Gaststätte "HendlHouse", Marktplatz 5, 73728 Esslingen a. N.
Veranstalter: Tunnelblick
Anfang der 1990er-Jahre plante die französische Eisenbahngesellschaft SNCF eine Erweiterung ihres Hochgeschwindigkeitsbahnnetzes bis zum Mittelmeer. Gegen die neue Bahnstrecke formierte sich eine Protestbewegung von Bauern, Winzern und Anwohnern. Die Bahnstrecke wurde dennoch gebaut und die damalige Gegenbewegung ist heute vergessen. Jedoch ist ein in diesem Zusammenhang entstandenes Pamphlet überliefert, das sich gegen die »Tyrannei der Geschwindigkeit« richtet. Darin unterziehen die Autoren, die aus dem Umfeld der Situationistischen Internationale stammen, die kapitalistische Gesellschaft einer schonungslosen Kritik. Ihre Analyse des modernen Beschleunigungswahns ist vor dem Hintergrund von Stuttgart 21 geradezu tagesaktuell.
Fast 25 Jahre nach seiner Entstehung liegt der in Vergessenheit geratene Text nun erstmals in deutscher Übersetzung vor und wird in Kürze in der »Edition Tunnelblick« erscheinen. Im Rahmen der »Esslinger Werkstatt für Politik und Gesellschaft« wollen wir ihn und seine Autoren vorstellen und die zentralen Thesen diskutieren.
»Der Wunsch nach Bewegungsfreiheit war einer der zuverlässigsten Gründe, um despotische Regimes zu stürzen. Bei genauerem Hinsehen wird jedoch klar, dass es die Waren sind, welche die Bewegungsfreiheit eroberten, während die Menschen zu Handelsgütern degradiert wurden, die bezahlen, um von einem Ort der Ausbeutung zu einem anderen zu gelangen. Das Befreiungsversprechen, nicht länger gezwungen zu sein, das Leben an einem einzigen Ort zu verbringen, wurde am Ende dieser Entwicklung verkehrt in die unglückliche Gewissheit, nirgends mehr zu Hause zu sein und immer in die Ferne streben zu müssen, um sich selbst zu finden.« Encyclopédie des Nuisances, Juli 1991.