Liebe Bürgerinnen und Bürger, Winfried Kretschmann kommt momentan ja total geknickt daher: Ich war ganz erschrok- ken! Ist er eingeknickt? Umgeknickt? Klar, wäre ich der erste grüne Ministerpräsident in Deutschland, würd’ ich auch gern das Heu einfahren. Aber wohin läßt er sich denn noch scheuchen von den Spezialdemokraten? Die rechte Riege macht doch Druck, das geht auf keine Kuhhaut mehr! Gottlob hab’ ich recht- zeitig vom heutigen Geheimtreffen zwischen SPD-Leuten und CDU erfahren und konnt’s der Presse stecken. Der SPD geht’s jetzt vor allem darum, den Grünen Angst zu machen: Wenn Du nicht guttust, Kretschi, kommt der schwarze Mann aus dem Keller und holt Dich! Und ich weiß: Die haben noch jede Menge Mapusse im Kartoffelkeller!
Lieber Winfried, wisse: Wir stehen gern hinter Dir und vor Dir und neben Dir – aber halte dem Sturm stand! Ich weiß, Du kannst nicht immer, wie Du willst, mir geht’s da nicht anders. Aber wenn Du (noch mehr) einknickst vor der SPD als eine Schwarzwaldtanne beim Sturm Lothar, kannst Du nur verlieren! Wir bleiben – noch! – freundlich und erinnern an Deine, an Eure Wahlversprechen, aus dem Projekt Stuttgart 21 auszusteigen. Das haben wir, mehr oder weniger skeptisch, geglaubt. Ohne unsere Stuttgarter Stuttgarter Mandate wärst Du heut nicht Ministerpräsident.
OK, OK, ich weiß, was Du jetzt sagen willst: Die Rechtslage! Auch das „Recht bekommen“ ist schwierig im Lande der Häußler und würde an ein wahres Wunder grenzen. Aber als Mini- sterpräsident bist Du auf die Verfassung ver- pflichtet. Renommierte Verfassungsrechtler halten Vereinbarung über das Projekt Stuttgart 21 für verfassungswidrig. Dieser Meinung hast Du Dich vor der Wahl angeschlossen.
Die Finanzierungsvereinbarung, das sagt nicht Peter Grohmann, das sagen anerkannte Juristen, ist wegen ihrer Verfassungswidrigkeit nichtig.Im Streitfall,das ist das Gute am Recht,
kann man das gerichtlich klären lassen. Uns alle alarmiert die erklärte politische Absicht, die ganze Sache auf kaltem Wege per landes- weiter Volksabstimmung zu erledigen. Das freilich geht gar nicht, schon aus Achtung vor dem Grundgesetz.
Manch’ einer wiegt sich in der Illusion, daß nach eine Volksabstimmung endlich Ruhe im Karton herrscht. Irrtum! Weil die Volksabstim- mung bei ihren undemokratischen Vorausset- zungen gar nicht geeignet ist,einen qualifizier- ten Mehrheitswillen wiederzugeben, dem sich eine unterlegene Minderheit fügen könnte.
Viel Diskussionstoff! Da steht uns ja eine ereignisreiche Woche ins Haus! Am Mittwoch ist Wolfgang Schuster auf dem Marktplatz – einer, der im Gegensatz zu uns ganz schlecht zuhören kann und die Protestbewegung schon derart mies gemacht hat, daß einem der Kragen platzen könnte. Exakt das würd’ ihm und den Leitungsmedien gefallen: Eine brüllende, johlende Menge, die den OB nicht zu Wort kommen läßt. Alle tödlich beleidigt – von wegen Demokratie. Da finde ich die Idee, eine Millionen Seifenblasen steigen zu lassen, sehr viel passender und origineller, meint
Ihr Peter Grohmann
Das Bundesverfassungsgericht misst der finanzverfassungsrechtlichen Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern eine „über- ragende Bedeutung für die Stabilität der bundes staatlichen Verfassung“ (BVerfGE 55, 274, 318 f.) zu. Die ist kein „Handelsobjekt“ zwischen Deutscher Bahn und finanzstarken Ländern. Das Projekt greift in natürliche Lebensgrund- lagen und zahlreiche Eigentumsgrundrechte nicht gerade unerheblich ein. Sollten die Bürger und Wähler da nicht auf die Zuständigkeiten nach dem Grundgesetz vertrauen können, nach denen sie auch ihre Wahlentscheidungen ausrichten und die Verantwortung für solche Maßnahmen und die sie steuernden Finanzierungen zuweisen?