Wettern
Wenn Söder sabbert

Wenn Söder salbadert

Deutschland ist ein sicheres Herkunftsland. Von hier muss keiner abhauen, sollte aber, sagt Söder. Sintis zuerst.
Was wir wissen: Es gibt im ganzen schönen Land keine einzige Synagoge, die nicht geschützt werden müsste vor den Deutschen. Es gibt keine einzige jüdische Einrichtung, keinen Kindergarten, keinen Friedhof, die nicht regelmäßig von der Polizei beobachtet, bewacht und kontrolliert werden müsste – und trotzdem nie ganz sicher ist. Alle Einrichtungen sind darüber hinaus selbstverständlich mit Alarmsystemen und Videokameras ausgestattet, alle haben bruchsichere Scheiben, sichere Türen, Gitter vor den Fenstern. Jüdische Bürger laufen nur höchst ungern – und unsicher – in unserem sicheren Herkunftsland mit einer Kippa durch die Gegend.
Das ist unsere Heimat, das ist Deutschland 25 Jahre nach der Wiedervereinigung.
Auf der anderen Seite unserer Heimat dürfen wir aber von den Eindringlingen (das stammt aus dem Sprachschatz der christlichen Parteien, wird aber bald Allgemeingut) verlangen, dass sie sich anständig benehmen, keine Frauen schlagen (wie das bei uns noch gang und gäbe ist) und nicht religiös herum radikalisieren. Der Flüchtling sollte das Grundgesetz kennen und wissen, dass hierzulande die Würde des Menschen unantastbar ist, komme da, was wolle! Jeder Einheimische hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit! Und bei uns sind nahezu alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Noch mehr Chancen gibt dem Flüchtling die Verfassung Baden-Württembergs, denn „das Volk von Baden-Württemberg bekennt sich darüber hinaus zu dem unveräußerlichen Menschenrecht auf die Heimat.“ Nun ist daraus das Recht auf Heimatlosigkeit geworden, und die Hoffnung, dass die verlorengegangene Würde zurückkehrt, irgendwie.

Richtige wäre also: „Die Würde des Menschen ist verletzlich, sie ist zu ermöglichen, zu achten, zu wahren und zu schützen.“ Das freilich ist nicht nur Verpflichtung aller staatlichen Gewalt, sondern Verpflichtung und Verantwortlichkeit von uns allen. Nicht schwer – aber wer das nicht kapiert, steht irgendwie nicht auf dem Boden des Grundgesetzes.

Peter Grohmann schreibt sein Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext – für lau.

Über Peter Grohmann

Peter Grohmann, Jahrgang 1937, Breslauer Lerge, über Dresden auf d' Alb, dann runter nach Stuttgart: Schriftsetzer und Kabarettist, Autor und AnStifter gegen Obrigkeitsstaat und Dummdünkel. Mitgründer: Vom Club Voltaire übers undogmatische Sozialistische Zentrum, vom Theaterhaus zu den AnStiftern. Motto: Unruhe ist die erste Bürgerinnenpflicht. Was ärgert Grohmann? Alle, die den Arsch nicht hochkriegen, aber dauernd meckern. Und an was erfreut er sich? An Lebensfreude und Toleranz