TRIBÜNE-Gespräch mit Dr. Hildegard Hamm-Brücher
Frankfurt am Main – Gleichgültig, ob sie über ihre Erfahrungen in der politischen Frühzeit der Bundesrepublik Deutschland berichtet oder die jüngste Bundestagswahl beleuchtet, Hildegard Hamm-Brücher, Grande Dame der deutschen Politik und ehemaliges FDP-Mitglied, ist scharfsinnig und entschieden wie eh und je. Im Interview mit der Frankfurter TRIBÜNE zeigte sie schonungslos die Ränke und Kämpfe auf, die verschiedenen Beschlüssen des Bundestags zur Entschädigung von Opfern des Nazi-Regimes vorausgingen. So nannte sie es einen „Kuhhandel“ und einen „blamablen Vorgang“, wie das Gesetz zur Strafbarkeit der „Auschwitzlüge“ von 1985 zustande kam: Um den rechten Flügel der CDU zur Zustimmung zu bewegen, habe man das „Unrecht der Vertreibung“ in den Text aufgenommen. „Das hat doch mit der ‚Auschwitzlüge’ überhaupt nichts zu tun!“
Auf die Politikverdrossenheit der Bundesbürger angesprochen, verwies Hamm-Brücher einerseits auf grundsätzliche Mängel des politischen Systems: „Als ‚Demos’, als Volksherrschaft, sind Demokratien wie die unsere nicht recht überzeugend. Denn es ist eine elitäre, oligarchische Auslese von komischen Kräften, die unsere Demokratie beherrscht. Nicht einmal drei Prozent der Wähler sind Mitglieder einer politischen Partei, die doch in unserer Politik alles bestimmen!“ Zwar sei man auf Parteien angewiesen, doch müssten die Wirkungsmöglichkeiten der Bürger aufgewertet werden. Andererseits führte die ehemalige FDP-Politikerin das mangelnde politische Engagement gerade der jungen Generationen auf deren unterschiedliche Lebenswelt zurück: Die Nachkriegspolitiker seien von ihrer Erfahrung der Unfreiheit unter Hitler geprägt gewesen und dem unbedingten Willen, in Deutschland einen Neuanfang zu schaffen. „Man kann jungen Menschen nicht mehr Charisma oder Engagement wünschen, denn das würde bedeuten, ihnen so Schreckliches zu wünschen, wie wir es erlebt haben.“
Hart ging Hamm-Brücher mit der Wahlkampfstrategie ihrer ehemaligen Partei während der jüngsten Bundestagswahl ins Gericht. In Anspielung auf ihren Parteiaustritt 2002 aufgrund des Rechtskurses der FDP erklärte sie: „…wäre ich damals nicht ausgetreten, würde ich es heute tun, weil die FDP sich unhaltbar versündigt, wenn sie mit dem Versprechen auf Steuerermäßigungen Wählerfang betreibt. Wie kann eine seriöse Partei bei dieser Staatsverschuldung Steuerermäßigungen versprechen? Das ist einfach unverantwortlich!“ (28.11.2009)
TRIBÜNE-Redaktion
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Ein Gedanke zu „Grande Dame der FDP redet Klartext“
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