Die Gemeinde Stazzema verlieh Rechtsanwältin Gabriele Heinecke aus Hamburg die Ehrenbürgerschaft. Und zwar- wie Bürgermeister Maurizio Verona ausführte – „für ihren Einsatz von über zehn Jahren, um auch in Deutschland der Wahrheit und der Gerechtigkeit für die Opfer von Sant’Anna di Stazzema Geltung zu verschaffen.“
Am 19. März 2016 wurde die Urkunde in einer Feier im Museo Storico della Resistenza in Sant’Anna von Bürgermeister Verona überreicht. Anwesend waren zahlreiche Ehrengäste: u.a. aus der Versilia die Massaker-Überlebenden Enrico Pieri, Enio Mancini und die Schwestern Pardini (s. Foto) – aus Rom Militärstaatsanwalt Marco de Paolis, aus Süddeutschland Udo Sürer (Lindau) und Jürgen Weber (Konstanz) sowie Gunther Leibbrand als Vertreter der AnStifter-Initiative Sant’Anna (Stuttgart).
Gabriele Heinecke war sehr bewegt und bedankte sich mit einem Rückblick auf die zehn Jahre ihres Engagements. Besonders aufschlussreich die Schilderung ihrer Erfahrungen mit der Stuttgarter Staatsanwaltschaft vertreten durch Oberstaatsanwalt Bernhard Häußler, sie spricht mit Bezug auf ihn von einem „System der Behinderung meiner Arbeit„, von frühen „Anzeichen dafür, dass von ihm keine sachgerechte Bearbeitung des Falles Sant’Anna zu erwarten war„. Und die Passivität des Justizministers werfe „einen dunklen Schatten auf die Justizbehörden des Landes Baden-Württemberg„.
“ … Ich war am 22. Juni 2005 in La Spezia und habe die Reaktionen der Überlebenden und der Angehörigen der Getöteten des Massakers von Sant’Anna gesehen. Ich war tief davon berührt, diese Menschen, denen sich die Bilder der grausamen Verbrechen für immer in ihre Erinnerung gebrannt haben, erleichtert und glücklich zu sehen.
In Deutschland zurück habe ich im Auftrag von Enrico Pieri Akteneinsicht verlangt und mit Staatsanwalt Häußler telefoniert. Er erklärte, dass das Urteil aus La Spezia deutschen Maßstäben nicht genüge, weil der individuelle Nachweis des Mordes gegen die Verurteilten nicht geführt worden sei. Er könne jetzt schon sagen, dass er auf keinen Fall Anklage wegen Mordes erheben werde.“ …
„Erst nach Androhung eines neuen Erzwingungsverfahrens vor Gericht gab es eine Reaktion und Staatsanwalt Häußler ließ mitteilen, ich könnte nach Stuttgart kommen und mir dort die Akten angucken. Wegen des Umfangs der Akten könnten sie mir nicht zu gesandt werden. Darum verbrachte ich im März 2007 einen Tag auf einem zugigen Flur der Staatsanwaltschaft Stuttgart. Ein Zimmer sei nicht frei, wurde gesagt, man hatte mir ein kleines Tischchen, einen wackeligen Stuhl und ein Rollregal mit 22 Stehordnern auf den Flur zwischen Kaffeeautomaten und Geschäftsstelle hingestellt. Die Akten waren in einem chaotischen Zustand, zeitlich nicht geordnet. Die einzelnen Seiten der Akten hatten keine Zahlen, so dass eine Orientierung fast unmöglich war.“ …
Ihr Fazit bleibt ambivalent: „Das Verfahren um das Massaker von Sant’Anna hat nicht nur eine juristische Dimension, vielleicht sogar mehr eine politische. Und es hat nicht nur eine Bedeutung für die Herstellung von Gerechtigkeit für vergangenes Unrecht, sondern für die Gegenwart. Weil es den Unwillen zur Aufarbeitung der Verbrechen deutlich gemacht hat und die Frage nach dem „Warum“ gestellt hat. Weil es deutlich macht, dass es viele schöne Worte von Seiten deutscher Politiker gibt und die Einweihung von allen möglichen Gedenksteinen. Aber die wirklichen Taten fehlen.“ …
„Das Schweigen über die Verbrechen war über Jahrzehnte das bestimmende Moment der Nachkriegsgeschichte in der Bundesrepublik Deutschland. Ich bin froh und bin glücklich, mit euch zusammen dieses Schweigen ein wenig durchbrochen zu haben.“ …
„Die letzten 10 Jahre waren oft frustrierend, aber sie waren auch oft großartig. Der Kongress mit Enio Mancini zu den ungesühnten Verbrechen des Nationalsozialismus 2004 in Berlin; Die Veranstaltung mit Marco De Paolis 2007 in Hamburg zu Sant’Anna, zu der neugierig viele Richter, aber auch viele Studenten und Gewerkschafter kamen; die vielen Besuche in deutschen Schulen, die Enrico Pieri und Enio Mancini gemacht haben und die viele Schüler tief beeindruckt haben; die großartigen Veranstaltungen der Anstifter seit dem Jahre 2010 in Stuttgart; der Marsch auf die Generalstaatsanwaltschaft in Stuttgart mit Enrico Pieri und den Anstiftern zur Abgabe der Beschwerde gegen die Einstellung des Verfahrens im Januar 2013.“ …
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Foto: Parco Nazionale della Pace Sant’Anna di Stazzema