Die Behauptung, ein paar von Deutschlands wichtigsten Journalisten steckten unter einer Decke, führte fast zu einem Aufschrei der gesamten schreibenden Zunft, ja zu Solidarität, wie man sie ansonsten nur im Katastrophenfall findet. Den einen ging’s um Ehre und Ehrlichkeit, den anderen um Verzweiflung über die angeblich zahnlos geprinteten Medien-Tiger. Die Medien als vierte Gewalt: Was für eine verrückte Vorstellung! Vorhang auf für beispielhaften, wenn’s sein muss investigativen Journalismus, Platz da für Whistleblower! Fotos endlich wieder von Fotografen, nichts mehr von Fotalia und aus dem PR-Müll der Unternehmen! In den Redaktionen feiert man wieder die spitze Feder, das wöchentliche Aufdecken einer Sauerei. Keine Respekt vor Päpsten und Präsidenten, vor Amts- und Würdenträgern, stattdessen Distanz zu den Machthabern, seien sie nun schwarz, rot, grün oder blau.
Die vierte Gewalt – gewaltfrei für saubere Gewaltenteilung. Keine Scharfmacherei mehr für Waffengänge, keine Loblieder mehr für gerechte Kriege – soweit es dem Anzeigenkunden gefällt. Und dem Leser, klar. Denn der liest natürlich lieber was vom englischen Thronfolger als eine Story über Flüchtlinge, obwohl auch da viel Menschliches rüberkommen könnte. Jesus war ja angeblich auch ein Asylbewerber – sogar er wäre‘ willkommen im neuen Willkommen-Center der Landeshauptstadt.
„Mär‘ dich endlich aus“, tät meine Omi Glimbzsch aus Zittau sagen. Dort gab’s zu Zeiten der Diktatur, die irgendwie ein Unrechtsstaat war, nur eine Zeitung. Heute auch. Aber auch wenn’s zweie gibt, Omi, würd‘ ich ihr sagen, können sie beide auf dem rechten Ooge blind sein. Aus Neckarwestheim dieser Tage wurde von einem öffentlichen Informationsabend zum dortigen AKW berichtet: Vor 1990 habe es keinerlei Erkundungen des Baugrunds unterm Kühlturm gegeben: Sauberle! Aber dann! Dann seien, erzählen die Auguren, seit 1990 10.500 Kubikmeter Beton unter den Kühlturm gepresst worden – das ist etwa das Volumen eines Wohnhochhauses mit 20×10 Metern Grundfläche und 20 Stockwerken. Damit nix passiert, wurde der Grundwasserspiegel um vier Meter angehoben, um die Auswaschung von Sulfat/Gips zu reduzieren – das hat zu 75% funktioniert, sagte man (und wer ist schon hundertprozentig?!). Seit 1995 werden jährlich 30 Kubikmeter Gestein ausgewaschen. Junge Junge, da kommt ganz schön was zusammen! Aber kein Mensch würde je behaupten, die Medien ließen bestimmte Meldungen weg. Es sei denn, aus Platzmangel. Oder weil’s keinen interessiert. Und weil’s zu weit weg ist.
Peter Grohmann schreibt und spricht das Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext – für lau.