Die erste Woche in Bogotá neigt sich dem Ende, geprägt voller neuer Eindrücke, Begegnungen, Hochs und Tiefs.
Die Stadt ist einfach sehr sehr groß, geprägt voller Gegensätze. Sie zeigen sich in der Architektur, Hochäuser, Häuser im viktorianischen Stil, im spanischen Kolonialstil, neue Appartments, unverputzte provisorische Häuser, an den neun Millionen Menschen, die durch die Straßen wandern, neueste Autos, ab und zu Pferdewagen, ein großer Freiraum auf dem Gelände der Nationalen Universität, Polizei und Militär in großer Menge; Armut und Reichtum auf engem Raum. Diese Woche hatte ich die Möglichkeit Einblicke in Teile dieser beiden Welten zu bekommen.
Mittwochs war ich mit Nora in Cazucá, einem Barrio, welches außerhalb gelegen ist und sich an den Bergen hochzieht. Hier ist nichts zu merken vom Leben in der Innenstadt, es mutet eher wie eine ländliche arme Kleinstadt an. Dort findet ein Kurs statt, der von Corporación Foro Joven angeboten wird. Eigentlich ein Computerkurs, doch der Lehrer ist wegen vieler Schwierigkeiten, die es bei der Organisation und im Haus gibt, wo ich derzeit noch wohne, weggegangen. Während der Computerunterricht gegeben wurde, hatte Nora mit Kleingruppen angefangen Kurzfilme zu drehen zu Menschenrechtsthemen. Dies werden wir nun gemeinsam beenden. Es wird noch zwei Treffen geben. Dies ist derzeit auch unser einziger Arbeitstag, ansonsten haben wir im Moment einfach extrem viel frei. Die Leute, die diesen Kurs besuchen sind solch herzliche Menschen, es war sehr rührend dort gewesen. Freude, Interesse und Dankbarkeit in Gesichtern, die schon vieles gesehen haben.
Bis Mitte November werden wir also so gut wie nicht arbeiten können. Dann beginnen die Vorbereitungen für unseren Aufenthalt im Cauca. Um den 20. November herum wird es in Bogotá eine Gender Demo geben. Wir werden wohl der Frauendelegation aus der indigenen Gemeinde, in die wir gehen werden bei den Vorbereitungen hierfür helfen und dann mit ihnen gemeinsam die Rückreise antreten. Wie die Arbeit dort genau aussehen wird, wissen wir noch nicht.
Während unserem Aufenthalt dort wollen Nora und ich uns dann genau überlegen und ausarbeiten, was wir für Kurse in Bogotá anbieten können und wollen (ab Mitte Januar hoffentlich). Die Aussicht auf den Aufenthalt in der Gemeinde ist absolut aufregend und spannend, eine einmalige Möglichkeit. Ansonsten ist es was die Arbeit hier in der Corporacion betrifft schon etwas frustrierend – ich hoffe, dass sich das nach unserer Rückkehr ändern wird.
Die Arbeit mit ehemaligen Kindersoldaten wird sich erst mal wohl nicht realisieren lassen, also versuchen wir das beste daraus zu machen.
Derzeit läuft eine Ausstellung im Mambo – das Museum für Moderne Kunst – über den Bürgerkrieg: La guerra que no hemos visto – Den Krieg den wir nicht gesehen haben. Ehemalige Guerrilleros, Paramilitärs und Soldaten der Armee haben Bilder über ihre Kriegserlebnisse gemalt.
Unter diesem Link könnt ihr euch die Bilder anschauen, doch nur wenn ihr euch das geben möchtet. Die Bilder sind sehr belastend; real, nicht abstrakt gemalt. Was in der Ausstellung in weniger Zeit passiert, ist das, was im ganzen Land passiert. Man gewöhnt sich an diese Schreckensbilder. Das ist das traurige hier, was in der Ausstellung kommentiert wurde, und auch von Menschen hier berichtet wird. Die ganze Gewalt ist zur Normalität geworden.
Der Bürgerkrieg geht weiter, und da mutet es abstrus an, wenn die Konrad-Adenauer-Stiftung in einem Essay zur Situation Kolumbiens, diesen Bürgerkrieg verleugnet, in welchem alle Konfliktparteien massiv gegen Menschenrechte verstoßen. Doch verständlich wird es unter dem Umstand, dass Verhandlungen zwischen der kolumbianischen und peruanischen Regierung mit der Europäischen Union stattfinden zur Umsetzung von Handelsabkommen.
In das etwas unbeschwertere Kolumbien konnte ich am Freitag einsehen. Ich war mit einem Freund unterwegs, den ich in Granada (Spanien) kennengelernt hatte. Er wohnt im wohlhabenderen nördlichen Teil der Stadt und gehört hier zur Oberschicht. Wir waren auf einer Hausparty, hier wie auch in Deutschland würde man die Leute dort als Yuppies bezeichnen, doch damit würde man denjenigen, die ich kennenlernte, Unrecht tun. Es waren sehr nette, interessierte und kritische Leute, die einfach in bessere Umstände geboren wurden und diese Vorzüge genießen.
Die Armut in Kolumbien nimmt zu, was sich in steigender Raubkriminalität ausdrückt einhergend mit einer enormen Zunahme an Polizeipräsenz, wobei viele sich mehr vor der Polizeiwillkür sorgen, als vor dem anderen.
Arne
Anm. d. Redaktion: weitere Texte von Arne und eine Erklärung, wer er ist, findet Ihr hier.