Wenn es morgen an meiner Tür klingelt, ist es nicht der Verfassungsschutz und auch nicht der Milchmann, sondern der Briefträger, der sich für seine Schweinereien entschuldigen will. Bei mir persönlich! Andernfalls wird sein Vertrag nicht verlängert, und dann sieht der Kerl alt aus! Warnstreik – dass ich nicht lache! Vierzig Stunden die Woche ordentlich Arbeit haben, Leute treffen, Schwätzchen machen, vielleicht zum Kaffee eingeladen werden – und dann Lohnerhöhung? Nee, nicht mit mir!
Briefträger an und für sich ist schöner Beruf, viel Bewegung, Kontakt mit netten Menschen, ein sicherer Arbeitsplatz bei der Post, möglicherweise sogar Beamter, wenn man sich gut führt, wie früher die Lokführer und ihr Alt-68-er Weselsky. Und heut? Da prügeln sich die Briefdienstleister vor der Haustür um den letzten Brief, das erste Paket: Der Briefträger siehst also jetzt schon alt aus. Aber er kann ja zwischen seinen Botengängen eben mal am Tafelladen vorbeischauen und den Schnee von gestern abholen oder in der Leonhardskirche seine Vesperpause machen, bevor er die Bußgeldbescheide zustellt. Merke: Viele Kommunen pfeifen schon lange auf die gute alte deutsche Post – sie lechzen nach minderbemittelten Sozialstaatsopfern, die die Briefe für fast umme austragen: 800 plus Kindergeld. Schon wieder gespart, freut sich der Kämmerer. Man spart beim Porto und legt beim Sozialen drauf. Mit dem Aufbau von 49 Regionalgesellschaften für die Paketzustellung flieht die Deutsche Post flugs aus dem bestehenden Haustarifvertrag und bricht den ebenfalls mit ver.di abgeschlossenen Vertrag zum Schutz vor Fremdvergabe in der Zustellung. Für diesen Schutz verzichten die Beschäftigten unter anderem auf Kurzpausen und arbeitsfreie Tage. Mit der Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich soll der Vertragsbruch kompensiert werden. Keine Rede davon, dass der Postler quasi rund um die Uhr für seinen Dienstherren – die Zustellbasis – erreichbar sein muss, auch im Urlaub, „wg. Personalmangel“. Vielleicht hat sich ja wer aufgehängt aus Verzweiflung über prekäre Leben.
„Scheiß Privatisierung!“, seufzt mein Briefträger. Er hat sich’s auf meinem Sofa bequem gemacht, nippel am Espresso, drückt das zweite Stück Schwarzwälder Kirschtorte runter, wischt sich mit dem Handrücken über sein freches Maul und rülpst. „Hast Du vielleicht noch ein Schnäpsle, Kollege?“
„Pass bloß auf, sonst wirschte noch nach Tröglitz strafversetzt!“, rät ihm meine Omi Glimbzsch. Sie ist aus Zittau da, für ’n paar Tage.
Peter Grohmann schreibt sein Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext – für lau.