Angesichts des Desasters, das die Parteien in Frankreich eben erlebt haben, gerät man ins Grübeln. Die Frage ist also müßig, wer hinter Macron steckt – der liebe Gott in Frankreich, der Volkswille, die Fügung? Auch in Deutschland haben ja 706 Interessenvertreter derzeit einen Hausausweis zum Deutschen Bundestag – und es gibt im Parlament noch immer mehr Lobbyisten als Abgeordnete – das sagt zwar nicht alles, aber viel. Und wir wissen: Ein Lobbyist hat öfter mehr Einfluss als ein Abgeordneter. Gibt das nicht zu denken? Viele, die in ihrer Partei vorwärtskommen wollen, halten gern das Maul. Momentan scheint es ja so zu sein, dass Europa „am Arsch“ ist – es wird nicht zu Unrecht als Europa der Reichen, als Europa der Wirtschaft betrachet – mit dem Siegel „Demokratie Mangelware“.
Wenn wir uns zu Europa bekennen, dann ist es das Europa mit den offenen Grenzen, das Europa der Menschenrechte, ein Europa, das nicht (wie heute) die ärmsten Länder knechtet wie etwa Griechenland, sondern ein soziales und solidarisches Europa. Emmanuel Macron zB. hat sich auch in europa-lauen dazu bekannt – und nun sind nicht einmal 43% der Franzosen zur Wahl gegangen. In Frankreich wird sich zeigen, ob die Zivilgesellschaft in der Lage ist, die Rolle der Parteien als Opposition zu übernehmen – die Schüler und Studierenden, die sozial Geschwächten, jene, die die Dreckarbeit „für die da oben“ machen. Es ist weiss Gott kein großes Kunststück, für Europa einzutreten, wenn man nicht sagt, wie dieses Europa denn aussehen soll. Jeremy Corbyn aus der Labour-Partei hat für seine kritischen Positionen lange kaum Unterstützung in den traditionellen Medien bekommen, er hat ganz andere Visionen als etwa Schulze und Maier.
Die etablierten Parteien neigen oft dazu, das zu tun, was sie aus Sicht einer Mehrheit für vorteilhaft halten, so etwas spült angepasste Opportunisten in politische Führungsämter: Kein Inhalt, der für sie nicht verhandelbar wäre, ob Stuttgart 21, Kriegseinsätze, das Abschieben von Flüchtlingen, Hartz IV, das Verhökern kommunalen Wohneigentums. Solche Parteien sind dann irgendwann austauschbar, mittig und beliebig. Man merkt an Worthülsen wie „soziale Gerechtigkeit“, dass da nur billige Anmache dahintersteht. Doch es braucht in allen Gesellschaften Auseinandersetzungen, Opposition, Kritik, Demokratie – und Visionen – für die Stadt von morgen, für die Welt von morgen. Richtig – eine andere Welt ist möglich. Und die braucht uns, unseren Verstand und unseren Widerstand gegen die Feinde der Demokratie. Im Frankreich der Menschenrechte wird sich zeigen, was die Verfassung taugt. Peter Grohmann