Wettern der Woche
Weggetreten!

Kommando: Pimperlen! Kommando: Bock! Kommando: Doppelbock!!! Was für schöne Spiele aus der Jugendzeit, als wir noch unverdorben und naiv waren! Inzwischen haben wir den Kriegsdienst verweigert oder sind Majore geworden in Afghanistan,
haben wieder sprechen gelernt und widersprechen, wir wissen längst, wie man eine Demo anmeldet und den Schikanen der eigenen und der anderen Seite entgeht. Wir haben gelernt, daß ein Leserbrief nicht veröffentlicht werden muß, er aber dennoch seine Wirkung haben kann und daß nicht alles, was gedruckt wird, auch wahr ist. Wir haben gelernt, zwischen den Zeilen zu lesen und daß vieles, was wirklich interessant ist, weder in der Zeitung steht noch im Radio zu hören ist. Von den Privaten reden wir hier nicht. Wir haben uns durch Diktaturen geschlagen und eigene Dummheiten bereut, wir haben Freunde verloren und Feinde gewonnen, wir
haben gejubelt und verzagt, wir haben eingesteckt und ausgeteilt. Oft haben wir an unseren eigenen Fähigkeiten gezweifelt – sehr zu Unrecht – und oft an der Demokratie – meistens sehr zu Recht. Wir haben erfahren, die die Klugscheißer Dummbrösel sind, daß Experten mehr als einmal keine Ahnung haben und daß Geld die Welt regiert. Das allerdings wußte schon meine Omi Glimbzsch aus Zittau. „Die sind alle korrupt“, sagte sie oft, aber ich widersprach: Nicht alle.

Man lernt nie aus. Auch der Bundeswehroffizier weiß, genauso wie der Schütze Arsch: Er kann den Befehl verweigern. Er kann, wenn er im „Inneren des Landes“ eingesetzt werden soll, das Gewehr in die Ecke stellen und sagen: Mit mir nicht! Befehlserweigerung ist, ich geb’s ja gern zu, eine in unserem Lande kaum geübte Tradition, wie Historiker und Politikwissenschaftler wissen. Ehren wir daher Leute wie unseren Landsmann Georg Elser, den Schreiner aus Königsbronn. Ehren wir alle jene, die die Knarre ins Korn geworfen haben – damit nie Gras über die Möglichkeit wächst, Nein zu sagen.

Georg Elser, der Verschwiegene, Vergessene, blieb abwesend in der Republik. Ab Ende August 1939 schlenderte der Gewissenhafte Abend für Abend in den Münchner Bürgerbräukeller, aß einen Happen und machte sich dann an die Arbeit, um den erklärten Krieg zu verhindern. Da hörte man die Stauffenbergs noch jubeln fürs Großdeutsche Reich. 1945 wurde Elser von den Deutschen ermordet.

Heute brauchen wir keine Bürgerbräukeller mehr, nicht dafür. Wir brauchen Verstand und eine verlässliche Verfassung. Da hapert’s noch ein wenig.

Über Peter Grohmann

Peter Grohmann, Jahrgang 1937, Breslauer Lerge, über Dresden auf d' Alb, dann runter nach Stuttgart: Schriftsetzer und Kabarettist, Autor und AnStifter gegen Obrigkeitsstaat und Dummdünkel. Mitgründer: Vom Club Voltaire übers undogmatische Sozialistische Zentrum, vom Theaterhaus zu den AnStiftern. Motto: Unruhe ist die erste Bürgerinnenpflicht. Was ärgert Grohmann? Alle, die den Arsch nicht hochkriegen, aber dauernd meckern. Und an was erfreut er sich? An Lebensfreude und Toleranz