Neben vielen anderen und bedenkenswerten, ja echt guten Ideen gibt es auch bedenkenlose, ja nahezu ordinäre Vorschläge, wie dem Elend auf der Welt zu begegnen wäre. Ein Beispiel ist die Forderung eher ärmerer Schichten, den Kapitalismus komplett abzuschaffen, also heute schon und mit Haut und Haaren. Alle Welt weiß: Kapitalismus hat in der Tat viel Unschönes an sich. Ein zweites Beispiel aus jüngster Zeit ist die Idee, die Menschen an allen Fronten der Erde aufzurufen, Kanonen, Maschinengewehre, Streumunition und Phosphorbomben für ein halbes Jahr auf die Seite zu legen und in die Türkei und nach Syrien zu eilen, um mit Ärzten und Arzneien, Baggern und Babynahrung, Lkws, Zelten und Gulaschkanonen die Menschen vor Seuchen, Hunger, Elend und Tod zu retten. Voraus-setzung wäre natürlich, dass Bombardier Erdogan verspricht, sein eigenes Erdbebengebiet erst nach Ende der Hilfsaktionen wieder zu bombardieren.
Momentan haben viele andere Ideen Hochkonjunktur – saudumme, sehr gute und richtig gemeine mit bösen Absichten. Viele Ideen gelangen einem ohne eigenes Zutun, ohne großes Nachdenken in den Kopf, andere wieder gelangen ungefragt an die Öffentlichkeit, dritte kommen aus allgemein anerkannten klugen Köpfen. Und hier entsteht über Nacht eine ideale Möglichkeit, den jeweiligen Ideengebern den Stinkefinger zu zeigen: Endlich Peter Brandt oder Claus Leggewie eins überziehen, Halunken von gestern wie Cohn-Bendit und Jürgen Habermas die Rote Karte zu zeigen, die fromme Margot und Wolf Biermann in die Ecke zu stellen und ein dreifacher Pfui hinterher zu schmetter. Auch Frau Glimbzsch aus Zittau und ihre Anhängerin Alice Schwarzer kann man unbeschadet eine überbraten: Auf gut Schwäbisch „da Roschd ra do“. Daran kann sich jedefrau, jedermann beteiligen – das Podium des Auskotzens erreicht garantiert über die seitwärts gelenkten Staatsmedien oder über TAZ und FAZ von AfD und CSU bis bis hin zum mitteldeutschen Rundfunk die letzte Ecke der Republik. Damit aus Not und Qual die neue Welt entsteht: Schlag zu, Prolet! (John Heartfield) – aber nicht unter Niveau.
Es gibt unter den Gemeinten und Getroffenen Leute mit einem dicken Fell, es gibt Sensibelchen, Sprachlose und Schreihälse. Geschenkt. Es täte dennoch gut, das ganze Wortreich schleunigst wieder abzurüsten, damit man morgen noch kraftvoll zubeißen kann.
Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator des Bürgerprojekts Die AnStifter.