DIDF Stuttgart, Borsigstr. 5, 70469 Stuttgart
Veranstalter: Rosa Luxemburg Stiftung & DIDF Stuttgart
Seit Juli wird die kurdische Stadt Kobanê von den schwer bewaffneten Milizen des «Islamischen Staats» (IS) belagert.
Kurz nachdem in Syrien die Proteste gegen Assad aufflammten, begann in Kobanê und in den umliegenden Provinzen Nordsyriens, Rojava, ein Prozess des Aufbaus einer gesellschaftlichen Struktur, die für die gesamte Region einzigartig ist: die syrisch-kurdische «Partei der Demokratischen Union» PYD begann mit dem Aufbau autonomer Verwaltungsstrukturen auf der Basis demokratischer Rätestrukturen, mit Geschlechterquotierung, kostenloser Schulbildung und Produktionsgenossenschaften – unter Einbezug der verschiedenen Bevölkerungsgruppen entlang ethnischer oder religiöser Zugehörigkeit. Dieser Versuch der kurdischen Selbstverwaltung ist nun massiv gefährdet.
Anfängliche Hoffnungen, dass das türkische Militär die Selbstverteidigungskräfte in Kobanê unterstützen würden, erwiesen sich schnell als falsch. Die türkische Regierung erklärte, dass sie das «terroristische Gebilde» an ihrer Grenze, das sie mit der PKK gleichsetzt, nicht dulden werde. Darüber hinaus verweigerte die Türkei über Monate nicht nur logistische oder militärische Unterstützung für die YPG (Volksverteidigungskräfte der kurdischen Bewegung in Rojava), vielmehr half sie direkt dem IS – durch den Transfer von salafistischen Kämpfern, Versorgungsgütern und Waffen.
Die Proteste gegen diese Politik haben sich nun in der Türkei zu Aufständen entwickelt. Die kurdische Bewegung hat die Friedensverhandlungen für gescheitert erklärt. Zusammen mit linken Organisationen mobilisiert sie Hunderttausende in verschiedenen Städten der Türkei. Die Forderungen an die türkische Regierung lauten: Öffnung der Grenze nach Kobanê, um Freiwillige und Hilfsgüter nach Kobanê bringen zu können und um Flüchtlinge aus der Stadt Kobanê aufnehmen zu können. Die Massenproteste wurden mit massiver Polizeigewalt zurückgeschlagen unterstützt von bewaffneten islamistisch-nationalistischen Gruppen. Hunderte Menschen wurden verletzt, Dutzende getötet. Das türkische Militär bombardierte PKK Stellungen im Südosten der Türkei.
Im Moment steht nicht nur das Überleben der Menschen in Kobanê und in den anderen Teilen Rojavas auf dem Spiel, die Politik der AKP-Regierung gefährdet darüber hinaus den Verhandlungsprozess zwischen der AKP und der PKK, was ein türkisch-kurdischen Bürgerkrieg in der Türkei wieder wahrscheinlich werden lässt.
Im Vortrag wird Murat Çakır über die jüngsten Entwicklungen in der Region berichten. Er wird dabei auf die Interessen der Türkei, die der anderen westlichen Staaten und auf die Bedeutung des Konflikts für die kurdische Bewegung eingehen. Schließlich soll diskutiert werden, was die Linke hierzulande tun kann – und wie eine internationale Solidarität aussehen kann.
Murat Çakır ist Journalist und Mitarbeiter der Rosa-Luxemburg-Stiftung Hessen. Er hat zusammen mit Errol Babacan einen Text zur Situation in Kobanê veröffentlicht: http://www.zeitschrift-luxemburg.de/kampf-um-koban-ausnahmezustand-in-der-tuerkei-und-internationale-solidaritaet/