Seit nun etwa einer Woche befinden wir uns in Inzá, einem Dorf im südlichen Cauca (>Wiki). Die Region ist landschaftlich wunderschön. Bergketten überziehen die Erde wie die Wellen das Meer, geschmückt von Kaffee- und Bananenpflanzen, Avocadobäumen, und Yucca. Morgens steigt der Dunst der Nacht in den Himmel des Tages hinauf, und hüllt die Täler in mystische Nebelschwaden.
Hier in der Region leben die Leute überwiegend von der Landwirtschaft. Die Bauern bauen für sich an, und was übrig bleibt, wird verkauft. Die Parzellen, die sie bearbeiten sind ziemlich klein. Die Gegend ist arm, aber zumindest haben die Leute hier genug zu essen, da alles was sie brauchen, direkt vor ihrer Haustür wächst.
Die Gegend ist ein Durchlaufweg der Guerrilla. Das heisst, das in regelmässigen Abständen die Guerrilleros die Region durchqueren und kurz halt machen, um ihre KämpferInnen mit Lebensmitteln zu versorgen. In letzter Zeit sind Pamphlete von Paramilitärs aufgetaucht, bisher jedoch gab es hier keine Aktivitäten der Paras, auch wird hier kaum Coca angebaut, somit ist die Gegend hier ziemlich ruhig und friedlich, was den Bürgerkrieg betrifft. Was die Menschen hier am meisten belästigt ist die Gegenwart des Militärs. Unter deren Schikanen leidet die Bevölkerung am meisten.
Wir „arbeiten“ hier bei der Organisation ACIT (Asociación Campesina de Inzá Tierradentro). Dies ist eine Bauernorganisation, die zu unterschiedlichen Themen mit den Bauerngemeinden hier arbeiten. Wir sind dem feministischen Frauenkollektiv zugeteilt. Die Frauen gehen in die Siedlungen der Gemeinde und arbeiten zu Genderthemen. Den Diskurs, den die Frauen des Kollektivs führen, ist sehr radikal, im postiven Sinne. Es überrascht diese Ideen hier im „Hinterland“ anzutreffen. Sie sprechen sehr direkt über das Verhältnis zum weiblichen Körper, über Verhütung, über Menschenrechte, über Formen der sexuellen, psychischen, physischen und finanziellen Gewalt und deren Auswirkungen, über die Konstruktion des sozialen Geschlechts. Ihre Arbeit beeindruckt mich. Die innerfamiliäre Gewalt ist hier ein grosses Problem, und dem versuchen sie durch ihre Arbeit etwas entgegenzusetzen.
Wir haben uns bisher Workshops angeschaut und waren bei einer Jahresklausur von ACIT. Das Problem für uns jedoch ist, dass wir auch hier nicht wirklich etwas machen können. Die Sinnlosigkeit unserer Anwesenheit hier ist manchmal schwer auszuhalten, denn ich kam mit dem Wunsch hierher zu arbeiten, mein Wissen und Erfahrungen einzusetzen und Neues zu lernen. Das ist unbefriedigend. Wir beschäftigen uns derzeit mit den Vorbereitungen eines Workshops, den wir dann in Bogotá beginnen wollen.
Die Leute von ACIT kümmern sich sehr gut um uns, im Gegensatz zu Foro Joven in Bogotá.
(Anm.d.Red.: Arne ist Anfang Herbst 2009 für ein Jahr nach Kolumbien gegangen. Er wollte in einem Projekt für die Resozialisation von Kindersoldaten arbeiten. Vor seiner Abreise war er Gast in der Sendung AnStifterFunken des Freien Radios für Stuttgart. Sein Aufenthalt in Südamerika wird von den AnStiftern unterstützt.)