Am Donnerstag standen sie plötzlich in der DenkMacherei: Zwei junge Männer, die unter dem Motto „Friedensbewegung 2014“ innerhalb von zwei Wochen in Stuttgart – genauer am Samstag, den 12. April um 13 Uhr auf dem Schlossplatz – eine Demonstration aus dem Boden stampfen wollen. Auf Facebook haben sich die beiden kennengelernt – und haben sich nach eigener Aussage vorher noch nie politisch engagiert und nur wüssten, wie man „Demo“ schriebe. Ihr erster Anlaufpunkt sei die Mahnwache gegen Stuttgart 21 am Hauptbahnhof gewesen. Wer sonst sollte ihnen bei ihren ersten Schritten weiterhelfen? Die Mahnwache schickte sie dann ins Parkschützerbüro weiter, wo sie auf die lokale Rechtshilfegruppe, den AK Jura, stießen. Der impfte sie mit den rechtlichen Fragen zur Versammlungsanmeldung und zu Versammlungen insgesamt, leitete sie weiter zum Ordnungsamt und gab ihnen den Tipp, anschließend bei mir in der DenkMacherei vorbeizuschauen.
Zwei frisch gebackene Versammlungsleiter sind sie also. Thematisch kreisen sie rund um Frieden, „Volkssouveränität“, Gentechnik, Banken und das Freihandelsabkommen mit den USA. Sie berichteten davon, wie groß die Bewegung schon auf Facebook sei, dass sich bundesweit schon an die zwanzig Gruppen gefunden hätten, die Demos organisieren wollten und wie sie in dem Netzwerk ihr Projekt gegen Kritik verteidigten. Über eine Stunde lief das intensive Gespräch. Wir unterhielten uns über Fragen der Mobilisierung vom Presserecht bis zu Terminplänen und großen Verteilern, sammelten mögliche RednerInnen und Zielgruppen und versuchten, den Bedarf an Bühnentechnik zu bestimmen.
Ich bin begeistert vom Wissenshunger der beiden – aber auch misstrauisch: Klar, ich bekomme gerade nicht mit, was auf Facebook läuft. Dafür habe ich einfach keine Zeit. Doch wie lief es mit anderen Internet-Protesten? ACTA ging weitgehend in die Hose. Teilnehmende waren häufig enttäuscht von der Unprofessionalität, engagierten sich aber auch nicht weitergehend, um das Manko zu beheben. Zumindest mein Bürokollege Roland Blach, seines Zeichens Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft Baden-Württemberg, hat die Initiative schon auf Facebook entdeckt und „geliked“.
Was mir besondere Schwierigkeiten bereitet ist der für sie wichtige Begriff der Volkssouveränität. Immer wieder kommt in ihren Ausführungen das Wort Volk auf. Handelt es sich um eine rechte Unterwanderung oder um einen unbedachten Umgang? Ich tippe bisher eher auf letzteres zumal sie sich klar von Extremismus distanzieren, stolz darauf sind, wie viele Menschen mit ausländisch klingenden Nachnamen sich auf Facebook mit ihnen solidarisieren und sie sich als Mitte der Gesellschaft bezeichnen.
Freitag trafen wir uns erneut: Sie hatten mich zu einem ersten Treffen ihres Orgakreises auf die Fildern eingeladen. Sechs Männer und eine Frau debattieren Stunden über Themen, Motto, Aufgabenteilung und Umgang auf Facebook. Anschließend steht die Veranstaltung, die nur die erste in einer ganzen Reihe werden soll, unter dem Titel „FRIEDEN in Deutschland, in Europa, weltweit!!! DEMOKRATIE durch echte Mitbestimmung der Bürger/innen!!! GENMAIS STOPPEN Freihandelsabkommen (TTIP) verhindern!!!“
Natürlich ist diese Themenmischung immer noch problematisch. Schließlich lassen sich hinter einer thematisch klar abgegrenzten Demonstration mehr Menschen versammeln als hinter einer Mischung, die weitestgehend darauf ausgelegt ist, die Bedürfnisse im Orgateam abzudecken. Doch in dieser Situation, in der alle aufgeregt sind, ist das Ergebnis wahrscheinlich das erreichbare Maximum.
Ich bin sehr gespannt, wie es weitergeht.
PS: Eine Debatte zur Friedensbewegung insgesamt läuft auf den Nachdenkseiten
Liebe Leute,
Ihr macht Werbung für ein rechtes Querfrontprojekt! Könnt Ihr nicht lesen, was für einen Müll die absondern? Oder findet Ihr die krude Mischung aus allem möglichem Verschwörungsblödsinn vielleicht sogar attraktiv? Denkt mal drüber nach, wie Euch so was überhaupt „passieren“ kann. Deutet das möglicherweise mehr auf Problematisches in Eurer eigenen Weltsicht hin als Euch lieb sein kann? Zur Info über diese „Friedensbewegung 2014“: http://www.linke-jugend-md.blogspot.de/2014/03/rechten-verschworungsideologen-und.html
Es grüßt kopfschüttelnd
Lothar Galow-Bergemann
Lieber Lothar,
Die lokale Gruppe hat sich vom “Management” und von der Magdeburger Gruppe auf Facebook distanziert:
Außerdem verweisen sie ausdrücklich auf den auch von Dir verlinkten Artikel der linken Jugend- und Hochschulgruppe Magdeburg, indem auf viele Kritikpunkte eingegangen wird.
Herzliche Grüße
Fritz
Lieber Fritz,
das ist wenig überzeugend. Zum einen fand diese „Distanzierung“ erst statt, nachdem der Hintergrund aufgedeckt und publik gemacht wurde. Zum andern habt auch Ihr Eure organisatorische Unterstützung erschreckenderweise nicht von einer Distanzierung abhängig gemacht. Zum dritten ist diese „Distanzierung“ rein formaler Natur. Sie distanzieren sich von „Veranstaltern mit rechtem Hintergrund“. Na schön. Distanzieren sie sich auch von den Gedanken und der Vorstellungswelt der Veranstalter? Sie fanden sie doch noch bis vorgestern offenbar wahnsinnig attraktiv, sind auf den Zug aufgesprungen und haben sich mit Feuer und Flamme dafür engagiert. Leere Distanzierungsrituale kennt man zur Genüge. Etwa von „besorgten Bürgern“, die gegen Flüchtlingsunterkünfte protestieren, aber sich selbstverständlich „voll und ganz“ von Nazis distanzieren. Solche Verlautbarungen dienen lediglich der Selbstvergewisserung, was für ein guter Mensch man doch sei, mit einer selbstkritischen Reflexion eigener Befindlichkeiten und Denkweisen haben sie nicht das Geringste zu tun. Wenn die Veranstalter also wirklich beweisen wollen, dass sie auf einmal völlig anders denken als noch vor zwei Tagen, dann muss da schon ein wenig Butter bei die Fische. Wie ist das mit dem Oberbösewicht USA, der so ziemlich an allem in der Welt schuld ist und der die Merkel-Regierung zur Marionette macht? Wie ist das mit den Bankstern, die an der Krise schuld sind? Mit den Medien, die uns beherrschen? Mit der ganz großen Verschwörung der Gierigen da oben gegen uns ehrlich Arbeitende da unten? Wer so denkt, mag sich tausendmal von Rechten distanzieren, er steht ihnen näher als er glaubt. Das betrifft tragischerweise auch viele Linke und Friedensbewegte. Ressentimentgeladener Bauch-Antikapitalismus und -Antiimperialismus sind so ziemlich das Gegenteil von fundierter Kapitalismuskritik. Dazu ein Diskussionsangebot: http://emafrie.de/was-ist-regressiver-antikapitalismus/
Mit besten Grüßen
Lothar
Hallo Herr Mielert,
diese formale Distanzierung überzeugt mich überhaupt nicht, wenn ich mir die facebook-Seite dieser Stuttgarter „Friedensbewegung“ anschaue und die dort verlinkten youtube-Videos ! Manipulativer Zusammenschnitt von dt. Fernsehtalkshows und russischem Propagandasender, „nationale deutsche Befreiungsbewegung“ gegen NSA-Überwachung??? deutsche Kolonie ??? Da fehlt jede inhaltliche Differenzierung! https://www.facebook.com/Friedensbewegung.Stuttgart
Das ist ein extrem-raffinierter neu-rechter (Querfront)- Unterwanderungsversuch! Ihr seid wirklich naiv! Hirn und einschalten! Grün-braune Zutaten wie Genmais und „Volkssouveränität“ an erster Stelle, natürlich alles im Namen der DEMOKRATIE und „Mitbestimmung“ (=Ausländer raus à la Schweiz ?), wenn es um den Weltfrieden geht? Was ist mit Rüstung, Atomenergie, Atomwaffen, Bundeswehr als Interventions-Berufsarmee? Das wären überzeugendere Zusammenhänge! Welche Inhalte und wessen Interessen genau sollen bei dieser Friedensdemo thematisiert werden ??? Geht es dann auch noch gegen den drohenden deutschen „Volkstod“ infolge des rotgrünen Bildungsplans? Diese virulente Homolobby ist ja vermutlich auch aus den USA ferngesteuert – Beweis: der CSD und „Genderismus“, der soll bestimmt über Genmais verabreicht werden. Entsetztes Kopfschütteln auch meinerseits.
Ute, besorgte friedensbewegte Bürgerin
Liebe Ute,
wir haben heute noch einmal zwei Stunden mit einem Vertreter der „Friedensbewegung Stuttgart“ debattiert und in Bezug auf Stuttgart eher ein besseres als ein schlechteres Gefühl bekommen. Mittlerweile hat sich das bundesweite „Management“ wohl seinerseits von den Stuttgartern distanziert. Heute Abend besuchen die Stuttgarter Orgas noch Leute im Lilo Hermann, um Ängste abzubauen.
Herzliche Grüße
Fritz
Ich verstehe nicht warum diese Veranstaltung am 12.4. sein muss. Ist sie doch als eine Konkurrenz-Demo zum eine Woche später stattfindenden Ostermarsch des Friedensnetzes zu verstehen. Die Menschen von der Friedenbewegung sind herzlich eingeladen am 19.4. mitzudemonstrieren. Das würde der Beteiligung am Ostermarsch zugute kommen. Eine Aufspaltung der Friedensbewegung halte ich für extrem problemetisch. Bitte unterstützt eine lang etablierte Gruppe damit sie auch schlagkräftig bleibt / wird.
Grüße
Hans