„…daß diese Furcht zu irren schon der Irrtum selbst ist“: Welche Weisheit leuchtet doch aus diesem Zitat des Meisters, das in verheißungsvollem Blau am Stuttgarter Hauptbahnhof prangt und eine neue Zeit einzuläuten scheint.
In der Einleitung zur Phänomenologie des Geistes meint unser Stuttgarter G.W.F. Hegel, daß es weniger die Furcht vor dem Irrtum als die Furcht vor der Wahrheit ist, die die Absolutisten ins ewige Beharren und so in die Verderbnis treibt. Ob Dreikönigstreffen oder Großflughafen Berlin, Elbdisharmonie oder Stuttgart 21: Wer mit der Wahrheit als Erster herausrücken will, muß sein Haupt aufs Schafott der Wissenschaft legen. Denn wenn jemand zur ehrlichen Haut wird und zugibt, daß etwas gescheitert ist, läutet er sein eigenes Scheitern ein. Nur Peer Steinbrück könnte da eine Ausnahme machen und sich per Solarkutsche zu neuen Honorarhöhen aufschwingen. „Solche scheitern nie“, tät meine Omi Glimbzsch aus Zittau sagen – ein Arbeiterkind und Sozialdemokratin, deren Urenkel in Dresden den Phaeton zusammenbasteln: Der Volkswagen für die etwas besseren Kreise.
Apropos Phaeton: Ob Mappus, Kefer, Grube, Schuster, Dietrich, Schmiedel uvam.: Was für eine Aussicht, auch nur einen Tag am Steuer eines Sonnenwagens zu hocken, und wäre es auch nur ein ICE, der die Ehrengäste zur Eröffnung jener Großprojekte bringt, die geplant wurden, als die Herren
noch in den Kindergarten gingen. Sie würden sich aber auch einer doppelten Gefahr aussetzten: Entweder zu spät zu kommen, weil sie dem Fahrplan der Bahn vertraut haben – oder zu früh, weil sie an die Terminvorhersage von der Überflieger glaubten.
Phaeton aber verlässt die tägliche Fahrstrecke zwischen Himmel und Erde und löst eine Katastrophe universalen Ausmaßes aus. „Die Erde geht in Flammen auf, die höchsten Gipfel zuerst, tiefe Risse springen auf, und alle Feuchtigkeit versiegt. Die Wiesen brennen zu weißer Asche; die Bäume werden mitsamt ihren Blättern versengt, und das reife Korn nährt selbst die es verzehrende Flamme… Große Städte gehen mitsamt ihren Mauern unter, und die ungeheure Feuersbrunst verwandelt ganze Völker zu Asche…“ Nana, Herr Ovid, übertreiben Sie da nicht ein bissel?
Freilich: Wenn sie sich alle die Finger verbrannt haben, steigt allein Angela
Merkel wie Phönix aus der Asche – die Flügel werden nur ein wenig versengt sein, wenn sie – nach den Wahlen, versteht sich – das Ende von Stuttgart 21 verkündet. Es sei denn …
(Peter Grohmann)