Kürzlich veröffentlichten Human Rights Watch sowie Movice (Movimiento de Victimas de Estado) Berichte über den (Miss-)Erfolg von Justicia y Paz, ein von der Regierung Uribe durchgeführtes Programm zur Demobilisierung paramilitärischer Einheiten. Während die Regierung das Programm als großen Erfolg ihrer Politik der demokratischen Sicherheit feiert, weisen die beiden Berichte eine andere Realität auf. So haben sich viele Demobilisierte zu neuen Banden zusammengeschlossen und terrorisieren weiterhin die Bevölkerung. Den Demobilisierten wird im Zuge von Justicia y Paz Geld für den Lebensunterhalt zur Verfügung gestellt und damit hat sich der Staat seiner Pflicht entledigt. Psychologische Aufarbeitung und wirkliche Reintegration steht nicht in der Agenda.Demnächst stehen Wahlen in Kolumbien an, die egal wie sie ausgehen werden, mehr oder weniger radikal die derzeitige Politik fortsetzen werden: Staatlicher Terror, Ausverkauf an multinationale Konzerne, Militarisierung der Gesellschaft, Hinnahme von Vertreibungen und Menschenrechtsverbrechen jeglicher bewaffneter Akteure.
Und in diesem Sumpf aus Repression, Einschüchterung, Gewalt trifft man auf beeindruckende Personen, die diesem nie enden wollenden Kreislauf ihre Kraft, Leidenschaft und Hoffnung für eine andere Gesellschaft entgegensetzen. Da gibt es Doña Rosita, eines ihrer Kinder wurde in Suba (Viertel in Bogotá) von Paramilitärs umgebracht. Sie musste Suba verlassen, da auch sie mit dem Tod bedroht wurde. Nun lebt sie in einem anderen Viertel in der Hauptstadt, lebt seit fünf Jahren auf einer ehemaligen Müllhalde, die sie nach und nach in einen urbanen Landwirtschaftsgarten umgewandelt hat. Auf diesem Gelände möchte sie in Zukunft morgens und nachmittags für Schulkinder Essen zubereiten und Kurse für sie anbieten, zur urbanen Agrikultur, Englisch, und was sich sonst noch ergibt, um den Kindern andere Wege und Dinge zu zeigen als zu überfallen.
Da gibt es es Yuri Neira, dessen Sohn von Esmad (Escuadrón Móvil Antidisturbios – Polizeieinheit) umgebracht wurde, der seitdem auf die Verbrechen des Staates aufmerksam macht. Er lebt mit permanenten Bedrohungen und Einschüchterungen, schläft immer an verschiedenen Orten und muss manchmal die Polizei rufen, dass diese ihn vor der Polizei beschützt.
Da gibt es die Gruppe von Red Expresiones Urbanas, die sich in Parks treffen und Musik zusammen machen. Während sie über Rap, HipHop, Reggae in der Kunst Ausdrucksformen für sich suchen, werden sie permanent von der Polizei belästigt – Stigma: Kapuzenpullover, Baggiepants, Mütze, Jugendlich und Männlich.
Und dann gibt es noch andere Rositas, Yuris und Red Expresiones Urbanas, mit ganz vielen Namen, mit ihren Geschichten aus ihrer Vergangenheit, aus ihrem Alltag, und ihrem Kampf für eine andere Gesellschaft. Es sind diese vielen ungehörten Stimmen, die von Hoffnung singen, die von Demokratie singen, die von Frieden träumen.
(Anm.d.Red.: Arne ist Anfang Herbst 2009 für ein Jahr nach Kolumbien gegangen. Er wollte in einem Projekt für die Resozialisation von Kindersoldaten arbeiten. Vor seiner Abreise war er Gast in der Sendung AnStifterFunken des Freien Radios für Stuttgart. Sein Aufenthalt in Südamerika wird von den AnStiftern unterstützt.)