Nicht nur ein Schiff wird noch kommen, sondern noch viele, viele mehr. Übervoll mit Flüchtlingen. Weiter zuschauen, wie diese untergehen und deren Passagiere ertrinken, dürfen wir nicht mehr, meint Peter Grohmann.
Die Katholischen sind ja vom Naturell her an Leiden gewöhnt, selbst an eigene, und die Christen und Atheisten auch. Letztere können allerdings bei der gemeinsamen Show aufs Elend in der Welt nicht glaubhaft die Hände falten, sind also im Nachteil. Gemeinsam ist allen, dass sie mit dem Lächeln der Auguren am Strand stehen – und zuschauen, wie die kleinen Schiffe kentern, die ungünstige Winde aus Afrika an die Küsten treiben.
Die reiche Welt des Westens weiß die Zeichen zu deuten – und es sind schlechte Zeichen. Die Armut in den ausgeplünderten Ländern nimmt dramatisch zu, und je nach Rohstoffreserven, strategischer Lage oder Gusto heizen wir dort ein oder wiegeln ab. Noch besser ist freilich die dritte Variante: so tun, als hätten wir mit dem ganzen Mist vor unserer Haustür nichts am Hut. Beim Abzug aus Kundus – kein Mensch weiß, wie wir da eigentlich hingekommen sind – ist gern die Rede von der „Steinzeit-Ideologie“ der Taliban. Das ist just jene Truppe, die die Nordamerikaner einstens aufgepäppelt und mit Spionen und modernsten Waffen versorgt haben. Heute tun’s auch die guten alten Mauser – Qualitätsarbeit vom Weltmeister. Dass wir Syrien mit den notwendigen Ingredienzien zur Herstellung von Giftwaffen ausgerüstet haben, stand schon Wochen vor den dpa-Meldungen an dieser Stelle in Kontext – aber uns glaubt ja fast niemand außer meiner Omi Glimbzsch in Zittau.
Am Mittelmeer machen sich die Flüchtlingskommissare dieser Tage in die Hose und tauchen gemeinsam mit den Menschenrechtsexperten der Regierungen unter, wenn es gilt, ein paar Zehntausend Flüchtlinge aufzunehmen. Doch Hilfe ist nah: Das Rote Kreuz wird noch vor dem ersten Schnee lastwagenweise warme Decken nach Lampedusa bringen, für eine warme Weihnacht. Auch sonst versuchen wir gemeinsam alles, damit „die“ wegbleiben. Frontex heißt unsere multinationale Truppe an den Außengrenzen, die das dreckige Geschäft macht und dafür sorgt, dass keiner durchkommt – und wenn doch, dann nicht weiter.
Der Artikel 14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte liest sich so harmlos, dass er relativ problemlos auch zum Gegenstand der bald beginnenden Koalitionsverhandlungen gemacht werden könnte: „Jeder hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen.“ Das ist zwar bereits geltendes Recht – gut möglich, dass es letztlich an sich selbst scheitert. Es geht schließlich um Deutschland, wenn nicht um mehr.