Pressemitteilung vom 5.8.2014
NS-Massaker in Sant’Anna di Stazzema
Nach 70 Jahre keimt bei Überlebenden wieder Hoffnung auf Gerechtigkeit
Sant’Anna di Stazzema – Am heutigen Dienstag hob das Oberlandesgericht Karlsruhe Entscheidungen der Staatsanwaltschaft Stuttgart und der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart auf. Die beiden Stuttgarter Behörden hatten die Anklage eines in Italien schon in Abwesenheit wegen Mordes und seiner Beteiligung an einem Massaker an bis zu 560 Menschen am 12. August 1944 verurteilten SS-Mannes abgelehnt. Ein Überlebender des Massakers im toskanischen Sant’Anna di Stazzema begrüßt die Entscheidung ausdrücklich.
Das OLG Karlsruhe hält es hinsichtlich eines einzelnen Beschuldigten, über dessen Anklage zu entscheiden war, für hinreichend wahrscheinlich, dass es zu einer Verurteilung wegen Mordes oder zumindest wegen Beihilfe zum Mord kommt. Wie eine Ohrfeige für die Stuttgarter Staatsanwaltschaften nimmt es sich aus, dass just deren Begründung für die Einstellung der Ermittlungen durch das OLG Karlsruhe mit dem folgenden Satz disqualifiziert wurde: „Insbesondere bestehen nach Ansicht des Senats keine vernünftigen Zweifel, dass die Befehle und die Einsatzplanung […] von vornherein auf die Vernichtung der Zivilbevölkerung von Sant‘Anna di Stazzema gerichtet waren.“
Enrico Pieri, einer der Überlebenden des Massakers in Sant’Anna di Stazzema vom 12. August 1944 erklärt hierzu: „Das ist eine sehr gute Nachricht. Ich bin meiner Rechtsanwältin Gabriele Heinecke sehr dankbar, dass sie sich so sehr eingesetzt hat, und ihr ist es zu verdanken, dass das Verfahren nicht definitiv eingestellt wird. Ich hoffe, dass das Verfahren weitergeführt wird und nach 70 Jahren die Gerechtigkeit siegen wird.“
Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft hatte im September 2012 die Verfahren gegen die letzten noch lebenden Täter eingestellt. Daraufhin gründete sich eine Arbeitsgruppe des Stuttgarter Bürgerprojekts Die AnStifter, um ihre Empörung über dieses Versagen der Justiz und ihre Solidarität mit den Opfern zum Ausdruck zu bringen.
Seit Anfang dieser Woche helfen neun Ehrenamtliche aus dem Umfeld der AnStifter, das Gedenken zum 70. Jahrestag des NS-Massakers in Sant’Anna di Stazzema am 12. August vorzubereiten.
Für mich war das Verhalten der StA Stuttgart klare Prozessverschleppung und in gewisser Weise auch Arbeitsverweigerung. Hoffte man doch insgeheim auf die „biologische Lösung“, damit man sich nicht mehr die Mühe machen muss, den letzten noch lebenden 93 od. 94-jährigen SS-Offizier G.S. (Gerhard Sommer) aus Hamburg nochmals vor den Richter zu zerren. Der Mann ist, wie man hört bei bester Gesundheit. Dieser Mann war sich als Offizier und Verantwortungsträger damals sehr wohl seiner Sache bewusst, das kann mir keiner erzählen. Dass der in dem Alter bei eventueller Verurteilung eine Haft nicht mehr antreten wird, is eh klar, ne? Es geht aber ums Prinzip und um die Ehre der noch überlebenden. Ich halte im Übrigen die Arbeit der AnStifter für extrem wichtig. Macht weiter so!
Nicht ganz klar ist mir, wieso überhaupt die Staatsanwaltschaft Stuttgart zuständig war, wo doch der Nazi Gerhard Sommer wohl in Hamburg lebt?
Kann mir das jemand mal erklären? Ansonsten bewundere ich Eure Beharrlichkeit und Euer Engagement. Das ist sehr bemerkenswert!!!
Michael Hemberger
73107 Eschenbach
Meines Wissens wechselt die Zuständigkeit für das Verfahren immer zur für den Wohnort des ältesten Beschuldigten zuständigen Staatsanwaltschaft.