Verdammt lang her, verdammt lang! Genauer gesagt: 30 Jahre. Hammern statt jammern, sagten wir uns – und machten einen Knopf dran an die Hoffnung. 30 Jahre Theaterhaus, und die Hoffnung hieß vorallem: Autonomie, also Unabhängigkeit, Selbstbestimmung, Eigensinn.
Leerstehende Fabrikhallen hatten es uns angetan – sie hatten allesamt einen größeren Charme als Turnhallen mit drohenden Hausmeistern, jene Unorte, die die unabhängigen Kulturschaffenden, die Musiker, Theatermacher, die Politischen mieten konnten für eigene Konzerte, Theater, Propaganda. Die Säle? Höchst vornehm meist, mit und ohne Stuck, livriert für die Sesselfurzer, Notlösungen unter Denkmalschutz. Da war ein Zeltspektakel am Karlsplatz sechs Wochen lang schon eine andere Nummer, Zirkusluft und Masse Mensch, ganz fröhlich-nachdenklich und scharf auf Alternatives. Da wehte plötzlich die Erkenntnis durch die Ränge, dass die Stadtgesellschaft nach einer anderen Art von Kultur geradezu lechzte, nach Frechheit und Freiheit und der Fortsetzung der wilden Achtundsechziger mit anderen Mitteln. Wir hatten, 1971, schon mit dem Festival „Zu Gast bei Gastarbeitern“ die größte Halle auf dem Killesberg heimgesucht und vollgemacht – später folgten von Gudrun und Werner Schretzmeier eben dort mit immer ausverkauften Solidaritätskonzerten für den Schorndorfer Club Manufaktur. Das Theaterhaus lag also vor mehr als 30 Jahren in der Luft. Luft. Luft.
Nach manchem Ach und Krach zogen Schretzmeier & Co KG – also wir – vor heute 30 Jahren ins Selbstgemachte und öffneten uns: Unter dem Argwohn des Stadtrats und dem Jubel der Szene luden wir zum ersten Wangener Hypotheken- und Wechselball in die Fabrikhallen. 14 000 Mark Miete, sagte mir der Schretzmeier – ich teilte durch 12. Alles, was unter 2000 Mark lag, macht mir bis heute keine schlaflose Nacht. „Der hat schon immer geträumt“, tät meine Omi Glimbzsch in Zittau jetzt sagen. Denn die 14 000 Mark waren nicht die Jahresmiete, sondern monatlich fällig. Kalt.
Der Anspruch der Szene, das Theaterhaus hätte die 68er-Revolution mit anderen Mitteln fortsetzen müssen, schwingt manchmal noch leise durch die Erinnerungskultur. Wir sollen frech sein und aufmüpfig und kritisch und politisch und aufklärerisch, na klar, zum Einheitslohn, zur Einheitsfront, und ihr werdet Beamte, Direktoren bei der Lufthansa, Staatssekretäre, ja Außenminister …
Die Rolle der Zirkusdirektoren steht uns allen gut. Dem Establishment laufen die Leute weg, uns laufen sie zu. Millionen.
Es war ein guter Deal, und kein Mensch darf je eine Verbeugung machen für Steuergelder, die in das Unternehmen Theaterhaus geflossen sind. Es steht uns zu, es steht euch zu. Aber ehrlich gesagt: Es ist zu wenig.
Glückwunsch, Theaterhaus! Küssle.
Peter Grohmann ist Kabarettist und Mitbegründer des Stuttgarter Theaterhauses