankreich haben eben bei den Wahlen die Freiheitlichen die Arschkarte gezogen: Zwei Drittel der Französ:innen gingen nicht zur Wahl, von den Millionen, die gar nicht wählen durften, mal ganz zu schweigen. Dass Macron eins auf die Mütze bekam, mag ein Trost sein – und täuscht darüber hinweg, dass die Rechtsradikalen Triumphe feiern können. Unser Nachbar rutscht nach rechts und die Nachbarin auch. Eine dicke Mehrheit pfeift auf die Demokratie. Das könnte zum Nachdenken reizen, wenn’s nicht so warm wär‘.

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator von Bürgerprojekten. 

Andreas Platthaus im Blog der FAZ über Irene Lupis Graphic Novel „Enrico Pieri – Mai più – nie wieder – Sant‘Annas!“

„Ja, klar, mit einem Comic wird auf junges Publikum spekuliert. Manchmal aber auch zu Recht. Deshalb sind viele Institutionen seit einigen Jahren – nachdem sich über die Etablierung des Begriffs „Graphic Novel“ der von manchen empfundene Hautgout des Comics verflüchtigt hat – ganz wild darauf, ihre Ziele mittels dieser Erzählform zu propagieren. Manchmal zu Recht. So auch der in Stuttgart existierende Verein „Die AnStifter“, der sich seit mehr als zwei Jahrzehnten unter dem Motto „Eigensinn und Zivilcourage“ für Demokratie und Toleranz engagiert. Er hat nun die deutsche Fassung eines Comics ermöglicht, in dem die 1983 geborene italienische Zeichnerin Irene Lupi von ihrem im vergangenen Dezember gestorbenen Landsmann Enrico Pieri erzählt. Oder richtig gesagt: Enrico Pieri erzählen lässt, denn Lupis ihm gewidmeter Comic ist sein Vermächtnis.“

Wenn die Zeitzeugen sterben, muss die Erinnerung an sie aufleben – Comic (faz.net)

Mehr Informationen zum Buch und der genannten Veranstaltung: Graphic Novel „Enrico Pieri“ erschienen und öffentlich präsentiert | Die AnStifter (die-anstifter.de)

Und in der B&W (Bildung und Wissenschaft), Mitgliederzeitung der GEW BW, hat Eberhard Frasch ebenfalls eine wohlwollende Besprechung verfasst.

Gewaltbereit! – Grohmanns „Wettern der Woche“

Gewaltbereit! – Grohmanns "Wettern der Woche"

Ich kenn‘ Sie doch – Sie wundern sich über garnüscht mehr! Womöglich könnten Sie nicht mal taktische Atomwaffen aus der Ruhe bringen. Verständlich also, wenn sich keine Sau darüber aufregt, dass Ihre eigene Regierung in diesen Zeiten der Lobby der Haus- und Grundbesetzer doppelt so oft Gehör schenkt wie der Armee der Mieter. Das sind zu viele. Vonovia kann jetzt wieder mal frohgemut ihren Kunden ans Eingemachte gehen, solange noch was da ist. Schon meine Omi Glimbzsch aus Zittau wusste: Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt oder landet auf der Straße. 50.000? Genaues weiß keiner nicht genau. Denn in den Nächten ist nicht viel zu sehen, auch wenn der Letzte immer noch nicht das Licht ausgemacht hat.

In den Gossen von heute suhlen sich inzwischen wohlig die grünen Bahnfahrenden mit ihrem sozialdemokratischen 9-Euro-Tick. Auf liberaler Seite setzt man eher auf Daimler: Mit einer konsequenten Luxusausrichtung sowie dem Fokus auf E-Antrieb und exzellenter Software will man Christian Lindner ans Leder fesseln. Daimler hat dabei auch die knorrigen Eisenbahner an seiner Seite. Die setzen alles dran, um die Menschen zum Autofahren zu erziehen: Sie pumpen jedes Jahr mehr als neun Milliarden Euro in die Deutsche Bahn. Genau das Geld, das für Ihre Verteidigung jetzt fehlt, aber hier wie dort nicht hilft, es sei denn, unsere Leute besiegen Putin für immer und die Ukraine wird deutsch. Übrigens, im Gegenzug zu den neun Bahn-Milliarden kommen die Züge immer unpünktlicher an. Ausgefallen. Auf diese Weise kommen Sie zwar auch nie zu spät, aber eben auch nie an.

Damit wir uns richtig verstehen: Ich bin ein ausgewiesener, gewaltbereiter Bahnfreund. Meine Freundschaft umfasst den gesamten europäischen öffentlichen Nahverkehr ohne private Pkws nebst Fahrradmitnahme und die Nachtzüge nach Dresden und Berlin wie damals. Private Pkws erlaube ich Ihnen ausnahmsweise nur dort, wo keine Busse und Bahnen mehr fahren. Die Bahn hat – das müssen Sie doch noch wissen, Sie haben die doch gewählt! – jahrelang dafür gesorgt, dass es immer mehr Ausnahmen gibt. Streckenmord, und das ist fast so grausam wie Privatisierung oder Stuttgart 21 samt Gäubahn-Desaster. Hier schießt sich der Kreis: Die nun wirklich und nicht nur im Bahnvideo einmalig schöne Panoramastrecke mit einem idealen Zulauf in den Stuttgarter Kopfbahnhof muss wohl oder übel zugunsten von Immobilien-Interessen schließen. Eher übel. Zum Mitsingen: Schuld ist nur der Bossa Nova, der ist schuld daran …

Für die Daimler-Fans unter ihnen, die umsteigen wollen, weil ihnen selbst das billigste Modell (100.000 EU, aber noch ohne Räder) zu teuer ist: Vorsicht an der Bahnsteigkante, Zurücktreten bitte! Bis in die Neunzigerjahre (die waren erst neulich) gab’s die Tages- und Nachtverbindung Stuttgart–Prag, gab’s durchgehende D-Züge wie Hof–Strasbourg, Bayreuth–Zürich–Milano, gab’s durchgehende Verbindungen Stuttgart – Nürnberg – Berlin, Stuttgart–Hof–Leipzig, gab’s Karlsruhe–Görlitz, gab’s Gera–Zwickau–Hof–Stuttgart–Karlsruhe, gab es den Schnellzug Stuttgart–Aalen–Donauwörth–München. Jetzt gibt’s 9-Euro-Tickets. Hopfen und Malz – aber Gott erhalt’s.

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator von Bürgerprojekten.

Bilder der Matinee für Julian Assange und Maryia Kalesnikava am 26.5.22 im Theaterhaus

Peter Grohmann vor Beginn der Veranstaltung
Manfred Scheifele (Vorstand der AnStifter), Bascha Mika, Peter Grohmann und Heidemarie Roth (Vorstand der Stiftung Stuttgarter Friedenspreis)
Mit einem Infotisch vertreten: Die Stuttgarter Mahnwache für Julian Assange
Kasia Kadlubowska, Mohammed Sellami, Mazen Mohsen, Marie Luise und Zura Dzagnidze begeisterten das Publikum.
Bascha Mikas Laudatio für Julian Assange und Maryia Kalesnikava war ein wichtiges Plädoyer für die Meinungs- und Pressefreiheit.

Fotos: Raimond Stetter und Benjamin Schad

Peter Grohmann
Das Wettern der Woche – Vaterlandsverräter!

Vaterlandsverräter – Grohmanns "Wettern der Woche"

Ich muss mich entschuldigen, nein, jetzt ganz ernsthaft! Warum? Weil ich den Kriegsdienst verweigert habe, 1961! Ich fand Franz Josef Strauß (damals Verteidigungsminister) zum Kotzen wie alles, was nach Militär roch. Unsere Väter und ihre Mütter hatten ja genug angerichtet in der Welt und der Ukraine, dacht‘ ich damals, und so hab‘ ich Willy Brandt 1969 an die Macht gebracht. Vorher, dacht‘ ich damals, war nur Hass und alte Nazi wie Globke und Kiesinger (oder war’s Filbinger?) und Speidel und eine naziverseuchte Justiz.
Ein Jahr später – 1970 – sank Willy Brandt unerwartet auf die Knie – ein deutscher Kanzler beugt sich im kommunistischen Polen nieder, gewissermaßen als Krönung einer neuen Ostpolitik, besiegelt im Warschauer Vertrag.
Aber auch ich hatte schon vorher Mist gebaut und 1958 / 59 mit 22 Jahren an der Bürgerbewegung „Kampf dem Atomtod“ teilgenommen, nur wegen Hiroshima. Was die Ostpolitik angeht: Willy Brandts Geste war Demut und Bitte um Vergebung für die deutschen Verbrechen des Zweiten Weltkriegs: Die Welt nahm’s und ab und ernst. Nazirichter und Generäle, Medienschaffende, Unternehmen und Politiker im deutschen Land blieben weitgehend verschont, auch in der DDR. Ja, so war das eben damals mit der „Ungesühnten Nazijustiz“.
Die namensgleiche Ausstellung dazu voller beweiskräftiger Dokumente wurde behindert, verboten, verjagt, die Initiatoren juristisch verfolgt. So bleiben eben bis heute auch die Verbrechen der deutschen Wehrmacht und ihrer ukrainischen Helfer mit dem heißgeliebten Nationalhelden Stepan Bandera ungesühnt und werden unter die neuen Teppiche gelehrt. Bandera war Anführer der Ukrainischen Nationalisten. Im Juni 1941 – Überfall auf die Sowjetunion – wurden die deutschen Soldaten in Lemberg von Banderas Truppen mit Brot und Salz, mit Blumen und Jubel freudig empfangen. Ukrainer und Deutsche stürzten sich dann gemeinsam auf die jüdischen Einwohner der Ukrainischen SSR. Am Ende ermorden sie in mehreren Pogromen Tausende Menschen: Sie hatten sich der Vernichtung von nationalen Minderheiten verschrieben. Banderas Idee, der auch Polen und Russen, ‚Zigeuner‘ und alle anderen Minderheiten hasste: Je mehr Juden beim Einmarsch der Deutschen getötet werden, umso besser. Von den 2-3 Millionen ukrainischen Juden fielen während des Zweiten Weltkriegs in etwa 1,5 Millionen dem Holocaust zum Opfer, hunderttausende flohen ostwärts, viele schlossen sich der Roten Armee an befreiten ein sich „bis auf den letzten Blutstropfen“ wehrendes Deutschland vom Faschismus.
Samuel, den wir als Kinder Sascha nannten, war ukrainischer Soldat einer vorwiegend jüdischen Einheit der Roten Armee. Er brachte zweimal die Woche Brot und Suppe den deutschen Kindern in die zerstörten Vororte Breslaus. Aber das war damals, im Frühling 1946. Das ist mehr als 75 Jahre her.

Peter Grohmann (peter-grohmann@die-anstifter.de)
ist Kabarettist und Koordinator des Bürgerprojekts Die AnStifter

Sommerfest der AnStifter am 29.5.22 im WKV

Am vergangenen Sonntag fand im WKV endlich wieder ein Sommerfest der AnStifter statt. Dr. Ulrich Bausch von der Volkshochschule Reutlingen hielt dabei den Hauptvortrag zum Thema „Putins Krieg – hat die Diplomatie noch eine Chance?“, den Sie hier nachlesen können. Es lohnt sich!

Außerdem mit dabei waren Elka Edelkott, die ihre Organisation just human, die Geflüchtete Frauen und Kinder in Griechenland unterstützt, vorstellte und Martin Stankowski mit Erläuterungen zur Ausstellung „Anschläge – 5 Jahrzehnte politische Plakate von Jochen Stankowski und die AnStifter“.

Musikalisch begleitet und abgerundet wurde die  Veranstaltung von Simon Eder an der Gitarre und Frank Eisele am Akkordeon.

 

Fotos: Raimond Stetter u. Benjamin Schad

 

Noch bis Sonntag im WKV
Anschläge – 5 Jahrzehnte politische Plakate von Jochen Stankowski und Die AnStifter

Alle Fotos Herbert Grammatikopoulos (www.grammatix.de)

Weitere Informationen zur Ausstellung gibt es auf der Website von Jochen Stankowski

Gott schweigt – Peter Grohmanns „Wettern der Woche“

Gott schweigt – Peter Grohmanns "Wettern der Woche"

Zierpflanzen werden als beliebte Nahrungsquellen für unsere Bienen angepriesen, sind allerdings sehr häufig mit längst verbotenen Pestiziden vergiftet. Die Bienen verrecken. Eigentlich schade, ja widerlich. Während bei uns daher der Bienenhonig rar wird, fehlt’s den ärmeren Schichten in den Staaten an Milchpulver. Wegen der unbegrenzten Möglichkeiten gibt es dort kaum Mutterschutz: Frauen haben zu arbeiten und nicht zu stillen. Das ist nicht nachhaltig, sagt auch Luisa Neubauer, meint aber die Deutsche Bank und deren angebliche Nachhaltigkeitsinitiativen. Das ist kein lustiges Nachmittagshobby, sagt sie, sondern Greenwashing. Da ist Daimler schon ehrlicher: Die produzieren künftig ihren Luxus-Scheiß vor allem für die reiche Oberschicht. Enteignen.

Ja, die Börsen, die Schlachthöfe und die Banken! In einem Grußwort an die Besuchenden des Stuttgarter Katholikentags zitiere ich meinen alten Freund Franziskus aus Rom: „Wir sagen Nein zu einer Wirtschaft der Ausschließung und der sozialen Ungerechtigkeit, wo das Geld regiert, anstatt zu dienen. Diese Wirtschaft tötet. Diese Wirtschaft schließt aus. Diese Wirtschaft zerstört die Mutter Erde.“ Diese Wirtschaft ist widerlich, würde meine Omi Glimbzsch in Zittau hinzufügen. Sie ist Atheistin von Geburt an.

„Peter, Krieg ist, wenn die Unschuldigen in die Hölle müssen.“ Wie in der Ukraine. Zu allem Elend wird dort auch Streumunition eingesetzt – von beiden Seiten (und von beiden Seiten bestritten). Klar, weder Russland noch die Ukraine haben sich der Konvention gegen Streumunition angeschlossen, und auch das vorbildliche US-Militär darf künftig wieder Landminen einsetzen, wenn es um Freiheit und Demokratie geht. China sowieso. Aber bleiben wir im Lande: Überfällig ist ein deutsches Investitionsverbot in Firmen, die Streubomben herstellen. Die Oslo-Konvention, von uns unterzeichnet, verbietet explizit Einsatz, Lagerung, Export und Produktion von Streumunition und sagt: „Jeder Vertragsstaat verpflichtet sich, unter keinen Umständen jemals (…) irgendjemanden zu unterstützen, zu ermutigen oder zu veranlassen, Tätigkeiten vorzunehmen, die einem Vertragsstaat aufgrund dieses Übereinkommens verboten sind.“ Ein komplizierter Satz, den man offenbar für Rot-Grün-Gelb erst übersetzen muss: Einem Unternehmen, das diese menschenverachtenden Waffen produziert, Geld zur Verfügung zu stellen, ist definitiv widerlich.

„Was ist mit dir los, humanistisches Europa, du Verfechterin der Menschenrechte, der Demokratie und der Freiheit?“, fragte der Papst am 6. Mai 2016 in Aachen. Gott schweigt.

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator von Bürgerprojekten. Alle Wettern-Videos gibt es hier zum Nachgucken.

Taktische Atomwaffen – Grohmanns „Wettern der Woche“

Taktische Atomwaffen – Grohmanns "Wettern der Woche"

Neulich stand einer am Gartenzaun, der sah aus wie General Heusinger und erklärte mir, warum es uns (außer Geld) nichts bringe, den Ukrainern zum Beispiel den Schützenpanzer Marder zu liefern. „Grohmann, das sind letztlich hochkomplexe Systeme, das meiste computergesteuert – eine Sache, von der Sie eh keine Ahnung haben! Und was, wenn da mal ein Chip ausfällt? Da kannste dann nicht auf den Techniker von Kraus-Maffei warten!

Website freigeschaltet:
Vom Wert der Menschenrechte

Die für den Herbst geplante Veranstaltungsreihe „Vom Wert der Menschenrechte“ präsentiert sich am 14. April 2022 mit einer eigenen Website: https://30tageimnovember.de
An den „30 Tagen im November“ wollen sich bisher bereits u.a. 150 Theater, Initiativen, öffentliche, soziale und kirchliche Einrichtungen, Jugendverbände, Schulen, Kinos und Orte der Erinnerung beteiligen.
Geplant sind Ausstellungen, Vorträge, Konzerte, Stadtführungen, Lesungen und ein Internationaler Plakatwettbewerb zu den Menschenrechten. Die Website vermittelt einen ersten Eindruck von der Tiefe und Viefalt des Programms. Im Mittelpunkt stehen dabei die Novemberpogrome und der Kampf um Demokratie und Freiheit mit Themen wie Rassismus, Gewalt, Antisemitismus und die Verteidigung von Frieden und Demokratie. Eine Vorschau auf der Website gibt einen ersten Eindruck von den geplanten Veranstaltungen und Aktionen.
Die vom Bürgerprojekt Die AnStifter initiierte Reihe wird von der Landeshauptstadt Stuttgart und nahezu allen Initiativen aus den Erinnerungs- und „Interkultur“ unterstützt. Die Mitarbeit weiterer interessierte Akteure ist willkommen.

Vive la France – Peter Grohmanns „Wettern der Woche“

Vive la France – Peter Grohmanns "Wettern der Woche"

Vive la France!, ruft der Franzose, wenn’s ihm beschissen geht. Klar, Revolution oder so will er nicht nochmal machen – Égalité hin oder her, es reicht ihm mit der Republik. Aber am 24. April darf er mal wieder das Zünglein an der Waage sein: Soll er oder soll er nicht? Fast ein Drittel unserer NachbarInnen stimmten, wenn sie stimmen durften oder wollten, für den Typ mit Krawatte, Anzug und weißem Hemd, fast 50 Prozent für Ausländer raus (ja, ich weiß). Nun ist die Merde am Dampfen, denn die salonfähige Madame zwinkert schon mal den Faschisten zu. Nie in ihrem Leben war die Chance größer, Volkspräsidentin zu werden. Deshalb sind jetzt Grüne, Linke, Kommunisten und echte Republikaner so erschrocken: Morgen könnten sie vielleicht verboten oder, noch schlimmer, bedeutungslos werden. Nur der mit dem weißen Hemd könnte sie und den Rest von der Republik noch retten. Fuffzich Fuffzich, dass es klappt.

Dass russische Kinder hierzulande drangsaliert werden von den Andersstämmigen, ist neu. Bislang haben immer sie die Andersstämmigen gehänselt und gegretelt, gemeinsam mit dem Rest der Klasse. Vielleicht, da denken sie wie ihre Eltern, rettet uns doch ein höh’res Wesen und wenn es Putin hieße! Sie lieben den GPU-Genossen wie den eigenen Opa. Weiß-Blau-Rot mit goldner Zarenkrone, darunter macht es der Russe nicht, wenn er in Stuttgart gegen Corona, ukrainische Faschisten und die Systempresse hupt. Nun sind weiß Gott nicht alle Faschisten Ukrainer, aber es gibt welche. Unsereins, als Sensibelchen für Menschenrechte, wär‘ schon mit weniger zufrieden und würde bei der Polizei in Mannheim anfangen. Die hat einen sicheren Blick dafür, wer echter Ukrainer ist und wer Zigeuner, was man nicht sagen darf, weil es rassistisch und nicht korrekt ist.

So wie die Colors of People von den Polen zurück an die Front geschickt werden, zu den Russen ums Verrecken, wenn sie in Polen anklopfen, so werden ja auch an den anderen Außengrenzen die Leute zurück ins Meer geschickt, was auch nicht korrekt ist. In der Ukraine selbst, wo auch die Freiheit der Kontext-LeserInnen verteidigt wird, gibt es für die vielleicht 400.000 Sinti*zze und Rom*nja auch kein Zuckerschlecken. Sie gelten vielen Menschen, die sich gegen die russischen Untermenschen verteidigen, halt auch als Untermenschen – ein stehender Begriff aus großdeutschen Zeiten, als alles, was ostwärts von Zittau, ostwärts von meiner Omi Glimbzsch lebte, als untermenschlich galt und allenfalls als Arbeitstier anerkannt wurde.

Dieser Tage sprach der sich geirrt habende Bundespräsident, der Brandts und die eigene Ostpolitik den Gully hinunterspülte, weise Worte zu den Sinti*zze und Rom*nja und dass es ganz gemein war, wie man die noch lange nach ’45 bis ins Heutige hinein umeinanderdiskriminierte. Zu den Zigeunern, die gestern und heute in der Ukraine mit grüner Farbe angesprüht oder gern auch mit Klebeband an Straßenlaternen gefesselt werden, sagte er nichts. Konnt‘ er auch gar nicht, weil wir sowas nicht wissen.

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator von Bürgerprojekten

Beitrag von Katharina Ernst bei der Kundgebung anlässlich der Erinnerung an die Verfolgung, Deportation und Ermordung der Sinti*zze und Roma*nja am 8. April 2022

Bild: Stadtarchiv Stuttgart


Woran wir uns heute erinnern, ist die Deportation von Sinti und Roma aus Württemberg und Hohenzollern nach AuschwitzBirkenau, die am 15. März 1943 von Stuttgart aus erfolgte. Wir erinnern uns daran aus sehr verschiedener Perspektive. Die einen, weil ihre Angehörigen verfolgt, misshandelt und ermordet wurden. Die anderen, weil ihre Angehörigen der Verfolgung, Misshandlung und Ermordung nichts entgegensetzten, vielleicht sogar an einer der vielen beteiligten Stellen in der Verwaltung, bei der Polizei, bei der Justiz indirekt oder auch direkt daran mitwirkten. Im Stadtarchiv Stuttgart und in anderen Archiven lässt sich die tiefe Verstrickung dieser Stellen in die Verfolgung an den Quellen untersuchen.
Die Diskriminierung und Ausgrenzung von Sinti und Roma in Europa, in Deutschland, ist alt und hat vor 1933 ebenso existiert wie nach 1945. Viele stereotype Vorurteile lassen sich schon im 15. Jahrhundert nachweisen. Im 19. Jahrhundert erhielt die Diskriminierung und Ausgrenzung eine damals als wissenschaftlich geltende Legitimation durch die entstehende Rassentheorie, die Menschen in unterschiedliche und unterschiedlich wertvolle sogenannte „Rassen“ einteilte. Ein Konzept, das wissenschaftlich nicht haltbar ist, das furchtbare Konsequenzen hatte, und das bis heute nachwirkt.

Unter der Herrschaft der Nationalsozialisten intensivierte und radikalisierte sich die Ausgrenzung und Verfolgung immer mehr. Sinti und Roma wurden entrechtet, interniert, zwangssterilisiert, zur Zwangsarbeit gezwungen, und schließlich ins KZ deportiert und ermordet.

Heinrich Himmler, der Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei, hat im Dezember 1942 die Einweisung aller sogenannten „Zigeunermischlinge“, sogenannter „RomZigeuner“ und Angehöriger sogenannter zigeunerischer Sippen balkanischer Herkunft“ in ein Konzentrationslager angeordnet. In AuschwitzBirkenau wurde im Lagerabschnitt B II ein aus 32 Baracken bestehender Bereich B IIe abgetrennt, dort wurde das sogenannte „Zigeunerlager“ eingerichtet. Am 15. März 1943 erfolgte die Deportation der Sinti und Roma aus Stuttgart. Transporte aus Mannheim, Mosbach, Heilbronn und Karlsruhe folgten in den darauffolgenden zwei Wochen.

Ca. 24.000 Sinti und Roma wurden nach AuschwitzBirkenau deportiert. Als der Bereich B IIe Anfang August 1944 aufgelöst werden sollte, lebten davon kaum noch 3.000. Etwa 1.000 von ihnen wurden in andere Lager deportiert, die übrigen ermordet.                           

Insgesamt fielen dem Porajmos, dem Holocaust an den Sinti und Roma, noch sehr viel mehr Menschen zum Opfer: bis zu 500.000 Sinti und Roma wurden ermordet. Die Diskriminierung und Verfolgung der Sinti und Roma war mit dem Ende des zweiten Weltkriegs und der nationalsozialistischen Herrschaft jedoch nicht zu Ende.  „Wiedergutmachung“ und „Entschädigung“ sind problematische Begriffe, denn wie lassen sich solche Verbrechen wieder gutmachen, wie lässt sich solches Leid entschädigen? Aber für die Sinti und Roma gab es nicht einmal den Versuch einer Wiedergutmachung und Entschädigung, es gab keine Anerkennung des ihnen widerfahrenen Unrechts, des von ihnen erlittenen Leids. Eine Entschädigung konnten Verfolgte erhalten, die aus politischen, rassischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen verfolgt worden waren. Dazu hätten die Sinti und Roma zählen müssen. Der Ausdruck „Zigeunermischlinge“ belegt die eindeutig rassistische Motivation der Deportationen ins Lager AuschwitzBirkenau. Verwaltung und Justiz der Nachkriegszeit leugneten jedoch die rassistische Motivation und behaupteten, die Verfolgung der Sinti und Roma habe seinen Grund in deren ich zitiere „Kriminalität und Asozialität“ gehabt. Die Formulierungen, die sich in Erlassen und in Gerichtsurteilen aus den 1950er Jahren finden lassen, knüpften nahtlos an die NSZeit an. Antiziganistische Vorurteile wurden nicht verschämt, nicht unter der Hand oder am Stammtisch artikuliert, sondern höchstrichterlich. Die Entschädigungspraxis wurde so von den überlebenden Sinti und Roma vielfach wie eine zweite Verfolgung erlebt. Erst in den 60er Jahren änderte sich die Rechtsprechung zu spät für viele Sinti und Roma, die nicht mehr lebten, oder die sich dieser Erfahrung nicht ein zweites Mal aussetzen wollten.

Dr. Katharina Ernst
Direktorin
Kulturamt Stadtarchiv

Butscha
Ein Versuch – Grohmanns „Wettern der Woche“

Butscha: Ein Versuch – Grohmanns "Wettern der Woche"

Peter Grohmann: Das Wettern der Woche für den 5.3.2022

Napalm? Butscha – das kennen wir aus Vietnam, als die Armee der Freien und Gleichen mit Flammenwerfern die Hütten niederbrannte, in die sich die Menschen geflüchtet hatten – Alte, Frauen, Kinder, Familien. Das war gestern. Doch Klartext für heute: Wer die Zahl der Toten, der Ermordeten, der Opfer des „Westens“ benutzt, um Putins Kriegsverbrechen zu verkleinern, ist moralisch bankrott.

Amnesty International hat im Laufe des russischen Überfalls Angriffe des russischen Militärs auf die zivile Infrastruktur dokumentiert – auch auf Schulen, Krankenhäuser, Kindergärten und Wohnviertel. Über die Zahl der Opfer ist das meiste bekannt. Im Norden der Ukraine hat AI u.a. einen Angriff mit Streumunition auf eine Schule dokumentiert, bei einem gezielten Fliegerangriff auf eine Gruppe Hungernder, der um Essen anstand, wurden 47 Zivilpersonen getötet. AI kann belegen, dass die russischen Streitkräfte wahllos mit Streumunition, mit Waffen von großflächiger Wirkung wie ungelenkten Fliegerbomben (dumb bombs) und Salven von Mehrfach-raketenwerfern (MLRS) auf Städte, Gemeinden und dichtbesiedelte Gebiete die Infrastruktur des täglichen Lebens der Zivilbevölkerung zerstören.

Wahllose Angriffe, bei denen Zivilpersonen getötet oder verletzt werden, stellen Kriegsverbrechen dar und verstoßen gegen das humanitäre Völkerrecht und internationale Menschenrechtsnormen. Aber:

Der Internationale Strafgerichtshof, eingerichtet von den Vereinten Nationen 1998, dokumentiert, untersucht und sühnt zwar schwerste Verbrechen des Völkermords, gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und das Verbrechen der Aggression. Doch Staaten wie die USA, Russland und China haben das Statut nicht ratifiziert – und damit die Kompetenz des Gerichts nicht anerkannt.

Ob anerkannt oder nicht: Die Kriegsverbrechen von gestern sind selten oder nie sanktioniert worden, von Babi Jar über My Lai, vom Ungarnaufstand 1956 über den Algerienkrieg nach Grosny, von Halabja nach Chile oder Argentinien oder Prag. Wie militärische Lösungen heute aussehen, könnte die Welt, wenn sie wollte, in Afrika besichtigen, in Afghanistan, Syrien, im Jemen, in Äthiopien, im Sudan – und morgen in der Ukraine, wenn die Bilder nicht mehr zensiert werden.

Tod und Terror, Ruinen, zerstörtes Land, Folter, Vergewaltigung, Totschlag und Massenmord sind Kriegsalltag – auf allen Seiten. Butscha ruft uns das vielleicht in Erinnerung, und vielleicht auch, dass die direkt und indirekte Beteiligten Atomwaffen haben. Sprechen wir mit unseren Schwestern und Brüdern.

Peter Grohmann (peter-grohmann@die-anstifter.de) ist Kabarettist und Koordinator des Bürgerprojekts Die AnStifter

Putin
Der StalinZar – Grohmanns „Wettern der Woche“

Putin: Der StalinZar – Grohmanns "Wettern der Woche"

So tief kann auch ein Kommunist sinken: Wenn sich die 8,87 Meter hohen, mit Blattgold verzierten Flügeltüren im Kreml-Saal öffnen und der Stalinzar gemessenen Schrittes ins eigene Land einmarschiert, schlägt ihm eine heiße Welle der Sympathie entgegen – Russlands Schauspieler waren schon immer erste Sahne. Alles Bolschoi – da bleibt kein Auge trocken. Dabei bleibt eine Frage aber bisher ungestellt: Wie lassen sich Putins Minderwertigkeitskomplexe heilen? Ein Wettschwimmen mit Joe Biden reizt ihn wohl eher nicht.

„Ich habe großes Verständnis für die russischen Sicherheitsbedenken im Hinblick auf die Einkreisung durch die Nato und die Stationierung von Vorwärtsraketen“, sagt der linke schottische Menschenrechts-Aktivist Craig Murray, einst britischer Botschafter in Usbekistan. Aber ein Regimewechsel durch eine Invasion – das geht gar nicht, sowas können sich nur die Amis leisten. In seinem ersten Leben hatte der Ex-Diplomat allerdings Pech: Er wurde aus dem diplomatischen Dienst gezwungen, nachdem er die Anwendung von Folter aufgedeckt hatte. Assange lässt grüßen. Der hatte früher auch mal Ideale.

Jede Zeit, überall auf der Welt, lebt von den Ideen, für die sich die Menschen begeistern lassen – Wohlstand, Jesus, Sozialismus, Panzerfäuste, Eisbein mit Sauerkraut, Scholz und Baerbock, ein trockener Spätburgunder, Hitler, Stalin, Hegel oder Brezeln vom Waible im Heusteigviertel, bewaffnete Drohnen, Atomkraftwerke, Apollinaris. Nicht erst seit der Oktoberrevolution, sondern schon seit 150 bis 180 Jahren vor Putin lebten wir von der Idee, dass der Mensch – also ihr, ob aus Berlin oder Heslach, aus Leningrad oder Pittsburg oder Kinshasa – aus eigener intellektueller Kraft die Welt komplett erkennen und perfekt beherrschen könne, wenn man ihn ließe.

Die Leute von heute, also die meisten, sind davon überzeugt, dass sie die Fähigkeiten haben, immer neuere, schönere, bessere, größere Maschinen, Apparate und Vorrichtungen zu erfinden und zu bauen, die ihr Leben erleichtern, es sicherer und bequemer und erträglicher machen. Das beschäftigt sie wie uns in der MEZ den ganzen Tag, sofern wir Arbeit haben. Wir träumen sogar nachts davon. Aber auch davon, dass wir unseren Arbeitsplatz verlieren könnten, dass es plötzlich in Luanda oder Lwiw kein Brot oder in Kiel kein Sonnenblumenöl mehr gibt und keinen Matrosenaufstand, dass Mikroplastik roundup die Muttermilch versaut oder die VR China unseren Müll nicht mehr wüll. Alles tragisch.

Als die Sowjetunion, die Stiefmutter aller Völker, baden ging – Glasnost hin, Perestroika her –, haben viele Kommunisten die Bergwerke und Ölfelder und die Stahlwerke und die Autobahnen privatisiert und wurden Oligarchen. Vielleicht liegt ja da ein Hund begraben?

Manchmal träume ich schwer /
Und dann denk ich es wär /
Zeit zu bleiben und nun /
Was ganz andres zu tun …

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator von Bürgerprojekten. Alle Wettern-Videos gibt es hier zum Nachgucken.


Gefäl

Kinschal
Dolch der Tscherkessen – Grohmanns „Wettern der Woche“

Kinschal: Dolch der Tscherkessen – Grohmanns "Wettern der Woche"

Dumm gelaufen: Jetzt muss Annalena Baerbock über Nacht mit Putin gleichziehen und bis morgen früh die kaukasische Traumrakete beschaffen, sonst wird’s nichts mit der nukleare Abschreckung, dem heute hochgelobten und vielbeschworenen Gleichgewicht des Schreckens …

Angst – Grohmanns „Wettern der Woche“

Angst – Grohmanns "Wettern der Woche"

Was sind das für Zeiten, wo ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist, weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt! Der dort ruhig über die Straße geht, ist wohl nicht mehr erreichbar für seine Freunde, die in Not sind?

Was bis neulich noch weit weg war, ganz woanders, haust nun nebenan. Krieg. Allezeit war Krieg, von den „Unseren“ meist geflissentlich übersehen. Allezeit war Hunger, wurden 100.000 Tonnen Lebensmittel vernichtet, Tag für Tag. Allezeit gab es Hoffnung, dass sich die Mächtigen dem Druck der Völker beugen würden über kurz oder lang. Allezeit gab es die Alternativen der Vielen, Wege zur Gerechtigkeit und Solidarität, 1.000 Möglichkeiten des Teilens, Hoffnung auf andere Wege, Chancen, den Frieden zu hüten, die Waffen zu ächten. Aber allezeit sind da doch viele, die das Unentschuldbare entschuldigen oder erklären. Lassen sich Bomben auf Kinder erklären? Lässt sich der Finger am Atomsprengkopf wortreich erläutern mit den Sünden der Nato oder der alten Nomenklatura? Macht es einen Sinn, die Zensur in Russland mit der Presse-Einfalt bei uns zu entschuldigen?

In diesen Tagen gilt unsere Solidarität den Millionen Menschen, die sich mit dem Rucksäckl aufmachen, nicht ostwärts, was sie könnten, sondern westwärts. Es hilft nun nicht, mangelnde Fürsorge für jene zu beklagen, die in Moira im Elend vegetieren, die sich an den Zäunen Europas blutige Hände holen. Es hilft nichts, um die zehntausend Toten zu klagen, die wir, die Roten und die Grünen, die Schwarzen und Gelben, im Mittelmeer ertränkt haben. Es hilft nichts, um unsere Doppelstandards bei den Menschenrechten zu jammern, wenn wir nicht gleichzeitig und unmissverständlich NEIN sagen zu jedem Krieg. Was sich da an grüner, roter, an gelber und schwarzer Politik selbst bejubelt, ist von uns gezeugt, ist unser Kind, selbstgerecht und gut gefüttert von Wahl zu Wahl. Wir haben schon immer Lebensmittel ins Meer geworfen – und schon immer aus den Rettungsringen die Luft rausgelassen. Nun ist der Krieg bei uns angekommen. Wer gut hören kann, hört die Sirenen.

Geht an die Bahnhöfe und holt die Flüchtlinge ab oder bringt ihnen eine warme Suppe. Putin ist in Sicherheit, noch, muss keine Angst haben, anders als die Menschen in den dünnwandigen Kellern von Kiew. Angst haben die 1,2 Millionen Menschen in Russland, die einen Appell für den Frieden unterzeichnet haben. Angst haben die zehntausend russischen Kulturschaffenden und WissenschaftlerInnen, die Gesicht zeigen und morgen vielleicht geächtet, arbeitslos sind. Angst haben die DemonstrantInnen in Leningrad und Moskau.

Auch wir müssen Angst haben. Vor einem Weltkrieg. Vor Russenhass und Russenhetze, vor Atomkraftwerken unter Raketenbeschuss, vor Kriegsjubel für den Sieg, Angst vor dem Ende der Meinungsfreiheit, wo auch immer. Die Kriege der USA sind dabei so wenig vergessen wie die Kriege Russlands – und unsere.

Auch der Hass gegen die Niedrigkeit verzerrt die Züge. Auch der Zorn über das Unrecht macht die Stimme heiser. Ach, wir, die wir den Boden bereiten wollten für Freundlichkeit, konnten selber nicht freundlich sein. (Bertolt Brecht)

Heften Sie sich einen weißen Friedensbändel ans Revers wie die Frauen in Turin und Belarus und Havanna. Danke, dass Sie laut sind und für die weißen Fahnen!

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator von Bürgerprojekten.

Wettern der Woche
Liebe Putin Versteher … (jetzt doch mit Video)

Liebe Putin Versteher …

Kommt zur Demo am 13.3.22 um 12 Uhr im Oberen Schlossgarten in Stuttgart!

Stoppt den Krieg!

 

Liebe Putin-Versteher – Peter Grohmanns Wettern der Woche

Nächste Woche wird wieder mit Video gewettert, verspricht Peter Grohmann.

Nicht nur in der DDR galt es, Stalin auf Teufel komm raus zu ehren. Tatsächlich musste ich als Kind heulen, als der Vielfachmörder 1953 und viel zu spät das Zeitliche segnete. Die Erleuchtung über diesen Klassenfeind kam erst später, als sein Nachfolger Nikita Chruschtschow vor 66 Jahren in seiner Geheimrede vor dem ZK der KPdSU einen Teil der Verbrechen Stalins, der KP und seiner Getreuen aufdeckte. Ich wurde zum Chruschtschow-Versteher. In der UdSSR wurde vordem alles, was nicht der Parteilinie bedingungslos folgte, vergiftet, erschossen, in den Knast gesteckt und im besten Fall nach Sibirien deportiert – Sozialisten aller Farben, Kommunisten aller Länder, Anarchisten, Juden, nationale Minderheiten. Mit Michail Gorbatschow (Glasnost, Perestroika – Wandlung, Offenheit, Erneuerung) wurde ich 1985 mit meiner Omi Glimbzsch in Zittau zum Gorbatschow-Versteher, wodurch das Ende der DDR eingeleitet wurde und sich selbst die alte Tante UdSSR dank westlicher Hilfe nicht mehr lange auf den Beinen halten konnte.

Memorial (denk mal selbst) war danach Kopf und Kragen der russischen Zivilgesellschaft, wenn auch einseitig gelähmt durch Putin. Memorial geht’s trotz aller Schikanen und Verbote darum, die lang verschwiegenen Verbrechen des Stalinismus – Gulag, Terror, Repression – öffentlich zu bearbeiten. Dem schob Wladimir einen Riegel vor: Wer bei Memorial arbeitet oder anstiftet, wird zum Staatsfeind. Korruption und Repression nahmen in den letzten Jahren in Russland in hohem Maße zu – der kurze und holprige Weg in eine demokratische Gesellschaft wurde von Putin und seinen Gardisten, der neuen Nomenklatura und den Oligarchen gesperrt.

Ich ahne, dass vieles davon von den Putin-Verstehern übersehen wird und sie im neuen Russland immer noch die alte UdSSR vermuten. Ich vergess‘ dabei nicht, was wir doch alle wissen müssten: Russland ist umzingelt. Die West-Raketen sind aber nicht darauf angewiesen, in der Ukraine stationiert zu werden, um Moskau zu erreichen.

Auch wenn alles unsicher ist – das ist todsicher: Krieg löst keine Probleme und bleibt ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Zu Putins Krieg braucht’s daher keine pazifistischen Verweise auf die Ausrottung der Indigenen oder die Kolonialisierung der Welt, auf die Verbrechen des CIA, die Kriege der USA oder die despotischen Verbündeten der Nato. Es genügt der Blick dieser Tage auf die schwarzen Ukrainer, die mit einem Fußtritt empfangen werden, es genügt der Blick an die Außengrenzen der EU, dorthin, wo christliche Blindheit herrscht, dorthin, wo jahrelang und immer noch die Menschenrechte ertränkt werden. Es braucht auch keine militärstrategischen Empfehlungen der grün-gelb-roten Frontkämpferverbände. Es braucht keine öffentlich-rechtlichen Scharfmacher in den Medien, die allen journalistischen Anstand vergessen.

Es braucht den Aufstand in Moskau, den kompletten Gas-Kaufstopp von uns, das wär‘ ehrlich und nützlich und schmerzhaft. Es braucht hier und dort radikale Pazifisten statt Kanonen, Gesprächsbereitschaft, glaubhafte Sicherheitsangebote und (ganz unter uns) kürzere Tische und einen guten Nervenarzt für Putin. Hass und Hetze helfen der russischen Opposition so wenig übern Berg, wie sie die Menschen in den Bunkern und auf der Flucht schützen.

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator von Bürgerprojekten.

Desertiert! – Grohmanns „Wettern der Woche“

Desertiert! – Grohmanns "Wettern der Woche"

Das wäre die richtige Botschaft in diesen falschen Zeiten: Die Waffen nieder!, russische Soldatinnen und Soldaten, desertiert! Wer sich diesem Krieg entziehen will, muss aus der Ukraine ausreisen dürfen. Wer desertiert, dem muss Schutz und Asyl in Deutschland gewährt werden. Долой оружие! Русские солдаты, уходите из армий! Война не решает проблем!

Wir wissen, dass Friedenskundgebungen und Boykottaufrufe zweischneidige Schwerter sind. Die Kundgebung bleibt eine billige Botschaft ohne alle Folgen, sie kostet nichts. Es wird gejubelt, wenn wir alte Gewohnheiten über Bord werfen und liefern, was gebraucht wird. Kein Blut für Öl, das war einmal. Wir beliefern Katar und China, Ägypten und die Türkei, Saudi-Arabien und Russland, Pakistan, die Ukraine und 40 weitere Länder. Diktatur? Demokratie? Monarchie? Anarchie. Da verdienen wir am meisten. Wer bestellt und bezahlt, wird beliefert. Die deutschen Rüstungsexporte sind weiter gestiegen auch in Kriegs- und Krisenregionen. Da heißt es: Weiter so!

Ein kleiner Rückblick: Sieben Jahre nach dem Sieg über unsere Nazidiktatur machte Josef Stalin (ja, ich kenn‘ ihn: Kommunist und Verbrecher) in einer Note an die USA, England und Frankreich einen Vorschlag für ein wiedervereintes, souveränes und demokratisches Deutschland. Es sollte sogar über eine begrenzte Armee verfügen dürfen, aber dafür seine Neutralität wahren. Alle Besatzungstruppen sollten abgezogen und mit einer gesamtdeutschen Regierung dann ein Friedensvertrag ausgehandelt werden. Wer weiß, was draus geworden wär‘! Die Westmächte lehnten ab. Fünf Jahre später entwickelte der polnische Außenminister Adam Rapacki vor der UNO-Vollversammlung die Idee von den atomwaffenfreien Zonen inmitten Europas. Das war 1957. Dieser Entwurf enthielt ein Verbot der Produktion und Lagerung von Atomwaffen in der Bundesrepublik, der DDR, Polen und der Tschechoslowakei. Obwohl die Sowjetunion dem Plan zustimmte, wurde er vom Westen abgelehnt, und auch Walter Ulbrich (DDR) wollt‘ nicht: Es wär‘ sein frühzeitiges Ende gewesen, sagte mir meine Omi Glimbzsch in Zittau. Ja, wer weiß, was draus geworden wär‘!

Im Fall der Ukraine (ist sie schon gefallen?) fällt den Leuten nicht viel mehr ein als umfassender Boykott des Aggressors Russland. Im Hinterzimmer der Mächtigen beschließen wir, Waldemar Putins Facebook-Account zu sperren. Der Autobauer Mercedes-Benz hält natürlich weiterhin 15 Prozent an der russischen Firma Kamaz, die die gepanzerten Fahrzeuge für den Einmarsch liefert. Auf allen anderen Kanälen postet General a.D. Harald Kujat an die Soldaten die biblische Botschaft vom Zusammenbruch der Ukraine, weil die der Militärgewalt Russlands nie und nimmer gewachsen sei. Unsereins bereitet inzwischen die nächste Friedens-Demo vor und hofft, dass der Aufruf zu Gewaltverzicht, Abzug, Rückzug, Wiedergutmachung etc. pp. im Kreml gelesen wird. In Wahrheit aber bleiben nur zwei Realitäten: Hoffnung und Trauer. Hoffnung, dass die nächsten Winter nicht zu kalt werden, und Trauer um den tausendfachen Tod.

Mein letzter Satz? Desertiert zur Demokratie. Aber Vorsicht: Leute, die nach Afrika aussehen, haben keinen Zutritt in die EU. Mehr davon bei meinem politischen Aschermittwoch im Theaterhaus.

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator von Bürgerprojekten. Alle Wettern-Videos gibt es hier zum Nachgucken.