Die geplanten Morde
Am 12. August 1944: Die Soldaten der 16. Panzergrenadierdivision »Reichsführer SS« trieben die Menschen aus ihren Häusern, schossen auf jeden, den sie sahen. Ihre Opfer waren vor allem Frauen, Kinder und Alte. Die Männer hatten sich zuvor in die Berge geflüchtet. Die Bewohner Sant’Annas gingen davon aus, dass die Soldaten in ihr Dorf kämen, um die Väter und Söhne nach Deutschland zur Zwangsarbeit zu verschleppen. Sie konnten nicht ahnen, mit welcher Grausamkeit fast alle von ihnen ermordet werden sollten. Die Deutschen schossen nicht nur um sich, sie warfen auch Handgranaten, zündeten Häuser und Ställe an. Schrecklicher Höhepunkt des Massakers war die Hinrichtung von 132 Menschen auf dem Kirchplatz des Ortes durch Maschinengewehrfeuer. Nach weniger als vier Stunden war alles vorbei.
»Das Massaker von Sant’Anna di Stazzema hat in unserem Land unauslöschliche Narben hinterlassen«, sagte Piero Grasso, Präsident der italienischen Senats. Bei der Feierstunde heute, an der mehrere hundert Menschen teilnahmen – unter ihnen Überlebende und Angehörige der Opfer, Regierungsvertreter, Parlamentarier und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Über eine- offizielle Vertretung aus Deutschland wurde bislang nichts bekannt – einzig eine Gruppe der Stuttgarter AnStifter ist seit Tagen in Sant’Anna bei einem Arbeitseinsatz. Das Bürgerprojekt hatte 2013 den Stuttgarter Friedenspreis an Enrico Pieri und Enio Mancini verliehen- stellvertretend für das Dorf in der Toscana.
Von vier Seiten stiegen damals 300 SS-Soldaten, teils geführt von italienischen Faschisten, in den Morgenstunden in das Bergdorf hinauf. Die Sonne schien, der Himmel war strahlend blau – so wie an diesem Gedenktag. Der 12. August 1944 sollte ein herrlicher Sommertag werden. Doch es war der Tag, an dem Sant’Anna vernichtet wurde.
Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft versuchte rund 10 Jahre lang an der Vorbereitung eines Prozesses – die Täter waren bekannt – und stellte im Herbst 2012 unter Protest von Überlebenden, Historikern und den AnStiftern ihre Ermittlungen ein. Der Justizminister des Landes, Stickelberger, stellte sich in dem Verfahren hinter den ermittelnden damaligen Oberstaatsanwalt Häußler. In Sant’Anna di Stazzema wurde einer Nachricht mit besonderer Freude aufgenommen: Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat entschieden, dass zumindest gegen einen damaligen Kompanieführer doch Anklage erhoben werden kann.
»Dies ist ein weiterer Schritt vorwärts in der Suche nach der Wahrheit«, kommentierte Bildungsministerin Stefania Giannini die Karlsruher Entscheidung in Sant’Anna. Für Opfer,Hinterbliebene und Historiker steht die längst fest. »Sie ermordeten 560, so viele wie möglich, ohne Mitleid im Herzen«, steht auf der Gedenktafel am Ort des Verbrechens.