Es ist alles so tragisch! Die Mafia steckt in der Fifa, die Fußballer sind gedopt, selbst Sportler schrecken vor Eigenblut nicht zurück, Politiker sind bestechlich, der Schwarze Block wird vom Verfassungsschutz dirigiert, die Parlamente von der Lobby, die Kommunarden sind pleite, die Kommunen auch. Die Justiz ist im Irrtum. Und SOS: Die Grünen haben versagt. Die Sozialdemokraten sind zu tief gefallen, die Piraten finden kein Schiff mehr. Und die Leute im Bioladen werden auch immer unfreundlicher, aber nirgends ein Kondensmilchstreifen der Hoffnung!
Wählen unter solchen Umständen wird zu Qual, mitunter wird sogar Nachdenken verlangt beim Panaschieren. Da können sich die Preußen, Hessen und Bayern ein Stück Demokratie abschneiden, wie weiland der heilige Martin, der seinen Mantel teilte. Heute tragen die Martins Kaschmirmäntel aus fairem Handel – sie würden lieber einen Scheck ausstellen als Hand anzulegen an dem teuren Stück. In der kleinen Schillerstadt Marbach (15 000 Einwohner) protestierten am Wochenende 500 Pipels gegen das TTIP – jedes Kind in der Provinz weiß, dass es sich hier um das von Merkel und Gabriel gefettete Freihandelsabkommen handelt. Wie aus einem bösen Traum werden die Schlafmützen in den Metropolen eines Tages erschreckt aufwachen und sich fragen, wie das passieren konnte, fast widerstandsfrei.
Es ist tragisch. Aber nicht zu spät. Wenn in Marbach Pastorentöchter und Ökoanarchos Hand in Hand mit Kleinbauern, Wengertern, parteifreien Bürgermeistern und roten, schwarzen oder grünen Demokraten auf die Straße gehen, keimt Hoffnung auf.
„Hier gilt es, Schütze, deine Kunst zu zeigen: Das Ziel ist würdig und der Preis ist groß“, schrieb Schiller an die Scheunentore in Marbach. Also auch Eigenblut – aber keine Gewalt! Bei Gewalt geht der Schuss gern nach hinten los, und wer weiß schon vorher, wer dann hinter einem steht? Im Gegensatz zur Marbach, wo derartige Massenversammlungen angeblich nur jedes Schaltjahr stattfinden, wurde Stuttgart jetzt zur Demohauptstadt Europas gewählt, auch wenn nicht jedes Thema die Ureinwohner auf die Straßen treibt.
Wie auch! Es besteht ja nicht nur die Gefahr, überfahren zu werden. Auch bei der gesetzeswidrigen Belastung durch Feinstaub (Folgen: Keuchhusten, Lungenkrebs, Herzinfarkt, Tod) ist die schwäbische Metropole europaweit Spitze.Wie gesagt: Tragisch.
Mal wieder ist Peter Grohmann, der das Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext erstellt, etwas von seinem Manuskript abgewichen – falls Sie es nicht schon selbst gemerkt haben sollten.