seit heute (16.11.2009) halten 80 Studierende den Tiefenhörsaal der Universität Stuttgart besetzt. Wir Studierenden wollen damit unsere Unzufriedenheit mit den Studienbedingungen und dem Bildungssystem im Rahmen des „Bundesweiten Bildungsstreiks“ zum Ausdruck bringen. In der ganzen BRD sind Hörsäle besetzt, sogar europa und weltweit beginnen Studierende gegen die Zustände im Bildungswesen aufzubegehren. Seit Jahren sind die Missstände im Bildungswesen der BRD bekannt: Chronische Unterfinanzierung, Unzureichende personelle Ausstattung, sowie die massiven Probleme die durch die im Rahmen des Bolognaprozesses eingeführten neuen Bachelor/Masterstudiengänge entstanden sind. Bereits im Sommer dieses Jahres beteiligten sich 270.000 Menschen in der ganzen BRD an Demonstrationen in der Bildungsstreikwoche. Trotz der massenhaften Beteiligung wurden die Forderungen der Studierenden, Schülerinnen und Schüler, sowie der Auszubildenden von der Politik nahezu vollständig ignoriert. Wir machen heute klar, dass wir nicht zu ignorieren sind. Wir solidarisieren uns mit den Besetzungen und kämpfen für die Verbesserung des Bildungswesens.
Kritik an Studienbedingungen
„Es geht nicht um ein paar kleinere ‚Problemchen‘ im Bildungswesen, das Bildungssystem als Ganzes steckt in einer Krise. Die vergangenen Reformen und Umstrukturierungen im Bildungswesen führten keine Verbesserung der Situation herbei, sondern verschärften beispielsweise durch Studiengebühren die soziale Selektion. Die Einführung der Bachelor/Masterstudiengänge führte zur Verschulung des Studiums, welches in dieser Form ein wirklich wissenschaftliches Arbeiten und Lernen unmöglich macht. Der Prüfungs und Zeitdruck in diesen Studiengängen hat katastrophale Auswirkungen, viele Studierende ächzen unter der Last der Prüfungsordnungen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass viele Studien auf die psychisch katastrophalen Auswirkungen durch die Situation der Studierenden an der Universität eindrücklich hinweisen. Nicht nur die Einnahme von Antidepressiva, sondern auch der Konsum leistungssteigernder Mittel wie Ritalin ist verglichen mit nichtstudentischen Altersgenossen signifikant erhöht. Die psychologischen Beratungsstellen an den Universitäten erhalten vielerorts massiven Zulauf“, so Ruwen Stricker vom AK Bildung. Die Studierenden fordern deshalb die Abschaffung der Studiengebühren sowie die sofortige Umgestaltung des Bachelor/Mastersystems. Nicht nur die soziale Ungerechtigkeit im Bildungsswesen und die gescheiterte Reform der Studiengänge treibt die Studierenden auf die Bar rikaden. Auch die herrschenden finanziellen Rahmenbedingungen und die daraus resultierenden Folgen bewegen Studierende dazu, sich an den Besetzungen zu beteiligen: „Die finanzielle Austrocknung der Universitäten treibt diese in einen ruinösen Wettbewerb um Gelder aus der Exzellenzinitiative, bei dem die eigentliche Funktion der Universitäten, Wissenschaft und Forschung in der Breite zu betreiben, immer mehr betriebswirtschaftlichen Überlegungen geopfert wird. Ökonomisch scheinbar irrelevante Studiengänge geraten zunehmend auf die Streichlisten, wobei insbesondere die Geisteswissenschaften von dieser Entwicklung betroffen sind“, so Nils Langer, Student der Luftund Raumfahrttechnik und aktiv in der Besetzung.
Masterplan weiterhin aktuell
Die finanziell katastrophale Lage der Universität Stuttgart liefert ein deutliches Beispiel für eine derartige Entwicklung. Im Sommer kamen Pläne des Universitätsrektors Wolfram Ressel in die Öffentlichkeit, die vorsahen 24 Professuren umzuwidmen, um die Chancen auf Gelder aus der Exzellenzinitiative zu erhöhen. Insbesondere die Geisteswissenschaften sind durch diese Pläne in der Substanz bedroht. Die Proteste der Studierenden führte zunächst dazu, dass weitere konkrete Planungen in Kommisssionen ohne studentische Beteiligung verschoben wurden. „Bis dato haben wir keinerlei Informationen wie sich die Planungen entwickeln. Wir befürchten jedoch, dass die neuen Pläne alter Wein in neuen Schläuchen ist. Die drohenden weiteren finanziellen Kürzungen deuten eindeutig in diese Richtung. Bislang gab es keine Zusicherung von Seiten des Rektorats. Wir fordern den Rektor dazu auf, endlich Stellung zu beziehen und sich in unserem Interesse einzusetzen. Als Repräsentant der Universität muss er unsere Interessen auch gegenüber der Landesregierung offensiv vertreten.