Ein Flüchtling aus Afghanistan oder dem Erzgebirge muss seine Flucht jahrelang vorbereiten: Geld sparen, pumpen oder einen Sponsor besorgen, gutes Schuhwerk und ein Handy anschaffen, vielleicht auch einen Deutschkurs im Goethe-Institut buchen. Freilich – auch dem Sportler aus Wuppertal fallen die Medaillen nicht in den Schoß. Wenn er in Peking einmarschiert, liegen harte Jahre der Zwangsarbeit hinter ihm. Auch er musste sparen, Lebenszeit opfern, einen Sponsor finden, sich fragen, was mit den Uiguren und Thomas Bach los ist oder welche deutschen Unternehmen in Xinjiang richtig gut Kohle machen.
Wie der Einmarsch in Peking ist auch der Einmarsch in die Ukraine kein Kinderspiel. An den Grenzen haben die Don-Kosaken 5.000 Holzstöcke in die frostige Erde gerammt, mit übergestülpten militärischen Schutzhelmen Made in VR China, Einzelpreis 139 Euro: in Erinnerung an die verlorenen Schlachten am Don an der Seite der Deutschen vor exakt 80 Jahren.
Dieser Tage appellierte der Ukrainische Fremdenverkehrsverband an die Touristen aus aller Welt: Besucht uns! Kommt jetzt! Es lebt sich gut und sicher in der Ukraine, auch wenn man Geld hat. Selbst Touristen aus Russland sind willkommen. Die Einreise ist leicht, Impfnachweise, Maske und das Dokument einer Versicherung, dass die die Kosten des Rücktransports in die Heimat bei Krankheit oder Tod übernimmt, genügen.
In Leipzig-Einundleipzig haben deutsche Putinfreunde aus dem Milieu der Querdenker kürzlich eine Klinik gestürmt: um abzukürzen, behaupteten sie gegenüber den dreifachen Polizeiketten, die sie oft, gern und problemlos überwinden. Die Wahrheit ist: Sie wollen bloß üben. Heute gehört uns die Klinik – und morgen gehört uns Deutschland. Vielleicht wollten die Edelsachsen ja auch bloß die Corona simulierenden Patienten befreien? Harald Schmidt, Kabarettist und Chefzyniker wie du und ich, kontert: „Wirkliches Chaos entsteht nur durch Befolgen von Anordnungen.“
Was tun, wenn Linke und Rechte gemeinsam mit aufgebrachten Bürgerschaftlern, ApothekerInnen, AutobauerInnen, neuen AtomkraftfreundInnen, Grünen und Klügeren Spazierengehen und der „Systempresse“ aufs Fell rücken? Stellen abbauen? Redaktionelle Reduktion? Groß Kohle machen lässt sich mit kritischer Berichterstattung offenbar nicht, wie man sieht.
„Lasst, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren“, rief Annalena Baerbock, als sie Julian Assange im Knast besuchte, bevor er abtrat, träumte ich. Wahr ist mein letzter Satz: Frau Baerbock spricht von schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen im Fall Assange, von Folter und Freiheitsberaubung. Das bleibt aber unter uns, Leute!
Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator von Bürgerprojekten. Alle Wettern-Videos gibt es hier zum Nachgucken.