21.5.2013: Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Beschwerde, die Rechtsanwältin Gabriele Heinecke im Namen des Überlebenden Enrico Pieri gegen die gegen die Einstellung der Ermittlungen wegen des Massakers von Sant‘ Anna di Stazzema der Staatsanwaltschaft Stuttgart (Leitung: OStA Häußler) eingelegt hatte, zurückgewiesen.
Für die Anstifter-Initiative Sant’Anna erhält der Solidaritätsaufruf vom Dezember 2012 dadurch neue Aktualität:
„Wir schämen uns und sind empört über den Umgang der Stuttgarter Justiz mit den deutschen Kriegsverbrechen in Sant’Anna di Stazzema.“ … mehr
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Auszüge aus dem Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart vom 15.5.2013:
„Bei einer Würdigung der Ermittlungsergebnisse erscheint es durchaus möglich, dass der Einsatz vom 12.08.1944 als „Dorfvernichtungsaktion“ mit einem Massaker an der gesamten Einwohnerschaft von Sant‘ Anna vorgeplant war. Durch die zunehmende Partisanentätigkeit geriet die nahe gelegene neue Verteidigungsstellung („Grün-Linie“) in Gefahr … (S. 39)
Ein erst im Verlauf des ur-sprünglich als Partisanenbekämpfungsaktion mit dem Ziel der Ergreifung oder Tötung von der Partisanentätigkeit verdächtigen (insbesondere jungen) Männern konzipierten Einsatzes erfolgter „Umschlag“ in eine Aktion zur Vernichtung der gesamten Einwoh-nerschaft lässt sich, wie dargetan, bei einer strafrechtlichen Bewertung nicht hinrei-chend sicher ausschließen. … (S. 40)
Bei dieser abschließenden Bewertung der für und gegen ein im Voraus geplantes Massaker an der Zivilbevölkerung sprechenden Indizien ist zu bedenken, dass an die Beweisführung in einem Strafprozess andere Maßstäbe anzulegen sind, als an die wissenschaftlich-historische Betrachtung eines Geschehens. Bei einer historischen Bewertung wird letztlich die Frage im Vordergrund stehen, ob die in eine Richtung weisenden Indizien insgesamt überwiegen, d. h. im vorliegenden Fall, ob eine vorab erfolgte Planung der Aktion als Massaker als der wahrscheinlichste Hintergrund des Geschehens betrachtet werden kann. Für eine strafprozessuale Beweisführung reicht dies nicht aus. …“ (S. 41f.)
Weiter zum vollen Wortlaut Bescheid GStA Sant’t Anna di Stazzema
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Auszüge aus der Pressemitteilung der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart vom 21.5.2013:
„Die Generalstaatsanwaltschaft hat der Beschwerde gegen die Einstellung des wegen des Massakers von Sant‘ Anna di Stazzema am 12.08.1944 geführten Ermittlungsverfahrens mit Bescheid vom 15.05.2013 keine Folge gegeben. Der Beschwerdeführer kann dagegen beim Oberlandesgericht einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen (Klageerzwingungsverfahren).“ (S. 1)
„Die im Beschwerdeverfahren durchgeführte umfassende Überprüfung ergab, dass den noch lebenden Beschuldigten nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachgewie-sen werden kann, am 12.08.1944 selbst Verbrechen des Mordes begangen oder da-zu eine strafrechtlich noch verfolgbare Hilfe geleistet zu haben (Beihilfe). Im Falle ei-ner Anklageerhebung wäre daher mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass ein Gericht die Beschuldigten freisprechen würde. Bei dieser Sachlage kann die Staatsanwaltschaft eine Anklage nicht erheben.“ (S. 3)
„Nach allem erscheint es zwar durchaus möglich, dass es sich bei den Geschehnissen von Sant‘ Anna di Stazzema um eine von vornherein geplante Aktion mit dem Ziel der Vernichtung unbeteiligter Zivilisten handelte. Bei der gegebenen Beweislage kann dies aber nicht mit der Sicherheit festgestellt werden, die nach deutschem Recht für einen Schuldnachweis erforderlich ist. Vielmehr kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Einsatz zunächst der Bekämpfung von Partisanen und der Ergreifung ar-beitsfähiger Männer diente und dass die Erschießung der Zivilbevölkerung erst befoh-len wurde, nachdem klar war, dass das ursprüngliche Ziel nicht mehr erreicht werden konnte.“ (S. 6)
Weiter zum vollen Wortlaut Pressemitteilung Sant’Anna di Stazzema vom 21-05-2013
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In KONTEXT schreibt Hermann G. Abmayr (22.05.2013):
„Streit um Massaker geht weiter“
Enrico Pieri (78), der Überlebende des Massakers, sei erschüttert über diese erneute Niederlage, berichtet Gabriele Heinecke. Zehn Jahre lang hatte Oberstaatsanwalt Bernhard Häußler gegen die damals noch lebenden SS-Schergen ermittelt, die beschuldigt wurden, für das Massaker im italienischen Sant’Anna di Stazzema verantwortlich zu sein. Im Herbst hatte Häußler dann das Verfahren eingestellt, weil keine individuelle Schuld nachweisbar sei.
Ganz anders sahen das die italienischen Richter 2005. Sie verurteilten zehn Männer des SS-Bataillons wegen Mordes zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe. Seit 2008 ist das Urteil rechtskräftig. Ausgeliefert hat die Bundesregierung die Männer, gegen die ein europäischer Haftbefehl vorliegt, nicht. Bisher haben sich die zuständigen Behörden auch geweigert, die Strafe, wie von Italien beantragt, in Deutschland zu vollziehen. Die entsprechenden Verfahren laufen aber noch, da die deutschen Behörden immer wieder neue Informationen anfordern. Mittlerweile leben jedoch nur noch vier der in Italien verurteilten Täter. Von den einst 17 Männern, gegen die in Deutschland ermittelt wurde, leben noch fünf.
Jetzt hat Oberstaatsanwalt Peter Rörig für die Generalstaatsanwaltschaft die Einstellung des Verfahrens durch Bernhard Häußler für zulässig erklärt. Damit bleibt Enrico Pieri nur noch das Klageerzwingungsverfahren. Zuständig dafür wäre das Landgericht Karlsruhe, da der letzte noch lebende Beschuldigte in Baden wohnt.“ …. mehr