„Nach bestem Wissen und Gewissen“
habe er gehandelt und entschieden, antwortete OStA a.D. Häußler am 8.10.2014 in einem Leserbrief auf den Artikel von Andreas Müller in der StZ vom 19.9.2014.
Zitat: „Im Rechtsstaat kann gegen Entscheidungen der Staatsanwaltschaft das Gericht angerufen werden. … Dass es dabei und dann auch in weiteren gerichtlichen Instanzne zu unterschiedlichen Beurteilungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht kommen kann, liegt in der Natur der Sache. Doch sollte jedem zunächst einmal zugebilligt werden, nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt und entschieden zu haben. Forderungen zum ‚Ausmisten‘ und das Überreichen einer Mistgabel werden der Sache nicht gerecht.“
Weiter zum vollen Wortlaut des Leserbriefs
Erwiderung von Eberhard Frasch auf Häußlers Leserbrief
(verfasst am 9.10.2014 ebenfalls als Leserbrief an die StZ):
„Oberstaatsanwalt i.R. Häußler nimmt in einem Leserbrief in der Stuttgarter Zeitung vom 8.10.2014 Stellung zu einem Artikel von Andreas Müller, der am 19.9.2014 unter der Überschrift „Voreiliger Freibrief vom Justizminister“ erschienen war. Müllers zentrale Aussage: Justizminister Stickelberger habe „eins zu eins … die teilweise krude Argumentation der Staatsanwaltschaft übernommen“, sie zunächst verteidigt und sich dann – nach der Aufhebung der Einstellungsverfügung durch das OLG Karlsruhe – eine Kehrtwende vollzogen. Mit der Begründung, es sei „der ‚Respekt vor der Unabhängigkeit der Gerichte‘, der ihm eine Stellungnahme verbiete.“
In entsprechender Weise versucht der Urheber der „kruden Argumentation“ Bernhard Häußler sich nun mit einem Loblied auf den Rechtsstaat aus der Affäre zu ziehen: Es liege „in der Natur der Sache“, dass „weitere gerichtliche Instanzen zu unterschiedlichen Beurteilungen kommen“ könnten. Seine Denkweise erinnert in fataler Weise an die Debatte um den Rechtspositivismus: Danach seien alle Verfahrensregeln korrekt eingehalten, leider (?) aber im Ergebnis das Gegenteil dessen bewirkt worden, was der Gesetzgeber und übergesetzliche Normen anstrebten, nämlich Mörder ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Es fehlte nur noch, dass Häußler sich zu einer Bewertung versteigt, wie sie Stickelberger fertigbringt, der nun eine „zweifelsohne zu begrüßende weitere juristische Aufarbeitung des Massakers von Sant´Anna“ (in Hamburg) nicht mehr ausschließt. Das ist für mich blanker Zynismus. Im Übrigen steht trotz aller Beteuerungen Häußlers, „nach bestem Wissen und Gewissen“ gehandelt zu haben, weiter der Vorwurf im Raum, er und seine Kollegen hätten es in dieser Sache an Korrektheit und Investigationswillen fehlen lassen und damit Anlässe zu einem Eingreifen des Justizministers gegeben.
Wenn Häußler schreibt, es sei „von niemand vertreten“ worden, das Massaker habe sich „einfach so“ oder „zufällig ergeben“, so sei an seine seitenlange Argumentation zu hypothetisch anderen Abläufen des Verbrechens … erinnert. Sie kulminiert in Sätzen wie „Es ist nämlich auch möglich, dass … die Erschießung der Zivilbevölkerung erst befohlen wurde, als klar war, dass dieses Ziel [Partisanenbekämpfung] nicht erreicht werden konnte.“ oder: „All dies deutet an, dass nicht von vorneherein der eindeutige Befehl bestand, alle angetroffenen Personen zu erschießen, vielmehr eine Änderung des ursprünglichen Einsatzziels eingetreten war.“ Eingetreten?
Häußler irrt, wenn er behauptet, das OLG Karlsruhe habe lediglich eine andere Beurteilung vorgenommen. Es rügt unverblümt, dass sich die Stuttgarter Staatanwaltschaft eine Ermessens- und Bewertungsbefugnis herausgenommen habe, die ihr nicht zustehe. Sie habe „die Anforderungen an die Annahme eines hinreichenden Tatverdachts überspannt, indem sie den bloßen Möglichkeiten eines den Beschuldigten … entlastenden Tatgeschehens jeweils im Einzelnen und im Ergebnis zu großes Gewicht beigemessen habe.“ Und es erhebt den noch weitergehenden Vorwurf, es seien Bewertungen vorgenommen worden, die nur dem Tatrichter zustünden. Auf diesen mehr als ungewöhnlichen Totalverriss geht Häußler mit keinem Wort ein.
Die Tatsache, dass das jahrlange Agieren der Stuttgarter Staatsanwälte letztlich das Aus für die strafrechtliche Aufarbeitung des Massakers von Sant’Anna in Stuttgart – und möglicherweise darüber hinaus – bedeutet, verleiht der Freude über den Karlsruher Beschluss einen bitteren Beigeschmack.“