Eine Podiumsdiskussion hat die Politik ins Nachdenken gebracht. Zu dieser Diskussion über die massive Erhöhung der Gebühren für Geflüchtete in Stuttgarter Flüchtlingsunterkünften waren am vergangenen Mittwoch, 20. September 2017, fast 300 Interessierte und Engagierte gekommen. Auch die 50 Besucher*innen, die keinen Stuhl mehr fanden, blieben zwei Stunden und diskutierten mit.
Auf dem Podium erklärte Werner Wölfle, Bürgermeister für Soziales und gesellschaftliche Integration, zunächst, dass durch die neuen Regelungen keinem und keiner Geflüchteten Nachteile entstehen würden. Dass diese beruhigenden Worte nicht den Tatsachen entsprechen, belegten die Stuttgarter Freundeskreise, auf dem Podium gut vertreten durch Christa Cheval-Saur aus Feuerbach, mit konkreten Zahlen und exemplarischen Beispielen. Ein ausführliches Kritikpapier der Stuttgarter Freundeskreise war zur Vorbereitung der Diskussion an alle Podiumsgäste versandt worden und wurde auf der Veranstaltung verteilt. Unterstützung fand die Einschätzung der Freundeskreise bei Jama Maqsudi, Mitglied im Internationalen Ausschuss der Stadt Stuttgart, und auch bei Luigi Pantisano, der als Stadtrat SÖS-Linke-PluS von Anfang an gegen die Gebührenerhöhungen votiert hatte.
Als die Diskussion für das Publikum geöffnet worden war, berichteten betroffene Geflüchtete, die inzwischen Arbeit gefunden haben, von der Wohnsituation in den Unterkünften. Sie sprachen von ihrem Entsetzen darüber, trotz ihres Einkommens, mit dem sie bisher selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen und teilweise auch Sprachkurse bezahlen, nun wieder Leistungen vom Jobcenter beziehen zu müssen. Deutlich wurde, dass die erhöhten Gebühren durchaus erhebliche finanzielle Einschnitte für viele Geflüchtete bedeuten. Hinzu kommt für viele die entmutigende Aussicht, mit diesen neuen „Wohngebühren“ (eine 4-köpfige Familie soll bald monatlich 2425,64 € für zwei kleine Zimmer mit Zugang zu Gemeinschaftsküche und Gemeinschaftsbad zahlen) langfristig kaum eine Chance auf ein Leben ohne Jobcenter-Abhängigkeit zu haben.
Denn ein Umzug in eine eigene Wohnung ist auch den Geflüchteten, die mittlerweile über gute Deutschkenntnisse, Arbeit und regelmäßiges Einkommen verfügen, aufgrund des angespannten Wohnungsmarkts in Stuttgart kaum möglich. Da halfen auch die tröstenden Worte des Bürgermeisters für gesellschaftliche Integration nicht, die Geflüchteten mögen doch ohne Scham wieder zum Jobcenter gehen, das stände ihnen schließlich zu. Und auch ihren Freunden sollten sie dies doch bitte weitersagen.
Einen ermutigenden Abschluss fand die Veranstaltung durch die Schlussworte von Dr. Maria Hackl. Die Stadträtin der SPD, die mit ihrer Fraktion für die neuen Gebühren gestimmt hatte, gab offen zu, dass die Diskussion sie nachdenklich gemacht habe.
Am Freitag, 22. September, ließ Dr. Maria Hackl diesen Worten erste Taten folgen. Sie stellte mit fünf Kolleg*innen aus der SPD-Gemeinderatsfraktion einen Antrag zur „Satzung über die Benutzung von Unterkünften für Flüchtlinge“, in dem sie die Sozialverwaltung bis zum 16, Oktober um Antwort auf folgende Fragen bittet:
1. Warum erhalten alle sog . Selbstzahler einen Bescheid über die erhöhte Gebühr für
die Unterkunft ?
2. Warum bezahlen diese Personen nicht die ermäßigte Gebühr ?
3. Wie kann den Familien geholfen werden , deren Lebensunterhalt durch Arbeit ,
Kindergeld und Elterngeld gesichert wäre , die nun aber aufgrund der erhöhten
Gebühren SGB-II-Leistungen beziehen müssen ?
4. Trifft es zu, dass Flüchtlingen durch den SGB -II-Bezug infolge der erhöhten
Gebühren ausländerrechtliche Nachteile entstehen ?
5. Wie gedenkt die Verwaltung dies zu verhindern ?
Die AnStifter werden dieses Thema gemeinsam mit den Stuttgarter Freundeskreisen für Flüchtlinge, dem Arbeitskreis Asyl Stuttgart, dem Flüchtlingsrat Baden-Württemberg und dem DGB Stadtverband Stuttgart weiter verfolgen.
Wohnungsangebote für Geflüchtete leiten wir gerne weiter.
Autorin: Elka Edelkott