Sieg, Sieg, Sieg! Endlich Demokratie! Wenn das meine Omi Glimbzsch noch erlebt hätte! Sooooooooo viele Menschen waren mit den Beteiligungsformen der repräsentativen Demokratie unzufrieden. Alle paar Jahre wählen – das kann man den Hasen geben! Und im kritischen Stuttgart (samt Remstal) ist das dem wütenden Bildungsbürger zu wenig.
Es braucht neue, anspruchsvolle Modelle für Arbeit und Freizeit, um das Heft des Handelns wieder in die eigenen Hände zu nehmen, es braucht Formen, die das politische Establishment so richtig durcheinander wirbeln, die die verkorksten Strukturen aufbrechen, die Parteien zur Demokratie zwingen, ob sie wollen oder nicht. 1848 hat der Mutbürger zur Waffe gegriffen – das will keiner so richtig, weil man weiß, daß die einzigen Bewaffneten unter den Demonstranten Zivilpolizisten sind. Aber was tun, wenn man nicht bis zu den nächsten Wahlen warten will, wenn einen die Umfragewerte für Angela Merkel Kopfzerbrechen bereiten und man schon anstandshalber Peer Steinbrück nicht mehr kritisieren soll?
In solchen Fällen hilft Bertelsmann, die weltweit größte Denkfabrik, die vom Parteiprogramm – egal für wen – bis zur Agenda 2010, von der Privatisierung von Trinkwasser, Abwässerkanälen oder Rathäusern wirklich alles entwickelt, was der mündige Demokrat braucht (ja, die Demokratin auch). „Was tun?“, wie Lenin oft verzweifelt die Krupskaja fragte, wenn er nicht mehr weiterwusste. Was tun, um dem Volk auf die Sprünge zu helfen? Wie eine warme Welle im Warmhaltebecken des Cannstatter Sprudels schwappt in diesen Tagen der Bürgerhaushalt an die Ufer des Nesenbachs. Wer früher (nicht nur montags) demonstrierte, ist nun online und entlastet, auch wenn uns das Wetter durchaus wieder nahe legt, das eine zu tun und das andere nicht zu lassen.
Der Bürgerhaushalt, um das mal festzuhalten, ist fast so gut wie eine Volksabstimmung, vor allem, weil man so oft abstimmen kann, wie man will. Der Bürgerhaushalt ist dreimal besser als jede Wahl, weil wir über unsere eigenen Ideen abstimmen können. Und weil wir alle, die uns mögen, mehr oder weniger zwingen, sich für u n s e r e n Vorschlag stark zumachen: Hinteneinstieg bei Bussen und Bahnen, Straßenstrich im Rotlichtviertel, mehr Farbe an die Wände des Asylbewerberheims, Mülleimer am Palast der Republik, keine Saufgelage mehr auf der Theo, ja, natürlich: eine Personalstelle fürs Hotel Silber, wegen der alten Geschichte, Sie wissen schon, Gestapo und so. Erste Priorität! Und natürlich das Dach im Clara-Zetkin-Haus, sowieso. Und kostenloses Online-Banking der LBBW für alle Hartz-IV-Empfänger.
Freie Sicht aufs Mittelmeer. Weg mit dem Nebel.