Henkel-Waidhofer, Johanna (2015): Braune Flecken. Schon jetzt stößt der neue NSU-Untersuchungsausschuss an seine Grenzen, weil zu viele der Akteure Offensichtliches nicht zur Kenntnis nehmen wollen: dass skandalös geschlampt wurde. Der Aufklärungswille mancher muss erst noch geweckt werden. […] Die Obleute aller vier Fraktionen lassen die Gelegenheit zu Nachfragen ungenutzt verstreichen. Sakellariou will verhindern, dass Einschätzungen aus anderen Bundesländern auf Baden-Württemberg „abfärben“, fantasiert von einer „völlig verunsicherten Bevölkerung“, verheddert sich im Bemühen, die Polizei zu schützen – vor falscher Kritik jedenfalls in den vier Jahren seit dem Machtwechsel. Für die Zeit davor wiederum fühlt sich CDU-Obmann Matthias Pröfrok zuständig. Sein autosuggestiv beschworener Aufklärungsimpetus muss auch erst noch richtig geweckt werden. Und der ehemaligen FDP-Justizminister Uli Goll wird uncharmant, wenn’s ans Eingemachte geht. Von ihm muss Eva Högl sich fragen lassen, ob nicht in Wirklichkeit ihr Urteil über die Polizei von eigenen Vorurteilen getragen ist. […] Drexler erinnert daran, dass auch in Heilbronn Sinti und Roma ins Visier der Ermittler kamen. Diese Spur, kritisiert der Abschlussbericht des Bundestags die baden-württembergischen Ermittler, sei „noch zentrale, sich in der Presse niederschlagende Ermittlungsrichtung geblieben, als längst klar gewesen war, dass keine verwertbaren Erkenntnisse vorlagen“. Den Beamten eine „diskriminierende Motivation bei der Bearbeitung einzelner Spurenlagen zu unterstellen, ist nicht gerechtfertigt“, schreibt dagegen die EG Umfeld relativierend. „Wenn Geschichte Sinn machen soll, dann den, aus Fehlern zu lernen, Verantwortung zu übernehmen und zu versuchen, es besser zu machen“: Diese Worte von Charlotte Knobloch sind ihrem gut 200 Seiten starken Abschlussbericht vorangestellt, mit dem Reinhold Gall die Untersuchung eigentlich im Großen und Ganzen beendet wissen wollte. Diese Worte bekommen jetzt eine ganz neue Bedeutung. In: Kontext: Wochenzeitung, 28.01.2015. Online verfügbar unter http://www.kontextwochenzeitung.de/politik/200/braune-flecken-2693.html.
Ku-Klux-Klan als Honigtopf? V-Leute als bewährtes Instrument? Aus dem NSU Untersuchungsausschuss in Ba-Wü. Bericht aus dem ersten öffentlichen Teil des baden-württembergischen NSU Untersuchungsausschuss am Freitag den 23. Januar im Anschluss an die Sitzung in Stuttgart. Die SPD scheint bisher nicht an weiterer Aufklärung interessiert zu sein. […] Erst ein Eklat in der ProformaErsatz- Enquettekommission führte zur Einsetzung des Auschuss und nach einem Revanche-Foul zum Ausscheiden der grünen MdLSckerl und Lede-Abal. Nun am Freitag, 23.1.2014 also die erste öffentliche Sitzung mit der Anhörung des ehemaligen (2002-2010, danach kurz InnenSenator) Hamburger Verfassungsschutzpräsidenten Heino Vahlendieck. […] Sehr ablehnend äußerte sich HeinoVahldieck zum Einsatz des Instrumenst verdeckter Ermittler in der Naziszene. Der ist wie in Hamburg auch in Baden-Württemberg der Polizei gestattet – auch präventiv. Sein Urteil „höchst problematisch“ begründete er neben Sicherheitsargumenten für die Polizist*inn*en/Schlapphüte mit dem Aufdecken und dem Ansehnsverlust am Beispiel des jahrelangen Einsatzes gegen die Rote Flora und das FSK. (2015). In: radio dreyeckland/rdl.de, 27.01.2015. Online verfügbar unter https://rdl.de/beitrag/ku-klux-klan-als-honigtopf-v-leute-als-bew-hrtes-instrument-aus-dem-nsu.
n-tv.de; cro/dpa (2015): Edathy-Affäre: Auch Högl will SMS von Gabriel & Co sehen. Die SPD sei im Fall Edathy befangen, sagen Grüne und Linke. Doch plötzlich überrascht Eva Högl, die den Untersuchungsausschuss für die SPD leitet. Sie unterstützt eine Forderung der Opposition – und bringt Parteichef Gabriel unter Zugzwang. Die Vorsitzende des Untersuchungsausschusses zur Edathy-Affäre, Eva Högl, will Parteichef Sigmar Gabriel und andere Mitglieder der SPD-Spitze bitten, „freiwillig“ ihre SMS-Kommunikation zum Fall Edathy offenzulegen. „Ich werde den anderen Ausschussmitgliedern vorschlagen, dass ich einen entsprechenden Brief an die Genannten schreiben werde“, sagte Högl, die selbst SPD-Mitglied ist. Bisher hatte Högl dies abgelehnt. […] Grüne und Linke hatten den Sozialdemokraten in der Vergangenheit vorgeworfen, die Arbeit des Untersuchungsausschusses zu blockieren. Aber nun unterstützt Högl den Vorstoß der Oppositionsparteien. Irene Mihalic und Frank Tempel, die Grüne und Linke im Edathy-Ausschuss vertreten, hatten zuvor in einem Beweisantrag die Herausgabe aller Kommunikationsdaten gefordert. Parteichef Gabriel, Fraktionschef Thomas Oppermann und seinen Bürochef, Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Fraktionsgeschäftsführerin Christine Lambrechtund der SPD-Bundestagsabgeordneten Michael Hartmann sollen nun alle SMS und E-Mails, aber auch Whatsapp-Nachrichten zum Thema Edathy veröffentlichen. Konkret geht es um den Zeitraum 15. Oktober 2013 bis 15. Februar 2014. In: n-tvNachrichtenfernsehen, 27.01.2015. Online verfügbar unter http://www.n-tv.de/politik/Auch-Hoegl-will-SMS-von-Gabriel-Co-sehen-article14402682.html.
dpa/ith (2015): Zeugin will Böhnhardt am Tatort gesehen haben. Der Attentäter kam in Radlerhose und T-Shirt: Im NSU-Prozess hat eine Zeugin ausgesagt, dass sie kurz vor dem Kölner Nagelbombenanschlag dem mutmaßlichen Terroristen Uwe Böhnhardt begegnet sei. Eine 63 Jahre alte Kölnerin will den mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt kurz vor dem Kölner Nagelbombenanschlag im Juni 2004 erkannt haben. Sie sei ihm auf einem Trampelpfad auf einem Brachgelände in der Nähe der Keupstraße begegnet, sagte sie am Dienstag als Zeugin im NSU-Prozess. Bei dem Anschlag auf die von türkischen Zuwanderern geprägten Straße im Juni 2004 waren 22 Menschen teils schwer verletzt worden. Der Mann sei ihr „sehr aufgefallen, weil er das Fahrrad so behutsam geschoben hat“. Außerdem habe sie auf dem Gepäckträger eine auffallend große Kofferbox gesehen, die eher zu einem Motorrad gepasst habe. In: Die Welt/Welt online, 27.01.2015. Online verfügbar unterhttp://www.welt.de/regionales/bayern/article136828165/Zeugin-will-Boehnhardt-am-Tatort-gesehen-haben.html.
Selvakumaran, Thumilan (2015): Eva Högl und Clemens Binninger kritisieren Behörden im Land. Stuttgart:Eva Högl wirft den Behörden im Land strukturellen Rassismus vor. Bei den Ermittlungen zum NSU seien zudem systematische Fehler gemacht worden. Zusammen mit Clemens Binninger sagte sie in Stuttgart aus. Die Kritik, die die beiden Ex-Obleute des Berliner NSU-Untersuchungsausschusses am Montag vor dem Pendant in Stuttgart äußern, ist scharf. Hinweise seien nicht ausgewertet, Namen von Rechtsextremen, die auf Listen aufgetaucht waren, nicht weiterverfolgt worden. Vertreter von Landesbehörden hätten bei ihren Aussagen in Berlin kaum Fehler eingeräumt, obwohl sich der Nationalsozialistische Untergrund elf Jahre mordend im Untergrund bewegen konnte. […] Der Ausschuss in Berlin habe die Ungereimtheiten im Land aufgrund der Fülle nicht vollständig unter die Lupe nehmen können. „Wir vertrauen nun auf ihre Arbeit“, gab Binninger den Parlamentariern in Stuttgart mitsamt offener Punkte mit. Erst mit ihrem Ergebnis könne in Berlin über einen neuen Ausschuss nachgedacht werden. Zu beleuchten sei etwa die Neonazi-Szene im Ludwigsburger Raum, die früher Verbindungen zum NSU hatte, gar mit schweren Waffen hantierte. Außerdem: Welche Rolle hat der Gründer des Haller Ku-Klux-Klans (KKK) gespielt? Er tauchte auf einer sächsischen Verfassungsschutzliste mit Bezügen zum NSU-Umfeld auf. Neben den zwei Polizisten gab es mehrere Beamte, die den Kontakt zum KKK gesucht haben.In: Südwest Presse/SWP Online, 27.01.2015. Online verfügbar unter http://www.swp.de/ulm/nachrichten/suedwestumschau/Eva-Hoegl-und-Clemens-Binninger-kritisieren-Behoerden-im-Land;art4319,3014133,PRINT?_FRAME=32.
Selvakumaran, Thumilan (2015): Kommentar: Falsche Zielsetzung. […] Statt neugierig zu fragen, versuchen die Ausschussmitglieder aber scheinbar, jegliche Zweifel an der korrekten Arbeitsweise von Ministerien, Staatsanwaltschaft und Ermittlern im Keim zu ersticken. Schnell wird klar: Die Ausschussmitglieder sind an Handlungsempfehlungen für ihre Arbeit nur mäßig interessiert. Den Vorwurf des strukturellen Rassismus und vorurteilsbehafteten Ermittelns etwa, den die BerlinerSPDFrau Eva Högl erhebt, kontert FDPObmann Ulrich Goll: „Ist das nicht auch ein Vorurteil?“. Besonders Nikolaos Sakellariou (SPD) verkämpft sich bei der Kritik, das Land habe Akten spät nach Berlin geliefert. Die Vorwürfe seien nicht bestätigt, das verunsichere die Bevölkerung. In: Südwest Presse/SWP Online, 27.01.2015. Online verfügbar unterhttp://www.swp.de/ulm/nachrichten/suedwestumschau/Eva-Hoegl-und-Clemens-Binninger-kritisieren-Behoerden-im-Land;art4319,3014133,PRINT?_FRAME=32.
bk (2015): Opfer rechter Gewalt: „Die haben uns nicht ernst genommen“. Opfer rechter Gewalt fühlen sich von der Polizei nicht ernst genommen. Mehr als die Hälfte von ihnen haben sogar den Eindruck, dass die Polizei kein Interesse an der Aufklärung hat. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie der Opferberatung Thüringen und der Uni Leipzig. Opfer rechter Gewalt fühlen sich bei der Polizei nur selten gut aufgehoben. Viele fühlen sich von der Polizei nicht ernst genommen, haben das Gefühl, als Täter und nicht als Opfer behandelt zu werden, und sehen sich mit Vorurteilen seitens der Beamten konfrontiert. Mehr als die Hälfte hat zudem den Eindruck, die Polizei sei nicht an der Aufklärung der politischen Motive der Tat interessiert, sofern sie überhaupt kommt. Das sind Ergebnisse einer Studie der Opferberatung Thüringen (ezra), die gemeinsam mit Wissenschaftlern der Universität Jena erstellt und vergangene Woche Dienstag in Leipzig vorgestellt wurde. […] Viele Betroffene berichten der Studie zufolge auch Jahre nach dem Vorfall noch von psychischen und körperlichen Problemen. Die meisten Befragten fürchten, erneut zu Gewaltopfern zu werden. Sie versuchen, die Gewalterfahrung mit verschiedenen Methoden zu verarbeiten. Während manche ihre Fitness trainieren oder Gegenstände zur Selbstverteidigung mitführen, berichten viele von Vermeidungsverhalten: So wird der Tatort oder ihm ähnliche Orte oder ganz allgemein die Öffentlichkeit zu bestimmten Zeiträumen gemieden. Jeder Fünfte würde Thüringen am liebsten verlassen, das Vertrauen in Polizei und Gerichte ist geschmälert. In: MiGAZIN, 26.01.2015. Online verfügbar unterhttp://www.migazin.de/2015/01/26/opfer-rechter-gewalt-die-haben-uns-nicht-ernst-genommen/. Download der Sudie unterhttp://www.ezra.de/fileadmin/projekte/Opferberatung/download/EzraStudie_klein.pdf.
Selvakumaran, Thumilan (2015): NSU: Bundestagsabgeordnete kritisieren NSU-Ermittlungen im Land. Stuttgart:Falsche Ziele, unterlassene Aufklärung: Die Bundestagsabgeordneten Eva Högl und Clemens Binninger zerpflücken die NSU-Ermittlungen im Land. Binninger ist überzeugt: „Man hat das Phänomen Rechtsterrorismus unterschätzt.“ Högl geht weiter. Sie spricht von strukturellem und institutionellem Rassismus in Landesbehörden. Rechtsextremismus sei systematisch verharmlost worden.Das ruft Nikolaos Sakellariou (SPD) auf den Plan. „Das tut weh, von einem strukturellen Rassismus zu hören, in einem Land, wo die Opfer zwei Polizisten waren.“. In: Südwest Presse/SWP Online, 26.01.2015. Online verfügbar unterhttp://www.swp.de/ulm/lokales/ulm_neu_ulm/Bundestagsabgeordnete-kritisieren-NSU-Ermittlungen-im-Land;art4329,3013256,PRINT?_FRAME=32.
SIR/dpa (2015): Politiker im NSU-Ausschuss: Kiesewetter war kein Zufallsopfer. Stuttgart – Im Stuttgarter Untersuchungsausschuss zur Terrorzelle NSU haben Politiker aus Bundestag und Thüringer Landtag die bisherige Aufklärungsarbeit der Ermittler im Südwesten infrage gestellt. Die beiden früheren Obleute im NSU-Ausschuss des Bundestags, Clemens Binninger (CDU) und Eva Högl (SPD), sind der Meinung, dass die Polizistin Michèle Kiesewetter 2007 in Heilbronn gezielt vom NSU ermordet wurde. […] Binninger empfahl dem Ausschuss im Landtag, sich unter anderem mit Zeugen zu befassen, die blutverschmierte Männer am Tattag in der Nähe des Tatortes gesehen haben. Die Handydaten von Kiesewetter sollten umfassender ausgewertet werden, auch für die Wochen vor der Tat. Zudem sollten Einsätze von Kiesewetter im kriminellen Milieu untersucht werden. Binninger selbst lebt in Böblingen, wo auch die Einheit von Kiesewetter stationiert war. Binninger und Högl gehen davon aus, dass der NSU nicht nur ein Trio sondern ein größeres Netzwerk war. […] Marx, die Obfrau im Thüringer Ausschuss gewesen war, sprach von einem „sehr gebremsten Interesse“ der Sicherheitsbehörden bei der Aufklärung der Straftaten in Thüringen. So gab es beispielsweise kurz nach dem Mord an Kiesewetter den Hinweis von ihrem Patenonkel, wonach es einen Zusammenhang mit den „Türkenmorden“ geben könnte. […] Marx verwies zudem auf einen Streit zwischen Kiesewetter und ihrer Cousine, die in die rechtsextreme Szene abgerutscht war. Diesen Aspekt hatte erst der Thüringer Ausschuss aufgedeckt. In: Stuttgarter Nachrichten (StN), 26.01.2015. Online verfügbar unterhttp://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.politiker-im-nsu-ausschuss-kiesewetter-war-kein-zufallsopfer.592d0044-5296-4243-9069-2d709e4e40d8.presentation.print.v2.html.
Moser, Thomas (2015): Edathy-Untersuchungsausschuß | Eine Ausschußvorsitzende und ihr merkwürdiges Verhältnis zur Wahrheit. Der Fall Edathy wird zum Fall SPD. Die Vorsitzende des Bundestagsuntersuchungsausschusses zur Sache Edathy, Eva Högl, erweist sich als parteilich und voreingenommen. Sie stellt sich auf die Seite bestimmter Zeugen. Immer deutlicher zeichnet sich ab, daß der frühere Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy im Herbst 2013 innerhalb der SPD isoliert wurde, um ihn aus der Politik und der Öffentlichkeit zu drängen. Högl: „Ich habe ja schon gesagt, ich hätte eben sagen müssen, ich habe ihn nicht gesehen, während ich da war. Es war auch ein bißchen salopp. Das tut mir leid. Das sollte eine Vorsitzende auch nicht machen, aber ich finde es jetzt ehrlich gesagt auch kein Drama.“ Die Ausschußvorsitzende: Entweder wollte sie die Falschaussage des Zeugen Hartmann decken, oder sie wollte dem Zeugen Ziercke helfen. Wieder ein Untersuchungsausschuß, in dem die Wahrheit strapaziert wird. In: Prof. Dr. Hajo Funke bei WordPress.com, 24.01.2015. Online verfügbar unter https://hajofunke.wordpress.com/2015/01/24/thomas-moser-edathy-untersuchungsausschus-eine-ausschusvorsitzende-und-ihr-merkwurdiges-verhaltnis-zur-wahrheit/.
NSU-Watch BaWü: Hier unser Protokoll der ersten öffentlichen Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses im Stuttgarter Landtag. Unsere Homepage geht in den nächsten Tagen online! #nsu #nsuwatch #bawü. Bericht: Erste öffentliche Sitzung des „NSU“-Untersuchungsausschusses am 23. Januar 2015. 4. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Die Aufarbeitung der Kontakte und Aktivitäten des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) in Baden-Württemberg und die Umstände der Ermordung der Polizistin M.K.“ des baden-württembergischen Landtags am 23. Januar 2015. Erste öffentliche Sitzung. Am 23. Januar 2015 beschäftigte sich der Untersuchungsausschuss in seinem ersten öffentlichen Teil mit dem Abschlussbericht der „Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus“. Dazu war als Sachverständiger der ehemalige Innensenator und Verfassungsschutz-Leiter von Hamburg und Mitglied der Kommission Heino Vahldieck (59) geladen. Anschließend beriet der Untersuchungsausschuss in nichtöffentlicher Sitzung über den Inhalt der Vernehmung und über die weitere Arbeit des Ausschusses. […] Ende des öffentlichen Teils: 11.25 Uhr (2014). In: NSU-Watch BaWü, 24.01.2014. Online verfügbar unter https://www.facebook.com/permalink.php?story_fbid=250447451795730&id=249140115259797.
Ruf, Reiner (2015): NSU-Untersuchungsausschuss im Landtag: Neigung zur Geheimniskrämerei. Stuttgart – Die Morde des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) haben nach Ansicht des früheren Hamburger Innensenators Heino Vahldieck (CDU) kein generelles Systemversagen der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern offen gelegt. „Davon kann keine Rede sein“, sagte der 59-Jährige am Freitag vor dem NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags. Vahldieck hatte von 2002 bis 2010 den Verfassungsschutz der Hansestadt geleitet. […] Nach seinen Worten zeigten die NSU-Morde, die von den im Dunkeln tappenden Sicherheitsbehörden gar nicht als rechtsextremistische Terrorakte in Erwägung gezogen worden waren, durchaus Fehler und Versäumnisse von Polizei und Verfassungsschutz auf. Vor allem fehlende Kommunikation zwischen den Behörden und Akteuren hätten den Ermittlungserfolg erschwert. Zumindest für die Zeit der Umtriebe des NSU-Trios konstatierte Vahldieck„Optimierungsbedarf bei der Weitergabe von Informationen.“ Indes habe die Kommission keinesfalls den Eindruck gewonnen, die Behörden seien auf dem rechten Auge blind. […] Von Versäumnissen in der Zusammenarbeit der baden-württembergischen Behörden mit dem Bund oder anderen Ländern wusste Vahldieck nicht zu berichten. […] Der Untersuchungsausschuss beschloss, ein Gutachten zur Sicherheitsarchitektur des Landes in Auftrag zu geben. Außerdem will er untersuchen, ob im Land Akten zur NSU-Thematik vernichtet wurden. In: Stuttgarter Zeitung (StZ), 23.01.2015. Online verfügbar unter http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.print.0a52f895-6249-4573-8994-ae431ff9aaf2.presentation.print.v2.html.
Stuttgart/Ulm: Filius will NSU-Ausschuss vor der Wahl beenden. Der Landtags-Untersuchungsausschuss zur Terrorzelle NSU muss aus Sicht des Grünen-Abgeordneten Jürgen Filius im November seine Arbeit beenden. Der Ausschuss müsse rechtzeitig vor der Landtagswahl zu einem Abschluss kommen, erklärte der Ulmer Abgeordnete. (2015). In: SWR4, 23.01.2015. Online verfügbar unter http://www.swr.de/swr4/bw/region-aktuell/ulm/filius-will-nsu-ausschuss-vor-der-wahl-beenden/-/id=258358/nid=258358/did=14939572/1wwmrc6/index.html.
SIR/dpa (2015): U-Ausschuss zu NSU-Morden: Hier wird und wurde ermittelt. Stuttgart – Nach dem Auffliegen der rechtsextremistischen Terrorzelle NSU im November 2011 begann die parlamentarische Aufklärung der beispiellosen Mordserie und des Ermittlungsdesasters. […] Die Untersuchungsausschüsse im Bundestag und in den Landtagen von Sachsen, Thüringen und Bayern haben ihre Arbeit inzwischen beendet – in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg haben die Ermittlungen erst begonnen. In: Stuttgarter Nachrichten (StN), 23.01.2015. Online verfügbar unter http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.u-ausschuss-zu-nsu-morden-hier-wird-und-wurde-ermittelt.20807e5e-6643-4382-9e7f-645e0bf66786.html.
Hinrichs, Per (2015): Die Nägel schossen mit 670 km/h durch die Luft. Im Münchner NSU-Prozess berichten Sprengstoffexperten des BKA über die Bombe des NSU in der Kölner Keupstraße. Ihre Sprengkraft entsprach der von 1,5 Kilogramm TNT – sie enthielt 700 lange Eisennägel. […] Sehr viele Betroffene wiesen die Polizei auf ein rechtsextremistisches Motiv hin, das Bundesamt für Verfassungsschutz fand wenige Tage später eine Parallele zu einem Sprengstoffanschlag in London, den 1999 die rechtsterroristische Vereinigung Combat 18 beging – und sogar der britische Scotland Yard wies die Kölner Kriminalpolizei auf die Verbindung hin: Die Bauweise der Bombe war nahezu identisch. […] Doch die Hinweise der Opfer und befreundeten Behörden verpufften. Ohne auch nur den leisesten Hinweis auf eine Verbindung zur organisierten Kriminalität zu haben, stocherten die Ermittler im Nebel herum und verdächtigten die Keupstraßen-Bewohner selbst, in Rotlichtkonflikte oder PKK-Machenschaften verstrickt zu sein – ermutigt von der Politik. Schon einen Tag später stellten sich Bundesinnenminister Otto Schily und sein NRW-Kollege Fritz Behrens vor die Kameras und verkündeten, ein terroristisches Motiv sei auszuschließen. […] Der Anschlag ist nun aufgeklärt, vermessen und kartografiert worden; seine Rekonstruktion füllt Dutzende Aktenbände. Zurück bleiben die Menschen in der Keupstraße, „früher eine gut besuchte Straße“, wie der Zeuge Ali Y. sagt. Doch seit dem Attentat seien die Umsätze zurückgegangen, die „Kundschaft traute sich nicht mehr hin“. Auch er sagte der Polizei, dass es ein rechtsradikaler Anschlag gewesen sein muss, man wollte „das Zusammenleben der Türken stören“. Und sein Nachbar Ertan T. war regelrecht „enttäuscht“, als er von den Beamten vernommen wurde, wie er am Donnerstag vor Gericht sagte. „Von Anfang an haben die einen türkischen Machtkampf als Motiv gesehen“. In: Die Welt/Welt online, 22.01.2015. Online verfügbar unter http://www.welt.de/politik/deutschland/article136672984/Die-Naegel-schossen-mit-670-km-h-durch-die-Luft.html?config=print.
dpa (2015): NSU-Ausschusschef Drexler will parteipolitisches Gezänk verhindern. […] «Mit der Enquete-Kommission ist viel Vertrauen verspielt worden», meinte Drexler. «Ich möchte, dass wir mit dem Thema jetzt angemessen umgehen, an einem Strang ziehen und für die Öffentlichkeit möglichst transparent arbeiten.» Der Ausschuss werde unter anderem Journalisten oder Wissenschaftler befragen, die bei ihren Recherchen zu anderen Erkenntnissen als die Ermittler gekommen seien. «Wir wollen das durchleuchten, was andere Ausschüsse noch nicht durchleuchtet haben – und zwar ohne Vorbehalte und ohne Rücksicht auf irgendjemanden». In: Pforzheimer Zeitung/PZ-news.de, 21.01.2015. Online verfügbar unter http://www.pz-news.de/baden-wuerttemberg_artikel,-NSU-Ausschusschef-Drexler-will-parteipolitisches-Gezaenk-verhindern-_arid,535346_print,true.html.
Pinar, Gül; elalem (2015): Interview mit NSU-Nebenklage-Vertreterin: „Die Anklageschrift ist falsch! Sie muss auf einen breiteren NSU-Unterstützerkreis ausgeweitet werden“. Ab heute sagen Betroffene des neonazistischen Nagelbombenanschlages vom 9. Juni 2004 auf der Kölner Keupstraße als ZeugInnen im NSU-Prozess aus. Die Strafverteidigerin Gül Pinar begleitet von Beginn an die juristische Aufarbeitung der deutschlandweiten Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds. Im Prozess vertritt sie die Familie des Hamburger Mordopfers Süleyman Taşköprü. Sie ist davon überzeugt, dass es sich beim NSU um ein weitaus größeres Netzwerk handelt als um die derzeit fünf Angeklagten. Mit Hilfe der Recherchen der Antifa haben sie und andereNebenklagevertreterInnen in den vergangenen eineinhalb Jahren zahlreiche Beweisanträge in den Prozess eingebracht, um vergangene und noch bestehende, aktive Strukturen der extremen Rechten in Deutschland aufzudecken, die mit der Terror-Zelle in Verbindung stehen. Pinar fordert zudem, den Verstrickungen der Ermittlungs- und Verfassungsschutzbehörden in die Geschehnisse und einem hiermit verbundenen institutionellen Rassismus nachzugehen und schlägt weitere Untersuchungskommissionen sowie unabhängige Ausschüsse vor. Hierfür brauche es den Druck der Zivilgesellschaft, der auf Seiten der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland auch damit einhergehen müsse, sich stärker mit eigenen Stereotypen, Ressentiments und Rassismen auseinanderzusetzen und sich mit Betroffenen von rassistischer Gewalt zu solidarisieren. Im Interview* mit elalem führt Gül Pinar ihre Beobachtungen und Forderungen aus. *Das Gespräch mit Gül Pinar führten wir im Rahmen eines politischen Erwachsenenbildungsseminars, das wir für Arbeit und Leben e.V. vom 24. – 28.11.2014 für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Hamburg organisiert und durchgeführt haben. In: elalem. Diskurse, Macht und Identitäten in der Migrationsgesellschaft, 20.01.2015 (01). Online verfügbar unter http://elalemelalem.de/nsuprozess/.
Hintergrund| In Sachen KAI DALEK | V-Mann-Sumpf NSU | Teil 1 |. […] In den 1990er Jahren wurde Kai Dalek, seit 1987 Mitarbeiter des bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz, zu einem der einflussreichsten Neonazis in Süddeutschland. Didier Magnien, ebenfalls Mitarbeiter des bayerischen Verfassungsschutzes, war um die Jahrtausendwende in terroristische Aktivitäten der französischen und deutschen Neonaziszene verstrickt. […] Wegen seiner „nationalen Einstellung“ zogen es diese vor, den Spitzel zukünftig in der rechten Szene einzusetzen. Bei Dalek dürfte es sich also nicht um einen klassischen „V-Mann“, sondern um eine Art „verdeckten Ermittler“ („VE“) des Verfassungsschutzes handeln. Der erste Weg führte den Agenten in die „Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front“ (GdNF) Michael Kühnens, die sich als „Arm der nationalsozialistischen Bewegung der neuen Generation in der Tradition der SA“ verstand. (2015). In: Prof. Dr. Hajo Funke bei WordPress.com, 18.01.2015. Online verfügbar unter https://hajofunke.wordpress.com/2015/01/18/hintergrund-in-sachen-kai-dalek-v-mann-sumpf-nsu-teil-1/.
stn-news (2015): Streit bei Grün-Rot: Für und wider den Verfassungsschutz. Baden-Württembergs Regierungspartner ziehen aus den jüngsten Terroranschlägen unterschiedliche Konsequenzen: Während die SPD nicht nur die Polizei, sondern auch den Verfassungsschutz stärken will, wollen die Grünen dort Personal abbauen. Stuttgart – Baden-Württembergs Regierungspartner ziehen aus den jüngsten Terroranschlägen unterschiedliche Konsequenzen: Während die SPD nicht nur die Polizei, sondern auch den Verfassungsschutz stärken will, wollen die Grünen dort Personal abbauen. Einig sind sie sich darüber, 100 neue Stellen bei der Polizei zu schaffen, um damit unter anderem beim Landeskriminalamt eine zentrale „Präventionsstelle gegen religiös motivierten Extremismus“ zu schaffen. […] Der Verfassungsschutz müsse sich Reformen stellen und „schlagkräftiger werden“, sagte die Grünen-Politikerin und warf den Geheimdienstlern indirekt vor, Personal für ungerechtfertigte Observationen zu verschwenden. So würden etwa auch Anwaltskanzleien überwacht, die ihre Mandanten in der linken Szene hätten. In: Stuttgarter Nachrichten (StN),17.01.2015. Online verfügbar unter http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.streit-bei-gruen-rot-fuer-und-wider-den-verfassungsschutz.ed70fcf8-a06e-4557-91d4-19a1a971fe50.html.
Stavrakis, George (2015): Neonazi-Prozess: Vom Kamerad zum „dreckigen Verräter“. Stuttgart – Zwei der vier Männer sollen aus der rechten Szene ausgestiegen sein. Der 23- und der 31-Jährige machen Angaben, wogegen ihre beiden Mitangeklagten, offenbar immer noch stramm rechtsextrem eingestellt, sowohl zu ihrer Person wie auch zu den Vorwürfen schweigen. Der 23-jährige Daniel R., der einer der Initiatoren der 2009 gegründeten AN Göppingen sein soll, hatte sich in der Vergangenheit als Anmelder und Organisator von Aufmärschen im Raum Göppingen hervorgetan. Inzwischen befindet er sich in dem Aussteigerprogramm des Landeskriminalamts (LKA) Baden-Württemberg mit Namen Big Rex, was für Beratungs- und Interventionsgruppe gegen Rechtsextremismus steht. […] Die Verteidiger der beiden schweigsamen Angeklagten fordern, die Verfahren einzustellen. So argumentiert Anwalt Alexander Heinig, einst Sänger der rechten Skinhead-Combo Ultima Ratio, die Anklage sei vage und mangelhaft und erfülle nicht die vom Gesetzgeber geforderten Kriterien. In: Stuttgarter Nachrichten (StN), 17.01.2015. Online verfügbar unter http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.neonazi-prozess-vom-kamerad-zum-dreckigen-verraeter.cee49a8e-3e59-40f2-aef7-3cfd9d7dc609.presentation.print.v2.html.
Nebenklage NSU-Prozess (2015): 13.01.2015 | Weitere Vernehmung des Ex-V-Mannes Carsten Szczepanski. Und: Die Front bröckelt – Beweisanträge der Verteidigung Wohlleben.
Heute wurde zunächst die Befragung des Bombenermittlers beendet, der die Auswirkungen der Nagelbombe in der Kölner Keupstraßeuntersucht hatte. Danach wurde die Vernehmung des ehemaligen V-Mannes Carsten Szczepanski fortgesetzt (zum Beginn seiner Vernehmung vgl. den Bericht vom 03.12.2014).
Die Befragung war wie zu erwarten zäh und schleppend, seine Erinnerung (oder sein Wille zur Erinnerung) an ehemalige Kameraden, Namen und Daten schlecht. Immerhin berichtete er relativ offen zur ideologischen Ausrichtung und Gewaltbereitschaft der Szene. Die Nebenklage fasste die Ergebnisse der Befragung des Zeugen in einer mündlichen Erklärung zusammen, die wir hier sinngemäß zusammenfassen. Deutlich wurde nicht nur die offene Werbung für rassistische Gewalttaten und den bewaffneten Kampf, die die gesamte Naziszene der 90er Jahre maßgeblich bestimmte. Vor allem lässt einen die Tatsache erschrecken, dass der Zeuge während seiner V-Mann-Tätigkeit genau diese politische Tätigkeit fortsetzte, ein extrem gewaltverherrlichendes Fanzine selbst während seiner Inhaftierung herausgab und die Hefte vor dem Versand seinem V-Mann-Führer vorlegte, ohne dass hier Widerspruch erfolgte. Die Tatsache, dass die Meldungen des Zeugen, Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt hielten sich in Chemnitz auf, die dortige Blood and Honour-Sektion unterstütze sie, nicht ganz einfach zur Festnahme der drei führte, zeigt, dass dieser Verfassungsschutz kein Interesse an der Bekämpfung der Naziszene und an der Festnahme hatte.
Szczepanski war ursprünglich auch für morgen geladen; nachdem es damit für morgen kein Beweisprogramm mehr gab, setzte der Vorsitzende Richter Götzl den Verhandlungstag morgen kurzerhand ab. Zum Schluss des Hauptverhandlungstages stellte die Verteidigung Wohlleben eine ganze Reihe von Beweisanträgen. Deren Tenor: nicht Ralf Wohlleben war die Zentralfigur unter denUnterstützerInnen der drei Untergetauchten und des NSU, sondern die „Blood & Honour“-Sektion Sachsen, und diese war es auch, die die Radikalisierung von Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos herbeiführte, die in den Mordtaten des NSU mündete, und die dem NSU auch die hierfür verwendeten Waffen besorgte. Zum Beweis dieser Tatsache sollen u.a. alle bedeutenden Personen von „B&H“ Sachsen sowie die damaligen Führer von „B&H“ Thüringen und Deutschland als Zeugen geladen werden.
Diese Anträge bedeuten – das war an den Mienen von Verteidigern Heer und Stahl deutlich zu erkennen – eine ganz deutliche Distanzierung von der Verteidigung Zschäpe.
Interessanterweise kommen die Zeugen, deren Vernehmung heute durch die Wohlleben-Verteidigung beantragt wurde, aus genau der Szene, mit der sich das Gericht auf Anträge der Nebenklage hin in den letzten Wochen näher beschäftigt hatte – was bekanntlich nicht nur von den Generalbundesanwaltschaft und der Verteidigung Zschäpe, sondern gerade auch von Wohllebens Verteidigung kritisiert wurde. Die Nebenklage, der in den vergangenen Wochen immer wieder vorgeworfen wurde, sie würde den Prozess verzögern, kann sich insoweit bestätigt sehen, dass sie in die richtige Richtung agiert hat. Interessant ist auch, dass einige der Anträge mit Insider-Wissen begründet wurden, etwa die Angabe, beim Auflösungstreffen von „B&H“ Sachsen seien Böhnhardt und Mundlos anwesend gewesen.
Zugleich ist es mehr als unwahrscheinlich, dass der Versuch der Verteidigung Wohlleben verfängt, ihren Mandanten als (gegenüber B&H Sachsen) vergleichsweise harmlos und ahnungslos und damit letztlich als unschuldig darzustellen. Denn sowohl die objektiven Beweismittel als auch die Aussage des Mitbeschuldigten Schultze sprechen eindeutig dafür, dass Schultze und Wohlleben den „Dreien“ eine scharfe Schusswaffe mit Schalldämpfer besorgten – eine Waffe, die für keine andere Verwendung als für politische Attentate geeignet ist.
Die Verteidigung Wohlleben hat offensichtlich die Ablehnung ihres erneuten Haftantrages richtig interpretiert: ihrem Mandanten droht eine langjährige Haftstrafe, weil die Beschaffung der Ceska 83 mit Schalldämpfer bewiesen ist, weil klar ist, dass Wohlleben, der ja gemeinsam mit Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos die „Volkstod“-Kampagne geführt hatte, der die hochaggressive Gewaltaffinität des Uwe Böhnhardt kannte, genau wusste, wen er da mit einer Mordwaffe ausrüstete. Die Beweisanträge jetzt stellen den Versuch dar, die neu gewonnenen Erkenntnisse über die Unterstützer in Chemnitz in der Form zu nutzen, dass diesen die gesamte Verantwortung zugeschoben wird. Den Umstand, dass Böhnhardt und Mundlos bereits vor ihrem Untertauchen, in einer Zeit, in der sie politisch wie freundschaftlich eng mit Wohlleben verbunden waren über die Chemnitzer Blood and Honour-Struktur TNT zum Bombenbau bezogen, dass sie in dieser Zeit bereits eine Bombenwerkstatt hatten, dass also sowohl der Wille zur Begehung von Sprengstoffanschlägen wie auch die politische Übereinstimmung mit B&H bereits zu diesem Zeitpunkt bestand, übergeht die Verteidigung dabei geflissentlich. Dass Wohlleben von 1998 bis Anfang der 2000er keinen Kontakt zu B&H Sachsen hatte, dürfte eher daran gelegen haben, dass wegen der Bomben in Jena ja auch gegen ihn ermittelt wurde und er als zentraler Unterstützer der Drei sich daher im Hintergrund hielt. In: NSU-Nebenklage.de-Blog, 13.01.2015. Online verfügbar unter http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2015/01/13/13-01-2015/.
Grothmann, Oliver; Riechers, Karsten (2015): Islamhasser-Demo „Bagida“: Hier marschiert NSU-Angeklagter André Eminger. München – Morgens Angeklagter im NSU-Prozess, abends Teilnehmer der Islamhasser-Demo „Bagida“: Wieder wurde einmal überdeutlich, wie rechtsextrem und menschenverachtend Neonazi André Eminger (34) eingestellt ist. Es ist ein Schlag ins Gesicht für alle Angehörigen der NSU-Opfer. Zum Teil waren die Ermordeten Moslems, alle waren bestens integriert, bevor sie von den NSU-Killern Uwe Böhnhardt († 34) und Uwe Mundlos († 38) erschossen wurden. […] NSU-Nebenklage-Anwalt MehmetDaimagüler zu BILD: „Er war und ist ein reueloser Nazi. Dass er auf der Bagida-Demo mitläuft, sagt alles über ihn, aber auch vieles überBagida. Dieser Mann gehört in U-Haft und nicht auf die Straßen Münchens.“ In: Bild.de, 13.01.2015. Online verfügbar unter http://www.bild.de/regional/muenchen/nsu-prozess/neonazi-angeklagter-lauft-bagida-demo-mit-39322344.bild.html.
Schultz, Tanjev (2015): NSU-Prozess – Ralf Wohlleben muss in Haft bleiben. Im NSU-Prozesss entscheiden die Richter, dass der frühere NPD-Funktionär Ralf Wohlleben in Haft bleibt. Er soll den NSU-Terroristen eine Mordwaffe verschafft haben. Im Prozess bestätigt V-Mann „Piatto“ Kontakte zu englischen Neonazis. […] Wie schon im Dezember berief sich Piatto bei einer langwierigen Befragung immer wieder auf Erinnerungslücken. Einen direkten Kontakt zu den NSU-Terroristen will er nicht gehabt haben. Er hatte aber Ende der Neunzigerjahre dem Verfassungsschutz mehrmals über ein untergetauchtes Neonazi-Trio berichtet. Die Informationen will er von anderen Szene-Mitgliedern erhalten haben. Der Ex-Spitzel bestätigte, dass er früher auch Kontakte zu englischen Neonazis hatte, die zur militanten Gruppe „Combat 18“ gehörten. Er sagte, in Deutschland hätten manche in der Szene in Combat 18 ein Vorbild gesehen. In: Süddeutsche.de (SZ), 13.01.2015. Online verfügbar unter http://www.sueddeutsche.de/politik/2.220/nsu-prozess-ralf-wohlleben-muss-in-haft-bleiben-1.2302570.
Jentsch, Ulli; Sanft, Hilde (2015): Rechter Terror in der antifaschistischen Analyse | Im NSU-Komplex gibt es mehrere zentrale Fragen, mit denen sich unabhängige Antifaschist_innen dringender denn je auseinandersetzen müssen, um der bislang sehr wirkmächtigen Erzählung des Generalbundesanwalts, der Geheimdienste und der Polizei entgegen zu treten: Denn Strafverfolger und Geheimdienste propagieren entgegen aller Fakten und einschlägigen Zeugenaussagen unbeirrt den Mythos vom isolierten Trio, von dessen terroristischen und mörderischen Aktivitäten kein einziger der zahllosen Unterstützer_innen informiert gewesen sei, und stellen den NSU-Komplex als ein singuläres, schon jetzt abgeschlossenes Ereignis ohne Wiederholungsgefahr dar. Ein Diskussionsbeitrag von Hilde Sanft und Ulli Jentsch. […] Wir wissen aus den bekannten neonazistischen Konzepten und Handlungsanweisungen — dem „Der totalen Widerstand“ von Hans von Dach, den Turner-Tagebüchern, dem B&H-Papier „The way forward“, dem B&H-„Field-Manual“, dem „White Resistance Manual“, dem Manifest „Eine Bewegung in Waffen“ und weiteren Artikeln zum „führerlosen Widerstand“ —, dass die legalen und die illegalen NS-Strukturen als Einheit angesehen werden müssen. Eine abgeschlossene illegale Untergrund-Zelle könnte in dieser Logik zwar im Ausnahmezustand des „Rassenkrieges“ eine Zeitlang autonom agieren, doch ist sie Teil des bewaffneten Arms der neonazistischen Bewegung. Ihr Aufbau, ihre logistische Versorgung im Untergrund durch legale Neonazi-Strukturen und die politische Legitimierung ihrer Taten waren und sind Theorie und Praxis des gesamten militanten Neonazismus. […] Und es gibt noch eine Kontinuitätslinie, die wir stärker in den Fokus nehmen müssen. In der aktuellen rassistischen Mobilisierungswelle, die derzeit durchs Land geht — inklusive mehr als zwei Dutzend Brandanschläge auf Flüchtlingsheime seit Jahresbeginn 2014 — wird eine neue „Generation Terror“ politisiert, die auf eine erfahrene „Generation Terror“ trifft, die nicht aufhört. Der organisierte und gewaltbereite Rassismus vom Beginn der 1990er-Jahre war die Schule der Generation von Neonazis, aus der das NSU-Netzwerk hervor ging. Oder anders gesagt: Rassismus steht am Beginn und am Ende des NSU und im Zentrum der Ideologie neonazistischen Terrors. Deshalb müssen wir verstehen, dass das Problem Rassismus heißt. Einen wirklichen Wandel kann es daher nur geben, wenn der Rassismus, der alltägliche, der institutionelle und der organisierte, als Problem erkannt und bekämpft wird. In: Antifaschistisches Info-Blatt (AIB), 12.01.2015 (105 / 4.2014). Online verfügbar unter https://www.antifainfoblatt.de/artikel/rechter-terror-der-antifaschistischen-analyse.
Hermsen, Stephan (2015): Der Terroranschlag, bei dem das Vertrauen starb. Köln. Im Münchener NSU-Prozess geht es jetzt um das Nagelbombenattentat von Köln. Ein Anschlag, der die Menschen dort bis heute verunsichert. […] Heute, erzählt Peter Bach von der Geschichtswerkstatt Köln-Mülheim, ist die Keupstraße wieder eine der lebendigsten Straßen im Stadtteil. Gerade weil die 107 Geschäfte „Dügün Evi“, „Sagdic Import & Export“ und „Urfa Antep“ heißen. Weil es hier vom Brautmoden-Factory-Outlet über das Restaurant bis zum Fachgeschäft für orientalische Musik Dutzende inhabergeführte Geschäfte gibt statt anonymer Filialen. Der Terroranschlag, bei dem das Vertrauen starb […] Es wird nur in eine Richtung ermittelt. In dieses ökonomische Herz der Migranten der zweiten und dritten Generation hinein pflanzten die NSU-Neonazis ihre Nagelbombe. Das war das erste Trauma. Das zweite Trauma kam danach – und will bis heute nicht heilen. „In der ersten Meldung hieß es noch, es sei ein terroristischer Anschlag“, erzählt Peter Bach. Kurz danach ziehen die Behörden, vom Bundesinnenminister angefangen, diese Einschätzung zurück. In:WAZ /Der Westen.de, 12.01.2015. Online verfügbar unter http://www.derwesten.de/region/der-terroranschlag-bei-dem-das-vertrauen-starb-id10229280.html.
Mudra, Kai (2015): NSU-Prozess: Ermittler sah keinen Zusammenhang zwischen Kölner Anschlägen. […] „Nein, wir haben für uns keinen Zusammenhang gesehen.“ Ruhig antwortet der 57-jährige Sprengstoffexperte des Landeskriminalamtes (LKA) in Nordrhein-Westfalen. Er ist am 173. Verhandlungstag im Münchner NSU-Prozess als Zeuge geladen. Opferanwalt Eberhard Reinecke wollte von dem Kriminalhauptkommissar wissen, ob die Ermittler einen Zusammenhang zwischen zwei Anschlägen in Köln gesehen hätten – dem Nagelbombenanschlag vom 9. Juni 2004 in der Keupstraße und dem Sprengstoffanschlag auf den Laden einer syrischen Familie in der Probsteigasse vom Januar 2001. […] Dutzende Tatortfotos der Polizei, die über mehrere Stunden im Gericht gezeigt wurden, zeigten anschaulich die angerichteten Zerstörungen. Anhand der Bilder erklärte ein weiterer Ermittler, wo die Nagelbombe platziert gewesen sein muss. Nach seinen Angaben wurden bei dem Anschlag 22 Menschen verletzt. In der Keupstraße im Kölner Stadtteil Mühlheim leben überwiegend Menschen türkischer Abstammung. Trotzdem hatte die Polizei bei ihren damaligen Ermittlungen nie ernsthaft ein ausländerfeindliches Motiv für die Tat in Erwägung gezogen. In: Der Westen.de, 12.01.2015. Online verfügbar unter http://www.derwesten.de/widget/id6005744?ctxArt=10226332&view=print.
Demirci, Ayhan; Soibel, Dimitri; Wiermer, Christian (2015): Keupstraßen-Attentat: Verbindung nach England? Der Anschlag auf dieKeupstraße vom 9. Juni 2004 versetzte Köln in Angst und Schrecken, verletzte 22 Menschen, viele davon schwer. Am Montag kommt das Attentat im Münchner NSU-Terror-Prozess zur Sprache. Endlich! Nach 172 Verhandlungstagen. Die Mordserie des NSU hätte nach der Tat von Köln, bei der die Terroristen auch noch gefilmt wurden, enttarnt und gestoppt werden MÜSSEN. Einer der einfachsten, aber frappierendsten Belege dafür ist die „England-Akte“: In nahezu gleicher Weise waren in London nur wenige Jahre zuvor Anschläge auf Ausländer verübt worden. Sogar Scotland Yard selbst machte die Kölner Polizei mit einem 70-(!)-seitigen Dossier darauf aufmerksam. Doch obwohl der Anschlag in Köln völlig untypisch für eine Abrechnung im Kleinkriminellen-Milieu war, trotz der Zeugenaussagen, die von deutschen Tätern sprachen, trotz des Überwachungs-Videos: Die Polizei ermittelte vor allem unter den türkischen Geschäftsleuten – der NSU mordete währenddessen unbehelligt drei weitere Jahre lang, erschoss fünf Menschen, zuletzt die Polizistin Michèle Kiesewetter (2007). Wie fehlgeleitet die Ermittler waren, zeigen Dokumente, die EXPRESS vorliegen. In einer Analyse des Verfassungsschutzes stellen die Verfasser vier Wochen nach der Tat eine Verbindung her zu der Serie von rassistisch motivierten Anschlägen im April 1999 in London, die den Kölner Attentätern als Muster gedient haben könnten – auch hier waren es Nagelbomben! Die drei Londoner Anschläge auf die überwiegend von Schwarzen und Menschen aus Bangladesch bewohnte Stadtteile Brixton und Bricklane sowie einen von mehrheitlich von Homosexuellen besuchten Pub in Soho forderten drei Tote und 127 Verletzte. Der Täter David Copeland (damals 22) erklärte später, er habe einen „Rassenkrieg“ entfachen wollen. Die Terrorbomben wurden auch immer wieder in Zusammenhang mit der militanten englischen Neonazi-Organisation „Combat 18“ gebracht. „Combat 18“ ist der bewaffnete Arm des rechtsextremen Netzwerks „Blood & Honour“ (Blut und Ehre). In: Express.de, 11.01.2015. Online verfügbar unter http://www.express.de/koeln/montag-im-nsu-prozess-keupstrassen-attentat–verbindung-nach-england-,2856,29535842,view,printVersion.html.
Otto Brenner Stiftung (2015): NSU-Morde: Medien haben bei der Aufdeckung der Hintergründe versagt! Frankfurt (ots) – Im Herbst 2011 wurde bekannt, dass die Mordserie an Menschen mit Migrationshintergrund und weitere Gewaltverbrechen vom „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) verübt worden waren. Staatliche Behörden hatten ein Jahrzehnt lang in die falsche Richtung ermittelt. Untersuchungsausschüsse auf Bundes- und Landesebene lassen keinen Zweifel: Der „NSU-Komplex“ steht für ein eklatantes Staatsversagen. In einer aktuellen Studie der Otto Brenner Stiftung wird jetzt der Frage nachgegangen, ob auch Medien bei der Aufdeckung der Hintergründe der NSU-Mordserie versagt haben. lautet: Bis auf wenige Ausnahmen folgten sehr große Teile der medialen Berichterstattung der Logik und den Deutungsmustern der Ermittlungsbehörden. Medien haben mit zur Ausgrenzung der Opfer beigetragen, Angehörige stigmatisiert und sich teilweise selbst mit „umfangreichen Spekulationen“ an der Tätersuche beteiligt. Die Studie kommt laut OBS-Geschäftsführer Legrand zu dem Ergebnis, „dass nicht nur die staatlichen Behörden 10 Jahre lang in die falsche Richtung ermittelt haben, sondern auch Medien ein Jahrzehnt lang diese Deutungsmuster und Mutmaßungen nicht konsequent hinterfragt und unkritisch übernommen haben“. In: Presseportal.de, 11.01.2015. Online verfügbar unter http://www.presseportal.de/pm/106578/2923320/nsu-morde-medien-haben-bei-der-aufdeckung-der-hintergruende-versagt.
Virchow, Fabian; Thomas, Tanja; Grittmann, Elke (Hg.) (2015): „Das Unwort erklärt die Untat“. Die Berichterstattung über die NSU-Morde – eine Medienkritik. Eine Studie der Otto Brenner Stiftung. Frankfurt (am Main) (OBS-Arbeitsheft, 79), 11.01.2015. Online verfügbar unter https://www.otto-brenner-shop.de/uploads/tx_mplightshop/AH79_web_small.pdf. Vgl. auch https://www.otto-brenner-shop.de/publikationen/obs-arbeitshefte/shop/das-unwort-erklaert-die-untat-ah79.html.
Gensing, Patrick (2015): NSU: Das Rätsel um die Akte von V-Mann „Tarif“. Ex-V-Mann „Tarif“ sagt, der Verfassungsschutz hätte nach seinem Hinweis 1998 den NSU stoppen können. Überprüfen lässt sich das nicht: Die Akten zu „Tarif“ wurden vernichtet. Später wurden Teile davon rekonstruiert, doch wurden sie dem NSU-Ausschuss auch vorgelegt? […] Zudem hat die Geschichte nun noch eine weitere Wendung genommen. Kurz vor Weihnachten wollte die Linken-Abgeordnete Martina Renner in einer Fragestunde des Bundestags wissen, wie viele Quellenberichte des V-Mannes „Tarif“ sich derzeit im Besitz des Bundesamtes für Verfassungsschutz befänden. Die Antwort des Innenministeriums: exakt 157. Das sorgt wiederum bei den Abgeordneten für Aufsehen, die diese Berichte offenbar nicht kennen. SPD-Obfrau Högl meint, wenn der Verfassungsschutz dem NSU-Ausschuss wichtige Unterlagen zu „Tarif“ vorenthalten habe, sei das ein „unerhörter Vorgang“. […] Renner spricht angesichts dieser Umstände gegenüber tagesschau.devon „systematischen Täuschungsmanövern“. Betroffen sei nicht nur das Parlament, sondern auch der NSU-Prozess in München, so Renner. Denn „die Verfahrensbeteiligten im Prozess gegen Beate Zschäpe haben ja auch ein Recht auf alle relevanten Akten“. Solange diese Akten nicht vorliegen gibt es keine Klarheit im Fall „Tarif“. In: tagesschau.de (ARD),10.01.2015. Online verfügbar unter https://www.tagesschau.de/inland/nsu-tarif-101.html.
Popp, Maximilian; Wassermann, Andreas (2015): Rechte Spaßgesellschaft. Populismus. Ein Security-Mann und ein gescheiterter CDU-Stadtrat gehören zu den Anführern von Pegida. Ihre Biografien erklären die Ursprünge der Protestbewegung. In: Der Spiegel (Druckausgabe), 10.01.2015 (03), S. 34–36. Info online verfügbar unterhttps://magazin.spiegel.de/digital/index_SP.html#SP/2015/3/131242879.
Unberechtigte Vorwürfe. BERLIN/KÖLN (Eigener Bericht) – Der seit wenigen Tagen amtierende Präsident des Militärischen Abschirmdienstes der Bundeswehr, Christof Gramm, hat die Arbeit des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Terrororganisation „Nationalsozialistischer Untergrund“ massiv behindert. Gramm, der zuvor für die juristische Fachaufsicht über den MAD zuständig war, erfuhr in dieser Funktion unter anderem von einer Personalakte der Bundeswehr über den NSU-Terroristen Uwe Mundlos und leitete diese nicht an den Ausschuss weiter. Auch eine Befragung von Mundlos durch den MAD wurde von Gramm zunächst unterschlagen. Gleichzeitig vernichtete der MAD nach dem Auffliegen des NSU Anfang November 2011 zahlreiche Unterlagen, die über die Unterstützer der Naziterroristen hätten Aufschluss geben können. Zudem führte der MAD zumindest eine Person aus dem NSU-Umfeld als „Quelle“. Der Betreffende erhielt wie etliche andere Rechtsextremisten während seines Wehrdienstes bei den deutschen Streitkräften eine umfassende Ausbildung im Gebrauch von Schusswaffen und Sprengstoff. Klug beraten. Wie die Bundeswehr mitteilt, hat der Jurist Christof Gramm am 2. Januar sein Amt als Präsident des in Köln beheimateten Militärischen Abschirmdienstes (MAD) angetreten. Gramm, der zuvor im Bundesverteidigungsministerium für die rechtliche Fachaufsicht über den MAD zuständig war, habe den Armeegeheimdienst stets „klug und gut“ beraten, heißt es. [1] In krassem Widerspruch dazu steht Gramms Haltung gegenüber dem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages zur Aufklärung der Mordserie des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU). Die Obfrau der SPD im Ausschuss, Eva Högl, hatte in der Sitzung vom 29. November 2012 explizit Gramms mangelnde Kooperation gerügt: Sein Umgang mit dem parlamentarischen Gremium sei eine „Unverschämtheit“, erklärte die Politikerin. [2]. […] Ähnlich verhält es sich im Fall eines anderen Bundeswehrsoldaten, der im September 1999 vom MAD vernommen wurde. Gegenüber den Befragern räumte er freimütig ein, über Kontakte zu den im Untergrund lebenden NSU-Mitgliedern zu verfügen und erklärte, diese bewegten sich „auf der Stufe (von) Rechtsterroristen“. Auch diese Information übermittelte der Militärgeheimdienst lediglich seiner zivilen Partnerorganisation, dem Verfassungsschutz – eine Unterrichtung der Polizeibehörden unterblieb. Zur Begründung sagte der MAD-Mitarbeiter Oberst Dieter Huth vor dem NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages: „Man könnte so was machen und das weit streuen, aber letztlich säßen dann zig Behörden auf irgendwelchen Informationen, und keiner wüsste, was der andere hat.“ [5] (2015). In: German-Foreign-Policy.com, 09.01.2015. Online verfügbar unter http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59028/print.
Brumlik, Micha; Funke, Hajo (2015): Kolumne Gott und die Welt: Selber selbstreinigen. Winfried Kretschmann, der Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg, hat die Selbstreinigung des Islam gefordert. Ein offener Brief. […]
Sehr geehrter Ministerpräsident, es liegt in Ihrer Hand, dem Hickhack der Parteien um den richtigen Weg der „NSU“-Aufklärung ein Ende zu setzen. Ihr Schweigen und jeder Tag, den Sie zögern, ist ein Schlag ins Gesicht der Opfer, befördert Verschwörungstheorien und senkt das Vertrauen der BürgerInnen in den demokratischen Rechtsstaat. Daher regen wir an:
(1) Die Akten zu Heilbronn dem Untersuchungsausschuss vollständig vorzulegen.
(2) Die Öffentlichkeit wissen zu lassen, was die Sicherheitsbehörden an terroraffinen Netzwerken des Neonazismus in Baden-Württemberg festgestellt haben: Zu den Aktivitäten der rechtsextremistischen Musikszene, der verbotenen Organisation „Blood & Honour“ sowie der Band Noie Werte, deren Stücke „NSU-Bekennervideos“ untermalten, zum Ku-Klux-Klan in der Polizei von Baden-Württemberg, zur Rolle der V-Mann-Einsätze von „Piatto,“ dem Anfang April 2014 tot aufgefunden „Corelli“, von Achim Schmid; zur „Neoschutzstaffel“ (NSS), zur „Standarte Württemberg“ – und zu einem Geheimbund in Heilbronn, der in den Akten beschrieben und bisher von Ihren Sicherheitsorganen nicht einmal benannt worden ist. Welche V-Männer waren in Baden-Württemberg im Einsatz? Wurde die Kameradschaft Karlsruhe, die Kontakte zum NSU-Umfeld unterhielt, von V-Leuten des Staats-/Verfassungsschutzes aufgebaut bzw. mitgetragen?
(3) Die Öffentlichkeit darüber zu unterrichten, mit wem und worüber die ermordete Michéle Kiesewetter auf ihren Handys und in ihrem Computer Informationen ausgetauscht hat.
(4) Lassen Sie die Öffentlichkeit wissen, was Thomas Bartelt, der Leiter der Einheit von Michèle Kiesewetter, was Kolleginnen und Kollegen aus der Einheit und benachbarter Sicherheitsorgane, also die beiden bisher nicht angemessen vernommenen Polizisten Daniel S. und Matthias S. in den Stunden des Attentats getan haben? Warum waren sie wann am Tatort?
(5) Lassen Sie ermitteln, welche Dienste eventuell noch in der Nähe des Tatorts waren: wer und wie viele vom Verfassungsschutz oder von US-amerikanischen Diensten, etwa dem FBI, den Special Forces und Navy Seals? Wie konnte es sein, dass in kürzester Zeit eine MEK-Einheit aus Karlsruhe am Tatort war und Flüchtende per Hubschrauber verfolgen konnte?
(6) Wie war es möglich, dass über Jahre unabhängig voneinander gemachte Zeugenaussagen zu möglichen Tätern (mindestens 4 bis 6 Täter) nicht zureichend weiterverfolgt wurden? Das gilt auch für das Phantombild, das das überlebende Opfer des Attentats, Martin Arnold, hat zeichnen lassen!
In respektvoller Hoffnung auf eine Selbstreinigung des baden-württembergischen Staatsapparats.
In: Die Tageszeitung/taz.de, 07.01.2015. Online verfügbar unter http://www.taz.de/!152299/.
Schwäbisch Hall: Ku-Klux-Klan und NSU im Fokus. Der SWR startet am Dienstag, 6. Januar, ein neues Kriminalmagazin im TV. Gleich zum Auftakt geht es um den NSU und den Ku-Klux-Klan in Hall. Die Sendung „Spur des Verbrechens“ will aktuelle und vergangene Kriminalfälle im Südwesten analysieren – von Mord über Betrug bis zum politischen Terror. Zu sehen ist die erste Ausgabe, moderiert von Michael Matting, am Dienstag, 6. Januar, 18.45 bis 19.30 Uhr im SWR-Fernsehen. Unter anderem geht es dabei um den mutmaßlichen Nationalsozialistischen Untergrund und den Heilbronner Polizistenmord von 2007. Dabei stellt sich die Frage: Waren es wirklich nur zwei Täter? Wie groß war das Netzwerk des NSU in Baden-Württemberg? Die Reporter beleuchten dabei auch die Hintergründe zum Ku-Klux-Klan in Schwäbisch Hall. (2015). In: Südwest Presse/SWP Online, 03.01.2015. Online verfügbar unter http://www.swp.de/2976452.
Fremdenfeindlicher Angriff : Neonazi-Attacke auf türkischen Imbissbetreiber. Zwei Neonazis in Pforzheim haben in der Silvesternacht, in einer geschlossenen Gesellschaft feiernde Türken mit Messer und Schreckschusspistole attackiert. Eine mit Messerstichen verletzte Person wurde ins Krankenhaus eingeliefert. […] Sie haben geschrien: „Scheiß Türken!“ und „Hier kommen wir rein, wo wir wollen!”, sagte Kural über die schlimme Silvesternacht. „Sie traten die Glasscheibe der Eingangstür ein und haben uns attackiert”. Der 31-jährige Imbissbetreiber hatte sich den Angreifern in den Weg gestellt und wurde am Oberarm verletzt. […] Külünk: „Die Ängste wegen der NSU Morde sitzen noch sehr tief“. […] Der vorliegende Fall erinnert auch an einen weiteren Fall in der Pforzheimer Nordstadt, wo 2011 der Döner-Imbiss Betreiber Murat Aktaş, von etwa 50 jungen Neonazis überfallen worden war. Die mit Eisenstangen bewaffneten Schläger schrien „Scheiß-Moslem“ und drohten, den Inhaber und seine Gäste anzuzünden.(2015). In: Deutsch Türkische Zeitung.de (dtz), 02.01.2015. Online verfügbar unter http://deutsch-tuerkische-zeitung.de/neonazi-attacke-auf-tuerkischen-imbissbetreiber/.