Schon damals, als die Ostzone noch DDR hieß, war meine Omi Glimbzsch aus Zittau skeptisch, was den Goldenen Westen anging. Für uns junge Pioniere aber war dieser Begriff die Metapher für Walter Ulbricht plus Reisefreiheit, für Pril, Amibrause, für Jeans, Jacobs, grenzenlosen Konsum und Westgeld: Damit konnte sich selbst der gemeinste Verbrecher freikaufen und rübermachen – „Geh doch rüber“, freute sich die Stasi. Heute haben wir alles, außer genügend Westgeld, und anstatt der Jeans ziehn sich die kleinen Leute in den Provinzen zwischen Avignon, Wien und Tel Aviv die gelben Westen über. Es warnt. In Österreich demonstrierten am Wochenende 20000 Menschen gegen Rechts und Kurz und Klein und brachten es auf den Nenner: „Eure Politik stinkt mehr als alte Socken“. Aber vorher hat’s ja auch nicht immer vornehm gerochen. Ist das nicht alles etwas Reha?
Die Utopisten der Reha-Klinik Bad Langensalza (Thüringen) zum Beispiel, fordern gerechte Löhne und faire Arbeitsbedingungen im Goldnen Westen – aber sie haben nicht mal einen richtigen Tarifvertrag! Die ehedem volkseigenen Kliniken gehören heute dem privaten Klinikbetreiber Celenus, der angeblich rabiat und massiv gegen engagierte Beschäftigte vorgeht, die sich für einen solchen Tarifvertrag einsetzen. Also wieder Republikflucht? Aber wohin? Berlin. Dort haben sie sich gemein gemacht mit den streikenden Kolleginnen und Kollegen der Charité Physiotherapie- und Präventionszentrum, die gern als Weihnachtsgeschenk eine Angleichung an den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) möchten. Aber muss man da gleich die Tarifpartner mit Gelbwesten zu Tode erschrecken?
Damals, im Kalten Krieg, gab’s ja das Gleichgewicht des Schreckens. Drüben im Osten der Konsum mit vielerlei Bückwaren, dem Dresdner Zwinger für alle und die Erlebniswelt der Plattenbauten – im Westen Möbelparadiese, Traumschiffer und Atomkraft nein Danke am Zweitwagen. Heute wissen wir natürlich: Marcon kocht auch nur mit Eau de Cologne.
Es wird kälter in der Demokratie. Das kommt vom Klimawandel und aus Kattowitz. Zu Weihnachten dürfen natürlich auch die Populisten ihre alten Socken zum Trocknen in der Armenküche aufhängen und dann beim Pfeffern und Versalzen des Süppchens helfen. Rührt Euch.